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Abiturprüfung – Nichtbestehen

VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Az.: 7 K 1278/05.KO

Urteil vom 19.12.2006


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Nichtbestehens der Abiturprüfung hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006, für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen der Abiturprüfung.

Der Kläger war im Schuljahr 2003/2004 Schüler am …-Gymnasium in Bad K. und nahm dort im Jahre 2004 an der Abiturprüfung teil.

In der mündlichen Prüfung im Fach Gemeinschaftskunde/Geschichte am 15. März 2004 erhielt der Kläger zu dem von ihm angegebenen Prüfungsschwerpunkt „Geschichte der DDR“ 2 Texte mit den Bezeichnungen „M 1″ und „M 2″ vorgelegt: einen Artikel aus dem „Neuen Deutschland“ vom 24. September 1970 (Gabriel P.: „Die Kraft der Einheitsfront“), der die Bodenreform im Jahre 1945 zum Thema hat, sowie einen Auszug aus der Schriftenreihe Lectum (Heft 1/90, S. 21) betreffend den Volkskammerbeschluss vom 1. Dezember 1989, mit dem der Führungsanspruch der SED aus der Verfassung der DDR gestrichen worden ist.

Hierzu wurden folgende Aufgaben gestellt:

„1. a) Stellen Sie den Inhalt der historischen Darstellung zur Bodenreform (M 1) knapp vor.

b) Interpretieren Sie die unterstrichenen Passagen und beziehen Sie dabei ideologische Grundanschauungen und taktische Motive ein.

c) Schildern Sie das weitere Schicksal der „Neubauern von 1945″ und erklären Sie es im Rahmen der Organisation der Landwirtschaft in der Planwirtschaft der DDR.

2.a) In der Volkskammer der DDR saßen die Abgeordneten von 10 Fraktionen. Warum und wodurch wurde dennoch die Vorherrschaft der SED sichergestellt (M 2)?

b) Erläutern Sie anhand der Darstellung des Volkskammerbeschlusses (M 2) vom 01.12.1989, dass mit dieser Entscheidung die Selbstaufgabe der DDR vollzogen war.

c) Nehmen Sie am Beispiel des Endes der DDR Stellung zur Rolle des Zufalles in der Geschichte.“

Weiteres Thema der 20-minütigen mündlichen Prüfung war das – ebenfalls vom Kläger ausgewählte – so genannte zweite (kleine) Prüfgebiet „SS-Staat und Konzentrationslager“.

Nachdem die Prüfungsleistung des Klägers am Ende der mündlichen Prüfung mit 1 Punkt bewertet und dem Kläger im Anschluss hieran mündlich eröffnet worden war, dass er die Abiturprüfung nicht bestanden habe, teilte ihm der Schulleiter mit Schreiben vom 22. April 2004 nochmals die Gründe für das Nichtbestehen mit. Mit insgesamt 85 Punkten sei die zum Bestehen des Abiturs im Bereich der Grundfächer erforderliche Punktgrenze von 100 Punkten verfehlt worden; auch habe der Kläger die in mindestens 2 Prüfungsfächern jeweils erforderlichen 25 Punkte in nur einem Fach erreicht. Daraufhin meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 19. März 2004 von der Schule ab und erhielt ein entsprechendes Abgangszeugnis.

Am 13. April 2004 erhob der Kläger durch seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten Widerspruch „gegen das Abgangszeugnis … vom 19. März 2004″ und führte dazu näher aus, dass sich der Widerspruch inhaltlich gegen das Ergebnis der mündlichen Prüfung vom 15. März 2004 und das Nichterreichen der allgemeinen Hochschulreife richte.

Nach Zurückweisung des Widerspruches durch den Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 hat der Kläger am 21. Juli 2005 die vorliegende Klage erhoben.

