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BGH-Urteil über Telefonentgelte bei Anwahl von 0190-Sondernummern!

BGH III-Senat – Versäumnisurteil

Az: III ZR 5/01

Urteil vom 22.11.2001

Vorinstanzen: OLG Celle, LG Hannover


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich):

Gegenüber der Telefon-Rechnung eines Mobilfunknetzbetreibers (Vertragspartner), kann nicht der Einwand erhoben werden, dass die in der Rechnung aufgeführten 0190-Sondernummern zu dem Zweck angewählt worden sind, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche zu führen. Man aus diesem Grund nicht die Zahlung verweigern.


Sachverhalt:

Die Klägerin (Mobilfunkunternehmen) verlangt von der Beklagten, mit der sie einen Vertrag über Mobilfunkdienstleistungen abgeschlossen hatte, die Zahlung von mehr als 20.000 DM für 0190-Verbindungen. Die Beklagte hat die Begleichung der Rechnungen mit der Begründung verweigert, ihr Vater habe diese Sondernummern angewählt, um Telefonsex zu betreiben. Das Berufungsgericht hat unter Hinweis darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Telefonsex-Verträge nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig sind, die Klage zum größten Teil abgewiesen.

Entscheidungsgründe: Die Revision der Klägerin hatte in der Hauptsache Erfolg. Dabei hat der III. Zivilsenat offen gelassen, ob bezüglich der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Telefonsex-Verträgen an der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats festzuhalten ist (Sittenwidrigkeit solcher Verträge!). Der III. Zivilsenat hat die Klageforderung insbesondere deshalb für berechtigt erachtet, weil sowohl der zwischen einem Netzbetreiber und seinem Kunden geschlossene Telefondienstvertrag als auch die vertraglich in erster Linie geschuldete Leistung – Herstellen und Aufrechterhalten einer Telefonverbindung – wertneutral sind. Der Netzbetreiber hat keinen Einfluss darauf, welche Teilnehmer zu welchen Zwecken in telefonischen Kontakt treten. Der Inhalt der geführten Gespräche ist für ihn nicht kontrollierbar und geht ihn nichts an.


Leitsätze-amtlich:

a) Die inhaltliche Verantwortlichkeit für sog. Telefon- oder Sprachmehrwertdienste (0190-Sondernummern) trifft nach § 5 Abs. 1 und 3 TDG grundsätzlich nur den Diensteanbieter, nicht den die Verbindung zwischen dem Anrufer und dem Diensteerbringer herstellenden Netzbetreiber.

b) Stellt ein Netzbetreiber auf der Grundlage eines bestehenden (wertneutralen) Telefondienstvertrags einem Kunden für die Inanspruchnahme von Telefon- oder Sprachmehrwertdiensten (0190-Sondernummern) das nach der geltenden Preisliste ermittelte Entgelt in Rechnung, so kann der Kunde nicht einwenden, die in der Rechnung aufgeführten 0190-Sondernummern seien zu dem Zweck angewählt worden, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche zu führen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 9. Juni 1998 – XI ZR 192/97 – NJW 1998, 2895).


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2000 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. Mai 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.944,34 DM nebst 5,95 v.H. Zinsen aus 21.944,34 DM vom 21. Oktober 1999 bis zum 31. Dezember 1999, 6,5 v.H. Zinsen aus 5.755,77 DM seit dem 1. Januar 2000, 4 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz, jedoch höchstens 6,5 v.H. Zinsen aus 16.188,57 DM seit dem 1. Januar 2000 sowie 5 DM Mahnkosten zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 5 v.H. und die Beklagte 95 v.H.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, die ein Mobilfunknetz betreibt, schloß mit der Beklagten im Juli 1997 einen Vertrag über Mobilfunkdienstleistungen ab. Nachdem die Beklagte den zuletzt noch offenen, gemäß Rechnungsstellung vom 9. Oktober 1999 auf 21.944,38 DM lautenden Betrag nicht bezahlt hatte, deaktivierte die Klägerin den Anschluß der Beklagten. Der weitaus überwiegende Teil der in der Rechnung ausgewiesenen Verbindungsentgelte beruht auf der Nutzung von 0190-Rufnummern in den Monaten Juni und Juli 1999. Nach Behauptung der Beklagten wählte ihr Vater diese Nummern an, wobei es jeweils um Telefonsex gegangen sein soll.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des Rechnungsbetrages nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte zum großen Teil Erfolg. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Über die Revision ist gemäß §§ 557, 331 ZPO durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff). Sie hat im wesentlichen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Aufgrund der glaubhaften Zeugenaussage des Vaters der Beklagten stehe fest, daß er unter Benutzung des Mobilfunktelefonanschlusses der Beklagten die in Rechnung gestellten 0190-Sondernummer-Verbindungen in Anspruch genommen habe. Dabei habe es sich nach Darstellung des Zeugen bei etwa 10 v.H. der geführten Gespräche um „Dating-Lines“-Verbindungen und bei schätzungsweise 90 v.H. um reinen Telefonsex gehandelt. Nach Überzeugung des Gerichts seien jedenfalls 75 v.H. der geführten Gespräche als „erotische Echtzeitgespräche“ einzustufen; verbleibende Zweifel bezüglich der Anzahl der tatsächlich geführten Telefonsex-Gespräche müßten sich dabei zum Nachteil der beweisbelasteten Beklagten auswirken.

