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Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsum – Grenzwert 1 ng/ml


Oberverwaltungsgericht Münster

Az: 16 A 2806/13

Urteil vom 01.08.2014


Anmerkung des Bearbeiters

Beachten Sie auch unseren Artikel über die Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabiskonsum.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. November 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Der im Jahre 1986 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis unter anderem der Klassen A und B. Am 19. Juli 2011 führte er gegen 13.15 Uhr in T.      ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss. Das Gutachten des Universitätsklinikums C.    – Institut für Rechtsmedizin – vom 19. August 2011 über die Untersuchung einer dem Kläger entnommenen Blutprobe ergab einen Wert des Cannabiswirkstoffs THC von 1,3 ng/ml sowie eine Konzentrationen des THC-Metaboliten THC-COOH von 41,1 ng/ml. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen löste dieser Vorfall für sich genommen – soweit bekannt – nicht aus.

Am 19. März 2013 geriet der Kläger gegen 16.50 Uhr in O. /Kreis T.      – X.            als Führer eines Personenkraftwagens in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Blutprobe ergab nach dem ärztlichen Befundbericht des Labors L.     vom 28. März 2013 für THC einen Wert von 1,1 ng/ml sowie für THC-COOH einen Wert von 14 ng/ml. Zusammenfassend kommt der Befundbericht zu dem Schluss, das Auffinden von THC und seinen Metaboliten beweise eine kürzliche Cannabiseinnahme. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe.

Mit Ordnungsverfügung vom 9. April 2013 entzog der Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 23. April 2013 abzugeben. Zur Begründung führte er an, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung gerechtfertigt. Der Kläger habe am 19. Juli 2011 und am 19. März 2013 jeweils unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Die in den nachfolgenden chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe. Damit sei bewiesen, dass er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren nicht trennen könne. Aufgrund der wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss sei zudem erwiesen, dass zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege.

Am 8. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit dem Vorfall seien bei ihm abgesehen von mittelweit geöffneten Pupillen keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Das Ergebnis der nachfolgenden Blutprobe habe ihn dann sehr überrascht; er könne sich diesen Wert nicht erklären. Es stelle sich die Frage, ob der festgestellte Wert von 1,1 ng/ml THC überhaupt den Tatbestand des Cannabiskonsums erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige nicht jede nachgewiesene Menge eines berauschenden Mittels behördliches Einschreiten. Vielmehr müsse eine Konzen-tration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lasse, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gewesen sei. Einen bestimmten Grenzwert habe das Bundesverfassungsgericht nicht eingeführt. Es habe lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaube, der Betroffene habe bei der Verkehrsteilnahme unter einer tatbestandlich relevanten Rauschmittelwirkung gestanden. Dafür müssten aber konkrete Angaben und Hinweise vorliegen, an denen es hier fehle; denn bei der Verkehrskontrolle im März 2013 hätten die beteiligten Polizeibeamten keine Auffälligkeiten festgestellt, die für einen relevanten Cannabiseinfluss sprächen. Im Hinblick auf das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei entscheidend, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss einer solchen THC-Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit signifikant erhöhe. Der derzeitige naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertige es nicht, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer solchen Risikoerhöhung auszugehen; vielmehr sei bei gelegentlichem Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme mit einem THC-Wert zwischen 1 und 2 ng/ml vor einer etwaigen Fahrerlaubnisentziehung ein Gutachten einzuholen. Daran fehle es hier. Ferner stelle sich die Frage einer Messungenauigkeit. Da er, der Kläger, sich das Erreichen eines THC-Wertes von 1,1 ng/ml nicht erklären könne, müsse der vom Labor L. ermittelte Befund diesbezüglich untersucht werden, zumal der festgestellte Wert den vom Beklagten zugrundegelegten Grenzwert nur geringfügig überschreite. Gehe man, wie in der Literatur diskutiert, von einer Messwerttoleranz von 30 bis 40% aus, sei im günstigsten Fall von einer THC-Konzentration von nur 0,66 ng/ml und damit weit unter dem Grenzwert auszugehen. Er habe auch weder erkennen können noch erkennen müssen, dass er bei seiner Fahrt vom 19. März 2013 unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe. Schließlich sei er aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Aufgaben innerhalb des von seinem Vater und ihm geführten Handwerksbetrieb erfüllen zu können.

