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Eigenbedarfskündigung – Hinweispflicht des Vermieters bei Vertragsschluss

Bundesgerichtshof

Az: VIII ZR 180/09

Beschluss vom 13.04.2010


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2010 beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision des Beklagten gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) zugelassen und dies mit der Frage der Absehbarkeit des Eigenbedarfs begründet. Diese Erwägung trägt indessen weder den vom Berufungsgericht genannten Zulassungsgrund noch liegt einer der weiteren im Gesetz genannten Zulassungsgründe vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die Maßstäbe für die Beantwortung der vom Berufungsgericht zum Anlass der Zulassung genommenen Frage sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 79, 292; BVerfG, NJW-RR 1993, 1357 [BVerfG 19.07.1993 – 1 BvR 501/93]) und des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden hat, setzt sich der Vermieter zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt. Für den Mieter ist ein sich abzeichnender Eigenbedarf des Vermieters vor allem für die Entscheidung von Bedeutung, ob er eine Wohnung überhaupt anmieten und damit das Risiko eines Umzugs nach verhältnismäßig kurzer Mietzeit eingehen will (Senatsurteil vom 21. Januar 2009 – VIII ZR 62/08, NJW 2009, 1139, Tz. 19). Dabei hat der Senat die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Vermieter den Mieter bei Abschluss des Mietvertrags auch auf einen nur möglichen Eigenbedarf hinweisen muss, offen gelassen. Sie bedarf auch hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn angesichts der Gesamtumstände des vorliegenden Falles, namentlich der kurzen Zeitspanne von nur knapp drei Monaten zwischen dem Abschluss des Mietvertrages und der Eigenbedarfskündigung sowie der Wohn- und Lebenssituation des Beklagten, ist bereits auf der Grundlage der vorhandenen Senatsrechtsprechung von dem Bestehen einer Hinweispflicht des Beklagten in Bezug auf den Eigenbedarf auszugehen.

Im Übrigen hat der Senat auch bereits entschieden, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Pflicht des Vermieters zur Mitteilung eines etwaigen Wegfalls des Eigenbedarfsgrundes besteht (BGHZ 165, 75, 85).

Ein Zulassungsgrund ist auch nicht hinsichtlich der vom Berufungsgericht behandelten Frage gegeben, ob der Beklagte möglicherweise aufgrund des in der Kündigungserklärung hilfsweise angeführten Sonderkündigungsrechts gemäß § 573a Abs. 2 BGB zur Kündigung berechtigt war. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache über das zu § 573a Abs. 2 BGB ergangene Senatsurteil vom 25. Juni 2008 (VIII ZR 307/07, NJW-RR 2008, 1329) hinausgehende Leitlinien zu entwickeln. Die Frage, unter welchen Umständen Räumlichkeiten als Wohnraum innerhalb der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung im Sinne des Sonderkündigungsrechts nach § 573a Abs. 2 BGB anzusehen sind, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung und kann nur vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Da weder ersichtlich noch dargetan ist, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung zu § 573a Abs. 2 BGB von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder der Rechtsprechung gleich- oder höherrangiger Instanzgerichte abgewichen ist, ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten.

2.

Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt und auch im Ergebnis richtig entschieden. Sowohl die Ausführungen zur Treuwidrigkeit der Kündigung als auch die Beurteilung des Vorliegens eines Sonderkündigungsrechts gemäß § 573a Abs. 2 BGB und die in diesem Zusammenhang erfolgte Bewertung, dass es sich bei der von der Klägerin angemieteten Wohnung nicht um Wohnraum innerhalb der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung handelt, sind frei von Rechtsfehlern. Die vom Beklagten mit der Revision hiergegen vorgebrachten Angriffe verfangen nicht.

a)

Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem tatbestandlichen Teil des Urteils ergibt, die vom Beklagten vorgetragene Kenntnis der Klägerin von der Beziehung des Beklagten berücksichtigt. Die Nichterwähnung in der Urteilsbegründung ist unschädlich. Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, DVBl 2007, 253; BGHZ 154, 288, 300; BGH, Beschluss vom 28. März 2008 – VI ZR 57/07, GesR 2008, 361; jeweils m.w.N.).

b)

