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Ergonomischer Arbeitsplatz – Anspruch auf höhenverstellbaren Schreibtisch

LSG  Rheinland-Pfalz, Az.: L 6 R 504/14, Urteil vom 02.03.2016

Leitsatz: Ein täglich mehrfach höhenverstellbarer Schreibtisch (sog. Steh-Sitzdynamik) kann ein dem Versicherten von der gesetzlichen Rentenversicherung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 9, 16 SGB VI, 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX) zu verschaffendes Hilfsmittel zur Berufsausübung darstellen.

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18.11.2014 wird zurückgewiesen. Es wird klargestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch für seinen Arbeitsplatz zu verschaffen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Ergonomischer Arbeitsplatz – Anspruch auf höhenverstellbaren SchreibtischDie Beteiligten streiten darüber, wer die Kosten der Ausstattung des Arbeitsplatzes des Klägers mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch zu tragen hat.

Der 1964 geborene Kläger ist 196 cm groß und privat bei der Krankenversicherung krankenversichert. Er hat den Beruf eines Versicherungskaufmanns erlernt und ist seit 1991 bei der Haftpflicht-Unterstützungskasse a.G. (Arbeitgeber) als Kundenbetreuer im Geschäftsstellenkundendienst versicherungspflichtig beschäftigt. Seine Arbeitszeit beträgt täglich 7,36 Stunden und seine Tätigkeit wird ausschließlich im Innendienst in sitzender Haltung mit Publikumsverkehr,  Bildschirmarbeit und Telefonbenutzung ausgeübt. Vom Arbeitgeber ist sein Arbeitsplatz mit einem nicht höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet sowie mit einem Schreibtischstuhl mit verstellbarer Rückenlehne. Der Arbeitgeber hat es abgelehnt, sich an den Kosten für die Anschaffung eines täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisches zu beteiligen. Der Kläger ist nicht schwerbehindert und auch nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Bei ihm bestehen degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule.

Der Kläger beantragte im Februar 2013 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und verwies darauf, dass er an einem Schreibtisch arbeiten müsse, welcher nicht an seine Größe angepasst sei. Außerdem legte er eine Bestellvorlage des Arbeitgebers vor, wonach ein elektromotorisch höhenverstellbarer (von 65 cm bis 123 cm) Schreibtisch mindestens 907,76 Euro, ein Premium-Container mit Einrichtung für Schubladen 347,62 Euro sowie Abbau, Abtransport und Entsorgung des vorhandenen Arbeitstisches 186,00 Euro, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, kosten würde. In einer betriebsärztlichen Stellungnahme der vom 20.06.2012 war ausgeführt, dass sein Arbeitsplatz in keinster Weise seiner Körpergröße von 196 cm angepasst werden könne und bereits Beschwerden wegen der unergonomischen Arbeitshaltung eingetreten seien.

Die Beklagte zog einen Befundbericht bei vom 07.02.2013 bei und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 18.03.2013 ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil er in der Lage sei, seine Beschäftigung als Versicherungskaufmann weiterhin auszuüben. Eine orthopädische Arbeitsplatzausstattung sei nicht erforderlich und eine ergonomische Arbeitsplatzausstattung sei aufgrund der Arbeitsschutzgesetzgebung Aufgabe des Arbeitgebers. Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf eine Stellungnahme der vom 04.04.2013 und auf ein Attest des vom 25.03.2013. Die Beklagte zog eine Stellungnahme ihrer Beratungsärztin bei und wies den Widerspruch am 29.07.2013 zurück.

Der Kläger hat am 29.08.2013 Klage bei dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben, auf seine Wirbelsäulenbeschwerden und Varizen verwiesen und eine betriebsärztliche Stellungnahme der Dr. vom 23.10.2013 vorgelegt. Sein ursprüngliches Begehren auf Ausstattung des Arbeitsplatzes auch mit einem orthopädischen Bürostuhl hat der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr weiterverfolgt.