Er ist der Auffassung, dass der Beklagte gegen fundamentale Prüfungsgrundsätze verstoßen habe. In einer Abiturprüfung dürfe nämlich nichts verlangt werden, was der Prüfling nicht zuvor im Unterricht habe lernen können. Ein in diesem Sinne mangelhaft vorbereiteter Prüfungsstoff könne für die Bewertung der Prüfungsleistung nicht relevant sein; eine entsprechende Prüfungsfrage sei von vorneherein unzulässig, so dass es gar nicht darauf ankomme, wie oder ob überhaupt der Prüfling die Frage beantwortet habe. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei vorliegend insbesondere die Prüfungsfrage 2.c) unzulässig. Die in diesem Zusammenhang erörterten Äußerungen des ehemaligen ZK- und Politbüro-Mitgliedes Günter Schabowski anlässlich einer Pressekonferenz am 9. November 1989, die letztendlich noch am selben Tage zur Öffnung der Mauer geführt hätten, seien keineswegs wie im Unterricht gelehrt und auch im übrigen weithin angenommen ein Zufallsprodukt. Insbesondere sei Schabowski ausweislich näher bezeichneter Quellen wie auch eigener späterer Einlassungen damals keinesfalls gegenüber einem zufällig zu seinem Ansprechpartner gewordenen Journalisten einem zufälligen Interpretationsfehler in Bezug auf den dort thematisierten Reisegesetzentwurf unterlegen. Die Bekanntgabe in dieser Art und Weise habe vielmehr genauem Kalkül der unter dem politischen Druck der Strasse stehenden Machthaber entsprochen. Unzulässig sei auch die in der Prüfung im Rahmen der Frage 2.c) angesprochene philosophische Detailfrage nach der Rolle des Zufalls in der marxistisch-leninistischen Ideologie. Diese Frage sei nämlich ebenfalls nicht im Unterricht besprochen worden; dort sei lediglich am Rande die Rede von der marxistisch-leninistischen Ideologie als solcher gewesen. Zudem sei die Frage 2.c) derart weitschweifig und vieldeutig gefasst, dass ein Prüfling sie auch unter Berücksichtigung des Unterrichts ohne Hilfestellung gar nicht habe bewältigen können, von Anfang an also keine Chance gehabt habe, die volle Punktzahl zu erreichen. Dies verstoße gegen den Grundsatz, nach dem der Prüfling bei verständiger Würdigung und aufgrund einfacher Auslegung der Prüfungsfragen erkennen können müsse, was man von ihm wolle, und mehrdeutige Fragen unzulässig seien. Des Weiteren sei die Prüfungsfrage – wenn auch sehr knapp – im Ergebnis richtig dahingehend beantwortet worden, dass es keinen Zufall gegeben habe. Unzulässig, weil suggestiv formuliert und geeignet, Irritationen hervorzurufen, sei auch die Frage 2.b). Wieso mit dem Streichen des Führungsanspruches der SED aus der Verfassung eine Selbstaufgabe der gesamten DDR vollzogen worden sein solle, sei historisch nicht nachvollziehbar. Die Frage 2.a) habe der Kläger seiner Erinnerung nach mit der Nennung des Blockparteiensystems und der Einheitsliste stichwortartig richtig beantwortet. Dafür spreche auch der Umstand, dass diese beiden Begriffe in dem von ihm während der Vorbereitung auf das Prüfungsgespräch gefertigten Manuskript vermerkt seien.

Keineswegs falsch, sondern zumindest zu einem erheblichen Teil richtig sei auch die im Prüfungsprotokoll als falsch bewertete Antwort des Klägers zu Frage 1.a) dahingehend, dass Großgrundbesitz in Gemeinbesitz übergegangen sei. Rund 1/3 des enteigneten Landes von insgesamt 3,3 Mio. ha, nämlich 1,1 Mio. ha, seien nämlich zu Volkseigentum erklärt worden. Was die Frage 1.b) betreffe, sei der Prüfungsausschuss davon ausgegangen, dass es sich bei der Privatisierung von Junkerland um ein ideologisches Täuschungsmanöver gehandelt habe, mit dem die eigentlich vorgesehene und später auch vollzogene Kollektivierung zeitweise habe verschleiert werden sollen, um die landwirtschaftliche Produktivität für eine Übergangszeit durch „Neubauern“ mit privatwirtschaftlichen Mitteln zu erhalten und die Akzeptanz des Sowjetregimes zu erhöhen. Dabei handele es sich jedoch um eine völlig ungeklärte und nicht belegte bloße Vermutung; in Heft Nr. 231 der Informationen zur politischen Bildung werde hierzu ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Frage im Unterricht nicht geklärt werden könne. Was den Themenkomplex Konzentrationslager anbetreffe, habe der Kläger entgegen dem

