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Einstweilige Anordnung gegen den (Weiter-) Bau einer Mobilfunkanlage (Hier: Errichtung ohne Baugenehmigung!!)

Verwaltungsgericht Düsseldorf

Az.: 9 L 1021/01

Beschluss vom 28.08.2001


B e s c h l u ß

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren w e g e n Baunachbarrechts (hier: Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes) hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 28. August 2001 b e s c h l o s s e n:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung die Fortführung der Bauarbeiten an der Mobilfunkanlage auf dem Grundstück X, vorläufig zu untersagen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte und im übrigen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- DM festgesetzt.

G r ü n d e

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit dem die Antragsteller sinngemäss begehren, daß die Fortführung der Bauarbeiten an der streitbefangenen Mobilfunkanlage auf dem Nachbargrundstück vorläufig untersagt wird, hat Erfolg. Nach der hier gebotenen summarischen Überprüfung des Streitfalles haben die Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsgrund ist auch nicht entfallen, weil die Arbeiten zur Errichtung der Mobilfunkanlage zwar erheblich fortgeschrittem sind, die Anlage aber nicht fertiggestellt ist. Wie insbesondere die Beigeladene vorträgt, sind die drei Sende- und Empfangsantennen auf dem Antennenträger noch nicht angebracht, des weiteren, muß die Systemtechnik in dem im Spitzboden befindlichen Technikraum noch installiert werden. Damit ist die Anlage nicht betriebsbereit wegen des Fehlens wesentlicher Bauteile.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand dürfte den Antragstellern hier auch ein den Anordnungsanspruch begründendes nachbarliches Abwehrrecht zustehen, denn die noch unfertige Mobilfunkanlage dürfte ungeachtet der weiteren von den Antragstellern geltend gemachten Einwände gegen materielle, auch nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoßen. Die Anlage ist bauplanungsrechtlich relevant, weil es sich hierbei um ein genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben handelt, § 63 Abs. 1 BauO NW. Die beabsichtigte Errichtung und Inbetriebnahme der Mobilfunkanlage führt in Gestalt einer gewerblichen Nutzungserweiterung zu einer Nutzungsänderung des bisher in Übereinstimmung mit den planungsrechtlichen Festsetzungen – reines Wohngebiet – ausschließlich zu Wohnzwecken genehmigten und genutzten Hauses, xx.

Vgl. zu dieser Art einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.1998 – 8 S 1848/98 -, BRS 62 Nr. 164; Hess.VGH, Beschluß vom 29.7.1999 – 4 TG 2118/99 -, BRS 62 Nr. 83 und Beschluß vom 19.12.2000 – 4 TG 3639/00 -, BauR 2001, 944.

Damit stellt die Mobilfunkanlage zugleich ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB dar, weil die hier beabsichtigte Nutzungsänderung von städtebaulicher Relevanz ist. Angesichts der kleiner werdenden Abstrahl- und Empfangsradien der Mobilfunkanlagen – die streitige Anlage soll in Richtung Norden und Süden eine Reichweite von nur 500 m haben -, und der dadurch bedingten Häufigkeit von Mobilfunkanlagen insbesondere in Stadtgebieten erfaßt bzw. berührt eine derartige Anlage, zumal wenn sie mit 8 m über Dach eine nicht unbeträchtliche Höhe aufweist, u.a. mit dem Ortsbild der Gemeinde städtebauliche Belange, die im Hinblick auf § 1 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 BauGB auch eine städtebauliche Betrachtung und Ordnung verlangen,

vgl. hierzu: Hess.VGH, Beschluß vom 29.7.1999 a.a.O.; sowie BVerwG, Urteil vom 3.12.1992 – 4 C 27.91 -, BRS 54 Nr. 126 zur städtebaulichen Relevanz von Werbeanlagen für Fremdwerbung.

Aus dem bloßen Fehlen der hier erforderlichen Baugenehmigung können die Antragsteller noch kein nachbarliches Abwehrrecht herleiten, denn einen solchen Anspruch vermögen nur nachbarschützende Vorschriften des materiellen Baurechts zu begründen, vgl. OVG NW, Beschluß vom 12.11.1992 – 7 B 4432/92 -.