Das SG hat durch Dr.  ein chirurgisches Gutachten vom 01.04.2014 mit ergänzender Stellungnahme vom 24.04.2014 erstatten lassen. Der Sachverständige hat Zeichen einer beginnenden Kniearthrose links, einen mäßigen Senk-Spreizfuß beidseits, eine vermehrte Lateralabweichung beider Großzehen und degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule diagnostiziert. Er hat die Ausführung leichter körperlicher Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung für ausführbar erachtet, auch längerdauernd sitzend, gehend und stehend, wenn zwischenzeitlich die Möglichkeit zum Aufstehen bzw. Hinsetzen bestehe. Auch zeitweilige mittelschwere körperliche Belastungen seien noch zumutbar. Im Hinblick auf die Beschwerdesymptomatik der Wirbelsäule und die Körpergröße solle der Arbeitsplatz mit einem während des Arbeitstages mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet werden.

Das SG hat durch Urteil vom 18.11.2014 den Bescheid vom 18.03.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 29.07.2013 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für einen höhenverstellbaren Schreibtisch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen. Dem Kläger stehe ein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für einen höhenverstellbaren Schreibtisch zu. Es liege eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor, wie sich aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten des Dr. , ergebe. Dieser könne mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch entgegengewirkt werden. Ein einmal auf die Körpergröße des Klägers ausgerichteter Schreibtisch, dessen Anschaffung zu Lasten des Arbeitgebers gehen würde, reiche nicht aus. Der Schreibtisch müsse im Laufe des Tages mehrfach in seiner Höhe verstellt werden können.

Gegen das ihr am 01.12.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.12.2014 Berufung eingelegt. Sie führt aus, dass ein höhenverstellbarer Schreibtisch, der ergonomischen Gesichtspunkten genüge, ausreichend sei. Für diese Ausstattung sei der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und nach den Regeln des Arbeitsschutzes zuständig. Zur Abwendung der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bedürfe es keiner Gewährung von Teilhabeleistungen, sondern lediglich eine Aufforderung an dessen Arbeitgeber, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Sie legt eine Handreichung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur „Steh-Sitzdynamik“ vor.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat einen Auszug aus dem „Leitfaden für die Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen“ (GUV-I 650 – DGUV Information 215-410 -) sowie eine Stellungnahme der Dr. vom 24.04.2015 beigezogen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – mehr als 750 €) ist unbegründet. Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Verschaffung eines täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisches für seinen Arbeitsplatz zu. Der Bescheid der Beklagten vom 18.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2013 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Das SG hat die Beklagte verurteilt, die Kosten für einen höhenverstellbaren Schreibtisch „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ zu übernehmen. Das Urteil enthält keine Hinweise dazu, was der Zusatz „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ bedeuten sollte. Sollte damit der Erlass eines Grundurteils (§ 130 S. 1 SGG) beabsichtigt gewesen sein, ist die Verurteilung nicht entsprechend dem Gesetzeswortlaut „dem Grunde nach“ erfolgt oder durch den Zusatz „in gesetzlicher Höhe“ präzisiert worden (vgl. dazu auch Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 20.04.1999 – B 1 KR 15/98 R -, juris Rn. 15 f). Der Erlass eines Grundurteils kam vorliegend jedoch nicht in Betracht.

Die Auslegung des Klagebegehrens (§ 123 SGG; vgl. z. B. den Vortrag vor dem SG in der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2014) ergibt, dass der Kläger die Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch durch die Beklagte begehrt. Da er sich den Schreibtisch nicht bereits selbst beschafft hat, geht es ihm nicht um eine Kostenerstattung. Er erhebt damit keine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), sondern macht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) schon wegen des der Beklagten zukommenden Auswahlermessens bei der konkreten Leistungserbringung (§ 13 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI -) seinen Anspruch auf Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch geltend und überlässt zulässigerweise die Spezifizierung der Leistung und die Art der Gewährung (Leihe oder Übereignung bzw. Kostenerstattung; Art der Höhenverstellung) der Entscheidung der Beklagten. Dies ist zulässig und zumindest dann nicht zu beanstanden, wenn – wie hier – kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Beteiligten über die Auswahl streiten werden (vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999 – B 3 KR 16/99 R -, juris Rn. 12). Im Tenor hat der Senat dies klargestellt.

2. Eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) scheidet vorliegend aus. Da die Beklagte als „erstangegangener“ Leistungsträger den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang an einen aus ihrer Sicht zuständigen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat, war sie zwar gehalten, das Begehren nicht nur auf ihre originäre Zuständigkeit hin, sondern auch unter allen sonstigen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und bei Erfüllung der einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen. Eine solche Zuständigkeit außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ist hier aber nicht ersichtlich. Eine Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung des Klägers ist schon deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens, da die Beurteilung dieser Frage ausschließlich dem Rechtsweg vor den Zivilgerichten vorbehalten ist, es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt und sich aus § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hier nichts anderes ergibt (vgl. auch BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 3 P 3/06 R -, juris Rn. 18 ff.). Eine Leistungspflicht der (privaten) Pflegekasse des Klägers entfällt schon deshalb, weil die Pflegekassen nicht zu den Rehabilitationsträgern im Sinne des § 6 SGB IX gehören, an die ein Leistungsantrag hätte weitergeleitet werden können. Auch eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers scheidet aus, da der Kläger nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zu dem Personenkreis gehört, der Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte und dies auch bzgl. Eingliederungsleistungen nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – im Verwaltungsverfahren nicht deutlich gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R -, juris Rn. 50). Aufgrund der Zuständigkeit der Beklagten (Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI durch den Kläger; vgl. dazu unter 3.a)) ist der Bundesagentur für Arbeit (BA) gem. § 22 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Erbringung von allgemeinen und besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 112 Abs. 1 und §§ 113 ff. SGB III) an den Kläger untersagt (vgl. Schmidt-De Caluwe in NK SGB III, 5. Aufl. § 22 Rn. 56). Leistungen der BA an den Arbeitgeber des Klägers nach § 46 Abs. 2 SGB III, der allein anspruchsberechtigt ist (vgl. Kador in NK a.a.O. § 46 Rn. 4), sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Eine Beiladung weiterer Leistungsträger als mögliche Leistungsverpflichtete kam daher nicht in Betracht. Ebenso wenig war der Arbeitgeber des Klägers notwendig im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG beizuladen, da die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung (§ 75 Abs. 2 Alt 1 SGG) nicht gegeben ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird. Notwendig ist die Identität des Streitgegenstandes in Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten und es reicht nicht aus, wenn lediglich die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.2013 – B 13 R 35/12 R -, juris Rn. 17). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Ob dem Kläger ein Individualanspruch gegen die Beklagte zusteht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob ein Anspruch des Klägers gegen seinen Arbeitgeber besteht. Die vorliegende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis greift nicht zugleich unmittelbar in die Rechtssphäre des Dritten – hier des Arbeitgebers – ein. Unmittelbar ist ein solcher Eingriff nämlich dann nicht, wenn der Dritte – wie hier – nur durch die Beurteilung von Vorfragen, die sämtlich nicht an der Rechtskraft teilnehmen, betroffen sein könnte. Eine unechte notwendige Beiladung (§ 75 Abs. 2 Alt 2 i.V.m. Abs. 5 SGG) kommt schon von Vornherein nicht in Betracht, da eine Verurteilung des Arbeitgebers von der gesetzlichen Regelung nicht ermöglicht wird.

3. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ausstattung mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch an seinem Arbeitsplatz als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 9, 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX zu. Er erfüllt die Voraussetzungen für die Leistungen nach den §§ 9 ff. SGB VI (dazu unter a) und die vorrangig zu prüfenden Voraussetzungen einer medizinischen Rehabilitation (dazu unter b) liegen nicht vor. Nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den höhenverstellbaren Schreibtisch im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (dazu unter c) zu verschaffen. Eine vorrangige Leistungspflicht des Arbeitgebers besteht nicht (dazu unter d).

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Nach § 9 Abs. 2 SGB VI können diese Leistungen erbracht werden, wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen dafür erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), da seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit bzw. körperlicher Behinderung jedenfalls erheblich gefährdet ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

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Bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit ist auf die Fähigkeit des Versicherten abzustellen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Die Erwerbsfähigkeit ist gefährdet, wenn aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Gefahr einer Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht. Jedwede krankheits- oder behinderungsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit genügt allerdings nicht, um einen Anspruch auf eine Teilhabeleistung zu begründen. Die Gefährdung muss vielmehr erheblich sein und damit entweder einen solchen Schweregrad haben, dass mit dem Eintritt einer Minderung der Erwerbsfähigkeit zu rechnen ist oder progredienter Art sein, sodass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und hierdurch bedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit droht. Diese Gefahr darf sich nicht erst in unbestimmter Zukunft realisieren, sondern muss in absehbarer Zeit bevorstehen. Ferner darf die Erkrankung nicht nur vorübergehend sein, sondern es muss aufgrund des Krankheitsbildes eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von gewisser Dauer drohen, die insbesondere nicht durch ambulante ärztliche oder Krankenhausbehandlung abwendbar (vgl. auch § 13 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB VI) sein darf (vgl. Günniker in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VI, K § 10 Rn. 8 f).

