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Arbeitnehmerhaftung bei schadensgeneigter Arbeit


Bundesarbeitsgericht

Az: GS 5/56

Beschluss vom 25.09.1957


Anmerkung des Bearbeiters

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Tenor

Ein Arbeitnehmer, der fahrlässig den Arbeitsunfall eines anderen Arbeitnehmers desselben Betriebes oder Unternehmens verursacht hat, haftet dem Geschädigten nicht, wenn und soweit ihm eine Belastung mit solchen Schadenersatzansprüchen deshalb nicht zugemutet werden kann, weil seine Schuld im Hinblick auf die besondere Gefahr der ihm übertragenen Arbeit nach den Umständen des Falles nicht schwer ist.


Gründe

Bei dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts sind die Prozesse S. ./. J. – 1 AZR 576/55 und S. ./. LVA Schleswig-Holstein – 1 AZR 577/55 anhängig. In diesen Rechtsstreitigkeiten ist über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Am 25. November 1952 fuhr der beim Kraftfahrbundesamt in F. als Kraftfahrer angestellte Beklagte mit vier anderen Angestellten dieser Dienststelle, darunter dem Kläger J., mit einem Personenkraftwagen der Dienststelle in Richtung Hamburg. Sie sollten dort eine neue Papierschneidemaschine für das Kraftfahrbundesamt abholen. Auf der vereisten Straße kam der Wagen ins Putschen und prallte gegen einen Baum. Bei diesem von der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven als Arbeitsunfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung anerkannten Unfall wurde der Kläger schwer verletzt; er kann nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf als Drucker, sondern nur noch als Pförtner tätig sein. Er besieht jetzt Invaliden- und Unfallrente.

Im Strafverfahren 5 Ms 26/53 ist der Beklagte durch Urteil des Schöffengerichts in Neumünster vom 4. Juni 1955 rechtskräftig freigesprochen worden, weil das Schöffengericht ein Verschulden des Beklagten verneint hat.

In den beiden arbeitsgerichtlichen Klagen, die gegen den Beklagten laufen, hat in 1 Ca 29/55 = 3 Sa 65/55 der Verletzte auf Feststellung, daß der Beklagte ihm allen Schaden zu ersetzen habe, und auf Zahlung eines zwar in das Ermessen des Gerichts gestellten, aber in Höhe von 12.000,– DM vorgeschlagenen Schmerzensgeldes geklagt, und in 1 Ca 27/55 = 3 Sa 66/55 verlangt die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein gemäß § 1542 RVO ihre für den Kläger erbrachten Leistungen in Höhe von 1.509,85 DM erstattet und begehrt ferner die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren Aufwendungen zu ersetzen.

Während das Arbeitsgericht mit der Begründung, daß es an einem Verschulden des Beklagten fehle, die Klagen abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht ein Verschulden bejaht und in 1 Ca 29/55 = 3 Sa 65/55 durch Teilurteil die begehrte Feststellung getroffen, während es über den Antrag auf Schmerzensgeld noch nicht entschieden hat. In 1 Ca 27/55 = 3 Sa 66/55 hat es sowohl die begehrte Verurteilung wie die begehrte Feststellung ausgesprochen.

Gegen diese Urteile des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte die – bei dem auf über 6,000,– DM festgesetzten Streitwert zulässige – Revision eingelegt.

Der Beklagte hat die Bundesrepublik, der er in den beim Ersten Senat schwebenden beiden Sachen den Streit verkündet hat und die dem Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten ist, in einem dritten Rechtsstreit, 4 Ca 460/55 = 2 Sa 76/55, auf Feststellung verklagt, daß die Bundesrepublik als sein Arbeitgeber verpflichtet sei, ihn von den Ansprüchen, die in den beim Ersten Senat anhängigen Sachen gegen ihn erhoben werden, sowie von den Kosten dieser Prozesse freizustellen. Das Arbeitsgericht hat in der Erwägung, daß der Arbeitgeber seinen Kraftfahrer als einen zu schadensgeneigter Arbeit eingesetzten Arbeitnehmer von den sich aus solcher Arbeit ergebenden Ersatzansprüchen freistellen müsse, die begehrte Feststellung getroffen. Über die Berufung der Bundesrepublik ist noch nicht entschieden, vielmehr hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ausgesetzt.

Der Erste Senat hat nach streitiger Verhandlung der bei ihm anhängigen Prozesse beschlossen, gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 ArbGG den Großen Senat um die Beantwortung folgender Fragen anzugehen:

I. Inwieweit haftet ein Arbeitnehmer, der durch eine fahrlässige unerlaubte Handlung den Arbeitsunfall eines anderen Arbeitnehmers des gleichen Betriebes oder Unternehmens verursacht hat, dem geschädigten Arbeitnehmer auf Ersatz seines Schadens?

II. 1. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen hat ein solcher Arbeitnehmer, soweit er dem geschädigten Arbeitnehmer haftpflichtig ist, einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Freistellung von dieser Schadenersatzpflicht?

2. Stehen einem Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber Bestimmungen oder Prinzipien des Sozialversicherungsrechts entgegen?

III. Welchen Einfluß haben auf die Fragen zu I und II das Haftpflicht- und Haftpflichtversicherungsrecht?

Der Erste Senat ist der Auffassung, daß es sich um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung handele, bei denen die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Großen Senats erfordere.

Der Große Senat tritt der Auffassung des Ersten Senats bei, daß die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 ArbGG für die Anrufung des Großen Senats und auch für die Entscheidung der ihm vorgelegten Rechtsfragen gegeben sind, und zwar uneingeschränkt für die Frage zu I, bezüglich der Fragen zu II und III nur insoweit, als diese Fragen als Vor- und Begleitfragen der zu I gestellten Frage zu beantworten und für die Entscheidung der vor dem Ersten Senat anhängigen Prozesse erheblich sind. Eine eigenständige Beantwortung der Fragen zu II und III ohne Ausrichtung auf diese Prozesse würde auf die Erstattung eines Gutachtens in einer beim Bundesarbeitsgericht nicht anhängigen Sache hinauslaufen und unzulässig sein.

II.

Die im Vorlagebeschluß gestellten Fragen nach der Haftung des Arbeitnehmers für einen von ihm fahrlässig herbeigeführten Arbeitsunfall eines Arbeitskameraden und nach einem etwaigen Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber berühren sowohl Vorschriften der Reichsversicherungsordnung wie auch Regeln des Bürgerlichen Rechts einschließlich des Arbeitsrechts. Die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und die Regeln des Bürgerlichen Rechts und Arbeitsrechts greifen nicht immer reibungslos ineinander.

Nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung erhält (auch) der durch einen von seinem Arbeitskameraden verschuldeten Arbeitsunfall geschädigte Arbeitnehmer aus der Krankenversicherung Arzt- und Heilmittelversorgung, aus der Unfallversicherung von der Berufsgenossenschaft, zu der sein Arbeitgeber gehört und an die dieser seine Beiträge zahlt, gegebenenfalls eine Unfallrente. Außerdem hat er nach Bürgerlichem Recht, und zwar, da zwischen den Arbeitnehmern im Betrieb in aller Regel kein Vertragsverhältnis besteht und daher Ansprüche aus Vertrag ausscheiden, auf Grund der in § 823 BGB oder in Sondergesetzen enthaltenen Vorschriften über unerlaubte Handlungen, gegen den schuldhaften Schädiger einen Schadenersatzanspruch. Dieser geht auf Ersatz des vollen, durch die Leistungen aus der Sozialversicherung nicht gedeckten Schadens sowie nach § 847 BGB auf Schmerzensgeld. Soweit der Verletzte Leistungen aus der Sozialversicherung erhalten hat, geht sein Anspruch gegen den Schädiger gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträger über. Der Arbeitgeber ist gemäß § 898 RVO von der Ersatzpflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer frei, und zwar auch dann, wenn ihn oder seine Hilfspersonen, für die er nach Bürgerlichem Recht aus den §§ 278 und 618 oder 823, 831 BGB haften müsste, ein Verschulden trifft, es sei denn, daß strafgerichtlich festgestellt worden ist, daß er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Insoweit sind nach der RVO nicht nur die Arbeitgeber von der Haftung frei, die an die Berufsgenossenschaft die ihnen obliegenden Beiträge zu zahlen haben, sondern gemäß § 899 RVO namentlich auch die Bevollmächtigten oder Repräsentanten des Unternehmers und die Betriebs- und Arbeitsaufseher, die solche Beiträge nicht zahlen. Wenn also der Arbeitnehmer, nach dessen Haftung im Vorlagebeschluß gefragt wird, ein Arbeitsaufseher oder eine andere im § 899 RVO genannte Person ist, so ist er bei fahrlässig herbeigeführtem Arbeitsunfall von der Haftung gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer frei. Kraftwagenführer, die wie der Beklagte nur Kraftfahrzeuglenker sind, fallen jedoch nicht unter diesen Personenkreis (vgl. BGHZ 19, 114 [117]; RGZ 167, 385 [387]; 170, 159; Böhmer, Versicherungsrecht, 1956, S. 126; Elleser, Die Sozialversicherung, 1956, S. 86).

Zwar können der Arbeitgeber und die in § 899 RVO aufgeführten Personen gemäß § 903 RVO von den Sozialversicherungsträgern in Anspruch genommen werden, jedoch lediglich in Höhe der von diesen aufgewendeten Leistungen und auch nur dann, wenn ihnen ein Verstoß gegen ihre besonderen Berufspflichten zur Last fällt, der – soweit der Anspruch nicht von den Berufsgenossenschaften erhoben wird (§ 903 Abs. 4 RVO) – auch noch strafgerichtlich festgestellt sein muß (§ 903 Abs. 1 – 3 RVO). Das in §§ 905, 906 RVO geregelte Verfahren führt obendrein noch meist zur Niederschlagung der Ansprüche aus § 903 RVO.

Ganz anders ist, von der RVO aus gesehen, die für die große Masse der Arbeitnehmer, die nicht unter § 899 RVO fallen, geltende, also hier in Betracht kommende Rechtslage. Sie sind durch die §§ 898, 899 RVO nicht aus der Haftung ausgenommen. Der Arbeitnehmer, der einen Arbeitsunfall schuldhaft herbeigeführt hat, ist nach allgemeinen Vorschriften ersatzpflichtig. Im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber und seinem Arbeitsaufseher, die, außer bei strafgerichtlich festgestellter vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens, also auch bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Arbeitsunfalls von der Haftung gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer frei sind, muß nach dem Wortlaut der Gesetze der einfache Arbeitnehmer auch bei leichter Fahrlässigkeit, unter Umständen sogar bei fehlender Schuld, nach § 1542 RVO den Sozialversicherungsträgern das von diesen Aufgewandte erstatten und außerdem dem Geschädigten selbst nach § 823 BGB oder dem in Betracht kommenden Sondergesetz seinen durch die Leistung aus der Sozialversicherung nicht gedeckten vollen Schaden ersetzen und Schmerzensgeld zahlen. Wenn auch die Sozialversicherungsträger oft davon absehen, diese ihnen gesetzlich zustehenden Ansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend zu machen, so muß doch nach dem Haftungsschema der RVO für den Arbeitsunfall unter Umständen der sozial Schwächste einstehen (vgl. dazu Berger, Unsoziale Haftpflicht für den Arbeitsunfall, Soziale Sicherheit 53, 366 und 54, 16; Kagerer, Sozialversicherung 55, 199; Schieke, Zur Frage der Haftung von Arbeitnehmern für Arbeitsunfälle, Sozialversicherung 55, 317; Debus, Soziale Sicherheit 56, 334; Oehmann, BB 56, 726).

Hier setzt der von der neueren arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Lehre entwickelte Grundsatz ein, daß der Arbeitnehmer, der bei einer ihrer Natur nach leicht zu Schädigungen führenden Arbeit fahrlässig einen Schaden herbeigeführt hat, nicht schlechthin haften soll. Das gilt natürlich nicht für die Haftung gegenüber außenstehenden Dritten, die unberührt bleibt. Dagegen hat das Reichsarbeitsgericht mehrfach ausgesprochen, daß der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer keinen oder jedenfalls keinen vollen Schadenersatz verlangen kann, wenn die Eigenart der vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste es mit sich bringt, daß dem Arbeitnehmer Fehler unterlaufen, die – für sich allein betrachtet – zwar jedes Mal vermeidbar waren, also fahrlässig herbeigeführt worden sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß zu rechnen ist (vgl. RAG, ARS 30, 1; 41, 259). Diesen Rechtsgrundsatz hat das Reichsarbeitsgericht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Arbeitsgemeinschaft und der vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsgefahr hergeleitet (vgl. RAG, aaO).

In folgerichtiger Weiterentwicklung dieses Grundsatzes hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung dem Arbeitnehmer, der bei Ausübung der ihm übertragenen gefahrengeneigten Arbeit einen Dritten geschädigt hat, einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf gänzliche oder je nach den Umständen anteilmäßige Freistellung von seiner Ersatzpflicht, die er gegenüber dem geschädigten Dritten hat, gewährt, sowie auf Ersatz dessen, was er dem Dritten schon geleistet hat (vgl. RAG, ARS 41, 55 und 43, 108).

Beim Arbeitsunfall, den ein Arbeitskamerad des Verletzten bei gefahrengeneigter Arbeit fahrlässig verursacht hat, geraten nun aber die dargelegten Prinzipien, nämlich die Haftungsgrundsätze der Reichsversicherungsordnung und des Arbeitsrechts, in einen scharfen Widerspruch.

