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Ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Asylanerkennung

OVG Rheinland-Pfalz

AZ: 7 A 10030/00

Urteil verkündet am 29.03.00


S c h l a g w ö r t e r

Widerruf, Wegfall der Voraussetzungen, anfängliche Rechtswidrigkeit, Zustellung, Einwurf-Einschreiben


Leitsätze:

1. Eine Zustellung eines ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die den Lauf der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG in Gang setzt, erfordert die Übergabe eines Schriftstücks an den Berechtigten. Da bei der Übermittlung eines sogenannten „Einwurf-Einschreibens“ das Schreiben nicht übergeben, sondern in den Hausbriefkasten eingeworfen wird, kann auf diese Weise eine Zustellung nicht bewirkt werden.

2. Ein Widerruf gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG setzt voraus, dass sich die asylrechtlich relevante Lage derart geändert hat, dass die Statusentscheidung im Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr erfolgen könnte. Es spricht viel dafür, dass die Vorschriften der §§ 72 f. Asy1VfG abschließende Regeln für die Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte nach dem Asy1VfG enthalten; eine Umdeutung eines auf § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG gestützten Widerrufs in eine Rücknahme ex nunc gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG scheidet aber jedenfalls deshalb aus, weil ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann (§ 47 Abs. 3 VwVfG). Das Urteil ist nicht rechtskräftig!


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN

In dem Verwaltungsrechtsstreit

VOLKES

w e g e n Feststellung der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG (Irak) hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2000, an der teilgenommen haben für Recht erkannt:

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat die Rosten des Verfahrens zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG.

Der am 16. September 1964 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und stammte aus Zacho im Nordirak. Er reiste am 1. September 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 7. September 1995 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung seines Asylantrages gab er im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Wesentlichen an, er habe zuletzt in der Umgebung von Zacho gearbeitet. Da er für eine ausländische Organisation tätig gewesen sei, sei ihm von irakischen staatlichen Stellen Verrat gegen das irakische Regime und Volk vorgeworfen worden. Er habe Angst gehabt, dass der irakische Geheimdienst etwas gegen ihn unternehme.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1996 wurde zwar der Antrag auf Asyl abgelehnt, die Beklagte stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorlägen. In den Gründen dieser Entscheidung heißt es unter anderem, da dem Kläger allein wegen der illegalen Ausreise und der Asylbeantragung in Deutschland Verfolgung drohe, könne ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Rückkehr in den Irak nicht zugemutet werden.

Nach vorheriger Anhörung des Klägers widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 3. Februar 1999 die mit. Bescheid vom 13. Februar 1996 getroffene Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG und stellte zugleich fest, dass Abschiebungshindernisse nach 5 53 AuslG nicht vorliegen. In den Gründen dieser Entscheidung heißt es im Wesentlichen, die Feststellung, dass bei dem Kläger Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG gegeben seien, sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG zu widerrufen, da die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorlägen. Die Gefahr politischer Verfolgung sei nachträglich weggefallen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sei die Situation im Nordirak nunmehr grundlegend anders zu bewerten. Für Angehörige der kurdischen Volksgruppe bestehe im Nordirak keine Verfolgungsgefahr. Eine effektive Gebietsgewalt im Sinne hoheitlicher Überlegenheit sei Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende und von ihm zurechenbare politische Verfolgung, so dass im Nordirak politische Verfolgung durch die Zentralregierung nicht mehr möglich sei.

Gegen diese, am 05. Februar 1999 per Einschreiben zur Post gegebene Entscheidung hat der Kläger am 15. März 1999 Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der angefochtene Bescheid sei bei seinem damaligen Verfahrensbevollmächtigten am 08. Februar 1999 eingegangen. Dieser habe ihn über den ablehnenden Bescheid mit Schreiben vom 08. Februar 1999 unterrichtet und ihn auf die Klagefrist hingewiesen. Dieses Schreiben habe ihn jedoch nie erreicht; er habe von dem ablehnenden Bescheid erst durch einen weiteren Brief vom 06. März 1999 erfahren.

In der Sache sei es nicht ausgeschlossen, dass die Herrschaft Saddam Husseins bei einer günstigen Gelegenheit bald wieder auf den Norden des Iraks ausgedehnt werden könne. In einem solchen Fall müssten die mutmaßlichen und wirklichen Feinde des Regimes mit asylrelevanten Maßnahmen rechnen. Da er mit einer amerikanischen Organisation zusammengearbeitet habe, aus der Armee desertiert sei und in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, sei er besonders gefährdet.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 03. Februar 1999 zu Nr. 1 des Tenors aufzuheben,

