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Strafgefangener – Auszahlung seines Eigengeldes

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: IXa ZB 287/03

BESCHLUSS vom 16.07.2004

Vorinstanzen: LG Potsdam; AG Brandenburg


Leitsatz:

Der Anspruch eines Strafgefangenen auf Auszahlung seines Eigengeldes ist nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG pfändbar. Soweit das Eigengeld aus Arbeitsentgelt für eine zugewiesene Beschäftigung gebildet worden ist, finden die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO und der Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO keine Anwendung.


Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juli 2004 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 9. September 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Wert: bis zu 5.000 €.

Gründe:

1.

Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner, der zur Zeit eine Freiheitsstrafe verbüßt, die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Neuruppin. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Brandenburg vom 17. Oktober 2001 wurde wegen der Ansprüche aus dem vorgenannten Titel die angebliche Forderung des Schuldners gegen das Land Brandenburg „auf Auszahlung des dem Schuldner als Eigengeld bereits gutgeschriebenen und künftig noch gutzuschreibenden Geldes mit Ausnahme des nach § 51 Abs. 4 StVollzG unpfändbaren Teils in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem nach § 51 Abs. 1 StVollzG zu bildenden und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld“ gepfändet. Auf die Erinnerung des Schuldners, der als arbeitspflichtiger Gefangener Arbeitsentgelt bezog, hob das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Mai 2002 die Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit auf, als der Pfändungsfreibetrag gemäß § 850c ZPO zu beachten sei, wobei die Grenzen unter Berücksichtigung der Naturalleistungen der Vollzugsbehörde nach Maßgabe der fiktiven Haftkosten zu bemessen seien.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hob die 5. Zivilkammer -Einzelrichter- des Landgerichts Potsdam den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts mit Beschluss vom 9. Dezember 2002 auf und wies die Erinnerung des Schuldners zurück. Dieser Beschluss wurde auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners durch Beschluss des Senats vom 9. Mai 2003 – IXa ZB 129/03 unter Zurückverweisung der Sache an das Landgericht aufgehoben.

2.

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam hat den Beschluss des Amtsgerichts auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers unter Zulassung der Rechtsbeschwerde wiederum aufgehoben und die Erinnerung des Schuldners gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. Oktober 2001 mit der Begründung zurückgewiesen, das aus Arbeitsentgelt, das der Schuldner nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes bezogen hat, gebildete Eigengeld sei kein Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO. Eine direkte Anwendung des § 850c ZPO scheide aus, weil sich die Pfändung nicht auf das dem Schuldner nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes zustehende Arbeitsentgelt, sondern auf die Pfändung seines Anspruchs auf Auszahlung des ihm gutgeschriebenen Eigengeldes (§ 52 StVollzG) gemäß § 83 Abs. 2 Satz 3 StVollzG beziehe. Da es sich bei der Justizvollzugsanstalt, die das Geld des Schuldners verwalte, nicht um ein Geldinstitut im Sinne des § 850k ZPO handele, sei auch diese Vorschrift nicht direkt anwendbar. Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften komme schon deshalb nicht in Betracht, weil keine planwidrige Gesetzeslücke vorliege. Jedenfalls fehle es auch an der für eine Analogie notwendigen vergleichbaren Interessenlage. Ein Strafgefangener benötige das aus Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld nicht, um seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten, weil ihm dieser in Form von Unterkunft und Verpflegung verschafft werde. Soweit das Eigengeld dem späteren Leben in Freiheit dienen solle, sei der künftige notwendige Lebensbedarf eines Gefangenen hinreichend durch das nach § 51 StVollzG zu bildende Überbrückungsgeld geschützt.

Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Auffassung, die §§ 850c und 850k ZPO seien unmittelbar, jedenfalls aber entsprechend anwendbar. Die Regelungen der §§ 43, 47, 52 StVollzG trügen besonderen Bedürfnissen des Strafvollzugs Rechnung, führten aber nicht zur Unanwendbarkeit der „allgemeinen“ Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 ff ZPO. Die im Strafvollzugsgesetz normierten Pfändungsbeschränkungen seien keine abschließenden, die Bestimmungen der Zivilprozessordnung ausschließenden, sondern den allgemeinen Pfändungsschutz wegen der besonderen Situation des Gefangenen lediglich ergänzende Regelungen. Die Versagung des Schutzes der allgemeinen Pfändungsvorschriften sei mit dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG unvereinbar, der eine möglichst weitgehende Angleichung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, denen der Strafgefangene unterliegt, an die außerhalb des Vollzugs gegebenen Bedingungen nicht zuletzt im Hinblick auf das Vollzugsziel des § 2 Satz 1 StVollzG gebiete.

Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist richtig.

1.

Das Eigengeld eines Strafgefangenen (§§52, 83 Abs. 2 Satz 2, 3 StVollzG) unterliegt nach Maßgabe der Pfändungsschutzvorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG der Pfändung. Es wird gemäß § 52 StVollzG aus den Bezügen des Gefangenen, soweit sie nicht nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes für andere Zwecke, etwa als Hausgeld (§ 47 StVollzG) oder als Überbrückungsgeld (§ 51 StVollzG) in Anspruch genommen werden, aus dem bei Aufnahme in den Vollzug mitgebrachten Geld (§83 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) und aus dem für den Gefangenen während des Vollzugs von Dritten eingezahlten Geld gebildet (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 9. Aufl. § 83 Rn. 4), und zwar durch Gutschrift auf dem Konto, das von der Anstaltszahlstelle oder einer für die Verwaltung des Gefangenengeldes eingerichteten Ein- und Auszahlungsstelle der zuständigen Kasse für den Gefangenen zu führen ist (vgl. Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 134). Der Gefangene darf gemäß § 83 Abs. 2 Satz 3 StVollzG über sein Eigengeld grundsätzlich frei verfügen, soweit es nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. Er hat in diesem Umfang aus dem durch die Verwaltung des Gefangengeldes begründeten öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis, das kein Verwahrungsverhältnis im eigentlichen Sinne ist (vgl. BGHZ 34, 349, 354; BGHR Verwaltungsrecht/Allgemeines, Grundsätze Verwahrung 4), gegen den Träger der Justizvollzugsanstalt einen Anspruch auf Auszahlung seines Eigengeldguthabens (vgl. BFH, Urt. v. 16. Dezember 2003 -VII R 24/02, DStrRE 2004, 421; AK-StVollzG/Brühl, 4. Aufl. § 83 Rn. 11, 12). Der Anspruch ist als Geldforderung (§ 700 Abs. 1 Satz 2, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB analog; vgl. Stöber aaO Rn. 134) gemäß § 829 ZPO pfändbar, mit Ausnahme des gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG unpfändbaren Teils des Eigengeldes in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem gemäß § 51 Abs. 1 StVollzG zu bildenden und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld. Das Pfändungsverbot des § 851 ZPO steht nicht entgegen, weil der Anspruch – soweit nicht § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG eingreift – übertragbar ist (vgl. BFH aaO S. 422 m.N.).

2.

Soweit das gepfändete Eigengeld – wie hier – durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet worden ist, das der arbeitspflichtige (§ 41 StVollzG) Gefangene gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG für die Ausübung der ihm gemäß § 37 StVollzG zugewiesenen Arbeit erhält (vgl. dazu Arloth/Lückemann StVollzG §43 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz aaO §43 Rn. 1), finden die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO und der Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.