Steht dem verletzten Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitskameraden, der den Arbeitsunfall im Rahmen der ihm übertragenen schadensgeneigten Arbeit (z.B. Kraftfahrzeugunfall) fahrlässig herbeigeführt hat, ein Schadenersatzanspruch aus § 823 BGB zu und gewährt man dem haftpflichtigen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Befreiung von dieser Ersatzpflicht gegen seinen Arbeitgeber, so liefe das für diese Fälle auf eine Beseitigung des § 898 RVO hinaus. Es müsste nämlich dann der Arbeitgeber, der nach § 898 RVO von jeder Ersatzpflicht gegenüber dem in seinem Betrieb durch Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmer frei ist und der zur Erreichung dieses Haftungsausschlusses seine Beiträge zur Berufsgenossenschaft zahlt, doch für die Folgen des Arbeitsunfalls einstehen, und zwar auf dem Umwege, daß er seinen Arbeitnehmer von der Ersatzpflicht freistellen müsste.

Ließe man solchen Falles den fahrlässig handelnden Arbeitnehmer zwar aus § 823 BGB haften, versagte man ihm aber wegen des sonst gegen § 898 RVO verstoßenden Ergebnisses einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber, so wäre eine solche Entscheidung ein Bruch mit einem jetzt allgemein anerkannten, billigen und gerechten arbeitsrechtlichen Rechtsprinzip.

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Wenn man angesichts dieser rechtlichen Unstimmigkeiten, die sich sowohl bei Gewährung wie auch bei Versagung des Freistellungsanspruchs ergeben, schließlich in Erwägung zieht, dem durch Arbeitsunfall geschädigten Arbeitnehmer in gewissem Umfange und unter gewissen Voraussetzungen von vornherein den Schadenersatzanspruch gegen seinen Arbeitskameraden zu versagen, so scheint eine solche Lösung wieder gegen § 823 BGB (oder verwandte Bestimmungen) zu verstoßen, der ausnahmslos für jede auch nur leicht fahrlässige Körperverletzung dem Geschädigten gegen den Schädiger einen Anspruch auf vollen Schadenersatz gewährt.

Es ergibt sich also: Wie auch immer der Richter diesen sich aus dem Nebeneinander von Bürgerlichem Recht, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht ergebenden Schwierigkeiten begegnen will, stets würde er gegen Grundsätze des geltenden Rechts – jedenfalls in ihrem bisher verstandenen Sinne – verstoßen.

Die Lösung kann also, solange sich der Gesetzgeber dieser Frage nicht annimmt, nur durch richterliche Fortentwicklung des Rechts, wie sie gemäß §§ 45 ArbGG und 137 GVG zu den Aufgaben des Gerichts gehört (vgl. BAG 1, 279), gefunden werden.

III.

Dabei bestehen, wie sich schon aus dem oben Ausgeführten ergibt, drei Lösungsmöglichkeiten:

Entweder gewährt der Richter unter – scheinbarem oder wirklichem – Verstoß gegen § 823 BGB und gegen § 899 RVO dem durch Arbeitsunfall geschädigten Arbeitnehmer unter bestimmten noch näher festzulegenden Voraussetzungen von vornherein keinen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitskameraden desselben Betriebes, der den Arbeitsunfall fahrlässig herbeigeführt hat.

Oder der Richter gibt gemäß § 823 BGB dem geschädigten Arbeitnehmer einen Ersatzanspruch gegen seinen Arbeitskameraden, gewährt diesem aber – mit Rücksicht auf § 898 RVO – in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung keinen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber.

Oder der Richter spricht sowohl dem geschädigten Arbeitnehmer aus § 823 BGB einen Ersatzanspruch gegen den schädigenden Arbeitskameraden wie auch diesem einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber zu, nimmt also einen Einbruch in das Gefüge der Reichsversicherungsordnung vor.

Der Große Senat hat alle drei Lösungsmöglichkeiten geprüft. Er hält die erste Lösung für die richtige. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Der Große Senat tritt der vom Reichsarbeitsgericht entwickelten, von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und auch vom Bundesgerichtshof übernommenen Lehre von der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei gefahrengeneigter Arbeit bei. Wenn die Eigenart der vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste es mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die – für sich allein betrachtet – zwar jedes Mal vermeidbar waren, also fahrlässig herbeigeführt worden sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß zu rechnen ist, kann der Arbeitgeber von dem fahrlässig handelnden Arbeitnehmer keinen oder jedenfalls keinen vollen Schadenersatz verlangen. Es wäre eine unbillige Härte, den Arbeitnehmer in solchen Fällen nach den normalen Regeln haften zu lassen, da häufig auch die Gefahr besteht, daß der durch ein solches Versehen verursachte Schaden außer Verhältnis zu dem Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers steht. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Arbeitnehmer an der Wiedergutmachung des Schadens zu beteiligen ist, richtet sich nach der Größe der in seiner Arbeit liegenden Gefahr, nach dem vom Arbeitgeber einkalkulierten oder durch Versicherung deckbaren Risiko, nach der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, nach der Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie für den Arbeitnehmer enthalten sein kann, nach der Höhe des Schadens, weiter besonders nach dem Grad seines Verschuldens und überhaupt nach den persönlichen Umständen des Arbeitnehmers, wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit in der vorausgegangenen Zeit, seinem Lebensalter, den Familienverhältnissen, seinem bisherigen Verhalten u. ä. (HAG, ARS 41, 55, 259; 43, 108; 46, 136; BGH vom 10. Januar 1955, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers und BGHZ 16, 111; LAG Bremen, AP 53, 44, RdA 51, 75; LAG Düsseldorf, AP 51, 255 und Betrieb 56, 355; LAG Frankfurt, BB 52, 858; 56, 499; LAG Hamburg, RdA 48, 106, AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers, Entscheidung Nr. 1; LAG Stuttgart, AP 51, 147; 52, 7; LAG Hamm, AP 51, 75; LAG Breslau, ARS 42, 97).

Diese Beschränkung der Haftpflicht des Arbeitnehmers ergibt sich aus den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgepflichtgedanken, mit denen es sich nicht vertrüge, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Schäden und Ersatzansprüchen belasten würde, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen Arbeit ergeben und als solche zum typischen vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko gehören, auch wenn sie im Einzelfall vom Arbeitnehmer fahrlässig herbeigeführt worden sind (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., I, § 35 II, 4, S. 213 ff.; § 46 III, 6, S. 378; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 27 V, 3, S. 269; § 36 I, 2 e, S. 407; Hueck, ARS 41, 64 ff.; AP Nr. 1 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Denecke, RGR-Kommentar, 10. Aufl., Vorbem. III, 4 vor § 611 BGB; derselbe RdA 52, 209, 211; Dersch Anm. AP 51, 255; Herschel, DR 41, 1374, IheringsJ. 90, 169; Beine, ZAkDR 39, 683; Rewolle, Betrieb 52, 166; Bulla, DAR 42, 19; Gumpert, BB 55, 480).