Der Kläger, dessen zugleich mit der Klage gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben ist, hat beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und vorgetragen: Entscheidend sei, dass der Kläger in zwei Fällen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und dabei jeweils den maßgeblichen Grenzwert überschritten habe. Die zugrundeliegenden rechtsmedizinischen Gutachten seien in sich logisch, frei von Widersprüchen und beruhten auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es stehe mithin fest, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen und seinen Cannabiskonsum nicht kontrollieren könne.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf seine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewiesen.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Das rechtsmedizinische Gutachten des Labors L.      über die Untersuchung der Blutprobe aus dem Jahr 2013 lasse nicht erkennen, ob eine Messtoleranz berücksichtigt worden sei. Die Frage der Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages sei weder vom Bundesverfassungsgericht noch von der sog. Grenzwertkommission entschieden worden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehe bisher davon aus, der von der Grenzwertkommission im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG empfohlene „analytische Grenzwert“ von 1,0 ng/ml enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aber noch aus. Wegen der gravierenden Folgen von Fahrerlaubnisentziehungen müsse zumindest gefordert werden, dass die mit der Blutuntersuchung beauftragten Labore verpflichtet würden, die Streubreite ihrer jeweiligen Messergebnisse offenzulegen. Zudem sei bei einer THC-Konzentration von lediglich 1,1 ng/ml nicht von einem signifikant erhöhten Gefährdungsgrad für den Straßenverkehr auszugehen. Weiter erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Gefährdung des Familienbetriebes als unverhältnismäßig. Den Anforderungen der Sicherheit des Straßenverkehrs wäre schon dann ausreichend Rechnung getragen, wenn ihm, dem Kläger, die Gelegenheit eingeräumt würde, im Wege einer laufenden Abstinenzkontrolle durch eine anerkannte Begutachtungsstelle seine aktuelle Fahreignung nachzuweisen. Schließlich hat der Kläger noch ein vom AG T.       im diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten- verfahren eingeholtes rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Q. vom 8. Juni 2014 vorgelegt, das unter anderem die Frage eines Cannabiskonsums des Klägers am 19. März 2013 und die Frage einer Messungenauigkeit betrifft. Auf die einzelnen gutachterlichen Ausführungen wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die Gerichtsakte 6 L 278/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Der Bescheid ist nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Umstand, dass möglicherweise das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss vom 19. März 2013 noch nicht abgeschlossen ist, steht der eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Klägers durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten und auch dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 nicht entgegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines noch anhängigen Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht kommt, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf, ist vorliegend nicht entsprechend anwendbar. Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung auch auf ein noch anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren scheidet aus, weil in diesem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB oder nach einer anderen Bestimmung nicht in Betracht kommt. Außerdem spricht die systematische Gegenüberstellung der genannten Bestimmung mit § 3 Abs. 4 StVG gegen die Anwendung des Berücksichtigungsverbotes des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfah-rens. Denn das Abweichungsverbot nach § 3 Abs. 4 StVG bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Feststellungen aus einem (abgeschlossenen) Strafverfahren, sondern auch auf Feststellungen in Bußgeldentscheidungen, soweit diese den zugrundegelegten Sachverhalt und die Beurteilung der Schuldfrage betreffen. Wenn demnach § 3 Abs. 4 StVG für seinen Anwendungsbereich das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich gleichstellt, während § 3 Abs. 3 StVG eine solche Gleichstellung nicht vorsieht, muss von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht im Wege der Analogie korrigiert werden kann.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2012 – 16 E 726/12 -; Bay. VGH, Beschluss vom 7. September 2007 – 11 CS 07.898, 11 C 07.1371 -, Blutalkohol 45 (2008), 84 = juris, Rn. 18; OVG S.-A., Beschluss vom 13. April 2012 – 3 M 47/12 -, Blutalkohol 49 (2012), 327 = juris, Rn. 3 f.; a.A. Fromm/Schmidt, NZV 2007, 217, 219.

Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch bedacht haben, dass unter bestimmten Umständen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann (vgl. die §§ 41 f. OWiG) und dass die Gefahr divergierender Entscheidungen in den jeweils noch laufenden Verfahren auch im Verhältnis zwischen Bußgeldstelle und Fahrerlaubnisbehörde bestehen kann.

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis- Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Es handelt sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 Abs. 3 FeV und den §§ 11 bis 14 FeV i. V. m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung.

Der hier in Rede stehende Konsum von Cannabis wird in Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV behandelt. Der regelmäßige Konsum von Cannabis lässt die Fahreignung in jedem Fall entfallen (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung nicht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Die hier allein interessierende Trennung zwischen Konsum und Fahren betrifft die Frage, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Fahrerlaubnisinhaber bereit bzw. in der Lage ist, zuverlässig diesen Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen auseinanderzuhalten. Sind gelegentlicher Cannabiskonsum und mangelndes Trennen von Konsum und Fahren erwiesen, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Sachverhaltsauf-klärung die Fahrerlaubnis entziehen. Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.

OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2006 – 16 B 1392/05 -, juris, Rn. 2 bis 8, und Urteil vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 -, NJW 2013, 2841 = Blutalkohol 50 (2013), 146 und 196 = NZV 2014, 102 = NWVBl. 2013, 329 = juris, Rn. 22 f.

Auch charakterliche Mängel können die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.

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Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378 = juris, Rn. 49.

Im Zusammenhang mit dem Merkmal des Trennens des Cannabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen kann nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichen. Es muss vielmehr eine Konzentration feststellbar sein, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349 = NZV 2005, 270 = DAR 2005, 70 = Blutalkohol 42 (2005), 156 = juris, Rn. 29.

Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit – zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt – nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lässt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 -, a. a. O. = juris, Rn. 39 und 51.

Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt nach Auffassung des Senats und anderer Obergerichte bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 – 16 A 2075/11 -, juris, Rn. 15, und vom 22. Mai 2012 – 16 B 536/12 -, juris, Rn. 5, sowie Urteil vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 -, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 – 10 S 2519/05 -, NJW 2006, 2135 = juris, Rn. 7, und Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 -, juris, Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 – 1 S 17.09 -, NZV 2010, 531 = juris, Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11 -, NJW 2012, 3526 = juris, Rn. 14; Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 -, NJW 2006, 1367 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 – 12 ME 287/03 -, juris, Rn. 7; Schl.-H. OVG, Urteil vom 17. Februar 2009 – 4 LB 61/08 -, juris, Rn. 36; Thür. OVG, Beschluss vom 6. September 2012 – 2 EO 37/11 -, DAR 2012, 719 = juris, Rn. 16; a. A. (mangelnde Trennung erst oberhalb von 2,0 ng/ml THC) Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 – 11 CS 04.2348 -, Blutalkohol 43 (2006), 414 = juris, Rn. 16, und vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, DAR 2006, 407 = juris, Rn. 45; vgl. auch OVG M.-V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 M 142/06 -, juris, Rn. 18; Heß/Burmann, NJW 2007, 486, 492.

In seinem Urteil vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 – hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:

„Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 – aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 -, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml im Serum liegt. Eine solche Konzentration kann – einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags – sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.

Vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, a. a. O. = juris, Rn. 29.

Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt.

Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche und somit für die rechtliche Beurteilung entscheidende Hinweise, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht. Des Weiteren ist die Unfall- und Gefährdungshäufigkeit in der späteren Phase der Cannabiswirkung signifikant höher als im akuten Rauschzustand.

Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung, Blutalkohol 43 (2006), 441 ff.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem in Bezug genommenen Urteil vom 14. Juni 2010 – 11 K 1059/10 -, juris, auf weitere Untersuchungen hingewiesen, die den von der Grenzwertkommission bestimmten Grenzwert bestätigen. So kommt etwa die Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem THC-Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum in jedem Fall noch von einer möglichen Wirkung auszugehen ist, da auch noch im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach Rauchende bei den Versuchspersonen Störungen der Feinmotorik feststellbar waren.

Vgl. die Darstellung bei Möller, Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensisch- toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109 ff., und Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/ Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff.

Zudem hat das Verwaltungsgericht auf toxikologische Studien Bezug genommen, die belegen, dass das subjektive Einflussempfinden (High- Gefühl) eines Kraftfahrzeugführers noch vorhanden sein kann und damit verbunden auch relativ deutliche Ausfallerscheinungen auftreten können, obwohl nur noch eine sehr geringe (oder möglicherweise überhaupt keine) THC-Konzentration mehr im Blut nachweisbar ist.

Vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 517 f.

Dies erklärt sich damit, dass die THC-Konzentration im Blut nicht zwingend mit der THC-Konzentration im Gehirn korreliert, also nicht die Konzentration am Wirkort widerspiegelt.

Vgl. Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, a. a. O., S. 446 f.

Der Annahme, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC (im Blut) sei die Fahrtüchtigkeit möglicherweise eingeschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht nicht entgegengetreten. Auf einen bestimmten Mindestwert hat sich das Bundesverfassungsgericht indes nicht festgelegt, den Mindestwert von einem 1 ng/ml als ausreichenden Nachweis für die Feststellung von hinreichenden Konzentrationen von THC im Blut im Hinblick auf die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit aber auch nicht beanstandet.

BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, a. a. O., zu § 24a Abs. 2 StVG.

Demgegenüber nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mangelnde Trennung erst ab einem THC-Wert ab 2,0 ng/ml im Blutserum an.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, a. a. O.; vgl. auch Beschlüsse vom 11. November 2004 – 11 CS 04.2348 -, a. a. O, und vom 13. Dezember 2010 – 11 CS 10.2873 -, juris.

Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Januar 2006 zahlreiche Gutachten zu der Frage der Fahruntüchtigkeit unter der Wirkung von Cannabis und der Bestimmung eines Grenzwerts ausgewertet, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und ist unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den bestehenden Unsicherheiten nicht gerechtfertigt erscheine, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestünden lediglich Eignungsbedenken (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Um sie zu klären, sei vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, mit dem ermittelt werden könne, ob der Betroffene künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde.

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen und toxikologischen Feststellungen geht der Senat von gesicherten Erkenntnissen aus, dass ab dem THC- Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung und damit eine drogenkonsumbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs möglich ist. Hierzu ist insbesondere auf die bereits angeführte Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O.) zu verweisen, die die tatsächlichen Annahmen des Bay. VGH in der Entscheidung vom 25. Januar 2006 eingehend berücksichtigen, ihnen mit Rücksicht auf neuere Untersuchungsergebnisse und mit einleuchtender Begründung aber nicht folgen. Aus diesem Grund liegen nicht nur Eignungsbedenken vor. Es ist daher bei einer THC- Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.

Des Weiteren stimmt der Senat nicht mit dem vom Bay. VGH gewählten Gefahrenmaßstab überein. Es heißt zwar in dem Beschluss vom 25. Januar 2006 (a. a. O., Rn. 17) zunächst, entscheidend sei, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöhe, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. An anderer Stelle setzt der Bay. VGH aber eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ausdrücklich voraus (a. a. O., Rn. 17). Ein solches besonderes Gefahrenerfordernis lässt sich aus den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht entnehmen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen.

