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Baumbeseitigungsanspruch des Nachbarn (20m hohe Birke)?

LANDGERICHT FRANKFURT/MAIN

Az: 2/16 S 49/95

Verkündet am 23.08.1995


In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Frankfurt am Main – 16. Zivilkammer – auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.06.1995 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg von der Höhe vom 12.01.1995. (Az.: 2 „C 2131/94 – 12) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Beseitigung einer ca. 20 m hohen Birke, die sich auf dem Grundstück der Beklagten unmittelbar (30 – 40 cm entfernt) an der Grundstücksgrenze zur Klägerin befindet.

Die Klägerin leidet unter Asthma sowie unter einer Birkenpollen-Allergie. In jenem Wohngebiet, das in den 60er-Jahren in Steinbach entstand, sind in einem weiteren Umkreis eine Vielzahl von Birken vorhanden; auf die vorgelegte Flurkarte (Bl. 24 d. A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 04.03.1994 genehmigte die Untere Naturschutzbehörde das Fällen der streitgegenständlichen Birke. Mit Schreiben vom 07.06.1994 – auf dessen Inhalt (Bl. 30 f. d. A.) Bezug genommen wird – teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie eine Entfernung der Birke ablehne.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004, 906 BGB zu. Da überwiegend Westwind herrsche, sei die Birke der Beklagten die einzige weit . und breit, deren Pollen sie ausgesetzt sei. Während der Blütezeit könne sie sich – was unstreitig ist – maximal eine Viertelstunde auf ihrer Terrasse aufhalten, da ihr sonst ein Hustenanfall drohe. Von der Birke der Beklagten gehe insofern eine wesentliche Beeinträchtigung aus, die – im Hinblick auf die Windverhältnisse – nicht ortsüblich sei.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die auf ihrem Grundstück direkt an der Grundstücksgrenze zur Klägerin hin befindliche Birke, zu beseitigen; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Überhang dieser Birke zu beseitigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat darauf verwiesen, daß eine Beeinträchtigung durch die streitgegenständliche Birke überhaupt, nur während der Blütezeit – also l bis 2 Wochen im Jahr – bestehe. Des weiteren sei eine Beeinträchtigung durch die anderen im näheren Umkreis befindlichen Birken ebenso vorhanden. Die Bepflanzung mit Birken sei geradezu prägend für jene Wohnsiedlung.

Durch Urteil vom 12.01.199,5 hat das Amtsgericht die Beklagte zur Entfernung des Überhangs verpflichtet und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zur Duldung gemäß § 906 BGB verpflichtet, da angesichts der weiteren vorhandenen Birken und der nur auf die Blütezeit beschränkten Beeinträchtigung die von der streitgegenständlichen Birke ausgehende Beeinträchtigung als unwesentlich zu bezeichnen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie verweist darauf, daß die in der näheren Umgebung befindlichen Birken sich sämtlich in Nordwestlage und nicht in westlicher Richtung zu ihren Grundstück befänden. Angesichts des überwiegend herrschenden Westwindes sei sie daher in der Regel nur von den Pollen jener Birke der Beklagten betroffen, bei der es sich im übrigen um ein besonders großes Exemplar handele, das zudem unstreitig ganz nahe an ihrem Anwesen stehe. Insofern liege angesichts ihrer Gesundheitsbeschwerden eine wesentliche Beeinträchtigung vor. Für die Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 vorliege, hätte das Amtsgericht – nach Auffassung der Klägerin – auf das Empfinden eines durchschnittlichen Pollenallergikers abstellen müssen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 12.01.1995 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg die Beklagte zu verurteilen; die auf ihrem Grundstück direkt an der Grundstücksgrenze zur Klägerin hin befindliche Birke zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Im übrigen behauptet sie, daß angesichts der Vielzahl der in jenem Wohngebiet vorhandenen Birken die Entfernung der Streitgegenstandlichen Birke nicht geeignet sei zu einer Minderung der allergischen Reaktionen der Klägerin beizutragen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht den geltend gemachten Beseitigungsanspruch verneint.

Ein Beseitigungsanspruch nach dem Hessischen Nachbarrecht besteht nicht, weil die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 431 Nr. 2 Hess NachbarR (5 Jahre nach Anpflanzung) bereits lange abgelaufen ist. Aber auch ein Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004,906 BGB besteht nicht.

Der von der streitgegenständlichen Birke ausgehende Pollenflug ist zwar als „ähnliche Einwirkung“ im Sinne des § 906 BGB anzusehen. Unter den Begriff der „ähnlichen Einwirkungen“ fallen auch pflanzliche Immissionen von Nachbargrundstücken, die durch Wind herübergeweht werden, insbesondere Blüten- und Laubfall (Vgl, Münchener-K.,3.Auf!., § 906 Rz. 73). Auch unter; Zugrundelegung der Auffassung des OLG Düsseldorf (Vgl. NJW-RR 1990,144, 145) liegt insofern eine Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin vor. Das OLG Düsseldorf (a. a. 0.) verweist zwar zu Recht darauf, daß der Eigentümer beliebig hohe und dichte Bäume pflanzen dürfe, soweit der Gesetzgeber keine einschränkenden Regelungen im Interesse der Nachbarn oder der Allgemeinheit getroffen habe. Insofern seien die Auswirkungen erlaubter Nutzung nicht als „rechtswidrige Beeinträchtigung“ im Sinne des § 906 BGB anzusehen. Dies gilt aber nur für die natürlichen Emissionen solcher Pflanzen, die den vorgeschriebenen Grenzabstand einhalten. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, so daß von einer Beeinträchtigung auszugehen ist.

Die Klägerin ist jedoch zur Duldung der von der streitgegenständlichen Birke ausgehenden Einwirkungen verpflichtet, da keine wesentliche das betreffende Gebiet sogar als prägend zu bezeichnen. Daß der von der streitgegenständlichen Birke ausgehende Pollenflug nicht zu verhindern ist, steht außer Frage.

Der Klägerin steht mithin kein Anspruch auf Beseitigung der Birke gemäß §§ 906,1004 BGB gegenüber der Beklagten zu. Ein Beseitigungsanspruch ergibt sich auch nicht aufgrund des sog. nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 242 BGB und der daraus resultierenden Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Die nachbarrechtlichen Rechte und Pflichten sind durch Gesetz, insbesondere die §§ 905 ff BGB geregelt, so daß Raum für eine Anwendung des 1 Grundsatzes von Treu und Glauben nur in Ausnahmefällen besteht (Vgl. hierzu BGH Z 58,149,156). An einer derartigen Besonderheit, die einen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Interessenausgleich geboten erscheinen lassen würde, fehlt es vorliegend. Angesichts der nur auf die Blütezeit beschränkten Beeinträchtigungen der Klägerin überwiegt das Erhaltungsinteresse der Beklagten an jener Birke. Darüber hinaus ist insoweit zu bedenken, daß Allergien weit verbreitet sind und von einer Vielzahl von verschiedenen Pflanzen ausgehen. Jedem Allergiker gegenüber seinem Nachbarn einen Anspruch auf Beseitigung der allergieauslösenden Bepflanzung in seiner näheren Umgebung zuzugestehen, würde den Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen.

Da das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg geblieben ist, waren ihr die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 971 ZPO aufzuerlegen.

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