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Austauschkündigung – Tätigkeitsübertragungen auf Dritte

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Az: 2 Sa 193/08

Urteil vom 19.11.2008


Leitsatz:

Werden die bislang von den Arbeitnehmern des Betriebs ausgeführten Tätigkeiten nicht zur selbständigen Erledigung auf einen Dritten übertragen, liegt eine unzulässige sogenannte Austauschkündigung vor (vgl. BAG vom 16.12.2004 – 2 AZR 66/04).


I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 06.05.2008 – 3 Ca 2107/07 wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.12.2007 nicht beendet worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängeren als Elektriker seit 1971 zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 9,27 EUR bei 40 Wochenstunden beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Sie bietet Wohnungsrenovierungen und Dienstleistungen rund um das Wohnungsgebäude an.

Mit Schreiben vom 12.12.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2008. Die hiergegen bei Gericht am 20. Dezember 2007 eingegangene Klage hat das Arbeitsgericht Rostock durch Urteil vom 06.05.2008 – 3 Ca 2107/07 – abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich im Dezember 2007 entschlossen, keine Elektroarbeiten mehr auszuführen, sondern diese zukünftig durch Fremdfirmen erledigen zu lassen. Aus dem derzeitigen Verhalten der Beklagten sei nicht zu entnehmen, dass der Beschluss nicht umgesetzt werde. Alle Elektriker seien zum 31.07. oder früher gekündigt worden. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 05.06.2008 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die am 17.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgerecht eingegangenen Antrages bis zum 05.09.2008 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 02.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei allein auf Grund seiner Person ausgesprochen worden. Am 11.12.2007 sei er vom Geschäftsführer der Beklagten in sein Büro gerufen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er die Stellungnahme zu einer Abmahnung vom 06.12.2007 noch nicht abgegeben habe. Das habe dem Geschäftsführer offensichtlich missfallen.

Am darauf folgenden Tage sei er erkrankt und am 13.12.2007 habe er die Kündigung erhalten. Nach Beendigung der Krankschreibung Anfang Januar 2008 sei er zunächst nur noch mit einfachen Abräum-, Aufräum- und Hofarbeiten beschäftigt worden. Er sei auch nach Ausspruch der Kündigung durch einen neuen Mitarbeiter – Herrn H – ersetzt worden. Die beiden anderen bei der Beklagten beschäftigten Elektriker Herr H und Herr L seien zum 01.08. bzw. 01.06.2008 von der Firma S-E Elektrosystem GmbH, Feldstraße 8 in 09366 Niederdorf (wie Blatt 72 d. A.), eingestellt worden. Beide Mitarbeiter würden nahtlos ihre Tätigkeit fortführen, die sie auch als Angestellte der Beklagten verrichtet hätten. Sie würden auf einer größeren Baustelle in Sch eingesetzt.

Der Kläger beantragt:

1. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.12.2007 nicht beendet ist;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, das Angebot auf Abschluss eines Fortsetzunsvertrages zu den bisherigen Bedingungen unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit seit dem 24.04.1971 anzunehmen und ihn weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Sie behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe am 12.12.2007 beschlossen, keine Elektroarbeiten mehr durchzuführen. An sich sei die Beschäftigung für Elektriker weggefallen. Dass der Kläger früher als Herr H gekündigt worden sei, hing mit den Kündigungsfristen zusammen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die angegriffene Kündigung nicht gerechtfertigt.

Die Beklagte hat sich im vorliegenden Fall darauf berufen, dass sie zukünftig keine Elektroarbeiten mehr ausführen, sondern diese durch Fremdfirmen erledigen lassen wolle. Die Entscheidung über die Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten an ein anderes Unternehmen, ist eine von den Arbeitsgerichten grundsätzlich zu akzeptierende bindende unternehmerische Entscheidung und kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung darstellen (BAG vom 16.12.2004 – 2 AZR 66/04 – m. w. N. unter Rn. 27). Allerdings müssen diese Arbeiten in anderen Unternehmen zur selbständigen Durchführung übertragen werden. Werden die bislang von den Arbeitnehmern des Betriebes ausgeführten Tätigkeiten hingegen nicht zur selbständigen Erledigung auf den Dritten übertragen, so führt eine solche organisatorische Gestaltung noch nicht zum Wegfall der bisherigen betrieblichen Arbeitsplätze. Es liegt vielmehr eine unzulässige Austauschkündigung vor (vgl. BAG a. a. O.).

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung vorgetragen, die beiden Mitarbeiter H und L, die von der Beklagten zu der Firma S-E Elektrosystem GmbH gewechselt hätten, würden ihre Tätigkeit, nämlich Elektroarbeiten für die Beklagte auf einer größeren Baustelle in Sch, nahtlos fortsetzen.

Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergab, dass diese Mitarbeiter ihre Weisungen von dem Geschäftsführer der Beklagten erhalten, der gleichzeitig Geschäftsführer der S-E Elektrosystem GmbH ist. Schon auf Grund des Umstandes, dass die S-E Elektrosystem GmbH sich keines eigenen Leitungsapparates zur Durchführung der Elektroarbeiten in Rostock, sondern des Geschäftsführers der Beklagten in Rostock bedient, ist davon auszugehen, dass das Arbeitsvolumen der Elektroarbeiten der vorgenannten Gesellschaft nicht zur selbständigen Erledigung übertragen ist. Es wäre wahrscheinlich auch unwirtschaftlich, einen Mitarbeiter extra zur Überwachung und Anweisung von dem Sitz der S-E Elektrosystem GmbH in Niederdorf nach Rostock zu entsenden.

Das Gericht geht davon aus, dass entscheidend für die Leitungsmacht des Geschäftsführers der Beklagten auch hinsichtlich der Elektroarbeiten nicht der Umstand ist, dass dieser „zufälligerweise“ auch gleichzeitig Geschäftsführer der S-E Elektrosystem GmbH ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Aufträge von der Beklagten direkt angenommen worden sind und sie auch im Gegensatz zu der beauftragten Firma direkt vor Ort ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.

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