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Beleidigung in sozialen Netzwerken – Schmerzensgeld


Landgericht Berlin

Az: 33 O 434/11

Urteil vom 13.08.2012


Anmerkung des Bearbeiters

Eine Beleidigung in sozialen Netzwerken kann für den diese Äußernden teuer werden. Im vorliegenden Fall hatte sich das Landgericht Berlin mit der Klage einer im Fernsehen auftretenden Person zu befassen, welche von einem Musiker aus Berlin mehrfach in sozialen Netzwerken beleidigt worden war. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes spielte auch der Verbreitungsgrad der Äußerung eine entscheidende Rolle.


Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 93 % und der Beklagte zu 7 % zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten; diese hat die Klägerin alleine zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Geldentschädigung, die Zahlung einer Vertragsstrafe sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund Verbreitung ehrverletzender Äußerungen des Beklagten über sie in sozialen Netzwerken.

Die Klägerin befand sich von Mai 2011 bis zum 29.08.2011 im so genannten “…”. Der Beklagte äußerte sich unter seinem Künstlernamen … auf seinen Facebook-, Twitter- und MySpace-Seiten wie folgt über die Klägerin:

am 27.06.2011: “… du Nutte!!!!!!!!”,

am 29.06.2011: “… du Kacke!!!”,

am 01.08.2011: “… sieht aus wie ne Mischung aus Der Joker, nem Schimpansen, … und … ” sowie

am 18.07.2011: “… hat so nen ekligen Zellulitiskörper pfui Teufel”.

Unmittelbar nach ihrem Ausscheiden aus dem Container-Spiel erfuhr die Klägerin von den Postings und forderte den Beklagten am 30.08.2011 in anwaltlicher Vertretung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die dieser am 02.09.2011 übersandte (Anlage K7).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2011 forderte die Klägerin den Beklagten ohne Erfolg zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € unter Fristsetzung bis zum 10.09.2011 auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.2011 begehrte die Klägerin weiter die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 20.000,00 €, und zwar wegen fortgesetzter Verbreitung der oben genannten Postings auf der MySpace Seite des Beklagten trotz der zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Fristsetzung zum 15.09.2011 auf. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Auf Antrag der Klägerin untersagte das Landgericht München I dem Beklagten durch einstweilige Verfügung vom 08.09.2011 die oben genannten Äußerungen. Auf den Widerspruch des Beklagten hin wurde die einstweilige Verfügung durch Endurteil vom 17.10.2011 aufrechterhalten. Mit Schreiben vom 09.11.2011 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30.11.2011 auf, das Endurteil als endgültige Regelung anzuerkennen. Mit Schreiben vom 18.05.2012 erkannte der Beklagte die durch Urteil bestätigte Verfügung als endgültige Regelung an. Ohne Erfolg forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30.05.2012 zur Zahlung von 1.530,58 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung auf.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die streitgegenständlichen Äußerungen auf seiner MySpace-Seite noch nach dem 02.09.2011 verbreitet. Sie ist der Ansicht, eine Vertragsstrafe von 20.000,00 € sei angemessen angesichts der Schwere des Verstoßes und der mindestens 605.000 Abonnenten der Seiten des Beklagten bei den vorgenannten sozialen Netzwerken (so genannte “Follower”). Sie behauptet, die streitgegenständlichen Äußerungen hätten zu einer derart unerträglichen psychischen Belastung geführt, dass sie fachliche Hilfe habe in Anspruch nehmen müssen. Sie habe monatelang unter Existenzängsten gelitten. Der Beklagte sei bei ihrer Beleidigung systematisch vorgegangen, da er diese zu einem festen Bestandteil seiner Unterstützung seines Freundes C. in der Sendung … gemacht habe. Er habe vorsätzlich gehandelt und ihre hilflose Situation ausgenutzt. Sie meint, die Zubilligung einer Geldentschädigung von mindestens 100.000,00 € sei angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten erforderlich und angemessen.

Das von der Klägerin angerufene Landgericht München I hat sich durch Beschluss vom 09.11.2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagte zu verurteilen, an sie 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2011 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie immateriellen Schadensersatz (Geldentschädigung), dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der aber mindestens 100.000,00 € beträgt, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2011 zu zahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.530,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.05.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht von ihm stammten. Er habe diese am 01.09.2011 nicht nur von seinem Facebook- und Twitter-, sondern auch von seinem MySpace-Account gelöscht und deshalb nicht gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Selbst wenn dies der Fall wäre, fehle es am Verschulden, da er alles in seiner Macht stehende getan habe, die weitere Verbreitung der Äußerungen zu verhindern. Weiter meint er, die begehrte Strafzahlung sei der Höhe nach völlig überzogen.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 26.04.2012 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. L., wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26.04.2012 verwiesen. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet und ist im Übrigen abzuweisen.