hilfsweise,

unter Abänderung des Bescheides vom 03. Februar 1999 zu Nr. 2 die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend vorgetragen, die Klage sei verfristet.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat den Bescheid der Beklagten vom 03. Februar 1999 durch Urteil vom 26. Oktober 1999 aufgehoben. In den Gründen dieser Entscheidung heißt es im Wesenlichen, die Klage sei zulässig, insbesondere nicht verfristet. Die Zustellung sei vorliegend durch ein „Einwurf-Einschreiben“ derart bewirkt worden, dass das Einschreiben mit der Tagespost in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen werde. Gemäß § 2 Abs. 1 VwZG bestehe die Zustellung jedoch in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift oder in dem Vorliegen der Urschrift. Eine solche Übergabe habe hier aber nicht stattgefunden. Eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 9 Abs. 1 VwZG komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift gemäß § 9 Abs. 2 VwZG auf den Beginn einer Frist zur Klageerhebung nicht anwendbar sei.

Die Klage sei auch begründet. Der Gesetzgeber habe mit § 73 Asy1VfG eine abschließende Regelung für die Aufhebung von noch nicht oder nicht mehr berechtigten Anerkennungsentscheidungen treffen wollen. Ein Widerruf im Sinne des § 73 Abs. 1 Asy1VfG setze eine Änderung der Verhältnisse voraus. Die Lage im Nordirak sei aber seit mindestens Herbst 1994 unverändert. Eine

von Anfang an rechtswidrige Anerkennungsentscheidung könne nur unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 Asy1VfG zurückgenommen werden. Ein Rückgriff auf § 48 VwVfG scheide schon deshalb aus, weil nach § 47 Abs. 3 VwVfG eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen könne, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden könne.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten im Wesentlichen vor, nach § 73 Abs. 1 Asy1VfG sei ein Widerruf auch bei einer von Anfang an rechtswidrigen, nicht unter § 73 Abs. 2 Asy1VfG fallenden Anerkennung möglich. Anderenfalls würde sich der zu Unrecht Begünstigte besser stehen als der ursprünglich zu Recht Begünstigte, obwohl in beiden Fällen feststehe, dass zum Zeitpunkt des Widerrufs keine Verfolgungsgefahr bestehe. Für eine derartige Privilegierung des Adressaten eines von Anfang an rechtswidrigen Anerkennungsbescheides bestehe keine Veranlassung.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Oktober 1999 die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, § 73 Abs. 1 Asy1VfG sei entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch anwendbar, wenn keine Änderung der Verhältnisse seit dem Erlass des anerkennenden Bescheides stattgefunden habe. Wenn man bei der von Anfang an rechtswidrigen Anerkennung eine Änderung der Verhältnisse fordern würde, so würde der zu‘ Unrecht Begünstigte besser als der – ursprünglich – zu Recht Begünstigte stehen. Eine derartige Privilegierung des Adressaten eines von Anfang an rechtswidrigen Anerkennungsbescheides sei, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Dezember 1998 ausgeführt habe, nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte stellt keinen Antrag. Sie trägt im Wesentlichen vor, im Irak drohten aufgrund der Ausreise und der Asylantragstellung keine asylerheblichen Maßnahmen. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht zu entnehmen, dass ein Anerkennungsbescheid nur im Falle einer eingetretenen Sachverhaltsänderung widerrufen werden dürfe., Wäre Voraussetzung für die Anerkennung allein die Änderung des Lebenssachverhalts, so müsste nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG ein Widerruf immer dann erfolgen, wenn eine Änderung eingetreten sei, selbst wenn anstelle des früheren Verfolgungsgrunds inzwischen ein anderer Verfolgungsgrund getreten sei. Richtigerweise sei jedoch nicht auf einen bestimmten Lebenssachverhalt, sondern auf die Verfolgungsprognose abzustellen. Für den Widerruf könne es daher nicht darauf ankommen, ob die Verfolgungsprognose aufgrund einer veränderten Sachlage oder aufgrund einer veränderten Erkenntnis- bzw. Beweislage nicht mehr getroffen werden könne.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) und der den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Unterlagenliste Irak. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie schon das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung entschieden hat, ist die gegen den Bescheid vom 3. Februar 1999 gerichtete Anfechtungsklage zulässig und begründet.

Die Klage ist insbesondere nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Wie sich aus § 74 Abs. 1 Asy1VfG ergibt, wird der Lauf der dort vorgesehenen zweiwöchigen Klagefrist erst durch die – im Übrigen auch in § 31 Abs. 1 Satz 2 Asy1VfG ausdrücklich angeordnete – Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bewirkt. Zugestellt wird gemäß § 56 Abs. 2 VwGO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes – VwZG -. Für die von der Beklagten vorliegend als Art der Zustellung gewählte Zustellung durch eingeschriebenen Brief bestimmt § 4 VwZG, dass bei der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes dieser mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, es sei denn, dass das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Wie auch immer diese Vorschrift im Einzelnen zu verstehen sein mag, jedenfalls setzt sie eine „…Zustellung durch die Post…“ voraus, worunter gemäß § 2 Abs. 1 VwZG die Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift zu verstehen ist. Auch die Zustellung per Einschreiben setzt somit die persönliche Aushändigung der Sendung durch einen Bediensteten der Post an den Adressaten bzw. an einen der in §§ 7,8 VwZG bezeichneten Vertreter bzw. Bevollmächtigten voraus.