I.

Im Unterschied zu den „Dating-Lines“-Diensten, bei denen lediglich telefonische Kontakte innerhalb eines zufällig zustande gekommenen, ständig wechselnden Kreises von Teilnehmern hergestellt worden seien, seien die den erotischen Echtzeitgesprächen zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen sittenwidrig und daher nichtig. Der Makel der Sittenwidrigkeit erfasse zwar nicht den zwischen dem Teilnehmer und dem Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen bestehenden Telefonvertrag. Daher könnte die Klägerin an sich eine Vergütung für den auf ihre Dienstleistung (Herstellen und Aufrechterhalten der Verbindung) entfallenden Teil der 0190-Nummern-Gebühren verlangen. Da die Klägerin jedoch trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt habe, zu welchen Teilen in den Entgelten für Anrufe bei Sondernummer-Teilnehmern reine Telekommunikationsdienstleistungsentgelte enthalten seien, könne sie hinsichtlich des auf 75 v.H. geschätzten Aufkommens an erotischen Echtzeitgesprächen überhaupt keine Vergütung verlangen.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Sittenwidrigkeit von Telefonsex-Verträgen befindet sich das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Danach sind derartige Vereinbarungen als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und deshalb nichtig anzusehen, weil durch solche Abreden ein bestimmtes Sexualverhalten der potentiellen Kunden von Telefonsexdienste-Anbietern in verwerflicher Weise ausgenutzt werden soll (Urteil vom 9. Juni 1998 – XI ZR 192/97 – NJW 1998, 2895, 2896 m. zahlr. Nachw. der unterschiedlichen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung der Instanzgerichte). Die Frage ist auch nach der Entscheidung des XI. Zivilsenats streitig geblieben (im Anschluß an dieses Urteil Sittenwidrigkeit bejahend: OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 1430; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1431; zweifelnd OLG Jena, OLG-Report 2000, 439, 440; verneinend OLG Köln, MMR 2001, 43, 44 f).

Soweit es darum geht, ob Verträge wegen Verstoßes gegen die Standards der (noch) herrschenden Sexualmoral sittenwidrig und deshalb nichtig sind, hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine erhebliche Liberalisierung der Vorstellungen stattgefunden. Der Wandel der Moralvorstellungen ist gerade in jüngster Zeit im parlamentarischen Raum durch den von der Revision angeführten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 14/5958) deutlich geworden und auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verzeichnet worden (BFH, NJW 2000, 2919 zur Frage, ob Telefonsex-Dienstleistungen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen, und der zur Veröffentlichung vorgesehene Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2001 – 1 C 17/00 – zur Frage, ob die Prostitutionsausübung durch die EG-vertragliche Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit erfaßt wird). Es erscheint daher schon jetzt zweifelhaft, ob der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats weiterhin zu folgen ist. Jedenfalls dann, wenn dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangen sollte, stellt sich die Frage der rechtlichen Bewertung von Telefonsex-Verträgen völlig neu.