I. Der Klägerin steht eine Geldentschädigung in Höhe von 8.000,00 € aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, §§ 185 f. StGB zu. Soweit die Klägerin eine höhere Geldentschädigung begehrt, ist die Klage abzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (BGH v. 24.11.2009, VI ZR 219/08, juris Rn. 11 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf Geldentschädigung. Alle vier Äußerungen – “… du Nutte!!!!!!!!”, “… du Kacke!!!”, “… sieht aus wie ne Mischung aus …, …, … und …” sowie “… hat so nen ekligen Zellulitiskörper pfui Teufel” – sind als Schmähkritik einzustufen. Es steht nicht die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund, sondern die Herabsetzung der Klägerin durch Beleidigungen und bewusst bösartig überspitze Kritik. Es kann offen bleiben, ob die zweite und vierte Äußerung im Kern Tatsachenbehauptungen in sich tragen, denn ersichtlich liegt der Schwerpunkt der Äußerungen in der Diffamierung der Klägerin. Die Äußerungen erfolgten vorsätzlich und auf verschiedenen Sozialplattformen. Soweit der Beklagte behauptet, die Äußerungen stammten nicht von ihm, ist dieses Vorbringen mangels jeglicher weiterer Darlegung substanzlos. Der Beklagte behauptet selbst nicht, ein anderer als er selbst habe seine Seiten bei Facebook, Twitter und MySpace angelegt.

Die Höhe der Geldentschädigung ist mit 8.000 € zu bemessen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung stellen der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers, der Präventionsgedanke und die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung Bemessungsfaktoren dar, die sich je nach Lage des Falles unterschiedlich auswirken können (BGH v. 5.10.2004, 6 ZR 255/03, juris Ls. 2).

Die nicht bestrittenen günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten, der stark beleidigende Charakter der Äußerungen mit seinen Auswirkungen auf die Psyche der Klägerin, die Dauer der allgemeinen Abrufbarkeit der Äußerungen im Internet und die zweifellos erforderliche Genugtuung der Klägerin erfordern eine Geldentschädigung von 8.000,00 €.

Ein höherer Betrag erscheint dem Gericht unter Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte unangebracht: Bei der Intensität der Persönlichkeitsrechtverletzung war zu berücksichtigen, dass Äußerungen von Rappern wie … mit ihrer teilweise unsachlichen und überzogenen Tendenz vom verständigen Durchschnittsbürger nicht für bare Münze genommen werden. Weiter war zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin freiwillig in eine Situation begeben hat, die zwangsläufig die teilweise Preisgabe mindestens ihrer Privatsphäre bewirkte. Die Klägerin wusste, dass sie während ihres Containeraufenthalts 24 Stunden täglich über Premiere/Sky für jedermann in allen Lebenslagen zu beobachten sein würde (im Ergebnis über 3 Monate), dass sie sich als Person mit äußeren und inneren Charakteristika einem Wettkampf mit etwa einem Dutzend anderen Containerbewohner stellte, dass sie zweiwöchentlich eine potentielle Ausscheidungsnominierung zu gewärtigen hatte, dass diese Nominierung nicht nur von den Containerbewohnern, sondern von diesbezüglich Interessierten online, offline und real kommentiert werden würde und dass sie während ihres Containerlebens einer Kontaktsperre nach außen unterlag. Die Klägerin hat sich gezielt der Öffentlichkeit ausgeliefert und sich in eine deprivatisierte Situation begeben, möglicherweise im Hinblick auf einen 6-stelligen Gewinn und eine hohe Medienpräsens. Weiter war zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des Gerichts erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es der Klägerin letztlich nur um den Erhalt einer möglichst hohen Zahlung geht: Dafür spricht die deutlich überzogene Forderung von 100.000,00 € bei gleichzeitiger Wiederholung der angegriffenen Äußerungen gegenüber der Presse. Die Klägerin hat gegenüber einem völlig neuen und großen Adressatenkreis (Leser des Berliner Kuriers und RTL-Konsumenten) die – ihrer Darstellung nach – unerträglich belastenden Äußerungen freiwillig überhaupt erst in Umlauf gebracht.