Was zunächst von der Rechtsprechung nur für den Schaden ausgesprochen wurde, den der Arbeitnehmer bei Ausübung der ihm übertragenen Arbeit dem Arbeitgeber zufügt, hat die Rechtsprechung dann auch auf den Schaden übertragen, den unter gleichen Voraussetzungen der Arbeitnehmer bei Ausführung der ihm übertragenen Arbeit einem Dritten zufügt. Zwar haftet der Arbeitnehmer dem Dritten unmittelbar unbegrenzt, da die Haftungseinschränkung nur für den innerbetrieblichen Schadensausgleich in Frage kommen kann, aber er hat einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber (vgl. RAG, ARS 41, 55; 43, 108; 46, 136; LAG Hamm, BB 55, 477; LAG Düsseldorf/Köln, BB 56, 42; s. a. Hueck-Nipperdey, Nikisch und Gumpert, aaO). Auch diese Rechtsprechung macht sich der Große Senat zu eigen. Denn es gehört zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, daß er einen Schaden, den der Arbeitnehmer aus einem bei der Natur der ihm übertragenen Arbeit und der menschlichen Unzulänglichkeit erklärlichen Versehen herbeigeführt hat – ganz oder teilweise, je nach den Umständen -, auf sich nimmt, wobei es gleichgültig ist, ob der Schaden dem Arbeitgeber selber oder einem Dritten entstanden ist. Ist ein Dritter der Geschädigte, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf gänzliche oder anteilige Freistellung von der Ersatzpflicht oder auf Erstattung dessen, was er dem Geschädigten bereits ersetzt hat.

Die bisherige Rechtsprechung und die Lehre haben dabei keine Unterscheidung dahin getroffen, daß der Arbeitgeber nur den einem Betriebsfremden zugefügten Schaden zu übernehmen hätte, der Arbeitnehmer aber den einem Betriebsangehörigen beim Arbeitsunfall zugefügten Schaden u.U. selbst tragen müsste. Es ist aber zu beachten, daß die bisher entschiedenen Fälle offenbar sämtlich außerhalb des gemeinsamen Betriebsorganismus stehende Dritte betrafen. Die Erwägungen, die zur Gewährung eines Freistellungsanspruchs geführt haben, insbesondere über das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko, schließen es nicht aus, auch den beim Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmer, den sein Arbeitskamerad bei der Arbeit für denselben Betrieb aus einem mit der Natur seiner Arbeit zusammenhängenden Versehen geschädigt hat, am Risiko der gefahrengeneigten Arbeit zu beteiligen. Denn die Belastung des Arbeitgebers mit dem Freistellungsanspruch auch bei Arbeitsunfällen, die ein Arbeitnehmer durch fahrlässiges Verhalten seines Arbeitskameraden erlitten hat, muß an der Grundkonzeption des Unfallversicherungsrechts scheitern.

2. Die Bestimmung des § 898 Reichsversicherungsordnung muß durchgeführt und darf nicht umgangen werden. Es darf nicht der große gesetzgeberische Fortschritt, den das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 und die seine Bestimmungen übernehmende Reichsversicherungsordnung gegen über dem früheren Rechtszustand bedeuten, gefährdet werden. Der Grund für die in § 898 RVO enthaltene Haftungsbefreiung des Arbeitgebers liegt darin, daß die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer in ihrer Gesamtheit als Gefahrengemeinschaft für die Folgen eines jeden Arbeitsunfalls aufkommen müssen. Die Arbeitgeber zahlen allein die Beiträge. Als Ausgleich dafür sollen sie von ihrer Haftung gegenüber dem durch Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmer befreit sein. Der verletzte Arbeitnehmer bekommt zwar statt des vollen Schadenersatzes einschließlich eines etwaigen Schmerzensgeldes nur die – vielfach etwas geringere – Unfallrente. Dafür hat er aber den Vorteil eingetauscht, daß er bei jedem Arbeitsunfall entschädigt wird, ohne daß ein Verschulden des Arbeitgebers oder seiner Hilfspersonen vorzuliegen braucht, und auch dann, wenn ihn selbst ein Verschulden trifft. Darüber hinaus sollen – das war gleichfalls ein Grund für diese Regelung – im Interesse des Arbeitsfriedens alle Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer wegen eines Arbeitsunfalls vermieden werden (über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, VI. Session vgl. Stenographische Berichte, 18845 3. Anlageband, S. 65 ff. und S. 89; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., I, § 48, II, 5, c ff. S. 368; Dersch, Festschrift für Sitzler 1956, S. 203 ff.; Debus, Soziale Sicherheit, 56, 334 [335]; Elleser, Sozialversicherung, 56, 86; Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 898 Anm. 1; Schieke, Sozialversicherung, 55, 317; Schraft, Die Berufsgenossenschaft, 53, 122; Weimar, BlfStR, SozVers. u. ArbR, 55, 281; RGZ 74, 27; BGHZ 3, 298 [303]; 8, 330 [338], 19, 114 [121]).

Der Sinn und Zweck der durch das Unfallversicherungsgesetz geschaffenen und von der RVO übernommenen Regelung würde vereitelt werden, wenn der Arbeitgeber auf dem Umweg, daß zunächst der durch den Arbeitsunfall verletzte Arbeitnehmer seinen Arbeitskameraden, der ihn verletzt hat, in Anspruch nehmen und dieser dann wieder seinen Arbeitgeber auf Schuldbefreiung belangen könnte, im Endergebnis doch für den Arbeitsunfall haften müsste. Zwei Prozesse um denselben Arbeitsunfall müssten unter Umständen geführt werden. Der durch die Einrichtung der Berufsgenossenschaften vom Unfallversicherungsgesetz und der Reichsversicherungsordnung erstrebte Betriebsfriede wäre ernstlich gefährdet.

Der Große Senat ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, daß der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers bei gefahrengeneigter Arbeit auf die Fälle der Schädigung außenstehender Dritter beschränkt bleiben muß, daß er jedenfalls nicht Platz greift bei Arbeitsunfällen, die ein in demselben Betrieb angestellter Arbeitskamerad des Verletzten verschuldet hat.

3. Vielmehr ist der Anspruch des durch Arbeitsunfall geschädigten Arbeitnehmers gegen den Arbeitnehmer seines Betriebes, der diesen Arbeitsunfall fahrlässig herbeigeführt hat, in gewissem Umfang und unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu gewähren.

a. Da es sich dabei um eine zweckgetreue Fortentwicklung des Rechts handelt, musste der Große Senat vor der Frage nach der rechtlichen Möglichkeit, eine solche Haftungseinschränkung zu begründen, die Frage nach der Gerechtigkeit dieser Lösung beantworten. Denn nur dann, wenn die Lösung billig und gerecht ist, darf das Recht in dieser Richtung fortentwickelt werden (Enneccerus-Nipperdey, Allgem. Teil § 51 II 3, 5 u. 6).

