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Bußgeldverfahren – Anwaltsgebühren (gerichtlich/außergerichtlich)

Amtsgericht Wildeshausen

Az: 4 C 190/10

Urteil vom 13.07.2010


In der Zivilsache pp. hat das Amtsgericht Wildeshausen im Verfahren gemäß § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 06.07.2010 durch den Richter für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 23,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2010 gegenüber den Rechtsanwälten …. freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von der Zahlung weiterer 23,80 an seine Prozessbevollmächtigten aufgrund des mit der Beklagten bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben nämlich gegen diesen einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 Vergütungsverzeichnis zum RVG. Diese Pauschale kann ausweislich der Anmerkung zu diesem Gebührentatbestand in jeder Angelegenheit anstelle der tatsächlichen Auslagen gefordert werden.

Bei dem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem sich nach Einspruchseinlegung anschließenden gerichtlichen Verfahren handelt es sich um zwei unterschiedliche Angelegenheiten (LG Konstanz, zfs 2010, 167; AG Aachen zfs 2009, 647, AG Friedberg NJW-RR 2009, 560 f.; a.A. LG Köln, Urteil vom 01.10.2008 — 20 S 15/08, LG Hamburg, Urteil vom 09.08.2006 — 319 S 3/06, Müller-Rabe, in : Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 17, Rn. 63, jeweils m.w.N.). Dies ist zwar umstritten und ergibt sich auch nicht kraft ausdrücklicher Regelung aus dem RVG.

Um eine Angelegenheit handelt es sich bei einem einheitlichen Lebensvorgang, der die gesamte Tätigkeit des Anwalts von der Erteilung des jeweiligen Auftrags bis zur Erledigung desselben oder bis zu seinem Ausscheiden abdeckt (LG Köln, a.a.O. m.w.N.). In den §§ 16, 17 RVG sind lediglich einzelne Fälle aufgezählt, in denen es ohne gesetzgeberische Entscheidung zweifelhaft wäre, ob eine einheitliche oder verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung für das Bußgeldverfahren im Rahmen von § 17 RVG ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass es sich um eine einheitliche Angelegenheit handelt. Es kann vielmehr ebenso daran liegen, dass der Gesetzgeber hier nicht von einem regelungsbedürftigen Zweifelsfall ausgegangen ist.. Vielmehr sollen im Rahmen des RVG wie schon zuvor unter Geltung der BRAGO im Einzelfall Abgrenzungen durch Rechtsprechung und Literatur erfolgen (vgl. AG Friedberg, a.a.O. m.w.N.).

Dass es sich bei dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem gerichtlichen Verfahren zumindest seit Geltung des RVG um unterschiedliche Angelegenheiten handelt, folgt schon aus systematischen Erwägungen. Zum einen differenziert das Vergütungsverzeichnis des RVG in W Nr. 5100 ausdrücklich zwischen dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem gerichtlichen Verfahren. Darüber hinaus wurde insbesondere das Bußgeldverfahren durch das RVG neu geregelt. Eine entsprechende eigenständige Regelung gab es im Rahmen der BRAGO gerade nicht. Vielmehr verwies der § 105 BRAGO auf die Regelungen für das Strafverfahren, die so entsprechend anzuwenden waren. Durch die nunmehr erfolgte eigenständige Regelung ist eine entsprechende Anwendung der Regelungen über das Strafverfahren nicht mehr vorgesehen. Dies spricht vielmehr für eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, das Bußgeldverfahren anders als das Strafverfahren nicht als einheitliche Angelegenheit zu behandeln.

Dies folgt zudem auch aus der Ausgestaltung des Bußgeldverfahrens im Vergleich zum Strafverfahren. Das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde dient der Ermittlung und Prüfung, ob die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen eines oder mehrerer Ordnungswidrigkeitentatbestände vorliegen. Die Verwaltungsbehörde ist hier für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vorrangig zuständig. Das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde dient gerade dazu, die Angelegenheit abschließend und ohne Einschaltung des Gerichts zu klären. Insoweit besteht gerade keine Vergleichbarkeit mit dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, welches bei entsprechendem Tatverdacht grundsätzlich darauf zielt, in das gerichtliche Verfahren überzugehen und gerade nicht darauf, eine abschließende Entscheidung herbeizuführen.

Daher besteht vielmehr eher eine Vergleichbarkeit mit dem Verwaltungsverfahren nach § 17 Nr. 1 RVG. Hier wird auch differenziert zwischen dem Verwaltungsverfahren vor der Verwaltungsbehörde, das auf eine abschließende Regelung abzielt und einem gegebenenfalls sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur weiteren Überprüfung. Hierbei handelt es sich dann um eine weitere, sich an das Verwaltungsverfahren anschließende Rechtsschutzmöglichkeit vor Gericht.

Auch das Bußgeldverfahren ist ein gesondert geregeltes Verfahren, dass mit einer einseitig getroffenen, der Rechtskraft fähigen Entscheidung enden kann. Das daran anschließende gerichtliche Verfahren kann dann vielmehr als Rechtsmittelverfahren im weiteren Sinne angesehen werden.

So folgt auch aus der Zusammenschau der den §§ 15 Abs.2 S.2 RVG und 19 Abs.1 S. Nr. 1 RVG zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dass es sich bei dem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem anschließenden gerichtlichen Verfahren um unterschiedliche Angelegenheiten handelt.

Nach § 15 Abs. 2 S. 2 RVG können im gerichtlichen Verfahren Gebühren für jeden Rechtszug geltend gemacht werden. Nach § 19 Abs. 1 S.1 Nr. 1 RVG gehören zu dem Rechtszug vielmehr „die Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung, soweit kein besonderes gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet“. Um ein solches handelt es sich aber bei dem Verwaltungsverfahren vor der Bußgeldbehörde.

Auch der bestehende enge Zusammenhang zwischen dem Verfahren vor der Bußgeldbehörde und dem vor dem Amtsgericht steht einer Einordnung als unterschiedliche Angelegenheiten nicht entgegen. Dies folgt schon aus dem der Regelung des § 17 RVG und den dort benannten Einzelfällen zugrunde liegendem Willen des Gesetzgebers. Besonders deutlich wird dies bei § 17 Nr. 2 RVG, wonach es sich beim Mahnverfahren und dem anschließenden streitigen Verfahren um unterschiedliche Angelegenheiten handelt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs.1, 2 Nr. 3, 288 BGB. Der Kläger kann Zinsen daher auch ab Rechtshängigkeit geltend machen.. Die Beklagte hatte nämlich schon vor Klageerhebung die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert als sie sich auf den Standpunkt stellte, dass es sich bei dem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem anschließenden gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht lediglich um eine Angelegenheit handele, so dass nur eine Auslagenpauschale geltend gemacht werden könne.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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