Vermerk „Vernichtungslager (Auschwitz, Treblinka usw.)“ im Prüfungsprotokoll die Namen aller 6 Vernichtungslager im Osten genannt. Zu dem von ihm in der Prüfung nicht benannten KZ Osthofen sei offensichtlich ebenfalls ein falscher Sachverhalt unterrichtet worden, da in einem Schreiben des Schulleiters Dr. Silbermann vom 3. Juni 2004 insoweit fälschlicherweise von einem „Arbeitslager“ die Rede sei. Irreführend sei schließlich auch die Frage nach den Gründen der Auslagerung der Vernichtungslager aus dem Reichsgebiet gewesen, da es im Reich zuvor keine Vernichtungslager gegeben habe, welche man hätte „auslagern“ können.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Entscheidung vom 15. März 2004 über das Nichtbestehen der Abiturprüfung und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2005 zu verpflichten, den Kläger zur Wiederholung der mündlichen Abiturprüfung im Fach Gemeinschaftskunde/Geschichte zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage mit umfassenden Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

Die Kammer hat einen Antrag des Klägers, ihn ihm Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig erneut zur mündlichen Abiturprüfung im Fach Geschichte zuzulassen, mit Beschluss vom 18. Januar 2005, 7 L 3408/04.KO, abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte genommenen Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte des Verfahrens 7 L 3408/04.KO und auf die Prüfungsakte des Beklagten verwiesen, welche allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die angefochtene Entscheidung des Beklagten, die Abiturprüfung für nicht bestanden zu erklären, ist rechtlich nicht zu beanstanden, weshalb auch der geltend gemachte Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Gemeinschaftskunde nicht besteht.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird hierzu zunächst auf die Gründe des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses der Kammer vom 18. Januar 2005, 7 L 3408/04.KO, Bezug genommen.

Dem ist nach durchgeführtem Hauptsacheverfahren noch Folgendes hinzuzufügen:

Die im Zentrum der klägerischen Einwendungen stehende Frage 2.c) erscheint auch nicht etwa deshalb ungeeignet, weil sie – wie der Kläger meint – zu „weitschweifig und vieldeutig gefasst“ wäre. Im Gegenteil war dem Kläger gerade durch die weite Fassung der Frage ein besonders breites Spektrum von potentiellen Anknüpfungspunkten zur Erörterung der Rolle des Zufalls beim Ende der DDR geboten, aus dem er sich frei hätte bedienen können. Die hierzu nach eigenem Bekunden erfolgte knappe Antwort des Klägers, dass es in diesem Zusammenhang keinen Zufall gegeben habe, stellt schon allein von daher keine vertretbare Lösung dar, dass sie jegliche Begründung dieser These vermissen lässt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der seitens der Prüfungskommission gegebenen Hilfestellung in Form eines Hinweises auf die Rolle Schabowskis bei der Grenzöffnung. Einmal ganz abgesehen davon, dass diese als bloße Hilfe für den Kläger die Fragestellung selbst und deren Prüfungseignung von vorneherein unberührt lässt, führt sie auch für sich genommen nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz einer fairen Prüfung. Hierzu bedarf es keiner näheren Untersuchung, ob insoweit – so der Kläger – tatsächlich entgegen der unstreitig weit verbreiteten historischen Deutung möglicherweise weniger der Zufall als vielmehr politisches Kalkül der unter dem politischen Druck der Strasse stehenden Machthaber das bestimmende Element dargestellt hat. Selbst wenn dem – was die Kammer ausdrücklich offen lässt – so gewesen sein sollte und die hierzu gelehrten Unterrichtsinhalte mithin von der historischen Wahrheit abweichen würden, hätte dies entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keineswegs zur Folge, dass damit der gesamte Sachverhalt rechtlich unter dem Gesichtspunkt mangelhaft vorbereiteten Prüfungsstoffs nicht mehr Gegenstand der Abiturprüfung hätte sein können. Einer derart einschneidenden Folge bedürfte es nämlich nach Auffassung der Kammer in diesem Falle nicht. Den Anforderungen an ein faires Prüfungsverfahren kann in derartigen Konstellationen vielmehr ohne weiteres bereits dadurch Rechnung getragen werden, dass das Antwortspektrum des Prüflings ausgeweitet wird: Neben der ohne weiteres zulässigen historisch richtigen Antwort darf ihm dann zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens die Wiedergabe eines historisch falschen, im Unterricht jedoch so gelehrten Sachverhalts nicht als Fehler angerechnet werden. Nicht ausreichend ist es jedoch auch in diesem Fall, wenn der Prüfling entweder gar nicht antwortet oder aber – wie hier – eine zwar möglicherweise vertretbare Antwort gibt, diese jedoch nicht mit einer nachvollziehbaren Begründung unterlegt.