Die Frage nach der Gerechtigkeit dieser Lösung hat der Große Senat bejaht. Die Lösung beschneidet zwar einen dem Buchstaben nach dem geschädigten Arbeitnehmer zustehenden Anspruch gegen seinen Arbeitskameraden. Tatsächlich hat aber der geschädigte Arbeitnehmer wirtschaftlich kaum etwas von diesem Anspruch und er ist auch regelmäßig nicht auf ihn angewiesen. Denn der geschädigte Arbeitnehmer erhält seine Unfallversorgung aus der Berufsgenossenschaft. Daß diese hinter dem wirklichen Schaden erheblich zurückbleibe, wird zwar oft gesagt, trifft aber bei genauer Betrachtung nicht zu (vgl. Knoll, JZ 55, 318). Die Unfallrente beträgt zwar höchstens 2/3 des Jahreseinkommens, aber dabei wird das Jahreseinkommen brutto, die Rente netto gerechnet, so daß der tatsächliche Unterschied nur etwa 15 % beträgt. Dafür fallen die Mehrausgaben weg, die der Arbeitende gegenüber dem Rentner hat. Außerdem werden bei der Berechnung des Jahreseinkommens Krankheitszeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit als vollbezahlte Arbeitszeit gerechnet. Es gibt zur Rente Kindergeld. Nach dem 65. Lebensjahr steht sich der unfallgeschädigte Arbeitnehmer finanziell besser als sein nicht versehrter Arbeitskamerad; denn er bekommt zu der Invalidenrente bzw. Angestelltenrente noch die Unfallrente zusätzlich. Berücksichtigt man dies alles, so liegt die Unfallversorgung aus der Berufsgenossenschaft dicht hinter dem Ersatz des Vollschadens (vgl. Knoll, aaO); ja, sie kann sogar, was bei Teilschaden gar nicht selten ist, als pauschalberechnete Unfallversorgung den konkreten Schaden des Verletzten übersteigen (vgl. hierzu Baresel, Zentralblatt für SozVers. 50, 240). Im Grunde fehlt nur das Schmerzensgeld, hinsichtlich dessen es jedoch durchaus zweifelhaft sein könnte, ob es gerecht und billig ist, wenn ein Arbeitskamerad vom anderen bei schadensgeneigter Arbeit für einen Arbeitsunfall im Betrieb Schmerzensgeld fordert.

Weiter ist zu bedenken, daß gemäß § 1542 RVO alles, was bei dem am Arbeitsunfall schuldigen Arbeitnehmer beigetrieben wird, zunächst einmal den Sozialversicherungsträgern zugute kommt. Erst wenn diese für alle ihre Aufwendungen befriedigt sind, kann überhaupt der geschädigte Arbeitnehmer zum Zuge kommen, was angesichts der Höhe der Leistungen aus der Sozialversicherung kaum je der Fall sein wird. Die Beitreibbarkeit von dem Arbeitskameraden wird vielfach nicht gegeben sein. Während somit praktisch die Zubilligung eines Ersatzanspruchs dem verletzten Arbeitnehmer kaum nennenswerte wirtschaftliche Vorteile bringt, wäre die Belastung des am Arbeitsunfall schuldigen Arbeitskameraden stark und außer Verhältnis zu dem etwaigen Nutzen für den Geschädigten (vgl. Berger, aaO; Schieke, aaO; Debus, aaO). Wenn er dem Geschädigten haftet, so heißt das, daß ihn die Sozialversicherungsträger nach § 1542 RVO für alle von ihnen wegen des Arbeitsunfalls erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen können. Er wäre mit Ersatzleistungen belastet, die ihn und seine Familie auf Lebenszeit zu einer kümmerlichen Lebenshaltung zwingen, ihm die Arbeitsfreude nehmen und die Ausbildung seiner Kinder gefährden würden. Das müsste der Arbeitnehmer allerdings in Kauf nehmen, wenn er in leichtfertiger Weise oder gar vorsätzlich seinen Arbeitskameraden geschädigt hat, aber nicht dann, wenn es um einen aus der Natur der ihm übertragenen Arbeit sich ergebenden gelegentlichen Fehler geht, der angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit jedem – auch dem verletzten Arbeitnehmer – erfahrungsgemäß einmal unterlaufen kann. Dann ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß solche im Versagen der menschlichen Natur und in der Eigenart der Arbeit begründeten Schäden von den zu diesem Zwecke gegründeten Berufsgenossenschaften getragen werden und daß nicht nur der Arbeitgeber und seine Aufsichtspersonen, sondern auch der einfache Arbeitnehmer entlastet werden. Dadurch würde auch nicht etwa das Verantwortungsgefühl der Arbeitnehmer geschwächt werden; eine solche Gefahr ist durch den allen Arbeitsaufsehern in § 899 RVO gewährten Haftungsausschluß ebenfalls nicht eingetreten.

b. Erscheint es nach alledem billig und gerecht, die Haftung der Arbeitnehmer untereinander für die Folgen eines fahrlässig herbeigeführten Arbeitsunfalls zu beschränken, so fragt es sich, ob dieses Ergebnis auch nach dem geltenden, vom Richter in den Grenzen der ihm zustehenden Möglichkeiten fortzuentwickelnden Recht zutreffend ist.

Eine Gesetzesanalogie zu einzelnen positiven Bestimmungen scheidet allerdings aus.

Das gilt zunächst für beamtenrechtliche Vorschriften.

In Art. 34 GG ist bestimmt, daß die Verantwortlichkeit für eine von einem Amtsträger in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amts einem Dritten gegenüber begangene Amtspflichtverletzung allein den Staat oder die betreffende öffentliche Körperschaft trifft; der Schädiger ist von der unmittelbaren Inanspruchnahme durch den Verletzten frei. Diese Amtspflicht kann auch den Staatsdienern der gleichen Behörde gegenüber bestehen und verletzt sein (vgl. RGZ 100, 188). Wenn also ein Amtsträger den Schaden seines Kollegen in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts herbeigeführt hat, so kann er gemäß Art. 34 GG von dem Geschädigten nicht in Anspruch genommen werden. Dieser hat vielmehr nur einen Anspruch gegen den Staat oder die betreffende öffentliche Körperschaft, die ihrerseits bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Staatsbediensteten bei diesem Rückgriff nehmen kann. In den vom Ersten Senat zu entscheidenden Sachen scheidet Art. 34 GG schon deshalb aus, weil die Dienstfahrt, auf der der Arbeitsunfall sich ereignet hat, zum Zwecke der Abholung einer in Hamburg gekauften Papierschneidemaschine, also zu einem auf dem Gebiet des Privatrechts liegenden Zwecke (vgl. BGH bei LM Nr. 25 zu Art. 34 GG) geschah. Art. 34 führt aber selbst bei analoger Anwendung auch deshalb nicht weiter, da er nur in Verbindung mit der Haftung des „Arbeitgebers“ des Amtsträgers sinnvoll ist, die hier gerade im Hinblick auf § 898 RVO nicht besteht.