Ob das aus Arbeitsentgelt eines Gefangenen gebildete Eigengeld den Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 ff ZPO unterliegt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. Stöber aaO Rn. 137; Calliess/Müller-Dietz aaO §43 Rn. 10, jeweils m.N. zu der umfangreichen instanzgerichtlichen Rechtsprechung). Soweit die Auffassung vertreten wird, das Eigengeld unterliege insoweit dem Pfändungsschutz des Arbeitseinkommens gemäß § 850c ZPO (vgl. nur OLG Frankfurt a.M. NStZ 1993, 559, 560; Calliess/Müller-Dietz aaO Rn. 10, jeweils m.w.N.), werden überwiegend bei Berechnung des pfändbaren in entsprechender Anwendung des § 850e Nr. 3 ZPO neben dem Arbeitsentgelt auch die Naturalleistungen der Vollzugsbehörde nach Maßgabe der fiktiven Haftkostenbeiträge berücksichtigt (vgl. OLG Frankfurt a.M. aaO; insoweit a.A. Calliess/Müller-Dietz aaO).

Richtigerweise ist das Beschwerdegericht der nunmehr auch vom Bundesfinanzhof (Urt. v. 16. Dezember 2003 aaO) vertretenen, verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfG [Vorprüfungsausschuß] NJW 1982, 1583) Auffassung gefolgt, dass die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung finden (vgl. OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29; Arloth/Lückemann aaO § 52 Rn. 4; Stöber aaO, jeweils m.w.N.), und hat zutreffend auch die (entsprechende) Anwendbarkeit des § 850k ZPO verneint.

a) Die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens selbst (§ 850 Abs. 1 ZPO). Gepfändet ist aber der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung seines Eigengeldes und nicht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Denn dieser nicht auf Barauszahlung, sondern nach Maßgabe des § 52 StVollzG insgesamt auf Gutschrift auf den für den Gefangenen zu führenden Konten gerichtete Anspruch (h.M., vgl. OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 30; Arloth/Lückemann aaO §43 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz aaO §43 Rn. 1) ist mit der Erteilung der Gutschriften erfüllt und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB analog; vgl. OLG Hamm aaO; OLG Schleswig aaO; Fluhr ZfStrVo 1989, 103, 106). Der Pfändungsschutz des § 850c ZPO erstreckt sich jedoch nicht auf das zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ausbezahlte oder auf ein Konto überwiesene Geld. Vielmehr erlischt mit der als Arbeitseinkommen geschuldeten Forderung auch der bis dahin für diese Forderung bestehende Pfändungsschutz (vgl. OLG Hamm NStZ 1988, 479, 480; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 30; Zöller/Stöber ZPO 24. Aufl. § 850k Rn 1).

Ein Schuldner kann für Arbeitseinkommen, das auf sein Konto überwiesen worden ist, lediglich Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO beantragen (vgl. Zöller/Stöber aaO). Auf die Pfändung des Eigengeldguthabens kann § 850k ZPO aber keine Anwendung finden, denn die kontoführende Stelle, die das Gefangenengeld bis zur Entlassung des Gefangenen verwaltet, ist kein Geldinstitut im Sinne dieser Vorschrift (vgl. OLG Schleswig aaO; Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 850k Rn. 2; Kenter Rpfleger 1991, 488, 490).

b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht auch die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 850c und 850k ZPO verneint.

Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (vgl. BGHZ 149, 165, 174 m.w.N.) und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlaß der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 2003 – l ZR 290/00, NJW 2003, 1932, 1933 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach den die Bezüge eines Gefangenen regelnden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes weder für § 850c ZPO noch für § 850k ZPO gegeben.