Ebenso greift die Rüge nicht durch, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Beklagte zwar vor Ausspruch der Kündigung, aber erst nach Abschluss des Mietvertrages in Erwägung gezogen habe, eine andere Wohnung als Familienwohnung anzumieten. Hierbei übersieht die Revision, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang keine genaue zeitliche Feststellung getroffen, sondern lediglich ausgeführt hat, der Beklagte habe vor dem 1. Mai 2007 in Erwägung gezogen, eine andere Wohnung als Familienwohnung anzumieten. Wenn das Berufungsgericht hieraus den Schluss zieht, es sei unglaubhaft, dass der Beklagte die Möglichkeit eines Zusammenziehens nicht schon bei Mietvertragsschluss erwogen habe, begegnet dies revisionsrechtlich keinen Bedenken.

c)

Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung und fehlendes Interesse der Klägerin an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses verneint. Die dahin gehende Auslegung der abgegebenen Erklärungen der Parteien durch das Berufungsgericht unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung darauf, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. BGHZ 150, 32, 37; BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 68/08, WM 2009, 861, Tz. 12; BGH, Urteil vom 23. Januar 2009 – V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Tz. 8; BGH, Urteil vom 8. Januar 2009 – IX ZR 229/07, NJW 2009, 840, Tz. 9). Solche revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler weist das Berufungsurteil indessen nicht auf.

d)

Unbehelflich ist auch die Rüge, die Klägerin habe durch die Nichtzahlung der Miete ihrerseits Hauptpflichten aus dem Mietvertrag verletzt und könne vom Beklagten deshalb keinen Schadensersatz wegen Verletzung von dessen Vertragspflichten verlangen. Die Revision verkennt hierbei, dass die Ursache der beanstandeten Handlungsweise der Klägerin in der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten treuwidrigen Eigenbedarfskündigung des Beklagten zu sehen ist.

e)

Dem Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens kann, anders als die Revision meint, auch nicht mit Erfolg der Einwand des Mitverschuldens der Klägerin oder des Verstoßes gegen Schadensminderungspflichten wegen Nichterhebung eines Widerspruchs gegen die Kündigung entgegengehalten werden. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Ersatzpflicht des Vermieters für Kündigungsfolgeschäden aus dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens des Mieters nur dann ganz oder teilweise entfallen (§ 254 BGB), wenn das Fehlen eines Kündigungsgrundes auf der Hand liegt oder wenn dem Mieter aus anderen Umständen des konkreten Einzelfalles zumutbar ist, sich gegen die Kündigung zu wehren (BGHZ 89, 296, 307 f.). Diese Voraussetzungen liegen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, hier nicht vor.

f)

Vergeblich macht die Revision schließlich geltend, das Berufungsgericht habe die vom Beklagten vorgelegte Planzeichnung der Räume des Dachgeschosses nicht zur Kenntnis genommen, aus der hervorgehe, dass sich vor der Wohnung der Klägerin ein Hausflur befunden habe, der die vom Beklagten genutzten Räume miteinander verbunden habe und den die Klägerin habe durchqueren müssen, um zu ihrer Wohnung zu gelangen. Die Revision übersieht hierbei, dass das Berufungsgericht entgegen ihrer Annahme die genannte Planzeichnung des Dachgeschosses der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat. Die im Berufungsurteil erwähnte Skizze über die Raumaufteilung im Dachgeschoss ist identisch mit der vom Beklagten angeführten Planzeichnung. Hinzu kommt, dass ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 17. Juni 2009 die vom Beklagten vorgelegten inhaltsgleichen Planzeichnungen erörtert und ebenso wie die Planzeichnungen der Klägerin unstreitig gestellt worden sind. Das Berufungsgericht hat in seine sorgfältig begründete und insgesamt rechtsfehlerfreie Würdigung der räumlichen Verhältnisse auch den in der Revisionsbegründung als Hausflur bezeichneten Bereich des Dachgeschosses ausdrücklich einbezogen, ihn aber nicht der Wohnung des Beklagten zugeordnet, sondern als Teil des von den Parteien gemeinsam genutzten Treppenhauses angesehen. Dies begegnet rechtlich keinen Bedenken. Im Übrigen kommt es für die Frage, ob es sich bei der von der Klägerin gemieteten Wohnung um Wohnraum innerhalb der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung handelt, auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. Dabei handelt es sich um eine tatrichterliche Beurteilung, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungsgesetze beachtet hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2008 – VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218, Tz. 23; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 – III ZR 139/09, […], Tz. 12). Einen solchen Fehler zeigt weder die Revision auf noch ist er sonst ersichtlich. Die Revision will vielmehr ihre tatsächliche Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts setzen. Hiermit kann sie nicht durchdringen.

3.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

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