Einschlägiger wären schon die Bestimmungen des § 124 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 38), des § 151 des Bundesbeamtengesetzes i.d.F. vom 18. September 1957 (BGBl. I S. 1338) und des § 81 des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts vom 1. Juli 1957 (BGBl. I, S. 667). Hier ist bestimmt, daß der durch Dienstunfall verletzte Beamte und seine Hinterbliebenen aus Anlaß eines Dienstunfalls neben ihrem Anspruch auf beamtenrechtliche Unfallversorgung weitergehende Ansprüche gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder – was hier in Betracht kommt – gegen die in seinem Dienst stehenden Personen nur bei vorsätzlicher unerlaubter Handlung einer solchen Person geltend machen können. Jedoch lässt sich aus diesen Vorschriften (über deren Tragweite vgl. BGH 6, 3 [13] ff.) kein allgemeiner auf alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zu übertragender Rechtsgedanke entwickeln. Angesichts der tiefgreifenden Unterschiede, die allein schon hinsichtlich eines Dienst- bzw. Arbeitsunfalls für Beamte einerseits und für Arbeitnehmer selbst im öffentlichen Dienst andererseits bestehen (vgl. §§ 134 ff. BBG für Beamte, § 11 ATO, § 12 TO.A für Angestellte und § 11 ATO, § 15 TO.B für Arbeiter), ist es unzulässig, Bestimmungen, die der Gesetzgeber für die Gruppe der Beamten oder für Träger eines öffentlichen Amtes bei Ausübung öffentlicher Gewalt geschaffen hat, auf das allgemeine Arbeitsrecht zu übertragen.

Auch der in § 899 RVO den Arbeitsaufsehern und ähnlichen Personen in einer gewissen leitenden Position gewährte Haftungsausschluß kann nicht auf alle Arbeitnehmer erstreckt werden. Bei einer Erweiterung des Haftungsausschlusses aus § 899 RVO ergäbe sich zwar eine glatte und damit für die Praxis einfache Lösung: Der Arbeiter wäre beim Arbeitsunfall genau wie sein Arbeitgeber und sein Arbeitsaufseher (vom Fall der strafgerichtlich abgeurteilten vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens abgesehen) von jeder Inanspruchnahme durch den Verletzten frei. Die Sozialversicherungsträger könnten sich an ihn wie an den Arbeitgeber und den Arbeitsaufseher nur unter den Voraussetzungen des § 903 RVO wenden, also bei qualifiziertem – und in den Fällen § 903 Abs. 1 – 3 RVO strafgerichtlich festzustellenden – Verschulden sowie mit der Niederschlagungsmöglichkeit aus § 905 RVO. Dem Gedanken, daß ein solcher Haftungsausschluß bei grober Fahrlässigkeit des Schädigers vielleicht gar nicht erstrebenswert wäre, ließe sich mit dem Hinweis begegnen, daß der Arbeitsaufseher auch bei grober Fahrlässigkeit von der unmittelbaren Inanspruchnahme durch den Geschädigten frei ist und unter den Voraussetzungen des § 903 RVO den Sozialversicherungsträgern haftet und daß es angemessen wäre, es für den einfachen Arbeiter genauso zu regeln. Man könnte für die Gleichstellung des einfachen Arbeitnehmers mit dem Arbeitsaufseher weiter anführen, daß der eine Grund, der beim Arbeitgeber für den Haftungsausschluß spricht, nämlich seine alleinige Beitragszahlung zur Berufsgenossenschaft, für den Arbeitsaufseher genausowenig in Betracht kommt wie für den einfachen Arbeiter und daß der weitere Grund, der für die Schaffung der §§ 898, 899 RVO ins Feld geführt worden ist, nämlich den Arbeitgeber auch von einer nur moralischen Verpflichtung zum Schadenersatz zu befreien und den Betriebsfrieden zu erhalten (vgl. Stenographische Berichte des Reichstages, aaO, S. 89), für den Haftungsausschluß sowohl bei dem Arbeitsaufseher wie auch beim einfachen Arbeiter spricht. Rechtspolitisch besonders einleuchtend ist die Bevorzugung des Arbeitsaufsehers vor dem einfachen Arbeiter nicht. Vielleicht mag bei Schaffung dieser Bestimmungen eine Haftung des Arbeiters aus praktischen Gründen, weil er zu wenig verdiente, gar nicht ernst genommen worden sein, sondern nur die des – besser verdienenden – Arbeitsaufsehers. Dann könnte die zunehmende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiters den Anlaß bieten, nunmehr den in § 899 RVO dem Arbeitsaufseher gewährten Schutz auch dem Arbeiter zukommen zu lassen, zumal die immer stärker werdende Automation heute schon namentlich den Facharbeiter vielfach beim Überwachen von Maschinen eine Funktion im Betriebe ausüben lässt, wie sie zur Zeit der Schaffung des § 899 RVO der Arbeitsaufseher gegenüber den ihm unterstellten Arbeitern hatte. Trotz dieser Erwägungen hat sich der Große Senat jedoch nicht zu einer entsprechenden Anwendung des § 899 RVO auf den Arbeiter entschließen können. (Eine ausdehnende Auslegung kommt natürlich gar nicht in Frage.) Denn das wäre eine völlige Veränderung, ja Umkehrung der Bestimmung gewesen. In § 899 RVO sind einzelne Gruppen durch Gewährung des Haftungsausschlusses vor der Gesamtheit der übrigen Arbeitnehmer privilegiert worden. Im Sinne einer Fortentwicklung des Rechts könnte es durchaus liegen, in einzelne der in § 899 RVO aufgezählten Gruppen noch diese oder jene ähnliche Sparte von Arbeitnehmern einzubeziehen (vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil § 48 I 2). Es geht aber nicht an, das Enumerationsprinzip des § 899 RVO durch Richterspruch in eine jeden Arbeitnehmer erfassende Generalklausel umzuwandeln. Außerdem müsste dann nicht nur § 899 RVO geändert werden; es änderte sich damit auch zugleich der Geltungsbereich des § 903 RVO. Eine solche Änderung der RVO ginge über die dem Richter im Rechtsstaat eingeräumten Befugnisse hinaus. Die Änderung der RVO muß das Bundesarbeitsgericht dem Gesetzgeber überlassen, der sich auch bereits mit dieser Aufgabe zu befassen begonnen hat.