Der Verstoß gegen das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachte Trennungsgebot muss als im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV erwiesen angesehen werden können, um dem Betroffenen die Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entziehen. § 11 Abs. 7 FeV verlangt, dass die mangelnde Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststeht. So liegt es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit, also ab dem Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blutserum, am Straßenverkehr teilnimmt. Damit belegt er, dass er das entsprechende Trennungsvermögen nicht besitzt und deshalb zum Führen eines Fahrzeugs ungeeignet ist. Daraus folgt zugleich, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit als negative Folge des Konsums möglich ist. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist nicht erforderlich. Hierfür spricht schließlich, dass bei der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis Gefahrenabwehrrecht in Rede steht und insoweit eine Parallele zu dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 24a StVG besteht, das der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 als einfachrechtliche Vorschrift zugrundelag. Auch diese Norm hebt auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, nämlich einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ab.

Ist von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften also bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt.

Außerdem ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei einer möglichen drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit angesichts einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.

Vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11 -, a. a. O., juris, Rn. 18.

Diese Annahme gründet sich auf die Unsicherheit des Dosis-Wirkungs- Effekts von Cannabis. THC ist, wie Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O., S. 446 f.) unter Hinweis auf die Untersuchung von Mura et al. (THC can be detected in brain while absent in blood, 2005, J. Anal. Toxicol. 29, S. 842) ausgeführt haben, eine hoch lipophile, d.h. gut fettlösliche Verbindung. Entsprechend hoch ist ihr Verteilungsfaktor und entsprechend lange dauert es bis zur Einstellung eines Fließgleichgewichts zwischen wasserreichen Kompartimenten wie etwa dem Blutserum und fettreichen Kompartimenten wie dem Gehirn in der Eliminationsphase. Die THC-Konzentration im Blut spiegelt daher die Konzentration am Wirkort nicht wider. Da die gesicherten medizinischen und toxikologischen Erkenntnisse bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit als möglich belegen, liegt eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betroffenen, also auch bei dem Kläger, bei Erreichen des Werts vor. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber aber ungeachtet dieser Gefährdung nicht bereit, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen, lässt dies auf einen charakterlichen Mangel schließen, der seine Nichteignung begründet. Denn der Fahrerlaubnisinhaber nimmt für seine privaten Bedürfnisse nicht hinnehmbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf. Dieses Verhalten genießt indes weder verfassungsrechtlichen noch einfachrechtlichen Schutz.“

An dieser Sichtweise hält der Senat fest. Neuere Erkenntnisse, welche die Sachgerechtigkeit des Abstellens auf einen Grenzwert von 1 ng/ml in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit methodische Zweifel an den Ergebnissen der Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (s.o.) geäußert worden sind, weil diese im Ausgangspunkt wesentlich auf „subjektiven polizeilichen Feststellungen im Raum München zu Verkehrsauffälligkeiten“ beruhten,

vgl. hierzu die Wiedergabe einer entsprechenden gutachterlichen Äußerung in VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 -, VRS 124 (2013), 168 = juris, Rn. 53,

vermag der Senat nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, warum die Einschätzungen von Polizeibeamten, die in der Regel über vielfältige Erfahrungen mit Verkehrsteilnehmern unter dem Einfluss von Rauschmitteln (einschließlich Alkohol) verfügen, von vornherein unergiebig sein sollten, zumal das Erkennen drogenbedingter Auffälligkeiten im Straßenverkehr seit längerer Zeit einen Schwerpunkt der Fortbildung für Polizeibeamte bildet.

Vgl. Bönke, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, NZV 2005, 272; ders., Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 8; Möller, Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 16.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Zugrundelegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum für die Annahme mangelnden Trennens i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auch kein Sicherheitsabschlag zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten bei der rechtsmedizinischen Feststellung des THC-Gehaltes vorzunehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine – wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende – Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1-ng/ml-THC-Grenze bereits berücksichtigt worden ist,

vgl. die Empfehlung der Grenzwertkommission zur Änderung der Anlage zu § 24a StVG, Blutalkohol 44 (2007), 311; s. auch Wehowsky, Blutalkohol 43 (2006), 125, 130,