Der Kläger hat den Beruf eines Versicherungskaufmanns erlernt (Bezeichnung mittlerweile: Kauffrau/Kaufmann für Versicherungen und Finanzen der Fachrichtung Versicherung). Da er im Innendienst tätig ist, bestehen seine Aufgaben in der Verwaltung der bestehenden Verträge, der Bearbeitung von Vertragsabschlüssen und -änderungen, der Prüfung der Voraussetzungen sowie deren Bewertung, der Bearbeitung von Leistungsfällen sowie in den Erledigungen der laufenden allgemeinen kaufmännischen Arbeiten im Bereich Rechnungswesen, Controlling und Marketing. Zum Teil besteht auch im Innendienst telefonischer und persönlicher Kundenkontakt. Es handelt sich um körperlich leichte Arbeiten, die überwiegend im Sitzen, mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel ausgeübt werden (Berufsgruppenkatalog der Deutschen Rentenversicherung Gruppe VI – Verkauf und Kundenberatung, in RH-SGB VI § 240,  vgl. http://rvliteratur.drv-bund.de). Der Kläger übt seine Tätigkeit in sitzender Haltung mit Publikumsverkehr,  Bildschirmarbeit und Telefonbenutzung aus. Bei ihm liegt eine Krankheit (hier regelwidriger Körperzustand) bzw. eine Behinderung (hier Abweichung der körperlichen Funktion von dem für das Lebensalter typischen Zustand für länger als 6 Monate) von Seiten der Wirbelsäule vor. Dies hat der behandelnde Orthopäde Dr. B      in seinem Attest vom 25.03.2013 dargelegt, die Ärztin Dr. im Befundbericht vom 07.02.2013 beschrieben und dies wurde auch von dem Sachverständigen Dr. im Gutachten vom 01.04.2014 aufgezeigt. Der Kläger berichtete von Seiten der Hals- und oberen Brustwirbelsäule über zeitweise auftretende Schmerzen mit Ausstrahlung in das linke Schulterblatt und von Seiten der Lendenwirbelsäule über seit ca. 2 Jahren auftretende Schmerzen, die sich insbesondere beim Sitzen verstärkten. Bei der klinischen Untersuchung war endgradig ein positives Nervendehnungszeichen beidseits nachweisbar und der Kläger berichtete über Druckschmerzen über dem gesamten Verlauf der Wirbelsäule, betont über der LWS. Die Beweglichkeit aller drei Wirbelsäulenabschnitte war noch gut und röntgenologisch zeigten sich degenerative Veränderungen der LWS. Diese sich als Krankheit bzw. Behinderung darstellende Situation gefährdet die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf Dauer erheblich. Der Sachverständige Dr. hat zwar dargelegt, dass der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausführen kann und dies auch längerdauernd sitzend, gehend und stehend vermag, wenn zwischenzeitlich die Möglichkeit zum Aufstehen bzw. Hinsetzen besteht. Damit kann der Kläger seinen Beruf des Versicherungskaufmanns derzeit weiterhin ausüben, allerdings kommt es bei dem vorhandenen Schreibtisch wegen seiner Körpergröße zu einer vermehrten Lordosierung der Halswirbelsäule sowie zu einer vermehrten Kyphosierung der Brustwirbelsäule, die zu einer Verstärkung der wirbelsäulenbedingten Beschwerden führt. Durch ärztliche Behandlungen lässt sich diese Krankheit/Behinderung nicht beheben. Dies hat der Sachverständige zur Überzeugung des Senats aufgezeigt. Die schmerzbedingten Beeinträchtigungen des Klägers von Seiten der Wirbelsäule treten bei den typischen Verrichtungen seines ausgeübten Berufes auf und führen zu einer erheblichen Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit, indem sie die Beschwerdesymptomatik verstärken. Eine wie derzeit sitzende Tätigkeit ohne die Möglichkeit, die Arbeit zeitweise auch in stehender Position zu verrichten, führt zu ständigen Schmerzen und damit zu einem Zustand, in welchem mit einer schmerzbedingten Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und in der Folge mit einer jedenfalls drohenden Minderung seiner Erwerbsfähigkeit zu rechnen ist. Obwohl nach den Ausführungen des Sachverständigen die Beschwerdesymptomatik und damit die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit auch wegen der Körpergröße des Klägers besteht, ist diese nach der Ursachentheorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R -, juris Rn. 12) mindestens rechtlich wesentlich gleichwertig durch die Krankheit/Behinderung bedingt. Dies ergibt sich ebenfalls aus den Darlegungen des Sachverständigen.