2. Die Frage, ob Telefonsex-Verträge nach wie vor als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen sind, kann indes dahinstehen. Die von der Klägerin für die Anwahl von 0190-Sondernummern in Rechnung gestellten Beträge hat die Beklagte in jedem Fall zu bezahlen. Denn Grundlage der Rechnungsstellung sind nicht besondere, zwischen der Beklagten oder ihrem Vater getroffene Entgeltabreden mit den Erbringern von (sittenwidrigen) Telefonsexdiensten, sondern in erster Linie der zwischen den Parteien geschlossene (wertneutrale) Vertrag über Mobilfunkdienstleistungen in Verbindung mit der jeweils geltenden Preisliste. Dies ergibt sich aus der besonderen Natur des Telefondienstvertrags und den dieses Vertragsverhältnis ausformenden Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120) und des Teledienstegesetzes (TDG) vom 22. Juli 1997 (BGBl. I S. 1870), die der XI. Zivilsenat bei seiner Entscheidung nicht in den Blick genommen hat und aufgrund des seiner Beurteilung unterliegenden Sachverhalts auch nicht in den Blick zu nehmen brauchte.

1. Durch den Abschluß des als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Mobilfunkvertrags, der eine besondere Form des Telefondienstvertrags darstellt, hat sich die Klägerin dazu verpflichtet, der Beklagten den Zugang zu dem Mobilfunknetz der Klägerin zu eröffnen und somit unter Aufbau abgehender und Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit beliebigen dritten Teilnehmern eines Mobilfunknetzes oder Festnetzes Sprache auszutauschen (Graf v. Westphalen/Grote/Pohle, Der Telefondienstvertrag, 2001, S. 170 f). Es versteht sich, daß dieser Vertrag nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmendem Gesamtcharakter (vgl. BGHZ 107, 92, 97) nicht nach § 138 Abs 1 BGB nichtig ist. Dies ist nicht deshalb anders, weil bereits bei Vertragsschluß objektiv die Möglichkeit bestand, unter Benutzung des Anschlusses der Beklagten Telefonsex-Sondernummern anzuwählen.

Bei der Frage, ob und wie sich die Sittenwidrigkeit eines telefonisch abgeschlossenen Vertrags auf den Vergütungsanspruch des Netzbetreibers auswirkt, ist zu beachten, daß dieser an dem zu beanstandenden Rechtsgeschäft nicht, und zwar auch nicht als Bote (§147 Abs. 1 Satz 2 BGB), beteiligt ist. Er hat keinen Einfluß darauf, welche Teilnehmer zu welchen Zwecken in telefonischen Kontakt treten. Der Inhalt der geführten Gespräche ist für ihn nicht kontrollierbar und geht ihn grundsätzlich nichts an.

Daher stellt der zwischen einem Netzbetreiber und seinem Kunden geschlossene Telefondienstvertrag ein wertneutrales Hilfsgeschäft dar mit der Folge, daß sowohl die Wirksamkeit des Vertrags überhaupt als auch der Entgeltanspruch für die vertragsgegenständliche Telekommunikationsdienstleistung davon unberührt bleibt, ob ein Fernsprechteilnehmer die durch das Anwählen einer bestimmten Anschlußnummer hergestellte Fernsprechverbindung dazu benutzt, ein Telefongespräch mit sittenwidrigem Inhalt zu führen. Dies leuchtet in denjenigen von der Rechtsprechung entschiedenen „Telefonsex-Fällen“ unmittelbar ein, in denen sich der Anbieter von Telefonsexleistungen vom Anrufer unter Benutzung eines „normalen“ Telefonanschlusses eine bestimmte Vergütung hat versprechen lassen (50 bzw. 60 DM, vgl. die Urteile des AG Offenbach, NJW 1988, 1097 und des AG Essen, NJW 1989, 3162). Die Auffassung, daß sich der Anrufer bei einer derartigen Fallkonstellation mit dem Einwand, Telefonsex sei sittenwidrig, nicht nur gegenüber dem die vereinbarte Vergütung einklagenden Telefonsex-Unternehmer, sondern auch gegenüber dem die angefallenen Telefongebühren in Rechnung stellenden Netzbetreiber Gehör verschaffen könnte, ist, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung noch nirgends vertreten worden.