und nicht (nochmals) durch Abschläge berücksichtigt werden muss. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG,

vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 3 Ss 205/06 -, NZV 2007, 248 = VRS 112 (2007), 130 = Blutalkohol 44 (2007), 101 = juris, Rn. 4 f. und Brandenb. OLG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 Ss (OWi) 291B/06 -, Blutalkohol 45 (2008), 135 = juris, Rn. 11 und 13, jeweils m. w. N.,

und auch der – soweit ersichtlich – einhelligen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die indessen weit überwiegend diese Frage nicht eigens thematisiert, aber im Ergebnis die ermittelten Werte ohne Abschläge zugrundelegt.

Ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages ablehnend VGH Bad.- Württ., Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 -, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11 -, a. a. O. (juris, Rn. 15); VG München, Urteil vom 17. Mai 2011 – M 1 K 11.1120 -, juris, Rn. 21.

Ob diese Praxis bereits mit dem Hinweis gerechtfertigt werden kann, der „wahre“ Wert bei der Annahme oder dem Fürmöglichhalten einer Schwankungsbreite des Messergebnisses könne statistisch mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit an der untersten oder an der obersten Grenze des Schwankungsbereichs liegen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn es – anders als nach den Empfehlungen der Grenzwertkommission und der dargestellten Rechtsprechung – auf den zweifelsfreien Nachweis gerade einer THC- Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr und nicht auf den abweichend definierten Eintritt einer abstrakten Straßenverkehrsgefährdung durch gesichert feststehende Drogenbeeinflussung ankäme, könnte die Sanktionierung von demnach „falsch positiven“ Messbefunden schwerlich mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass in anders gelagerten Fällen, das heißt bei „falsch negativen“ Befunden, auf die an sich erforderliche Sanktionierung verzichtet werden müsse, also möglicherweise rechtswidrigen Belastungen auch Fälle rechtswidriger Besserstellung gegenüberständen. Schwerer wiegt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme – und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme – eine deutliche Verringerung der THC-Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis „polyphasisch“ erfolgt und daher schwieriger als etwa beim Alkohol berechnet werden kann,

vgl. Zwerger, Blutalkohol 43 (2006), 105, 110; Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441, 446 f.,

steht doch außer Frage, dass THC verhältnismäßig schnell verstoffwechselt und jedenfalls bei einmalig und desgleichen wohl auch bei eher sporadisch konsumierenden Personen nach inhalativem Konsum selbst hoher Dosen zumindest überwiegend innerhalb von vier bis sechs Stunden auf Werte unterhalb von 1,0 ng/ml sinkt.

Vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schnei- der/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 43 (2006), 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. (2010), § 3 Rn. 109 ff.; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 25.

Im Übrigen dürfte es nicht oder allenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, im Einzelfall den „wahren“ Wert der THC-Konzentration zu ermitteln. Berücksichtigt man weiter, dass sich der jeweils Betroffene zu einem Zeitpunkt ans Steuer gesetzt hat, zu dem jedenfalls er selbst nicht das Ausmaß eines fortbestehenden THC-Einflusses und einer darauf beruhenden Straßenverkehrsgefährdung abschätzen konnte, erscheint es hinnehmbar, ihm das Risiko zuzumuten, zugunsten der Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer und mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates auf deren höchstrangige Rechtsgüter die Unsicherheit hinzunehmen, die auf der (zumindest weitgehend) unvermeidlichen Schwankungsbreite der THC-Messergebnisse beruht.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 -, a. a. O. (juris, Rn. 38 f.).

Dass der Kläger gelegentlich Cannabis konsumiert, folgt schon daraus, dass er bereits 2011 unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr angetroffen worden ist. Abgesehen davon fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers, das einen zumindest gelegentlichen Konsum in Frage stellen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 sowie 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit oder der Verkehrssicherheit bei gelegentlichem Konsum von Cannabis maßgeblich ist und – hieraus folgend – ab welcher THC-Konzentration im Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungserfordernis nach Nr.9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt und für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.


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