aa) Einer Erstreckung der Pfändungsschutzvorschrift des § 850c ZPO auf das aus Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld (vgl. OLG Frankfurt a.M. NStZ 1993, 559, 560; Calliess/Müller-Dietz aaO Rn. 10, jeweils m.w.N.) steht schon der Regelungszusammenhang dieser Norm mit § 811 Nr. 8, § 850k ZPO entgegen, die den Schutz des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens nach Erfüllung der Geldforderung regeln. Dementsprechend wurde hier nicht der – ohnehin wegen seiner Zweckbindung (vgl. Stöber aaO Rn. 137) und seiner Richtung auf eine hoheitliche Vollzugsmaßnahme gemäß § 52 StVollzG nicht übertragbare und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbare (vgl. OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31; Arloth/Lückemann aaO § 43 Rn. 10; Stöber aaO) – Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG selbst gepfändet, sondern der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldguthabens. Somit ist allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 850k ZPO in Betracht zu ziehen (vgl. OLG Schleswig aaO). Auch insoweit fehlt es jedoch an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn § 850k ZPO wurde erst durch Gesetz vom 28. Februar 1978 (BGBI. l S. 333), mithin nach der Neuregelung der Gefangenenarbeit und ihres Entgeltes im Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBI. l S. 581) eingefügt und erfaßt gleichwohl nur Kontoguthaben bei Geldinstituten mit dem alleinigen Ziel, eine Lücke im Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen zu schließen (vgl. Zöller/Karch, ZPO 12. Aufl. § 850k Anm. 1).

bb) Einer entsprechenden Anwendung der §§ 850c und 850k ZPO steht zudem entgegen, dass das Schutzbedürfnis eines Schuldners, der in Freiheit lebt und ein Arbeitseinkommen hat, mit dem eines Schuldners, der in Strafhaft gemäß § 43 StVollzG Arbeitsentgelt bezieht, nicht vergleichbar ist (vgl. BFH aaO S. 422; OLG Schleswig aaO S. 30 f; OLG Karlsruhe aaO). Die Vollstreckungsschutzvorschriften dienen aus sozialen Gründen und im öffentlichen Interesse dem Schutz des Schuldners vor einer Kahlpfändung (vgl. BGHZ 137, 193, 197). Da der Einsatz der Arbeitskraft Vorrang hat vor dem Anspruch auf soziale Leistung, wird dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, in den Grenzen der §§ 850c, 850k ZPO ein Teil seines Einkommens pfandfrei belassen (Musielak/Becker aaO § 850 Rn. 1; Zöller/Stöber aaO § 850 Rn. 1). Den Maßstab für die Bemessung der für die Existenz des Schuldners und für den Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit erforderlichen Mittel bilden die Bedürfnisse eines in Freiheit lebenden und arbeitenden Menschen (vgl. BVerfG NJW 1982, 1583).

Bei einem Gefangenen, der gemäß § 43 StVollzG Arbeitsentgelt bezieht, liegen die Verhältnisse anders (vgl. BVerfG aaO; BFH aaO; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31). Sein Lebensunterhalt ist auch ohne Rückgriff auf sein aus Arbeitsentgelt gebildetes Eigengeld gedeckt. Ihm werden Unterkunft, Verpflegung, notwendige Kleidung (vgl. §§ 10, 20 f StVollzG) sowie Gesundheitsfürsorge (§§ 56 ff StVollzG) von der Justizvollzugsanstalt gewährt. Ein Haftkostenbeitrag wird von dem Pflichtarbeit leistenden Gefangenen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVollzG nicht erhoben. Für seine darüber hinausgehenden privaten Bedürfnisse stehen ihm gemäß §47 Abs. 1 StVollzG i.d.F. der Übergangsbestimmung des §199 Nr. 2 StVollzG monatlich drei Siebtel seines Arbeitsentgelts als Hausgeld zur Verfügung. Dieses Hausgeld, das unterhaltsrechtlich bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines unterhaltspflichtigen Gefangenen nicht berücksichtigt wird (BGH, Urt. v. 21. April 1982 – IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812 und Urt. v. 9. Juni 1982 – IVb ZR 704/80, NJW 1982, 2491), kann von der Vollzugsbehörde nur ausnahmsweise nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 StVollzG i.d.F. des §199 Nr. 4 StVollzG in Anspruch genommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1989-5 AR VollzG 26/88, NJW 1989, 992). Die streitige Frage, ob das Hausgeld nur nach Maßgabe des entsprechend anzuwendenden § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO (so Stöber aaO Rn. 140) oder ob es, was wegen seiner Zweckbindung als Beitrag zum notwendigen Unterhalt des Gefangenen nahe liegt (vgl. den Entwurf BT-Drucks. 7/918 S. 69), insgesamt unpfändbar ist (so mit unterschiedlichen Begründungen BFH aaO; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31; OLG Hamm MDR 2001, 235, jeweils m.w.N.), kann hier dahinstehen. Dem Gefangenen steht bei seiner Entlassung schließlich das gemäß § 51 Abs. 1 StVollzG unter anderem aus seinem Arbeitsentgelt gebildete Überbrük-kungsgeld zur Verfügung, das seinen notwendigen Lebensunterhalt und den seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll (vgl. BVerwG NJW 1991, 189) und deshalb – auch nach der Auszahlung – nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 Satz 1, 3 StVollzG unpfändbar ist.