Vorliegend sollte die Zustellung des Bescheides vom 03. Februar 1999 ausweislich der bei den Akten befindlichen handschriftlichen Verfügung eines Bediensteten der Beklagten vom 04. Februar 1999 durch ein „E-Einschreiben“ (Einwurf-Einschreiben) erfolgen. Gemäß Nr. 129 Abs. 4 a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post (abgedruckt bei: Hammer/Zimpert, Postdienst) werden Einwurf-Einschreiben „…wie normale Briefpost…“ ausgeliefert, den, sie werden – außer in dem vorliegend nicht relevanten Fall der Einlage in ein Postfach – in den für den Empfänger bestimmten Hausbriefkasten ein

geworfen (vgl. Nr. 150 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post). Da dem Empfänger das zuzustellende Schreiben somit (anders als bei dem in Nr. 129 Abs. 4b der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen „Übergabe-Einschreiben“) nicht ausgehändigt wird, kann mit einem Einwurf-Einschreiben keine den Anforderungen des Verwaltungszustellungsgesetzes genügende Zustellung bewirkt werden (so auch: LSG BW U. vom 19. August 1998, Justiz 98, 631; VG Koblenz vom 05. Oktober 1999, 8 L 2179/99.K0, Dübbers, NJW 1997, 2503 f.).

Anderes folgt auch nicht daraus, dass der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich zugestanden hat (vgl. Schriftsätze Blatt 9 und 11 GA), dass ihm der Bescheid des Bundesamtes vom 03. Februar 1999 am 08. Februar 1999 zugegangen ist. Die für derartige Fälle in § 9 Abs. 1 VwZG grundsätzlich vorgesehene Heilung eines Zustellungsmangels gilt nämlich gemäß § 9 Abs. 2 VwZG nicht für den hier einschlägigen Fall, dass mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage beginnt.

Die somit zulässige Klage ist auch begründet. Der mit dem Bescheid vom 03. Februar 1999 ausgesprochene Widerruf der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG kann entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes vorliegen, zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. § 73 Abs. 1 Satz 1 Asy1VfG ermächtigt die Beklagte damit zum Widerruf bei einer nachträglichen Änderung der asylerheblichen Umstände. Schon die Verwendung der Wortfolge „… nicht mehr …“ legt einen Vergleich des jetzigen mit einem früheren Zustand nahe: Dem Wortlaut nach geht das Gesetz davon aus, dass die Voraussetzungen früher einmal vorgelegen haben, jetzt aber nicht

Mehr § 73 Abs. 1 Satz l AsylVfG betrifft demnach – soweit vorliegend von Interesse – diejenigen Fälle, in denen ein Ausländer in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung früher – im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides – einmal von politischer Verfolgung bedroht war, die Verfolgungsgefahr aber nachträglich in dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung objektiv nicht mehr vorliegt. Es kommt somit nicht etwa darauf an, ob die die früher ausgesprochene. Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die die früher erfolgte Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG tragenden Erwägungen des Bundesamtes zutreffend waren oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob sich die asylrechtlich relevante Lage – seien es Umstände im Heimatland oder in der Person des Ausländers derart geändert hat, dass die fragliche Statusentscheidung heute nicht mehr erfolgen könnte.

Für diese vom Senat für zutreffend erachtete Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG spricht neben, dem Wortlaut auch der systematische Zusammenhang mit Absatz 3 der Vorschrift. Dort wird bezüglich der nach § 53 AuslG zu treffenden Entscheidungen bestimmt, dass diese zurückzunehmen sind, wenn sie fehlerhaft sind und zu widerrufen sind, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Wenn somit in Absatz 3 des § 73 AsylVfG eine umfassende Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsakts geregelt wird, spricht dies dafür, dass in Absatz 1 bewusst nur die Aufhebung der Statusentscheidung aufgrund nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen geregelt werden sollte. Im Übrigen hatte der Gesetzgeber bei Erlass des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bereits in anderen Bestimmungen die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere die Rücknahme von anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsakten (§ 48 VwVfG) geregelt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Wortfolge „… nicht mehr …“ etwa um ein gesetzgeberisches Versehen gehandelt haben könnte.

