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Einschläferung eines gefährlichen Hundes

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

Az: 5 B 412/11

Beschluss vom 14.06.2011


Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. März 2011 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 1295/11 (VG Düsseldorf) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Februar 2011 wird hinsichtlich der Regelungen in Ziffern 2 und 3 der Ordnungsverfügung wiederhergestellt, hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Februar 2011 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

stillschweigend dahin ausgelegt, dass er sich ausschließlich auf die Ziffern 2 und 3 der Verfügung sowie die Zwangsmittelandrohung bezieht. Hiergegen hat der Antragsteller mit der Beschwerde keine Einwände erhoben.

Den so verstandenen Antrag hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von dem Sofortvollzug bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der in den Ziffern 2 und 3 der Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus.

Die in der Ordnungsverfügung vom 1. Februar 2011 (Ziffer 2) angeordnete Sicherstellung des Hundes ist offensichtlich rechtswidrig. Als Rechtsgrundlage für diese Anordnung kommt allein § 43 Nr. 1 PolG i.V.m. § 24 Nr. 13 OBG in Betracht. Danach können die Ordnungsbehörden eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt um eine Sicherstellung handeln kann, wenn der Hund – wie hier – seinem derzeitigen Besitzer nicht weggenommen werden soll (vgl. § 44 Abs. 1 PolG), liegen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nicht vor. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass von „. “ beim Antragsteller als seinem derzeitigen Halter eine gegenwärtige Gefahr ausgeht. Dass „.“, der mehrere Menschen gebissen hat, ein gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 3 LHundG NRW ist (vgl. die vom Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht angegriffene Feststellung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung), begründet diese Annahme für sich allein nicht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder erkennbar, dass der Antragsteller nicht in der Lage wäre, den Hund in Gefahren vermeidender Weise zu halten. Die Antragsgegnerin begründet die Sicherstellung vielmehr ausschließlich damit, dass nach einer Weitervermittlung des Hundes eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des neuen Hundehalters bestehe. Darauf stellen auch die vorliegenden amtstierärztlichen Gutachten ab (Gutachten Herr N. vom 25. Januar 2011, S. 3; Gutachten Frau Dr. . vom 10. Mai 2011, S. 2). Diese Gefahr ist indes nicht gegenwärtig. Nach Aktenlage sprach schon zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Verfügung nichts dafür, dass der Antragsteller den Hund aktuell oder in nächster Zeit an Dritte weitervermitteln möchte. Die für den Antragsteller handelnden Personen waren sich vielmehr der Gefährlichkeit des Hundes bewusst und zogen bis auf weiteres nur seine Abgabe an eine Therapieeinrichtung in Betracht. Dem entspricht der Vortrag im gerichtlichen Verfahren.

Der Antragsteller hat es im Übrigen im gerichtlichen Verfahren als selbstverständlich bezeichnet, dass er den Hund zu gegebener Zeit nur bei einer positiven amtstierärztlichen Begutachtung vermitteln wird. Unabhängig davon kann die Antragsgegnerin einer möglichen Gefahr aus einer künftigen Vermittlung ohne weiteres durch eine Verpflichtung des Antragstellers begegnen, den Hund vor einer etwaigen Weitervermittlung erneut amtstierärztlich begutachten zu lassen.

Die Absicht des Antragstellers, den Hund in eine Facheinrichtung zur Durchführung einer Therapie zu geben, begründet ebenfalls keine gegenwärtige Gefahr. Die Antragsgegnerin hat zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich geltend gemacht, dass von „C. “ eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit auch von Personen ausgeht, die in der (Um-)Erziehung gefährlicher Hunde geschult sind. Sie hat auf konkrete Nachfrage des Senats lediglich ein ergänzendes amtstierärztliches Gutachten vom 20. Mai 2011 vorgelegt, nach dem diese Frage von dort nicht beurteilt werden könne. Damit ist eine von „. “ ausgehende gegenwärtige Gefahr weiterhin nicht belegt. Selbst wenn eine Gefährdung aber gegeben wäre, wäre bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen gewesen, dass die Mitarbeiter derartiger Institutionen sich dieser Gefahr freiwillig und bewusst aussetzen und sie aufgrund ihrer Ausbildung im Rahmen des Möglichen zu minimieren wissen. Trotz der nachvollziehbaren Zweifel der Amtstierärzte am Erfolg einer Therapie musste zu Gunsten des Antragstellers ferner in die Abwägung eingestellt werden, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten eine Therapierbarkeit von „. “ bislang nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Die Anordnung, den Hund einschläfern zu lassen (Ziffer 3 der Ordnungsverfügung) ist ebenfalls offensichtlich rechtswidrig bzw. darf jedenfalls in Anbetracht der aktuellen Sachlage nicht vollzogen werden. Generell ist zu beachten, dass die Tötung gefährlicher Hunde nur als letztes Mittel in Betracht kommt.

Vgl. näher Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2007, § 16a TierSchG Rn. 20 und a.a.O., Einf. TierSchHundeV Rn. 10.

Für die Entscheidung über den Eilantrag kann dahinstehen, ob die gerichtliche Überprüfung einer Tötungsanordnung anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vorzunehmen ist, oder ob nachträgliche Veränderungen zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen sind. Auch wenn man der erstgenannten Auffassung folgt, darf ein Verwaltungsakt mit derart einschneidender, nicht mehr rückgängig zu machender Wirkung jedenfalls nicht mehr vollzogen werden, wenn sich nachträglich die Sachlage in einer Weise ändert, dass er nicht mehr rechtsfehlerfrei ergehen könnte.

Vgl. zur baurechtlichen Beseitigungsverfügung OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2007 – 7 A 1718/06 -; BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 – 4 C 23.83, 4 C 24.83 -, NJW 1986, 1186 f.; VG München, Urteil vom 30. Juni 2003 – M 8 K 02.1973 – juris Rn. 77, allgemein auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 123 f.

Soweit die Anordnung der Einschläferung auf § 12 Abs. 3 LHundG NRW gestützt wird, folgt ihre Rechtswidrigkeit schon daraus, dass der Hund nicht – wie nach dieser Vorschrift erforderlich – zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für Leben oder Gesundheit rechtmäßig sichergestellt worden ist.

Soweit die Maßnahme auf der Grundlage von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ergangen ist, liegen die Voraussetzungen dafür zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristablauf durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann.

Die Voraussetzungen für eine Tötungsanordnung nach dieser Vorschrift sind jedenfalls mit der Zusage eines Therapieplatzes für „. “ nicht mehr gegeben. Soweit die Antragsgegnerin weiterhin geltend macht, „. “ könne aus Gründen der Gefahrenabwehr nur in einer dauerhaften Zwingerhaltung ohne Sozialkontakte gehalten werden und sei daher erheblichen Leiden ausgesetzt, blendet sie aus, dass sich inzwischen eine Facheinrichtung, die sich einen Therapieversuch zutraut, zu seiner Aufnahme bereit erklärt hat. Dass der Hund während einer solchen Therapie im einer ausschließlichen Zwingerhaltung ohne Sozialkontakte ausgesetzt wäre, liegt fern. Derartiges macht die Antragsgegnerin auch nach dem gerichtlichen Hinweis vom 26. Mai 2011 nicht geltend. Damit ist eine „anderweitige Unterbringung“ des Hundes im Sinne von § 16a Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz TierSchG nunmehr – zumindest vorübergehend – möglich. Dies steht einer Einschläferungsanordnung zum jetzigen Zeitpunkt entgegen.

Hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme überwiegt nach alledem ebenfalls das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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