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Bei einer entsprechenden Anwendung der Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO wäre auch dieser Teil des Eigengeldes grundsätzlich unpfändbar, weil selbst das höchste Arbeitsentgelt (§ 43 StVollzG) auch bei Hinzurechnung des nicht erhobenen Haftkostenbeitrages entsprechend § 850e Nr. 3 ZPO deutlich unter der Pfändungsgrenze von mindestens 930 € liegt (vgl. Ar-loth/Lückemann aaO §43 Rn. 10). Eine so weitgehende Beschränkung des Zugriffs der Gläubiger ist aber dem gesetzlichen Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit (vgl. dazu BVerfGE 98, 169, 202) allein noch nicht zu entnehmen. Die Entlohnung dieser Arbeit nach dem Mischkonzept des § 43 Abs. 1 StVollzG (vgl. Calliess NJW 2001, 1692, 1693) durch die Zahlung von Arbeitsentgelt und Freistellung von der Arbeit, die auch als Urlaub aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann, soll dem Gefangenen den Sinn seiner Arbeit vor Augen führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entlohnung monetärer Art ist und dem Gefangenen unter anderem ermöglicht, seine Schulden zu tilgen, seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen zu entsprechen und die Wiedergutmachung des durch die Straftat angerichteten Schadens anzustreben (vgl. BVerfG NJW 2002, 2023, 2025; siehe auch § 46a StGB). Zwar wird dem Gefangenen durch die Pfändung die Möglichkeit genommen, mit dem aus seinem Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeld andere Gläubiger zu befriedigen. Dies zu gewährleisten, ist aber nicht der Zweck der §§ 850c und 850k ZPO. Eine gleichmäßige Schuldenregulierung kann ein Schuldner gegebenenfalls dadurch herbeiführen, dass er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung (§§ 286 ff InsO) beantragt.

Auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Vollzugsziels der Resozialisierung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVollzG), auf die der Gefangene einen grundrechtlichen Anspruch hat (vgl. BVerfGE 98, 169, 200), und des für die Gestaltung des Vollzuges geltenden Angleichungsgrundsatzes (§ 3 Abs. 1 StVollzG) ist ein über § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG hinausgehender Pfändungsschutz des aus Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeldes aus dem geltenden Recht nicht herzuleiten (vgl. BFH aaO; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370, 371). Bisher ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Arbeitsentgelt, das nicht nach den Vorschriften der §§ 47, 50, 51 StVollzG für andere Zwecke in Anspruch genommen wird, „als Eigengeld sowohl der Verfügung des Gefangenen als auch dem Zugriff seiner Gläubiger offensteht“ (BT-Drucks. 7/918 S. 71).

Es muss daher dem Gesetzgeber überlassen bleiben zu entscheiden, ob er die Rechtsstellung des Gefangenen gegenüber Vollstreckungszugriffen von Gläubigern verbessern will, etwa durch vollzugsspezifische Pfändungsschutzvorschriften oder durch eine Erhöhung des pfändungsfreien Hausgeldes.

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