Das nachbarliche Abwehrrecht der Antragsteller folgt hier aus dem Bauplanungsrecht, denn die Errichtung und Nutzung der gewerblichen Mobilfunkanlage verstößt gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. xx – Teilabschnitt x – der Gemeinde xxxxxx vom 21.1.1974, der auch für das Grundstück xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx reines Wohngebiet ausweist. Die Festsetzung des Baugebietes durch den Bebauungsplan hat kraft Bundesrecht grundsätzlich nachbarschützende Funktion und der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht, vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 – 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110 und Beschluß vom 20.8.1998 – 4 B 79.98 -, BRS 60 Nr. 176; OVG NW, Beschluß vom 10.2.1998 – 10 B 2883/97 -.

Mit dem in § 3 BauNVO für ein reines Wohngebiet vorgegebenen Nutzungskatalog ist die gewerblich genutzte Mobilfunkanlage nicht vereinbar, weil sie keine Wohnnutzung darstellt. Sie kann als gewerbliche Nutzung auch nicht ausnahmsweise nach § 3 Abs. 3 BauNVO zugelassen werden, weil sie nicht zu den gewerblichen Vorhaben im vinne des § 3 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO gehört.

Die Mobilfunkanlage ist in dem hier ausgewiesenen reinen Wohngeriet auch nicht nach § 14 BauNVO zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO, wonach fernmeldetechnische Nebenanlagen in einem solchen Baugebiet als Ausnahme zugelassen werden können, ist vorliegend nicht anwendbar. Diese Vorschrift ist erst durch die 4. BauNVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.1990 in die Verordnung eingefügt worden und erfaßt damit nicht ältere Bebauungspläne, vgl. BVerwG, Beschluß vom 1.11.1999 – 4 B 3.99 -, BRS 62 Nr. 82; OVG NW, Beschluß vom 14.3.1994 – 10 B 176/94 -, wie den vorliegenden, der unter der Geltung der BauNVO 1968 aufgestellt worden ist.

Eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Mobilfunkanlage läßt sich auch nicht aus § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO herleiten, weil sie als etwaige Nebenanlage weder dem Nutzungszwec der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke noch dem Nutzungszweck des Baugebietes selbst dient. Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, daß die streitige Anlage lediglich in einem Umkreis von etwa 800 m um ihren Aufstellungsort senden und empfangen kann, abgesehen davon, daß dieses Sende- und Empfangsgebiet im vorliegenden Fall verschiedene Baugebiete erfaßt. Eine solche Betrachtung würde der technischen Eigenart eines Mobilfunknetzes nicht gerecht. Die einzelne Mobilfunkanlage ist nämlich Teil eines übergreifenden, aus vielen Waben bestehenden Mobilfunknetzes und gewährleistet durch die erstrebte Lückenlosigkeit des Mobilfunknetzes eine Inanspruchnahme der angebotenen Telekommunikationsmöglichkeiten unabhängig davon, an welchem Ort innerhalb des Mobilfunknetzes sich der jeweilige Nutzer gerade befindet. Damit stellt sich die einzelne Mobilfunkanlage, auch soweit diese nur kleinere Leistungsradien abdeckt, als notwendiger Bestandteil eines Gesamtsystems dar.

Ob eine Zulässigkeit des hier in Rede stehenden Vorhabens im Wege der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB herbeigeführt werden kann, läßt sich nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden, vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht beantworten, sondern muß einem etwaigen Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben, das ohne einen entsprechenden Bauantrag der Beigeladenen nicht eingeleitet werden kann. Im übrigen stünde die Erteilung einer Befreiung, von ihren übrigen Voraussetzungen abgesehen, grundsätzlich auch im Ermessen des Antragsgegners. Da die Beigeladene einen solchen Bauantrag bislang nicht gestellt hat und derzeit auch nicht absehbar ist, ob der Antragsgegner ihr eine Befreiung für die Mobilfunkanlage gerade an diesem Standort erteilen kann, brauchen die Antragsteller eine Fertigstellung und vorläufige Inbetriebnahme der streitbefangenen Mobilfunkanlage nicht hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

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