Als ebenfalls nicht begründet erweist sich die Rüge des Klägers in Bezug auf die weitere zu Aufgabe 2.c) angebotene Hilfe, nämlich die Frage nach der Rolle des Zufalls in der marxistisch-leninistischen Ideologie. Wenn der Kläger insoweit einwendet, dass (genau) dieses Thema nicht Gegenstand des Unterrichts gewesen sei, so mag das zwar wortwörtlich genommen der Fall sein. Unstreitig Thema des Unterrichts war indessen die marxistisch-leninistische Ideologie als solche. Die dem Kläger gestellte Aufgabe, die Bedeutung des Zufalls innerhalb einer ihm aus dem Unterricht bekannten Ideologie zu diskutieren, überschreitet indessen nach Einschätzung der Kammer nicht den Rahmen des im Anforderungsbereich III der Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) Zulässigen („planmäßige(s) Verarbeiten komplexer Gegebenheiten mit dem Ziel, zu selbständigen Begründungen, Folgerungen, Deutungen und Wertungen zu gelangen“).

Dies muss umso mehr gelten, als es sich bei der „Geschichte der DDR“, die durch marxistisch-leninistische Ideologie essentiell bestimmt worden ist, um den vom Kläger selbst gewählten Prüfungsschwerpunkt handelt.

Soweit der Kläger gegen die Frage 2.b) einwendet, dass diese wegen ihrer suggestiven Fassung und ihrer Eignung, beim Prüfling Irritationen hervorzurufen, ungeeignet sei, vermag die Kammer dem ebenfalls nicht zu folgen. Ergänzend zu den Ausführungen im eingangs zitierten Eilbeschluss ist insoweit nur nochmals verdeutlichend darauf hinzuweisen, dass es sich bereits vom Ansatzpunkt her nicht um eine Suggestivfrage handelt, sondern um eine These, mit der sich der Prüfling auseinandersetzen sollte. Dies hat auch das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2006 nochmals bestätigt; danach war mit der sich ausdrücklich auf den beigefügten Text „M 2″ beziehenden Prüfungsaufgabe allein die in der Streichung des Führungsanspruchs der SED aus der Verfassung liegende Selbstaufgabe der DDR als sozialistischer Staat angesprochen.

Was die Frage 2.a) anbetrifft, macht der Kläger geltend, neben dem im Prüfungsprotokoll erwähnten Hinweis auf die Besetzung der Schlüsselpositionen mit SED-Mitgliedern durch Nennung des Blockparteiensystems und der Einheitsliste weitere wesentliche richtige Gesichtspunkte in der Prüfung erwähnt zu haben.

