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Vermächtnisanordnung und Erbeinsetzung – Abgrenzung

 OLG Naumburg

Az: 10 Wx 3/06

Beschluss vom 27.06.2006


In der Nachlasssache hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 27. Juni 2006 beschlossen:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 30. März 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 31.583,11 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) begehrt die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Erbin der Erblasserin aufweist. Mit Beschluss vom 25. August 2005 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Stendal den Antrag zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 18. November 2005 hat es der Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen diesen Beschluss nicht abgeholfen, und zwar auch im Hinblick auf einen Hilfsantrag, wonach die Beteiligte zu 1) eine Erbenstellung zu 23/100 anstrebt.

Mit Beschluss vom 9. Januar 2006 hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Stendal die Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Sodann hat sich das Amtsgericht veranlasst gesehen, auch den hilfsweise gestellten Antrag der Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 10. Februar 2006 förmlich zurückzuweisen. Gegen diesen Beschluss hat sich die Beteiligte zu 1) wiederum mit der Beschwerde gewandt, die das Landgericht mit Beschluss vom 30. März 2006 zurückgewiesen hat.

Gegen diesen, ihr am 6. April 2006 zugestellten Beschluss, wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde und nimmt zur Begründung auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug.

II.

Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist nach § 27 Abs. 1 S. 1 FGG statthaft und wurde nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 S. 2 FGG wirksam eingelegt.

Die weitere Beschwerde ist indes unbegründet. Sie ist eine Rechtsbeschwerde und dient nicht der Nachprüfung von Tatfragen, sondern führt nur zu einer Überprüfung der Vorentscheidung hinsichtlich der Rechtsanwendung einschließlich des Verfahrens. Ihre Begründetheit setzt deshalb voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält jedoch einer rechtlichen Nachprüfung stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts, da diese ohne Verletzung des Gesetzes erfolgt sind, gebunden (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO; Bassenge/Herbst, § 27 FGG, Rn. 12).

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Erblasserin am 25. August 1997 und am 19. September 2002 wirksame letztwillige Verfügungen verfasst hat.

Ferner hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass diese letztwilligen Verfügungen, insbesondere das als „Zusatz zu meinem handschriftlichen Testament“ überschriebene Schriftstück vom 19. September 2002, nicht Grundlage für eine Erbenstellung der Beteiligten zu 1) sein können. Insofern nimmt der Senat auf die ausführliche und zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug.

Lediglich ergänzend sei noch bemerkt, dass die Wortwahl der Erblasserin keinesfalls zwingend den Schluss auf eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) zulässt. Die Erblasserin hat die Beteiligte zu 1) mit einem Sparguthaben bedacht, das einen namhaften Betrag, nämlich rund 30.000,00 Euro aufweist. Der juristische Laie wird eine derartige Zuwendung eben gerade nicht als Vermächtnis qualifizieren, sondern er wird, beispielsweise auf eine Nachfrage zu dem Nachlass der Erblasserin, antworten, etwas „geerbt“ zu haben. Dafür, dass der Erblasserin bei der Abfassung der letztwilligen Verfügungen die in Rede stehende Differenzierung bekannt war, sind keine Umstände ersichtlich und von der Beteiligten zu 1) dargelegt worden.

Entscheidend ist, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1) nach dem eindeutigen Wortlaut der letztwilligen Verfügung vom 16. September 2002 mit dem Guthaben eines konkret bezeichneten Sparkontos bedenken wollte, so dass unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze gemäß § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbenstellung der Beteiligten zu 1) nicht angenommen werden kann.

Die testamentarische Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist gemäß § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Diese Auslegungsregel greift nur dann nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. So liegt es nahe, eine Person, der der Hauptnachlassgegenstand, insbesondere bei Zuwendung von Immobilien wie dem Hausgrundstück oder der Eigentumswohnung des Erblassers (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1177 ; 1392; NJW-RR 2000, 1174), zugewiesen ist, als Alleinerben anzusehen (BayObLG FamRZ 1999, 59). Denn die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstandes ist als Erbeinsetzung anzusehen, wenn der Nachlass dadurch im Wesentlichen erschöpft wird oder wenn der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 836). In einem solchen Fall ist in der Regel anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt hat, denn es kann nicht unterstellt werden, dass er überhaupt keinen Erben berufen wollte (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 862 /864). Vorliegend sind derartige Anhaltspunkte indes nicht ersichtlich und von der Beteiligten zu 1) aufgeführt worden. Nach dem dokumentierten Willen der Erblasserin sollten Einzelgegenstände, wie z. B. Sparguthaben, konkret bezeichneten Personen zukommen, wohingegen der übrige Nachlass der D. „überwiesen“ werden sollte.

Sonstige Gründe, welche der weiteren Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 13 Abs. 1 S. 2 FGG; die Festsetzung des Werts der weiteren Beschwerde findet ihre Grundlage in §§ 31 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 KostO. Der beschließende Senat hat sich dabei an der Wertfestsetzung in dem angefochtenen Beschluss orientiert.

 

 

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