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Eheaufhebung wegen arglistiger Täuschung über Vaterschaft

OLG Karlsruhe

Az.: 2 UF 93/99

Urteil vom 11.08.1999

Amtsgericht Karlsruhe – Az.: 2 F 274/97


Leitsatz:

Wird die Ehe wegen einer Schwangerschaft geschlossen, besteht eine Offenbarungspflicht über anderweitigen Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit auch ohne ausdrückliche Nachfrage.

Das Gesuch der Beklagten/Berufungsklägerin, ihr für ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe vom 12.3.1999 (2 F 274/97) Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.


Gründe:

Die Parteien haben am 1.3.1996 die Ehe geschlossen, nachdem sie sich bereits seit 1993 kannten und längere Zeit zusammen gelebt hatten. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, die Beklagte ist marokkanische Staatsangehörige. Im Zeitpunkt der Eheschließung war die Beklagte schwanger, sie hat am 14.6.1996 das Kind geboren. Der Kläger ging davon aus, daß von ihm abstamme. Seit Februar 1997 leben die Parteien getrennt.

Der Kläger hat zunächst am 18.12.1997 Scheidungsantrag gestellt, der der Beklagten zugestellt wurde. Etwa zeitgleich hat der Kläger beim Amtsgericht Karlsruhe die Vaterschaft des Kindes angefochten. In diesem Verfahren hat die Beklagte als Zeugin angegeben, daß sie wahrend der gesetzlichen Empfängniszeit vom 16.8.1995 bis zum 16.12.1995 ausschließlich mit dem Kläger Geschlechtsverkehr hatte. Durch Gutachten des Sachverständigen wurde der Kläger eindeutig als Vater ausgeschlossen. Auf der Grundlage des Gutachtens wurde durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 15.9.1998 die Nichtehelichkeit des Kindes festgestellt .Der Kläger hat hierauf am 29.9.1998 Eheaufhebungsantrag gestellt und den Scheidungsantrag nur noch als Hilfsantrag aufrechterhalten.

Der Kläger behauptet hierzu, daß die Beklagte ihn arglistig getäuscht habe, da sie ihn in dem Glauben gelassen habe, er sei der Vater des Kindes. Umstände, die Zweifel hieran geweckt hätten, habe sie ihm nicht offenbart. Bei Kenntnis der fehlenden Vaterschaft hätte er die Beklagte nicht geheiratet, dies sei der Beklagten auch bewußt gewesen.

Die Beklagte stimmt zwar dem Scheidungsantrag zu, beantragt aber Zurückweisung des Eheaufhebungsantrages. Dazu hat sie erstmals im Schriftsatz vom 15.10.1998 vorgetragen, daß sie nach einem Streit mit dem Kläger sich an einem Abend im September 1995 betrunken habe und morgens in Anwesenheit eines Mannes in ihrem Zimmer im A aufgewacht sei, ohne sich an den Ablauf der Nacht erinnern zu können. Dieses Erlebnis habe sie noch vor der Eheschließung dem Kläger mitgeteilt.

Das Familiengericht hat die Parteien angehört und die Beklagte förmlich als Partei vernommen.

Durch Urteil vom 12.3.1999 hat das Familiengericht die am 1.3.1996 geschlossene Ehe der Parteien aufgehoben. Für die Beklagte habe eine Offenbarungspflicht bestanden, da sie gewußt habe, daß sich der Kläger ein Kind wünschte und es zumindest einen anderen Geschlechtsverkehr in der Empfängniszeit gegeben habe. Die Richtigkeit des Vertrages zu dem Erlebnis der Beklagten im September 1995 wird bezweifelt, im übrigen hätte dann um so mehr Veranlassung bestanden, dem Kläger Zweifel bekanntzugeben. Daß die Beklagte den Kläger tatsächlich wie behauptet hierüber informiert hat, wird ebenfalls bezweifelt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung des Aufhebungsantrages begehrt und hierfür um Prozeßkostenhilfe nachgesucht hat.

Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen in erster Instanz. Bis zum Vorliegen des Gutachtens habe sie keinerlei Zweifel an der Vaterschaft des Klägers gehabt. Das Erlebnis im September 1995 habe sie völlig verdrängt. Erst nach dem Ergebnis des Gutachtens habe sie sich zu intensivem Nachdenken veranlaßt gesehen und sich hieran erinnert. Noch heute könne sie sich nicht an einen Geschlechtsverkehr mit dem Zeugen Q erinnern. Sie habe den Kläger nur aus Liebe geheiratet, nicht um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Der Kläger/Berufungsbeklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Er wiederholt und vertiert sein Vorbringen in erster Instanz. Die Eheschließung sei ausschließlich wegen der Schwangerschaft erfolgt. Die Schilderung der Beklagten bzgl. der Nacht im September 1995 sei unglaubwürdig. Der Zeuge habe zwischenzeitlich die Vaterschaft ohne weitere Nachforschungen anerkannt, dies spreche gegen einen einmaligen Geschlechtsverkehr mit einer betrunkenen Frau. Auch sei völlig unglaubwürdig, daß die Beklagte den angeblichen Vorfall vergessen habe, zumal sie kurze Zeit später Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt habe. Daß sie hiervon dem Kläger berichtet habe, wird bestritten. Die Beklagte habe einer Freundin erzählt, daß sie vor der Heirat Kenntnis davon gehabt habe, daß der Kläger nicht der Vater sei.

II.

Der Beklagten/Berufungsklägerin kann für das Berufungsverfahren keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, denn ihr rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel, mit dem sie die Abweisung des Eheaufhebungsantrages des Klägers/Berufungsbeklagten und eine Scheidung der Ehe erreichen möchte, hat keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO.

Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Eheaufhebungsantrag des Klägers abgewiesen wird, da die Voraussetzungen einer Eheaufhebung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB nach derzeitigem Stand vorliegen. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten sich nach deutschem Recht, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB.

Auf das Eheaufhebungsverfahren ist vorliegend § 1314 BGB in der ab 1.7.1998 gültigen i Fassung anzuwenden, da das Verfahren erst nach diesem Tag rechtshängig wurde, Art. 226 Abs. 2 und 3 EGBGB. Der Eheaufhebungsantrag des Klägers vom 25.9.1998 wurde der Beklagten am 19.10.1998 zugestellt. Daß der Scheidungsantrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingereicht war, ist hier unschädlich, da es allein auf die Zustellung des Aufhebungsantrages ankommt (Wax in Familienrechtsreformkommentar – FamRefK, Art. 226 EGBGB, Rn. 5). Selbst wenn auf den früheren Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidung abgestellt würde, wären die Voraussetzungen der Aufhebung nach § 33 EheG in der bis 30.6.1998 gültigen Fassung gegeben, die Aufhebung ist somit nicht gemäß Art. 226 Abs. 1 EGBGB ausgeschlossen.

Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, daß die Beklagte den Kläger bei Eingehung der Ehe arglistig getäuscht hat. Die arglistige Täuschung kann entsprechend § 123 BGB in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung bzw. Unterdrückung wahrer Tatsachen liegen (Palandt-Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1314, Rn. 15). Wird die Erle wegen einer Schwangerschaft geschlossen, besteht eine Offenbarungspfiicht auch ohne Nachfrage über anderweitigen Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit (BGH Z 29, 265, 268). Hier spricht schon der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen der Eheschließung am 1.3.1996 und der Geburt des Kindes am 14.6.1996 dafür, daß die Ehe wegen der Schwangerschaft geschlossen wurde. Hinzu kommt, daß die Parteien unstreitig sich bereits seit 1993 kannten und schon länger zusammen gelebt hatten, ohne daß eine Heirat erfolgte. Dies wurde letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Ihr Einwand, es habe sich aus ihrer Sicht um eine Liebesheirat gehandelt, steht dem nicht entgegen. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, daß der Kläger mehrfach geäußert habe, es werde erst geheiratet, wenn ein Kind unterwegs sei.

Im Hinblick auf diese unstreitigen Umstände mußte es der Beklagten bewußt sein, daß der Kläger bei der Eheschließung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft diese nur vornehmen werde, wenn das Kind auch von ihm stammt. Tatsächlich muß es während der Empfängniszeit zumindest einen anderweitigen Geschlechtsverkehr gegeben haben, wie das Gutachten des Sachverständigen beweist, der den Kläger eindeutig als Vater des Kindes ausschließt. Zur Offenbarung dieses Umstandes war die Beklagte somit verpflichtet.