Hierzu verweist er auch auf das von ihm während der Vorbereitung auf die Prüfung gefertigte Manuskript, das zu Frage 2.a) die Anmerkungen „ – wegen des Blocksystems In den Schlüsselpositionen (Staatspräsident, Ministerpräsident, stellv. Ministerpräsident) saßen SED-Mitglieder Ulbricht/Pieck/Grotewohl – wegen der Einheitsliste“ enthält. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass auch insoweit durch den hinweisenden Zusatz „(M 2)“ ein klarer Bezug auf den vorliegenden Text zur Streichung des Führungsanspruchs der SED aus der Verfassung gegeben war.

Erwartungshorizont der Prüfungskommission insoweit war damit – was auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt worden ist – ersichtlich die Nennung der verfassungsmäßigen Verankerung des Führungsanspruchs der SED als Sicherungselement für deren Vorherrschaft. Selbst dann, wenn man trotz dieser ausdrücklichen Bezugnahme auf den Text „M 2″ vorliegend auch die Nennung der weiteren vom Kläger im Rahmen der Klagebegründung angesprochenen Aspekte als mögliche richtige Antworten ansehen wollte, so hat der Kläger letztlich bereits nicht glaubhaft machen können, die Begriffe „Blocksystem“ und „Einheitsliste“ auch im Prüfungsgespräch genannt zu haben. Zwar mag ein Indiz hierfür deren Aufführung im handschriftlichen Manuskript des Klägers sein.

Ein zumindest ebenso starkes Indiz dagegen ist jedoch, dass die Begriffe im Prüfungsprotokoll – anders als der auch dort als angesprochen aufgeführte Aspekt der Besetzung von Schlüsselpositionen mit SED-Mitgliedern – keine Erwähnung finden. Der hierzu in der mündlichen Verhandlung befragte Kläger hat angegeben, nicht mehr zu wissen, ob er die Begriffe „Blocksystem“ und „Einheitsliste“ auch tatsächlich genannt habe. Der der Prüfungskommission angehörende Fachprüfer hat dies jedoch ebenso wie der bei der streitgegenständlichen Prüfung als Zuhörer zugegen gewesene Schulleiter – der ebenfalls Geschichtslehrer ist – eindeutig verneint; beide haben glaubhaft und unisono dargelegt, dass man angesichts des Leistungseinbruchs des als stärker eingeschätzten Klägers bestürzt gewesen sei und geradezu auf die Nennung dieser Begriffe gewartet habe.

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Ebenfalls nicht zum Erfolg führt die Rüge des Klägers, seine als falsch bewertete Antwort zu Frage 1.a), wonach Großgrundbesitz in Gemeinbesitz übergegangen sei, sei zumindest zu einem erheblichen Teil richtig gewesen, da immerhin 1/3 des Landes tatsächlich Volkseigentum geworden sei. Hierbei übersieht der Kläger indessen bereits, dass die Aufgabe 1.a) angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Text „M 1″ nur eine bloße Reproduktion der dort enthalten historischen Darstellung zur Bodenreform verlangt (siehe dazu auch bereits den Schriftsatz der Beklagten vom 16. Dezember 2004 im Verfahren 7 L 3408/04.KO, wonach die Frage 1.a) lediglich dem Anforderungsbereich I der EPA zuzuordnen ist). Diese Darstellung im Text „M 1″ befasst sich jedoch alleine mit dem Aspekt der Verteilung von Land an Private. Abgesehen davon wäre aber auch eine allgemeine und nicht näher differenzierte Umschreibung der Inhalte der Bodenreform dahingehend, dass – wie vom Kläger angegeben – Großgrundbesitz in Gemeinbesitz überführt worden sei, in dieser Pauschalität schlichtweg falsch. Auch nach dem klägerseits dargelegten Zahlenmaterial hierzu sind 2/3 des Landes an Private verteilt worden, womit es sich bei der Verteilung an Private um den Regelfall und mithin um den allein als schlagwortartige Umschreibung der Inhalte zulässigen Begriff handelt. Die vom Kläger genannte Überführung in Gemeineigentum stellt demgegenüber lediglich eine – wenn auch zahlenmäßig durchaus ins Gewicht fallende – Ausnahme dar.