In dem von der Bundesregierung am 16. Februar 1957 dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung (Bundesrats-Drucksache Nr. 55/57) war ein Haftungsausschluß bei Arbeitsunfall für alle Betriebsangehörigen vorgesehen, allerdings mit der Einschränkung auf den Fall, daß ihnen bei einer Inanspruchnahme durch den Verletzten gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Freistellung zustehen würde (§ 632). Das Gegenstück zu dieser Bestimmung war in § 795 des Entwurfs enthalten, der bestimmt, daß die nach § 632 von der unmittelbaren Inanspruchnahme durch den Geschädigten befreiten Arbeitnehmer den Sozialversicherungsträgern gegenüber für deren Aufwendungen haften, wenn sie den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, wobei allerdings der Entwurf übersehen hat, daß bei einem solchen Verschulden gar kein Befreiungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber bestehen und damit auch die Voraussetzungen des § 632 gar nicht gegeben sein würden.

Der Entwurf ist bisher nicht Gesetz geworden. Der Richter darf ihn aus den oben aufgezeigten Gründen nicht als bereits geltendes Recht betrachten und anwenden.

Wohl aber gibt dieser Gesetzentwurf einen klaren Hinweis auf das vom Großen Senat für richtig erachtete Ergebnis. Denn wenn der Entwurf in § 632 bestimmt hat, daß derjenige Arbeitnehmer von der Haftung gegenüber seinem Arbeitskameraden frei sein soll, der einen Befreiungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben würde, so sollte das, wenn man – was notwendig ist – statt des Wortes „Befreiungsanspruch“ die Voraussetzungen für die Entstehung eines solchen einsetzt, bedeuten, daß immer dann, wenn der Arbeitsunfall durch ein Versehen des Arbeitnehmers des Betriebes herbeigeführt worden ist, das seinen Grund in der Eigenart der ihm übertragenen Arbeit und in der menschlichen Unzulänglichkeit hat, der Arbeitnehmer seinem durch den Arbeitsunfall verletzten Arbeitskameraden nicht zu haften braucht. Das sagt auch die Begründung des Entwurfs S. 85 mit voller Klarheit.

c. Die Haftungseinschränkung ergibt sich aber schon nach geltendem Recht aus einer sinnvollen Weiterentwicklung der von der Rechtsprechung erarbeiteten – oben wiedergegebenen – Lehre von der Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und der Lehre von der Preisteilungspflicht des Arbeitgebers bei gefahrengeneigter Arbeit. Dieses Prinzip der Haftungsbefreiung oder Haftungseinschränkung im Sinne einer innerbetrieblichen Schadensverteilung ist auf Arbeitsunfälle auszudehnen, die der Arbeitskamerad des Verletzten fahrlässig herbeigeführt hat. Der Schaden des Verletzten wird, wie oben dargelegt, weitgehend durch die Unfallversicherung gedeckt. Was einen etwa darüber hinausgehenden Schaden und das Schmerzensgeld betrifft, so erfordern es die Grundsätze der Betriebsgemeinschaft, daß der Arbeitnehmer seinen Arbeitskameraden bei schadensgeneigter Arbeit nicht schärfer zur Haftung heranziehen kann, als dieser seinem Arbeitgeber gegenüber und – bei Inrechnungstellung des Freistellungsanspruchs – im praktischen Endergebnis einem außenstehenden Dritten gegenüber haftet. Bereits das Reichsarbeitsgericht hat zur Begründung der Lehre von der Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auch den Gedanken der Betriebsgemeinschaft als Rechtsgrundlage herangezogen (vgl. RAG, ARS 41, 259 [264]). Das gilt mindestens in gleichem Maße für das Verhältnis der Arbeitnehmer desselben Betriebes untereinander. Sicherlich besteht zwischen den Arbeitnehmern desselben Betriebes untereinander kein Vertragsverhältnis (von den Sonderfällen der sich zu einer Kapelle zusammenschließenden Musiker u.ä.F. abgesehen, vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 24 IV 2 S. 210 und § 25 I 3 S. 221). Wohl aber schafft die Arbeit im gleichen Betrieb ein mehr oder weniger enges Gemeinschaftsverhältnis der Arbeitnehmer untereinander, nicht nur als soziologische Erscheinung, sondern auch mit gewissen Rechtsfolgen. Der Arbeitnehmer tritt, worauf schon das Reichsgericht RGZ 106, 272 [275] und RGZ 113, 87 [89] hingewiesen hat, in die Arbeitnehmerschaft des Betriebes und damit in die gesamte Organisation des Betriebes ein, dessen Ergebnis in gemeinschaftlichem Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft gewonnen wird. Darüber hinaus hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen Urteilen vom 8. Februar 1957 (1 AZR 338/55) und vom 25. Juli 1957 (1 AZR 194/56), AP Nr. 2 u. 3 zu § 615 BGB Betriebsrisiko, auf die Solidarität der Arbeitnehmer untereinander hingewiesen. Die Rechtswirkung, die bei der Tätigkeit einer Vielzahl von Arbeitnehmern in einem Betrieb eintritt, erschöpft sich nicht in einer der Zahl der Beschäftigten entsprechenden Summe von verbindungslos nebeneinander bestehenden Einzelarbeitsverträgen. Vielmehr wirkt die Betriebsverbundenheit auf die Rechtsstellung des einzelnen Arbeitnehmers ein (z.B. auf der Grundlage des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der dem Betriebsrat im Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben). Die Arbeitnehmer eines Betriebes müssen aufeinander besondere Rücksicht nehmen. Sie müssen aber bei gefahrengeneigter Arbeit auch einmal mit leichten Versehen ihrer Arbeitskameraden rechnen. Vielfach wissen sie, daß ihnen solche Versehen auch passieren können. Und sie möchten solchen Falles auch nicht haftbar gemacht werden. Mit dieser Verbundenheit der Arbeiter des Betriebes untereinander ist es nicht vereinbar, wenn der durch einen Arbeitsunfall verletzte Arbeitnehmer, der eine ausreichende Unfallversorgung von der Berufsgenossenschaft bekommt, noch darüber hinaus Schadenersatzansprüche gegen seinen Arbeitskameraden stellen könnte, die – wie oben dargelegt – ihm selbst gar nicht oder kaum zugute kommen, seinen Arbeitskameraden aber unter Umständen zeitlebens aufs empfindlichste in seiner Lebenshaltung beschneiden.

Wenn auch die Arbeiter desselben Betriebes keine Gesellschaft des BGB bilden, so rechtfertigt doch ihre betriebliche Verbundenheit, die Haftungsvorschriften, die nach dem BGB für die Gesellschafter gelten, zum Vergleich heranzuziehen (vgl. auch Hueck-Nipperdey, Lehrbuch, 6. Aufl., Bd. 1 S. 214). Wie die einzelnen Gesellschafter einander nur für die Sorgfalt einzustehen haben, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (§ 708 BGB), so haften die Arbeitnehmer des Betriebes einander nicht, wenn der Schaden mit der Natur der ihnen übertragenen Arbeit zusammenhängt und durch ein leichtes typisches Abirren der Arbeitsleistung entstanden ist. Eine solche sich aus der speziellen Interessen- und Wertungslage ergebende Haftungsbeschränkung wirkt auf die Ansprüche aus unerlaubter Handlung ein, genau wie eine für die Vertragshaftung vorgesehene Beschränkung auf eine schwerere Schuldart auch für die Deliktshaftung gilt (vgl. RGZ 88, 317; RG, Recht 10 Nr.3916; RG, SeuffA 89, 329; Kipp, DJZ 03, 256; Krückmann, IheringsJ 52, 428).

