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Antenne – Anspruch des Vermieters auf Beseitigung?


Amtsgericht Hamburg

Az: 49 C 48/13

Urteil vom 14.05.2014


Anmerkung des Bearbeiters

Wie auch im vorliegenden Fall kommt es immer wieder zu Stretigkeiten zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick auf die Anbringung einer Antenne an der Außenwand des Hauses. Während Vermieter diese häufig als störend empfinden, sehen sich Mieter häufig in ihrer grundrechtlich gewährleisteten Informationsfreiheit unzulässig eingeschränkt, wenn sie eine Antenne nicht aufhängen dürfen oder wieder entfernen sollen. Im vorliegenden Fall hing die Antenne über mehrere Jahre hinweg an der Außenwand eines Gebäudes. Nun sollte die Antenne entfernt werden…


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, Mitarbeitern der Klägerin nach vorheriger Ankündigung in der Zeit zwischen 8.00 und 18.00 Uhr Zutritt zur Wohnung, links, Hamburg, zu gewähren und die Entfernung der auf dem Balkon vorhandenen Parabolantenne zu dulden.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 300,–.

4. Die Berufung wird zugelassen.


Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Beseitigung einer von der Beklagten auf dem Balkon der von ihr bewohnten Wohnung, links in Hamburg installierten Parabolantenne.

Von der Beklagten wurde auf dem Balkon der von ihr angemieteten Wohnung zunächst an der Balkonbrüstung, später innenliegend auf einem Standfuß, eine Parabolantenne angebracht und im Laufe des Rechtsstreits auch etwa 20 cm niedriger gestellt, die aber weiterhin sichtbar blieb. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Anlage B 5 (Bl. 146 und 147 d.A.).

Im Jahre 2001 brachte die Beklagte die streitgegenständliche Parabolantenne erstmalige auf dem Balkon an, auf dem sie, abgesehen von der Verlagerung auf den Standfuß, nachfolgend verblieb.

Das Haus wurde zwischenzeitlich mit einem Breitbandkabel ausgestattet, wobei über dieses insgesamt 8 türkische Sender kostenfrei und weitere 12 türkische Sender kostenpflichtig für eine monatliche Gebühr von € 9,50 zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich der Senderliste wird Bezug genommen auf die Auflistungen Bl. 103 und 104 der Akte.

Mit Schreiben vom 18.01.2003 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Parabolantenne zu entfernen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte die Parabolantenne entfernen müsse, da eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz aber auch der optischen Wirkung des Gebäudes durch das Anbringen von Parabolantennen erfolge. Die Klägerin ist darüber hinaus der Auffassung, dass durch die Zurverfügungstellung eines Breitbandkabelanschlusses dem Grundrecht auf Informationsfreiheit genügt werde. Im Übrigen sei es der Beklagten zumutbar, ggf. die von ihr begehrten Sender mit Hilfe des Internets zu konsumieren.

Die Klägerin hatte zunächst Klage auf Entfernung der Parabolantenne von der Balkonbrüstung durch die Beklagte erhoben und insoweit ein Versäumnisurteil am 07.05.2013 erstritten – insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt – so dass die Klägerin nunmehr beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, Mitarbeitern der Klägerin nach vorheriger Ankündigung in der Zeit zwischen 8.00 und 18.00 Uhr Zutritt zur Wohnung, 6. OG links, … Hamburg, zu gewähren und die Entfernung der Parabolantenne zu dulden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