Soweit der Kläger die Zulässigkeit der Frage 1.b) unter dem Gesichtspunkt in Zweifel zieht, dass der Prüfungsausschuss die Privatisierung von Junkerland als ein ideologisches Täuschungsmanöver angesehen habe, was jedoch wissenschaftlich eine völlige ungeklärte und nicht belegt bloße Vermutung darstelle, braucht dem nach den zu Frage 2.c) dargestellten Grundsätzen schon von daher nicht näher nachgegangen zu werden, als auch hier möglicherweise historisch nicht ausreichend belegte Unterrichtsinhalte lediglich zu einer Ausweitung des dem Kläger zur Verfügung stehenden Antwortspielraums führen würden. Dies kann sich vorliegend jedoch bereits deshalb nicht zugunsten des Klägers auswirken, weil dieser – worauf die Kammer bereits in ihrem Eilbeschluss vom 18. Januar 2005 hingewiesen hat – weiterhin nicht dargetan hat, eine danach in Betracht kommende Auffassung in der Prüfung selbst geäußert und vertreten zu haben.

Eine für den Kläger günstigere Entscheidung ergibt sich schließlich auch nicht in Ansehung der gerügten Prüfungsfragen zu den Lagern im Dritten Reich. Was die Frage nach dem KZ Osthofen anbetrifft, so ist bereits nicht substantiiert dargetan oder sonst ersichtlich, dass die als irreführend reklamierte inkorrekte Bezeichnung als „Arbeitslager“ über den – ja nachträglich und nicht von einem der Prüfer oder dem Geschichtslehrer des Klägers verfassten – Schriftsatz des Schulleiters vom 3. Juni 2004 hinaus auch in der mündlichen Prüfung selbst erfolgt oder zuvor Unterrichtsgegenstand gewesen wäre. Zum gerügten Begriff der „Auslagerung“, welcher in der Prüfung im Zusammenhang mit der Errichtung der Vernichtungslager im Osten verwendet worden ist, ist zusätzlich zu den Ausführungen im Eilbeschluss vom 18. Januar 2005 noch darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn man den Begriff der Auslagerung in diesem Kontext zunächst einmal als sprachlich unzutreffend ansehen wollte, es sich hierbei bei wertender Betrachtung um eine bloße, nicht zu einer Verletzung des prüfungsrechtlichen Fairnessgebots führende Ungenauigkeit handeln würde. Durch den Kontext – Vernichtungslager zum einen und Errichtung im Osten zum anderen – war nämlich eindeutig klargestellt, worauf die Frage abzielte, nämlich auf den Grund dafür, diese außerhalb des Reichsgebietes zu platzieren – egal ob es sich hierbei um eine erstmalige Errichtung oder eine Auslagerung im engeren sprachlichen Sinne handelte. Dahinstehen kann nach alledem schließlich, ob der Kläger – wie behauptet – alle 6 Vernichtungslager im Osten namentlich benannt oder – wie im Protokoll vermerkt – lediglich „Auschwitz, Treblinka usw.“ angegeben hat. Selbst dann, wenn ersteres der Fall sein sollte und die Prüfer gleichwohl irrtümlicherweise – was die Protokollierung offen lässt – von der Nennung nur zweier Lager ausgegangen wären, erscheint es vorliegend angesichts der letztendlich erfolgten Benotung mit nur 1 Punkt ausgeschlossen, dass alleine eine derartige Falschbewertung zum Nichterreichen der für das Bestehen der Abiturprüfung mindestens erforderlichen 5 Punkte geführt haben könnte. Ein entsprechender Bewertungsfehler wäre mithin nicht kausal für das Nichtbestehen der Prüfung und von daher auch nicht geeignet, dem Kläger einen Anspruch auf eine Prüfungswiederholung zu verschaffen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1 und 167 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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