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Beleidigung steuerlich absetzbar? – „Fahr doch Du Arschloch!“

Finanzgericht Baden-Württemberg

Az.: 6 K 327/07

Urteil vom 02.04.2008


Tatbestand:

Streitig ist, ob der strafrechtlich wegen Beleidigung verurteilte Kläger die im Rahmen des Strafverfahrens angefallenen Rechtsanwaltskosten von 549 EUR steuerlich geltend machen kann.

Der ledige Kläger ist Finanzbeamter und war im Streitjahr als Betriebsprüfer im Außendienst tätig. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Am 7. Juni 2005 war er gegen 8:45 Uhr auf einer als Dienstreise genehmigten Fahrt mit seinem eigenen PKW, amtliches Kennzeichen, in X unterwegs zu einer Betriebsprüfung. Dabei kam er auf einer Linksabbiegespur hinter dem Fahrschulwagen mit dem amtlichen Kennzeichen zu stehen. Nach längerer Wartezeit verließ der Kläger sein Fahrzeug und forderte die Insassen des Fahrschulwagens auf, weiter nach vorne zu fahren. Im weiteren Verlauf stieg auch der Fahrlehrer aus und geriet mit dem Kläger in Auseinandersetzung.

Der Fahrlehrer erstattete daraufhin bei der Polizei Anzeige wegen Beleidigung. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden sowohl der Fahrlehrer als auch die Fahrschülerin als Zeugen vernommen. Auf die Zeugenvernehmungen vom 11. Juni 2005 (Bl. 9 f. der Strafakten) sowie vom 28. September 2005 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger wurde mit inzwischen rechtskräftigem Strafbefehl wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 600 EUR verurteilt, wobei das Amtsgericht davon ausging, dass der Kläger dem Fahrlehrer die Worte „Fahr doch du Arschloch!“ sowie „Wenn du nicht vorfährst kommen wir hier nie weg du Eierkopp.“ entgegen gebracht hat. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Strafbefehl vom 21. Oktober 2005 (Bl. 23 ff. des Belegordners) verwiesen.

Der Kläger bezahlte in Zusammenhang mit dem Strafverfahren in 2005 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 549 EUR sowie am 26. Januar 2006 Gerichtskosten in Höhe von 60 EUR.

Gegen den Kläger wurden keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen eingeleitet.

In seiner am 8. März 2006 beim beklagten Finanzamt (Beklagter -FA-) eingegangenen Einkommensteuer(ESt-)erklärung für das Streitjahr 2005 machte der Kläger die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten von 609 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Gegen den ESt-Bescheid 2005 vom 4. Juli 2006 legte der Kläger am 18. April 2006 Einspruch ein mit der Begründung, es bestehe ein objektiver Zusammenhang zwischen den streitigen Aufwendungen und seiner beruflichen Tätigkeit. Bei durch ein Strafverfahren betroffenen Beamten sei grundsätzlich ein beruflicher Zusammenhang gegeben, weil hierüber immer eine Mitteilung an den Arbeitgeber erfolge und sich je nach Strafmaß auch disziplinarrechtliche Folgen ergeben könnten. Zudem könne er seine berufliche Tätigkeit ohne Fahrtätigkeit nicht ausüben. Der Vorfall habe sich auf einer Dienstreise ereignet und wäre ohne berufliche Veranlassung erst gar nicht entstanden

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2007, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit seiner am 4. Juni 2007 bei Gericht eingegangenen Klage hält der Kläger an seinem Begehren insoweit fest, die Rechtsanwaltskosten von 549 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Zunächst trägt er vor, er habe die Beleidigung nicht begangen und habe sich gegen eine ihm im Dienst vorgeworfene und nicht zutreffende Beschuldigung zur Wehr setzen müssen. Der andere Verkehrsteilnehmer habe durch sein Verhalten die Weiterfahrt des Klägers blockiert und damit eine Fortsetzung der Dienstreise und der dienstlichen Tätigkeit verhindert. Da die Tätigkeit eines Betriebsprüfers ohne Fahrtätigkeit nicht denkbar sei, könne ein besonderes berufliches Risiko nicht gänzlich verneint werden. Eine Dienstreise bedeute immer auch, dass sich der Dienstreisende im Dienst befinde.