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2. Die Wertneutralität des Telefondienstvertrags und der Dienstleistungen des Netzbetreibers ist nach Auffassung des Senats auch dann von ausschlaggebender Bedeutung, wenn – wie hier und heutzutage wohl regelmäßig – Telefonsex-Dienste unter einer 0190-Sondernummer angeboten werden.

a) Die 0190-Sondernummern betreffen sog. Telefon- oder Sprachmehrwertdienste, auch „Premium rate“-Dienste genannt (vgl. AVfg 303/1997 regst über die vorläufigen regeln für die befristete Zuteilung von noch freien Rufnummern aus dem Teilbereich (0)190 für „Premium rate“-Dienste, Amtsblatt des Bundesministeriums für Gott und Telekommunikation, 1997, 1862). Bei der Inanspruchnahme dieser „Premium rate“-Dienste sind sowohl nach der Definition der Regulierungsbehörde als auch nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Telekom AG Service 0190 (abgedruckt bei Gehrhoff/Grote/Siering/Statz, AGB der Deutschen Telekom, D 14.100, dort insbesondere Nr. 7) – die nach dem Vorbringen der Klägerin die (alleinigen) vertraglichen Beziehungen zu den hier in rede stehenden Telefonsex-Diensteanbietern unterhalten haben soll – mindestens zwei unterschiedliche Vertrags- und Rechtsverhältnisse zu unterscheiden: die die technische Seite des Vorgangs betreffende und im rahmen des Telefondienstvertrags zu erbringende Dienstleistung des Telekommunikationsunternehmens (vgl. § 3 Nr. 16, 19 TKG) und die die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffende „weitere Dienstleistung“, hier die Erbringung von Telefonsex-Diensten. Bei dieser weiteren Dienstleistung handelt es sich um Teledienste im Sinne des Teledienstegesetzes (so Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 4 rn. 4 a; Spindler, in: Roßnagel, recht der Multimedia-Dienste, § 2 TDG [Stand: Januar 1999] rn. 36 f). Daraus folgt, daß nach § 5 Abs. 1 und 3 TDG die Verantwortlichkeit für den Inhalt der angebotenen Dienste den Diensteanbieter, nicht aber daneben (auch) den den Zugang zur Nutzung vermittelnden Netzbetreiber trifft. Angesichts dieser klaren gesetzlichen Trennung der Verantwortungsbereiche geht es nicht an, unter Hinweis darauf, daß Telefonsex ohne Telefonverbindung nicht denkbar sei und der Netzbetreiber ebenfalls von der (sittenwidrigen) Leistung des Diensteanbieters profitiere (so vor allem OLG Stuttgart, OLG-Report 2001, 231, 232; OLG Düsseldorf aal), dem Netzbetreiber gleichwohl den sittenwidrigen Charakter der angebotenen Mehrwertdienste entgegenzuhalten. Vielmehr bleibt es auch im Bereich der 0190-Sondernummern dabei, daß sich der Netzbetreiber grundsätzlich nicht darum kümmern muß, wer zu welchen Zwecken und aus welchen Motiven seine Leistungen in Anspruch nimmt.

b) Allerdings werden bei der Anwahl von 0190-Sondernummern dem Anschlußnehmer deutlich höhere Greise als bei sonstigen Gesprächen von gleicher Dauer in Rechnung gestellt. Das beruht darauf, daß in diesen Entgelten nicht nur die – wertneutralen – Verbindungspreise, sondern auch die Vergütung des Diensteanbieters enthalten sind (vgl. nur Nr. 9 des Preisliste Telefondienst [Inlandsverbindungen] der Deutschen Telekom AG, abgedruckt bei Gehrhoff/Grote/Siering/Statz aal D 01.121).

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß ungeachtet der Unbedenklichkeit des Telefondienstvertrags und der vertragsgemäß erbrachten Vermittlungsdienste die Klägerin nicht in der Lage sei, den nichtigen Vergütungsanspruch des Telefonsex-Diensteanbieters einzuziehen. Demgegenüber geht die wohl herrschende Meinung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dahin, daß die Wertneutralität der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber auch den für 0190-Sondernummern berechneten Gesamtpreis abdeckt (OLG Jena aal; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 930; OLG Hamm, MMR 2000, 371; OLG Saarbrücken, OLGReport 2001, 123 f). Der letzteren Auffassung ist zu folgen.

