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Bußgeldverfahren – Übergang zu Strafverfahren

LG Berlin

Az: 533 Qs 30/08

Beschluss vom 26.02.2008


Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 30. November 2007 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse B zur Last.

Gründe

Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am 12. Juni 2007 in B ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben, obwohl er 0,7 Promille Alkohol im Blut gehabt habe, sowie die ihm beim Rückwärtsfahren obliegende besondere Vorsicht außer Acht gelassen zu haben, so dass es zum Unfall gekommen sei. Der Betroffene habe beim Rückwärtseinparken mit einem LKW einen PKW angefahren. Zunächst war wegen dieses Vorwurfes ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen 3014 PLs 7778/07 bei der Amtsanwaltschaft Berlin anhängig. Die Amtsanwaltschaft beantragte, die Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO zu entziehen, was das Amtsgericht Tiergarten formlos ablehnte. Daraufhin stellte die Amtsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein und leitete die Akte dem Polizeipräsidenten Berlin zur Verfolgung der Tat unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsordnungswidrigkeit weiter.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 (Az. 58.94.004122.6) verhängte der Polizeipräsident Berlin gegen den Betroffenen wegen des Vorwurfs eine Geldbuße in Höhe von 650 Euro sowie ein dreimonatiges Fahrverbot. Hiergegen legte der Betroffene Einspruch ein; die Akte wurde über die Amtsanwaltschaft dem Amtsgericht Tiergarten vorgelegt.

Der zuständige Richter am Amtsgericht sendete am 21. November 2007 eine E-Mail an den Verteidiger des Betroffenen, in der er anregte, den Einspruch zurückzunehmen. Weiter wies er „vorsorglich“ darauf hin, dass er erneut die Frage des Vorliegens eines Vergehens prüfen müsse und werde. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass er zu einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage komme als sein Kollege in seiner formlosen Ablehnungsentscheidung.

Mit Beschluss vom 30. November 2007 entzog das Amtsgericht Tiergarten dem „Beschuldigten“ die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen gem. § 111a StPO. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis sei er alkoholbedingt fahruntauglich gewesen und habe deshalb den Unfall verursacht. Diesen Beschluss übersandte der zuständige Richter am Amtsgericht gemäß § 36 StPO der Amtsanwaltschaft und regte an, Anklage zu erheben oder einen Strafbefehlsantrag zu stellen, weil nach seiner Auffassung hinreichender Tatverdacht nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB bestehe.

Daraufhin nahm der Betroffene seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurück und legte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. November 2007 ein. Die Amtsanwaltschaft beantragte, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 2 StPO aufzuheben, da der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden sei, stellte diesen Antrag aber bis zur Entscheidung über die Beschwerde zurück.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Strafverfahren, das Grundlage für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sein könnte, anhängig war.

Das zunächst eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Amtsanwaltschaft eingestellt und nicht wieder aufgenommen. Das Bußgeldverfahren hat durch die Rücknahme des Einspruchs seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden, bevor ein Übergang zum Strafverfahren stattgefunden hatte. Voraussetzung für den Übergang vom Bußgeld- zum Strafverfahren ist nach § 81 OWiG die Erteilung eines rechtlichen Hinweises durch das Gericht, zu dem dem Betroffenen zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Unmittelbar mit der Erteilung eines solchen Hinweises tritt der Übergang in das Strafverfahren ein. Die Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich (vgl. BGHSt 29, S. 305).

Ein wirksamer Hinweis ist hier vor der Rücknahme des Einspruchs jedoch nicht erteilt worden. Zwar kann ein solcher Hinweis auch schon vor der Hauptverhandlung erfolgen (vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 81, Rdnr. 14). Erforderlich ist allerdings, dass der Hinweis nicht nur inhaltlich klar und eindeutig ist, im Interesse der Rechtsklarheit muss auch eindeutig sein, dass es sich um einen Hinweis handeln soll (vgl. OLG Oldenburg MDR 1983, S. 257). Zudem ist er „besonders“ zu geben (vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 81, Rdnr. 6). Daran fehlt es hier.

Dass die E-Mail nicht als Hinweis anzusehen ist, ergibt sich schon daraus, dass der Richter am Amtsgericht gleichzeitig die Rücknahme des Einspruchs anregte. Dies wäre ja nach Erteilung des Hinweises nicht mehr möglich gewesen.

Auch wurde der Hinweis nicht durch den angefochtenen Beschluss erteilt. Der Erlass eines Beschlusses, mit dem die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, stellt schon formal keinen solchen Hinweis nach § 81 Abs. 2 OWiG dar. Auch kann der Beschluss in diesem Zusammenhang nicht als Hinweis gedeutet werden. Durch den Erlass des Beschlusses hat das Amtsgericht zwar die abweichende rechtliche Auffassung zum Ausdruck gebracht; es ist jedoch für den Betroffenen nicht hinreichend deutlich geworden, dass hiermit ein Hinweis erteilt werden sollte. Selbst der Richter hat den Erlass des Beschlusses nicht als Hinweis nach § 81 Abs. 2 OWiG angesehen. Das ergibt sich insbesondere aus der Verfügung zur Übersendung des Beschlusses an die Amtsanwaltschaft. Darin heißt es, es werde Strafbefehlsantrag oder Anklageerhebung angeregt. Dies wäre ja bei einer Überleitung ins Strafverfahren gar nicht nötig. Es fehlt insofern aus objektiver Sicht an der erforderlichen Klarheit, dass es sich um einen Hinweis handeln sollte. Eine Überleitung ins Strafverfahren hat nicht wirksam stattgefunden.

Im Übrigen hätte der Beschluss auch in der Sache keinen Bestand haben können, wenn eine wirksame Überleitung ins Strafverfahren stattgefunden hätte. Allein der Umstand, dass der Betroffene unter dem Einfluss einer Blutalkoholkonzentration von 0,7 Promille beim Rückwärtseinparken mit einem LKW einen PKW touchierte, rechtfertigt nicht den Schluss, er sei infolge des Genusses alkoholischer Getränke fahruntüchtig gewesen. Maßgebend zur Beurteilung der relativen Fahruntüchtigkeit sind Umstände in der Person des Fahrers und in seiner Fahrweise, wobei nicht jeder Fahrfehler die Annahme relativer Fahrunsicherheit rechtfertigt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage, § 316, Rdnr. 36f.). Ein alkoholtypischer Fahrfehler ist nicht ersichtlich, vielmehr handelt es sich um einen Fahrfehler, der einem nüchternen Kraftfahrer ebenso leicht passieren kann. Hinweise darauf, dass in diesem konkreten Fall die Sorgfaltspflichtverletzung beim Rückwärtsfahren auf die Alkoholeinwirkung des Beschuldigten zurückzuführen ist, sind nicht gegeben.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 3 und 4 StPO i. V. m. § 46 OWiG.

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