hilfsweise

die Zulassung der Berufung.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass allein mit Hilfe der Parabolantenne eine hinreichende Informationsfreiheit gewährleistet werden könne. Die Beklagte, die der Provinz Konya im Binnenland Anatoliens entstamme, sei ihrem Heimatland und ihrer Heimatregion eng verbunden und habe besonderes Interesse an den dortigen Vorkommnissen, insbesondere an den politischen und kulturellen Entwicklungen. Über die Parabolantenne seien 30 türkische Sender zu empfangen, die für die Beklagte aus den angeführten Gründen unverzichtbar seien. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Sendertabelle Bl. 32 und 33 d.A. Alle diese Sender sowie der Radiosender Kral seien für die Beklagte von besonderer Bedeutung, da sie nur unzureichend deutsch spreche und insoweit auch auf Sendungen in türkischer Sprache angewiesen sei. Daher müsse die optische Beeinträchtigung des Gebäudes nach Auffassung der Beklagten hinter dem Informationsinteresse der Beklagten zurückstehen. Zudem sei es eine Ungleichbehandlung, wenn etwa 30 deutschsprachige Sender zu empfangen seien, aber nur eine deutlich geringere Anzahl an türkischen Sendern. Überdies ergebe sich von der Antenne, in ihrer jetzigen abgesenkten Position, keine hinreichende optische Beeinträchtigung. Zudem behauptet die Beklagte, die entsprechenden Fernsehsender seien über das Internet nicht mit hinreichender Qualität zu empfangen, soweit sie empfangen werden könnten. Zudem beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.08.2013 (Bl. 74 f. d.A.) über die Anzahl der über den Kabelanschluss empfangbaren kostenlosen und kostenpflichtigen Sender sowie die Behauptung der Beklagten, es sei kein Empfang über das Internet in hinreichender Qualität möglich. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen Z. vom 05.12.2013 (Bl. 96 ff. d.A.).

Im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist, soweit sie nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, begründet.

Ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der Beseitigung der von der Beklagten angebrachten Parabolantenne folgt aus den §§ 1004, 541 BGB. Dem kann von der Beklagten nicht mit Erfolg die Verjährung des Anspruchs entgegengehalten werden, da dies lediglich den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte betrifft, dass diese selbst die optische Störung durch die Parabolantenne beseitigt. Der Eigentümer eines Grundstücks bleibt bei einer solchen Störung jedoch weiter berechtigt, diese von dem Grundstück zu entfernen; einen damit verbundenen Eingriff in seine Sachen muss der Störer dulden. Die Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB hat lediglich zur Folge, dass der Grundstückseigentümer die Störung auf eigene Kosten beseitigen muss (BGH, NJW 2011, 1068, Rn. 9, zitiert nach juris).

Die von der Beklagten auf ihrem Balkon auf einem Ständer angebrachte Parabolantenne beeinträchtigt das Eigentumsrecht der Klägerin. Insoweit ist anerkannt, dass eine dauerhafte Veränderung des Erscheinungsbilds des Gebäudes, wie sie hier aufgrund der Größe und der Lage der von der Beklagten installierten Antenne auch in der jetzigen Form weiter gegeben ist, bedeutet, unabhängig von der Frage der baulichen Veränderung eine erhebliche optische Beeinträchtigung und damit eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts (BGH, WuM 2007, 678).

Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auf Duldung der Beseitigung der Antenne nicht Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 GG entgegenhalten. Der Anspruch des Vermieters auf Entfernung einer vom ausländischen Mieter angebrachten Parabolantenne hängt nicht von der Empfangsmöglichkeit einer bestimmten Anzahl von Sendern in der Muttersprache des Mieters über den Kabelanschluss ab, es kommt soweit nicht auf die Qualität, sondern auf die inhaltliche Ausrichtung der über den Kabelanschluss zu empfangenden Sender an. Eine qualitative Bandbreite an muttersprachlichem Informationsangebot kann dabei auch nur von wenigen Sendern ggf. geleistet werden (BGH, WuM 2013, 476). Zudem ist im Rahmen der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass mittlerweile über das Kabelangebot hinaus Informationssendungen des ausländischen Fernsehens im Internet allgemein zugänglich sind. Dabei ist unerheblich, dass dieses Informationsangebot auf den betreffenden Internetportalen kostenpflichtig ist. Die Informationsfreiheit gewährleistet den Zugang zu Informationsquellen im Rahmen der allgemeinen Gesetze, aber nicht dessen Kostenlosigkeit (BGH, WuM 2013, 476).