Dafür, dass mit § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur eine nachträgliche Veränderung der asylrelevanten Umstände in den Blick genommen wird, spricht auch die Begründung zum Entwurf des Asylverfahrensgesetzes 1982 (abgedr. bei Klösel/Christ § 16 AsylVfG 1982). Dort werden nämlich die Regelungen der Nrn. 5, 6 des Art. 1 C des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in Bezug genommen, wo auch nur der „… Wegfall der Umstände, aufgrund deren sie (eine Person) als Flüchtling anerkannt worden ist …“ angesprochen ist.

Setzt somit § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG voraus,. dass eine nachträgliche Änderung der asylrelevanten Umstände eingetreten ist (wie hier: VGH BW, Urteil vom 23. November, 1999, 6 A 1974/98; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Januar 2000, A 1 S 174/99; aA: BayVGH, Beschluss vom 1. Dezember 1998, BayVBl. 99, 566), ist der Widerruf vorliegend zu Unrecht erfolgt. Weder hinsichtlich der asylrelevanten Lage im Irak noch hinsichtlich der für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG maßgeblichen Umstände in der Person des Klägers hat sich nämlich in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides vom 13. Februar 1996 bis zum Erlass des Widerrufsbescheids vom 03. Februar 1999 eine Veränderung ergeben. Zwar ist, wie bei allen Lebenssachverhalten und insbesondere bei politischen Abläufen, eine Entwicklung festzustellen: es ergeben sich ständig kleinere Änderungen, Verschiebungen der Gewichte, Zu- und Abnahmen des Einflusses der beteiligten Kräfte etc. Die asylrechtlichen „Eckdaten“ im Irak, insbesondere die Situation der Kurden im Nordirak, ist aber seit Ende 1991 im Wesentlichen unverändert geblieben. Grund für den Widerruf war vorliegend in Wahrheit eine unzutreffende Beurteilung der Rechtslage durch die Beklagte bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 51 AuslG. Wie sich aus den Gründen des Bescheides vom 13. Februar 1996 ergibt, hatte sich die Beklagte nämlich darauf beschränkt, eine Gefährdung des Klägers im Irak wegen der Asylantragstellung festzustellen, ohne auf die auch seinerzeit schon bestehende Möglichkeit einer ungefährdeten Rückkehr in den Nordirak einzugehen. Mit dem Widerruf hat die Beklagte somit nicht einer nachträglichen Veränderung der asylerheblichen Umstände Rechnung getragen, sondern die anfängliche Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Februar 1996 geheilt.

Der mit Bescheid vom 03. Februar 1999 ausgesprochene, auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Widerruf kann auch nicht etwa in eine Rücknahme ex nunc gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG umgedeutet werden. Aus der Sicht des Senats spricht bereits viel dafür, dass mit den Vorschriften der §§ 72 f. AsylVfG eine abschließende Regelung für die Aufhebung bestandskräftiger Feststellungen gemäß § 51 Abs. 1 AuslG getroffen werden sollte. Wie bereits oben angesprochen waren dem Gesetzgeber bei Erlass dieser Vorschriften die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte bekannt. In der Begründung zum Gesetzesentwurf (abgedr. bei Klösel/Christ, § 16 AsylVfG 1982) ist das Verwaltungsverfahrensgesetz sogar ausdrücklich angesprochen. Der Gesetzgeber hat aber im Zusammenhang mit den §§ 72 ff. AsylVfG auf die §§ 48 f. VwVfG in keiner Weise Bezug genommen, sondern eine eigenständige, von den §§ 48 f. VwVfG in vielfacher Hinsicht abweichende Regelung getroffen. So sieht § 72 aufgrund bestimmter Verhaltensweisen des begünstigten Ausländers sogar ein Erlöschen des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes unmittelbar aufgrund des Gesetzes vor. § 73 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG entspricht zwar in seinen Voraussetzungen dem § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, räumt aber anders als das Verwaltungsverfahrensgesetz der Behörde bei dem Widerruf kein Ermessen ein. Gleiches gilt für die in § 73 Abs. 2 AsylVfG normierte Rücknahme aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben. Diese Struktur der §§ 72 ff. AsylVfG lässt darauf schließen, dass ein einmal eingeräumter Status nur aufgrund der Spezialbestimmungen der §§ 72 f. AsylVfG wieder entzogen werden soll.

Selbst wenn man aber eine nachrangige Heranziehung der §§ 48, 49 VwVfG für grundsätzlich möglich halten wollte, muss berücksichtigt werden, dass die von der Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur eine gebundene Entscheidung ermöglicht, während der Behörde gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG für den Widerruf rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte ein Ermessen eingeräumt ist. Ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann aber gemäß § 47 Abs. 3 VwVfG nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die entscheidungserhebliche Frage, ob bei ursprünglicher Rechtswidrigkeit der Asylanerkennung § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG oder zumindest subsidiär § 48 VwVfG anwendbar ist, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher noch nicht geklärt ist (vgl. BVerwG vom 27.06.1997, 9 B 280.97, Buchholz 402.25 S 73 AsylVfG Nr. 2).

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