aa) Das bei Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten zu zahlende Entgelt richtet sich grundsätzlich nach der angewählten „Untergasse“ (etwa: 01904: 0,81 DM pro Minute; 01901: 1,21 DM pro Minute usw.). Die jeweilige, in den Preislisten der Netzbetreiber kenntlich gemachte (vgl. Preisliste der Deutschen Telekom AG aaO Nr. 9.2 bis 9.5) Preisklasse hängt nicht davon ab, welche Art von Diensten nachgefragt wird. An der Erbringung dieser Dienste sind darüber hinaus – zwar nicht notwendig, aber typischerweise – eine Mehrzahl von Unternehmen beteiligt (Teilnehmernetzbetreiber, Verbindungsnetzbetreiber, Plattformbetreiber, Diensteerbringer; vgl. im einzelnen Piepenbrock/Müller, MMR-Beilage 12/1999 S. 2). Jedes Vertragsverhältnis dieser mehrstufigen Beziehungen ist rechtlich selbständig. Dabei ist sowohl das auf den Telefondienstvertrag in Verbindung mit der geltenden Preisliste gestützte Abrechnungsverhältnis der Klägerin zu ihren Kunden als auch das auf der Zusammenschaltungsvereinbarung zu der Telekom beruhende Abrechnungsverhältnis von der konkret in Anspruch genommenen Dienstleistung – anders als bei herkömmlichen Inkassogeschäften – gelöst. Würde man hier, wie das Berufungsgericht gemeint hat, den von der Beklagten erhobenen Sittenwidrigkeitseinwand durchgreifen lassen, maßte letztlich auf jeder „Abrechnungsstufe“ getrennt geprüft werden, wie hoch der Vergütungsanteil für die jeweilige Telekommunikationsdienstleistung ist und ob er gegebenenfalls von dem (zumindest) auf der letzten Stufe durchgreifenden Sittenwidrigkeitsverdikt erfaßt wird. Es versteht sich, daß eine derartige Verfahrensweise die Funktionsfähigkeit des Massengeschäfts Mehrwertdienste insgesamt in Frage stellen würde.

bb) Im Interesse der Erhaltung der „Marktgängigkeit“ kostenpflichtiger (und zum grössten Teil rechtlich unbedenklicher) Sprachkommunikationsdienstleistungen, die nicht zuletzt im Interesse der Kunden liegt, sind nach § 15 Abs. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2910) bei der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen anderer Unternehmen alle kostenpflichtigen Dienstleistungen – wie hier geschehen – in einer Rechnung zusammenzufassen, ohne dass es erforderlich ist, die auf die verschiedenen Dienstleistungen entfallenden Entgeltanteile gesondert auszuweisen. Es genügt die Angabe des Gesamtentgelts. Zwar erfasst der Wortlaut der Bestimmung nicht ausdrücklich (auch) Telefonmehrwertdienste. Eine dahingehende Auslegung ist jedoch nahe liegend und steht im Einklang mit den vorläufigen Regeln der Regulierungsbehörde sowie der Rechtsauffassung der Beschlußkammer 3 der Regulierungsbehörde (vgl. MMR 2000, 298, 308 f).

cc) Dadurch, dass es dem Vertragspartner des Netzbetreibers verwehrt ist, sich auf die Sittenwidrigkeit in Rechnung gestellter Telefonsex-Dienste zu berufen, werden schützenswerte Belange derjenigen, die derartige Dienste in Anspruch nehmen, nicht verletzt. Ob und mit welcher – die Sittenwidrigkeitsschwelle überschreitender – Intensität sexualbezogene Gespräche geführt werden, unterliegt allein der freien, vom Netzbetreiber nicht beeinflussbaren und nicht kontrollierbaren individuellen Entscheidung des Anrufers, der zudem zuverlässiger als jeder andere – anders als dies möglicherweise bei sonstigen missbilligenswerten (betrügerischen) Mehrwertdienstleistungen der Fall ist – die Beschaffenheit der nachgefragten Dienstleistung beurteilen kann.

IV.

Der Klägerin ist der geltend gemachte Hauptanspruch in voller Höhe zuzusprechen. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für die Zeit vom 21. Oktober bis zum 31. Dezember statt der beantragten und vom Landgericht zugesprochenen 6,5 v.H. nur 5,95 v.H. Zinsen zugebilligt hat, hat es bei der Klageabweisung zu verbleiben. Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind insoweit nicht erkennbar. Diesbezügliche Rügen erhebt die Revision nicht.

Im übrigen ist bei der Entscheidung über die Zinsen zu berücksichtigen, dass der variabel ausgestaltete Zinssatz auch in Zukunft – wie dies bereits im Zeitraum vom 21. Oktober bis zum 31. Dezember 1999 der Fall war – unter den vom Berufungsgericht zuerkannten Satz von 6,5 v.H. fallen kann. Hinsichtlich des vom Berufungsgericht zugesprochenen Hauptsachebetrags von 5.755,77 DM hat es freilich, da die Beklagte keine Anschlussrevision eingelegt hat, bei der Nebenentscheidung des Berufungsgerichts zu verbleiben.

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