Ihr Vortrag, sie habe den Vorfall im September 1995 verdrängt und sich hieran erst nach Vorliegen des Gutachtens im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß erinnert, im übrigen habe sie dem Kläger hiervon unmittelbar im Anschluß berichtet, ist mehr als unglaubhaft Zum einen bestehen schon erhebliche Zweifel, ob es den Vorfall in der von der Beklagten geschilderten Form gegeben hat. Insoweit ist dem Kläger beizupflichten, der die Schilderung des Vorfalles für dürftig und detailarm hält. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen und dies auch bei ihrer Parteivernehmung beim Familiengericht angegeben, daß sie sich nach einem Streit mit dem Kläger betrunken habe, sich im weiteren Verlauf der Nacht an nichts mehr erinnern könne und morgens in Anwesenheit eines Mannes, offensichtlich des Zeugen, in ihrem Zimmer im aufgewacht sei. Sie gibt weder an, ob dieser Umstand sie am Morgen überrascht hat noch, ob etwa sie und der Zeuge unbekleidet waren und ggf. im selben Bett aufgewacht sind oder es Spuren eines Intimverkehrs gegeben hat. Auch hat sie es offensichtlich nicht für notwendig befunden, mit dem Zeugen hierüber zu sprechen und diesen etwa zu befragen, was in der Nacht, an die sie sich angeblich bis heute nicht erinnern kann, denn passiert ist. Es erscheint zudem zumindest merkwürdig, daß der Zeuge zwischenzeitlich unbestritten ohne weitere Nachforschungen oder Einwände, insbesondere ohne die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens die Vaterschaft von anerkannt hat. Sollte es sich tatsächlich nur um einen einmaligen Geschlechtsverkehr anläßlich des von der Beklagten geschilderten Vorfalles gehandelt haben, hätte es nahegelegen, daß der Zeuge die Vaterschaft mit ihren weitreichenden finanziellen Konsequenzen, erst nach entsprechender Überprüfung anerkennt.

Doch selbst wenn sich der Vorfall im September 1995 wie von der Beklagten geschildert tatsächlich zugetragen haben sollte, bestand für diese erst recht eine Verpflichtung, den Kläger auf die Möglichkeit eines anderweitigen Geschlechtsverkehrs in dieser Nacht mit der Folge einer möglichen Schwangerschaft hinzuweisen. Nachdem der Kläger trotz längeren Zusammenlebens sie ohne das Vorliegen der Schwangerschaft noch nicht geheiratet hatte, war ihr bewußt, daß dieser Umstand für den Kläger eine besondere Bedeutung und ihn zur Eheschließung veranlaßt hat. Daß der Kläger bei zweifelhafter Vaterschaft die Ehe geschlossen hätte, konnte die Beklagte nicht annehmen, dieser Umstand reicht für den Vorsatz der arglistigen Täuschung aus (Palandt, aaO., Rn. 20; MünchKomm/Müller-Gindullis, BGB, 3. Aufl., § 33 EheG, Rn. 8). Die Angabe der Beklagten, sie habe den Kläger über den Vorfall informiert, dieser habe sich dazu nicht weiter geäußert, ist unter diesen Umständen völlig unglaubhaft. Selbst wenn eine entsprechende Mitteilung an den Kläger unmittelbar nach dem Vorfall erfolgt sein sollte, erscheint es sehr unwahrscheinlich und lebensfremd, daß dieser bei Bekanntwerden der Schwangerschaft hier nicht nochmals näher nachgefragt haben soll.

Andererseits ist von einem erheblichen persönlichen Interesse der Beklagten an der Eheschließung auszugehen. Sie hat bei ihrer Parteivernehmung den zunächst bestrittenen Umstand bestätigt, daß ihre Aufenthaltserlaubnis nur bis April 1996 gültig war. Die Behauptung der Beklagten, die Aufenthaltserlaubnis habe auch ohne die Eheschließung verlängert werden können, mag zwar zutreffen, doch war ihr zumindest bewußt, daß ihre Chancen dann wesentlich geringer gewesen wären. Die Eheschließung mit dem tatsächlichen Vater des Kindes, einem Marokkaner, hätte ihre Aufenthaltschancen hingegen nicht verbessert. Nur noch von untergeordneter Bedeutung erscheint daneben der Umstand, daß die Beklagte es noch nicht einmal bei ihrer Zeugenvernehmung im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß für notwendig befunden hat, den Vorfall vom September 1995 zu erwähnen, sondern dies erstmals nach Erhebung des Aufhebungsantrages getan hat. Insgesamt erscheint daher die Aussage der Beklagten unglaubhaft, die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung und einer Eheaufhebung liegen damit vor.

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