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Bauantrag ohne Baugrundstück

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Az: 3 A 854/09.Z

Beschluss vom 11.03.2010


Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2009 – 8 K 1807/07.F (3) – wird abgelehnt.

Die Kläger haben auch die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 60.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die beantragte Baugenehmigung nach den §§ 54, 57 HBO nicht erteilt werden kann, weil der Antrag für ein rechtlich noch nicht existentes Baugrundstück begehrt wird, was nicht möglich ist. Auf die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 5 Mitte bis Seite 7 Mitte des angefochtenen Urteils wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen. Die Begründung des Zulassungsantrags rechtfertigt keine den Klägern günstigere Entscheidung. Als Grundstück ist im Baurecht, mit Auswirkung auch für das Bauplanungsrecht, ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist (Buchgrundstück – vgl. § 2 Abs. 10 HBO 1993). Das so definierte Buchgrundstück ist als Grundstück im Rechtssinne, im grundbuchrechtlichen bzw. bürgerlichrechtlichen Sinne zu verstehen. Das Abgehen von dem konturenscharfen rechtlichen Grundstücksbegriff zu Gunsten eines wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs würde die Sicherheit der Rechtsanwendung dadurch gefährden, dass die Behörden die Zulässigkeit von Vorhaben anhand vager und daher ungeeigneter Kriterien zu beurteilen hätten (vgl. Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, München 2004, Kapitel 2, Rdnr. 15).

Im vorliegenden Fall ist das vorgesehene Baugrundstück, das aus Teilflächen der verschiedenen Eigentümern gehörenden Flurstücke …/2 und … offenbar noch gebildet werden soll, im Bauantrag nur zeichnerisch dargestellt, aber noch nicht vermaßt und grundbuchrechtlich nicht eingetragen.

Bei alledem war es auch nicht die Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten, etwa über eine Auflage oder Bedingung nach § 64 Abs. 4 HBO i. V. m. § 36 HVwVfG die rechtlich einwandfreie und als Buchgrundstück gesicherte Herstellung eines Baugrundstücks zu verlangen und mit dieser Auflage eine Baugenehmigung zu erteilen. Die Kläger und die Eigentümerin des benachbarten Flurstücks … stehen der Herstellung eines einwandfreien, für die Erteilung einer Baugenehmigung aufnahmebereiten Grundstücks näher als die Bauaufsichtsbehörde. Mithin ist nichts dafür ersichtlich, dass bezogen auf eine entsprechende Auflage oder Bedingung nach § 64 Abs. 4 HBO das behördliche Ermessen auf Null reduziert gewesen wäre.

In der Sache haben die Kläger die Reihenfolge vertauscht und, vor der Beantragung einer Baugenehmigung kein Baugrundstück geschaffen. An dem auch bauplanungsrechtlich, bauordnungsrechtlich sowieso (vgl. Zweiter Teil der HBO „Das Grundstück und seine Bebauung“, §§ 4 ff. HBO), zu beachtenden Grundsatz, keine Baugenehmigung ohne Baugrundstück, ist auch deshalb festzuhalten, um Irritationen und unnötige Schwierigkeiten im Rechtsverkehr zu vermeiden. Gerade hier, wo verschiedene Grundeigentümer für die zur Bebauung vorgesehenen Flächen vorhanden sind, können die zur Zeit vorhandenen Buchgrundstücke ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben, und es kann zu Patt-Situationen kommen, wenn die derzeitigen verschiedenen Eigentümer oder Rechtsnachfolger von ihnen sich etwa zeitnah nicht einigen können.

Unabhängig von der Frage des fehlenden Buch- und Baugrundstücks hat das Verwaltungsgericht auf Seite 7 Mitte des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, eine Baugenehmigung könne in der derzeitigen katasterrechtlichen und grundbuchrechtlichen Situation auch deshalb nicht erteilt werden, weil eine bauliche Anlage grundsätzlich nicht auf mehreren Grundstücken gelegen sein kann (OVG Lüneburg, U. v. 18.02.1999 – 1 L 4269/96 – Rn. 7, juris) und eine zusammenhängende Bebauung von mehreren Buchgrundstücken erst nach deren Vereinigung oder einer sonstigen rechtlichen Sicherung durch Baulast, eventuell zusätzlich durch Grunddienstbarkeit, genehmigt werden könne (vgl. Hess. VGH, U. v. 05.11.1997 – 4 UE 2165/92 -, S. 17 des amtlichen Umdrucks). Soweit das Verwaltungsgericht zusätzlich ausführt, bei sachgerechter Auslegung des Bauantrags sei eine Baugenehmigung bezogen auf die derzeitige kataster- und grundbuchrechtliche Situation gar nicht beantragt, kann von einer solchen, vom tatsächlichen Bauantrag abweichenden Auslegung nicht ausgegangen und eine Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung nicht ausgesprochen werden. Es ist nicht die Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, sich aus der Variationsbreite möglicherweise anders gemeinter Bauunterlagen selbst einen maßgeblichen Bauantrag auszuwählen.

Im vorliegenden Fall ist dabei darauf hinzuweisen, dass die derzeitige maßgebliche Grundstücksgrenze zwischen den Flurstücken …/2 und … mitten durch beantragte Wohnflächen führt. Damit liegt ein Verstoß sowohl nach dem einschlägigen Bebauungsplan wie nach § 34 BauGB gegen die offene Bauweise vor. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden in der offenen Bauweise die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Bei der beantragten Grenzüberbauung liegt insbesondere kein Doppelhaus vor. Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so zusammengefasst werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden, also zu einer Einheit zusammengefügt werden. Dazu müssen die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U. v. 24.02.2000 – 4 C 12.98 -, BRS 63 Nr. 185). Hier dagegen bezieht sich der Bauantrag auf ein einheitliches Mehrfamilienhaus, dessen zur Bebauung vorgesehene Grundfläche auf zwei Grundstücken liegt.

Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt. Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob ein Bauantrag auch für ein erst noch zu schaffendes Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts gestellt werden kann, ist nicht entscheidungserheblich. Unabhängig von der Bewertung dieser Frage steht der Erteilung einer Baugenehmigung, wie dargelegt, auch ein Verstoß gegen die offene Bauweise entgegen.

Darüber hinaus sind auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. Der Fall weist lediglich durchschnittliche Schwierigkeiten auf, zumal es nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Bebauungsplan gilt, ggf. in welcher Fassung und ob er rückwirkend neu in Kraft gesetzt werden konnte und ob dies bekanntmachungsrechtlich gelungen ist. Auch nach § 34 BauGB ist die offene Bauweise maßgebend, so dass nach den zu Grunde zu legenden Bauvorlagen die mitten durch vorgesehene Wohnflächen verlaufende Grundstücksgrenze der Erteilung der begehrten Baugenehmigung entgegensteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

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