In der mündlichen Verhandlung lässt sich der Kläger dahingehend ein, die Beleidigung sei nur deshalb passiert, um den anderen Verkehrsteilnehmer zur Weiterfahrt zu veranlassen.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 4. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2007 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 549 EUR berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat die Berichterstatterin die Strafakten (Az.:) bei der Staatsanwaltschaft Y beigezogen und am 23. Januar 2008 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten  wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Strafalten sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin bzw. die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) .

1.

Das FA hat zu Recht die streitigen Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.

a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht, und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (ständige Rechtssprechung, siehe BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1986, 771 ff. m. w. N.). Werbungskosten müssen von den Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig sind, abgegrenzt werden.

Grundsätzlich können strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen. Dabei ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder teilweise erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Die „Einheit der Rechtsordnung“ rechtfertigt es nicht, Strafverteidigungskosten generell vom Werbungskostenabzug auszuschließen, denn sie haben keinen Strafcharakter, sollen den Steuerpflichtigen nicht unabdingbar treffen und werden ihm auch nicht von einem staatlichen Organ auferlegt. Zudem ist das Steuerrecht grundsätzlich wertneutral (BFH-Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, BStBl. II 1982, 467).

Nach der Rechtsprechung des BFH können Kosten der Strafverteidigung jedoch – im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG) – bei vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise nur dann Werbungskosten sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist. Ein beruflicher Zusammenhang besteht nur, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus seiner erwerbsbedingten, beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist (BFH-Urteile vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441 f.; und vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Auf die Frage, ob der Vorwurf zu Recht erhoben wurde, kommt es nicht an (FG Saarland, Urteil vom 6. Dezember 2006 1 K 262/03, Juris, m. w. N.).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen des Klägers im Streitfall keine Werbungskosten, denn sie sind nicht beruflich veranlasst. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das ihm im Strafbefehl vorgeworfene Verhalten (Beleidigung) nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit geschehen, sondern nur bei Gelegenheit. Es entspringt nicht einem besonderen beruflichen Risiko, sondern beruht allein auf dem konkreten Verhalten des Klägers im Straßenverkehr. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger sich auf einer Dienstfahrt befunden hat, als er dem Fahrschulwagen begegnete. Dies allen genügt jedoch nicht für eine berufliche Veranlassung der Strafverteidigungskosten. Ein ausreichender beruflicher Zusammenhang wird nicht bereits dadurch begründet, dass die Berufsausübung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Ausgabe entfiele; m. a. W. eine reine „conditio sine qua non“ genügt nicht (siehe BFH-Urteil vom 18. September 1987 VI R 121/84, BFH/NV 1988, 353). Vielmehr muss – wie bereits dargelegt – die zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist.

Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat sein Fahrzeug verlassen, um die Insassen des Fahrschulwagens zur Weiterfahrt zu veranlassen. Hierbei hat er den Fahrlehrer angeblich beleidigt. Diese Handlungen des Klägers außerhalb seines Fahrzeugs, die letztlich die streitigen Aufwendungen ausgelöst haben, liegen nicht mehr im Rahmen seiner beruflichen Aufgabenerfüllung, sondern beruhen auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen. Zwischen dem angeblich beleidigenden Verhalten des Klägers und seiner beruflichen Tätigkeit als Betriebsprüfer besteht daher kein steuerlich relevanter Sachzusammenhang.

c) Die Kosten der Strafverteidigung sind beim Kläger auch nicht deshalb Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil der Kläger Beamter ist und die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens gegeben ist. Zum Einen wurde im Streitfall gegen den Kläger kein Disziplinarverfahren eingeleitet und zum Anderen führen Strafverteidigungskosten wegen eines Tatvorwurfs, der mit dem Beruf des Steuerpflichtigen nichts zu tun hat, nicht bereits deswegen zu Werbungskosten, weil die verhängte Strafe beim Verurteilten disziplinarrechtliche Folgen haben kann (BFH-Beschluss vom 8. September 2003 VI B 109/03; BFH/NV 2004, 42).

2.

Ein Abzug der Anwaltskosten für die Strafverteidigung als außergewöhnliche Belastung i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger ist rechtskräftig wegen Beleidigung verurteilt worden und hatte die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen. Die Anwaltskosten sind dem Kläger daher nicht zwangsläufig erwachsen (ständige Rechtsprechung des BFH; siehe BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BStBl. II 1989, 831 m. w. N.; siehe auch BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BStBl. II 1996, 197 ff. für den Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Strafprozessordnung -StPO-).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

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