Unter Berücksichtigung dieser obergerichtlichen Rechtsgrundsätze stehen sowohl die über den Breitbandkabelanschluss der Klägerin bereitgestellten kostenlosen und kostenpflichtigen Sender, wie auch die Empfangsmöglichkeiten über das Internet einer Interessenabwägung zugunsten der Beklagten entgegen. Über den vorhandenen Breitbandkabelanschluss sind insgesamt 20 türkische Sender, davon acht zu einem Preis von monatlich € 9,50, der Beklagten zugänglich. Hiervon umfasst sind zwei kostenlose und fünf kostenpflichtige Nachrichtensender sowie weitere Sender verschiedenster Art, so dass insgesamt dem Informationsrecht der Beklagten hinreichend Rechnung getragen wird. Soweit durch die Sender den regionalen Interessen der Beklagten an der Provinz Konya nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann, vermag dies eine anderweitige Abwägung nicht zu rechtfertigen. Immerhin wird bei Nachrichtensendern auch Nachrichten aus dieser Provinz, soweit sie von überregionaler Bedeutung sind, grundsätzlich Rechnung getragen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass außerhalb einer Region bestimmte Nachrichten, die nur von regionalem Interesse sind, regelmäßig nur schwer bezogen werden können. So wird es beispielsweise einem von Hamburg nach Nordrhein-Westfalen ziehenden Mieter nur schwerlich möglich sein, den Lokalsender Hamburg 1 oder auch die regionalen Hamburger NDR-Sendungen dort zu empfangen. Dem kann allerdings ggf. durch den Bezug regionaler Tageszeitungen per Post entgegengewirkt werden. Im Übrigen ist es der Beklagten unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des BGH auch zumutbar, sich einen PC oder eine Internet-TV-Settop-Box, die an der Scartbuxe oder dem HDMI-Eingang des Fernsehers angeschlossen wird, anzuschaffen. Hierbei ist der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihrer eingeschränkten finanziellen Verhältnisse die Anschaffung eines PCs grundsätzlich zumutbar (ebenso LG Hamburg, Beschluss vom 06.08.2012 zum Az. 316 S 36/12). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zwar der Zugang aber nicht die Kostenlosigkeit zu gewährleisen ist. Die hierbei aufzubringenden Kosten dürften zudem nicht erheblich von den Kosten eines LCD-Farbfernsehgerätes mit einer Bildschirmdiagonale von 104 cm der Firma Samsung, so wie ihn die Beklagte nutzt (vgl. Bl. 99 d.A.) abweichen. Im Übrigen dürften selbst monatliche Gebühren in Höhe von € 24,90 für den Empfang von Internet-Fernsehen zuzüglich zu den Kosten der Anschaffung eines PCs der Beklagten gerade eben noch zumutbar sein. Letztlich kommt es hierauf nicht an, da bereits die Bezugsmöglichkeit über den Kabelanschluss, jedenfalls unter Berücksichtigung der kostenpflichtigen weiteren Programme, dem Informationsinteresse hinreichend Rechnung tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Der Beklagten sind die Kosten der Teilerledigung aufzuerlegen, da der Anspruch ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist und sich durch die Einrede der Verjährung in der Hauptsache zum Teil nachfolgend erledigt hat (vgl. BGHZ 184, 129; KG Berlin, NJW-RR 2012, 1215).

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.

Die Berufung wird zugelassen. Das Gericht berücksichtigt insoweit, dass die Beschwer der Beklagten vom Berufungsgericht nicht zwingend mit dem vom Gericht festgesetzten Streitwert bewertet werden muss (vgl. BGH, NZM 2006, 637 = NJW 2006, 2639), so dass die von der Beklagten im Termin beantragte Berufungszulassung zu prüfen ist. Anders als die zitierten Entscheidungen des BGH und der Zivilkammer 16 ist die Zivilkammer 11 des Landgerichts Hamburg in einem Beschluss vom 23.01.2013 zur Geschäfts-Nr. 311 T 72/12 noch davon ausgegangen, dass möglicherweise eine Erfolgsaussicht der Mieterin sich daraus ergeben kann, dass die Kosten für den Empfang von Fernsehen über das Internet auch unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten eines PCs einem Empfänger von Hartz IV nicht zumutbar sind. Der BGH hat sich hierzu in der zitierten Entscheidung zwar grundsätzlich, aber nicht explizit auf einen solchen Fall geäußert.

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