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Die festgesetzte Geldentschädigung erscheint auch im Vergleich zu anderen Gerichtsentscheidungen angemessen. Im Urteil zum Aktenzeichen 27 O 393/11 des LG Berlin wurde eine Geldentschädigung von 10.000,00 € zugesprochen für Äußerungen, die das Gericht in ihrer Gesamtheit als mindestens ebenso schwerwiegend einschätzt (u.a.: “Arschloch”, “verfickter Wetterfrosch”, “Bastard”, “Idiot”, “Ich ficke Ihn”, “das blöde Arschloch”, “scheiß Wettervogel”) und die nicht nur über das Internet (YouTube) möglicherweise, sondern darüber hinaus tatsächlich auch gegenüber etwa 10.000 Konzertbesuchern getätigt wurden. Die Entscheidung des OLG Hamm, Az. 3 U 169/03 (“Lisa Loch”), mit der eine Geldentschädigung von 70.000,00 € zugesprochen wurde, ist nicht vergleichbar mit der hier gegebenen Situation. Anders als vorliegend hatte das OLG Hamm über eine mit enormer Medienwirkung einhergehende Diffamierung einer Minderjährigen zu entscheiden, die “auch nicht ansatzweise einen auch nur halbwegs nachvollziehbaren Anlass für seine aggressiven Schmähungen gegeben hatte” (OLG Hamm, 3 U 168/03, juris Rnr. 34).

Der Zinsanspruch ist aufgrund des klägerischen Schreibens vom 02.09.2011 begründet seit Fristablauf, d.h. seit dem 11.09.2011 (§§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB).

II. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 20.000,00 € aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Unterlassungsvertrag § 339 S. 2 BGB (undatierte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten, Anlage K7), weshalb die Klage insoweit abzuweisen ist.

Es kann offen bleiben, ob und wie lange auf der MySpace Seite des Beklagten nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung am Mittag des 02.09.2011 noch die streitgegenständlichen Äußerungen verbreitet wurden, da dem Beklagten insoweit jedenfalls kein Verschulden zur Last fallen würde. Dem Beklagten, der in analoger Anwendung des § 280 Abs. 2 S. 2 BGB hinsichtlich seines fehlenden Verschuldens darlegungs- und beweisbelastet ist, ist durch die Zeugin L. der Beweis dafür gelungen, dass er am Abend des 01.09.2011 die streitgegenständlichen Äußerungen in allen drei sozialen Netzwerken gelöscht hat bzw. zu löschen versucht hat.

Die Zeugin hat erklärt, dass der Beklagte auf seinem Laptop im Bett am Abend des 01.09.2011 “bestimmt 1 ½ Stunden, jedenfalls 1 Stunde” lang Löschungen durchgeführt habe. An drei der zu löschenden vier Äußerungen konnte sie sich im Wortlaut erinnern. Außerdem erklärte sie, sich besonders an die MySpace Seite zu erinnern, da sie zur Funktionsweise dieser Seite, mit der sie sich zuvor nicht befasst habe, Fragen gestellt habe. Die Zeugin erklärte, dass der Beklagte nach jeder Löschung “so!” gesagt habe und am Ende “so fertig, endlich fertig!”.

Das Gericht hält die Zeugin für glaubwürdig. Es waren keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Zeugin – inzwischen Ehefrau des Beklagten – falsch ausgesagt hat, um ihrem jetzigen Mann einen Gefallen zu tun. Sie war in keiner Weise nervös oder unruhig und machte insgesamt einen zuverlässigen Eindruck. Sie erzählte frei heraus, wie sich der Abend aus ihrer Sicht dargestellt hat. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Gesten stellte die Zeugin authentisch die Reaktion des Beklagten auf jede Löschung dar, auch gab sie unbefangen eine gewisse Ahnungslosigkeit im Umgang mit sozialen Netzwerken zu. Insgesamt hatte das Gericht nicht den Eindruck, dass die Zeugin den Versuch unternahm, sich selbst oder den Abend des 01.09.2012 gezielt in einer besonderen Art und Weise darzustellen. Für ihre Glaubwürdigkeit und gegen eine im Vorfeld abgesprochene Aussage spricht außerdem, dass sie zumindest teilweise anderes ausgesagt hat, als schriftsätzlich vorgetragen worden war: Weder bestätigte sie ein Gespräch über einen hartnäckigen weiblichen Fan auf MySpace Seite, noch konnte sie sich an den Versuch einer vollständigen MySpace Account Löschung gerade an diesem Abend erinnern. Keinerlei Aussagewert über ihre Glaubwürdigkeit hat der Umstand, dass ein MySpace Profil unter dem Namen der Zeugin existiert, da nicht klar ist, wer es angelegt hat.

Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Die Zeugin hat nachvollziehbar erklärt, dass sie sich wegen familiären Angelegenheiten und daraus resultierendem Stress an den Abend gut erinnern könne. Ihre Darstellung des insgesamt stressgeprägten Abends war in sich schlüssig. So leuchtet es ein, dass der Beklagte bei der Mitnahme seines Laptops in das mit einem Laptop-Verbot belegte Schlafzimmer der Zeugin gegenüber sein Verhalten begründete, und zwar damit, noch wegen Fristablaufs am nächsten Tag Kommentare löschen zu müssen. Dass die Zeugin spontan erklärte, das Löschen habe bestimmt 1 ½ Stunden gedauert und dies gleich darauf relativierte, ist ohne weiteres damit erklärbar, dass der belastende Vorgang des Löschens subjektiv als länger empfunden wurde, als er tatsächlich dauerte. Es ist auch glaubhaft, dass der Beklagte nicht etwa stumm neben ihr über eine Stunde tippte, sondern jede erfolgreiche Löschung kommentierte (“So!”) und sich nebenbei u.a. ein kurzes Gespräch über MySpace entwickelte. Das Gericht hat aufgrund der Darstellung der Zeugin keinen Zweifel daran, dass es an dem Abend zu Löschungen durch den Beklagten gekommen ist: Die Zeugin hat erklärt, definitiv gesehen zu haben, wie der Beklagte geklickt habe und die Äußerung dann verschwunden sei. Diese klare Aussage wird in ihrem Gewicht nicht dadurch gemindert, dass die Zeugin nicht sagen konnte, wie genau, d.h. durch welche Tastenfolge, die Löschung vorgenommen wurde. Nichts spricht dafür, dass der Beklagte gezielt keine Löschungen auf seiner MySpace Seite vorgenommen hat oder die Löschungen fahrlässig anders vorgenommen hätte, als er es bei Twitter und Facebook getan hat. Für das Gericht steht zweifelsfrei fest, dass der Beklagte an diesem Abend seiner Verpflichtung aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung umfassend nachkommen wollte, zumal völlig unklar ist, welches Ziel er mit einer nur teilweisen Löschung seiner Kommentare hätte verfolgen sollen. Nach Ansicht des Gerichts kann ausgeschlossen werden, dass er die Löschung seiner Äußerungen bei MySpace schlicht vergessen hat, da er nach der insoweit eindeutigen Aussage der Zeugin am 01.09.2011 auf seiner MySpace Seite gewirkt hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte als Laie nicht verpflichtet, in den Folgetagen zu überprüfen, ob seine Löschungen erfolgreich waren. Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die angekündigte Mail zur gewünschten Löschung des MySpace Accounts nicht erhielt, musste ihn nicht zu einer Überprüfung veranlassen. Denn die Löschung der Äußerungen und des Accounts sind zwei unterschiedliche Vorgänge, die er durch jeweils eigenständige manuell eingegebene Maßnahmen zu erreichen versuchte. Wenn er nachfolgend – wie behauptet – bei anderen nachgefragt haben sollte, ob die Einträge noch abrufbar seien, ist dies als überobligatorisch einzustufen. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Beklagte in den Tagen nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung Kenntnis von der seitens der Klägerin behaupteten Abrufbarkeit der Äußerungen bei MySpace erfuhr und dennoch nicht tätig wurde. Vielmehr trägt der Beklagte unwidersprochen vor, erst durch seinen Anwalt am 12.09.2011 bzw. das Schreiben der Klägerin vom 08.09.2011 (Anlage K9) von der behaupteten Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Äußerungen bei MySpace erfahren zu haben. Auch insoweit kann dem Beklagten somit kein Vorwurf gemacht werden. Dass der Beklagte, als ihm die einstweilige Verfügung vom 08.09.2011 zugestellt wurde, schuldhaft Maßnahmen zur Löschung unterlassen hätte, kann ebenso wenig angenommen werden. Denn auch die Klägerin trägt nicht vor, dass die Äußerungen zum damaligen Zeitpunkt noch im Netz abrufbar waren (Klageschrift S. 7: “noch am 07.09.2011”, Schriftsatz vom 25.01.2012 S. 5: “bis zum 06.09.2011”).

III. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung in Höhe von 1.530,58 € zu (§§ 823 Abs. 1, 249ff. BGB). Die Kosten des Abschlussschreibens der Klägerin vom 09.11.2011 wären nur dann erstattungsfähig, wenn der Beklagte gegen seine am 02.09.2011 der Klägerin übersandte Unterlassungserklärung verstoßen hätte. Ein solcher Verstoß hätte die durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung zunächst beseitigte Wiederholungsgefahr wieder aufleben lassen und einen Unterlassungsanspruch der Klägerin begründet. Da jedoch, wie unter Ziffer II. dargelegt, kein Verstoß des Beklagten gegen seine Unterlassungsverpflichtung festgestellt werden kann und auch kein sonstiges schuldhaftes Handeln vorliegt, liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vor.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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