Wie der Gesellschafter des BGB trotz der auf die Sorgfalt in eigenen Dingen beschränkten Haftung doch gemäß § 277 BGB für grobe Fahrlässigkeit haftet und wie auch bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers in der Regel seine Haftung gegenüber dem Arbeitgeber unbeschränkt ist, und dieser den Arbeitnehmer Dritten gegenüber nicht freizustellen braucht, so muß auch im Verhältnis der Arbeitnehmer des Betriebes untereinander die Haftungsbeschränkung eine Grenze haben. Der Senat hat, um die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nicht zu sehr bei der Rechtsfindung einzuengen, bewußt davon Abstand genommen, hier die Begriffe von leichter und grober Fahrlässigkeit zu gebrauchen. In aller Regel wird bei leichter Fahrlässigkeit der Haftungsausschluß Platz greifen und bei grober nicht. Da es aber nicht undenkbar ist, daß das von der Rechtsprechung bei der Lehre vom Ausschluß und der Minderung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber betonte aus der menschlichen Unzulänglichkeit erklärbare typische Abirren der Arbeitsleistung sich auch einmal als ein grober Fehler darstellt, hat der Große Senat es vermieden, die herkömmlichen Begriffe von leichter und grober Fahrlässigkeit zu gebrauchen. Es kommt hinzu, daß im Hinblick auf den Beschluß des Großen Senats des BGH vom 4. April 1957, NJW 57, 785 die Frage noch offen ist, ob nicht der sogenannte objektive Fahrlässigkeitsbegriff des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB für die nicht vorsätzlichen Handlungen in Wahrheit die Definition der Rechtswidrigkeit enthält, so daß außerdem noch das Verschulden festgestellt werden muß (vgl. dazu Nipperdey, NJW 57, 1777 mit Angaben). Der Große Senat hat es daher vorgezogen, den unverbrauchten und den Rechtsgenossen verständlichen subjektiv getönten Ausdruck der „nicht schweren Schuld“ zu wählen. Er wollte damit nicht etwa einen neuen Verschuldensbegriff prägen, was aus Gründen der Rechtseinheit entschieden abgelehnt werden müsste (so zutreffend Hueck in der Kritik zu LAG Stuttgart, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Dersch, BB 56, 501; Galperin, AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers III, Positive Vertragsverletzung A II 2; LAG Bremen, RdA 51, 75 mit Anm. Dersch). Vielmehr sollte durch diese Fassung der künftigen Rechtsprechung auf diesem Gebiet möglichst viel Spielraum gelassen werden.

d. Die vom Großen Senat gefundene Lösung bedeutet auch keine Gefährdung der Rechtseinheit. Denn maßgebend für die Entscheidung waren rein arbeitsrechtliche Gründe, wie sie lediglich die Arbeitsgerichtsbarkeit beschäftigen, nämlich die Verbundenheit der Arbeitnehmer desselben Betriebes, die Natur der dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeit und die Eigenart der sich bei solcher Arbeit möglicherweise ergebenden Versehen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer oberer Bundesgerichte ist somit nicht zu erwarten. Die Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zu der bereits vorliegenden Judikatur des Bundesgerichtshofs. So hat der Bundesgerichtshof eine Anwendung des § 899 RVO auf Arbeitskameraden auch seinerseits abgelehnt (vgl. BGH vom 12. März 1957, BB 57, 510). (Die Entscheidung betrifft im übrigen selbständige Landwirte, die einander beim Steineladen behilflich waren.) Ebenso steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 1957 VI ZR 261/56 nicht entgegen, da es sich in dieser Entscheidung um zwei Arbeitnehmer handelte, die zwar auf dem gleichen Bau, aber für verschiedene Arbeitgeber (Baufirma und Elektrofirma) arbeiteten. Auch das in BGHZ 21, 207 veröffentlichte Urteil vom 4. Juli 1956 und die Entscheidung vom gleichen Tage VI ZR 250/55 behandeln keinen Fall einer Haftung der Arbeitnehmer untereinander, sondern die Inanspruchnahme eines Unternehmers durch einen in seinen Betrieb nicht eingegliederten Arbeitnehmer eines fremden Betriebes.

Der Beschluß verstößt auch nicht etwa, was abschließend noch bemerkt werden soll, gegen Sinn und Zweck des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943. Wenn auch für die Rechtsstreitigkeiten, in denen der Vorlagebeschluß ergangen ist, dieses Sondergesetz nicht zur Anwendung kommt, weil die Fahrt vom 25. November 1952 in einem nicht dem allgemeinen Verkehr zugänglichen Dienstwagen unternommen worden ist (vgl. OGHZ 1, 245; BGHZ 3, 298 [304] und 8, 330 [337]; siehe auch amtliche Begründung des Gesetzes, DJ 44, 21), so musste doch dieses Gesetz bei der Entscheidung des Großen Senats mit in Betracht gezogen werden. Die Vorteile dieses Gesetzes bleiben auch bei der Entscheidung des Großen Senats dem Verletzten erhalten. Mag er auch den Anspruch gegen den Fahrer einbüßen, so behält er doch gemäß der in diesem Gesetz von § 898 RVO gemachten Aus nähme bei einem im allgemeinen Verkehr erlittenen Arbeitsunfall Ersatzansprüche gegen seinen Arbeitgeber als den Halter des Kraftfahrzeuges, das den Arbeitsunfall verursacht hat.

Was die im Vorlagebeschluß zu III gestellte Frage nach dem Einfluß von Haftpflicht- und Haftpflichtversicherungsrecht angeht, so richtet sich das Haftpflicht- und Haftpflichtversicherungsrecht nach der Haftung und nicht umgekehrt. Wenn der Arbeitnehmer für den von ihm verursachten Arbeitsunfall seinem Arbeitskameraden keinen Schadenersatz schuldet, so braucht auch keine Haftpflichtversicherung für ihn einzutreten. Im übrigen ist die vom Großen Senat beschlossene Fassung, die es darauf abstellt, ob dem Arbeitnehmer die Belastung mit Schadenersatzansprüchen zuzumuten ist, elastisch genug, um auch in Sonderfällen, in denen angesichts einer eigens für einen Arbeitsunfall der eingetretenen Art eingegangenen Versicherung der Wegfall der Haftung sinnwidrig erscheinen sollte, eine gerechte Lösung zu finden.


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