Bei dem Kläger kann auch voraussichtlich eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit durch die hier streitgegenständliche Leistung abgewendet werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI). Das Vorliegen dieser Prognose haben der behandelnde Arzt Dr.  im Attest vom 25.03.2013 sowie der Sachverständige Dr. zur Überzeugung des Senats in zutreffender Weise bejaht. Der mehrfach täglich stufenlos höhenverstellbare Schreibtisch vermag zu einem Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen und Stehen während der Ausführung der Arbeit beizutragen und es können dadurch zunehmende Schäden an der Wirbelsäule verhindert und schmerzbedingte Ausfallzeiten vermieden werden. Das wiederholte Aufstehen und Umhergehen und der dadurch bewirkte Wechsel der Körperhaltung reicht nicht aus, um die Beschwerden zu bessern oder zu beseitigen. Der Kläger erfüllt auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI und ein Ausschlussgrund nach § 12 SGB VI ist nicht gegeben.

b) Aufgrund des grundsätzlichen Vorrangs von Leistungen der medizinischen Rehabilitation gegenüber Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei gleicher Leistungsgewährung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Oppermann in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB IX, K 31 Rn. 20a; vgl. auch BSG, Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R -, juris Rn. 17) sind zunächst die Leistungsvoraussetzungen für die Erbringung von medizinischen Rehabilitationsleistungen nach § 15 SGB VI i.V.m. §§ 26 ff SGB IX, insbesondere § 26 Abs. 2 Nr. 6 und § 31 SGB IX, zu prüfen. In § 31 Abs. 1 SGB IX wird für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Hilfsmittelbegriff einheitlich definiert (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 14/14 R -, juris Rn. 11). Hiernach umfassen Hilfsmittel die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um 1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen, 2. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder 3. eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Der Begriff des Hilfsmittels umfasst also nur „bewegliche“ Sachen und schließt fest eingebaute Inventarbestandteile einer Wohnung aus. Es kommt aber nicht darauf an, ob die Mittel unmittelbar am Körper der kranken oder behinderten Person wirken und dadurch den ärztlichen Behandlungserfolg sichern oder eine Behinderung ausgleichen oder ob dies mittelbar dadurch erfolgt, dass eine Hilfsperson in die Lage versetzt wird, die beabsichtigten Ziele zu erreichen. Entscheidend ist, ob das Mittel im Einzelfall der kranken oder behinderten Person dadurch zugutekommt, dass die Auswirkungen ihrer Krankheit oder Behinderung behoben oder gemildert werden (vgl. BSG, Urteil vom 03.08.2006 – B 3 KR 25/05 R -, juris Rn. 12; Urteil vom 18.06.2014 – B 3 KR 8/13 R -, juris Rn. 11). Bei dem vom Kläger begehrten Schreibtisch geht es um einen mittelbaren Behinderungsausgleich nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX und auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation durch die Träger der Rentenversicherung stellt auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit – wie im vorliegenden Fall – ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens nach dieser Vorschrift dar (vgl. Günniker in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VI, K § 15 Rn. 54). Der mittelbare Behinderungsausgleich folgt beim Kläger dadurch, dass ihm ein täglich mehrfach höhenverstellbarer Schreibtisch zur Verfügung gestellt wird, der die „Behinderung“ im Sinne des § 31 SGB IX und des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, also die dauerhaft regelwidrige Körperfunktion bzw. das Funktionsdefizit im Sinne des herkömmlichen rein medizinischen Behinderungsbegriffs von Seiten der Wirbelsäule des Klägers (BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 14/14 R – juris Rn. 19) ausgleicht. Der Schreibtisch kann nicht nur an die Körpergröße des Klägers angepasst werden, sondern ermöglicht darüber hinaus das Arbeiten im dynamischen Wechsel zwischen Stehen und Sitzen am Bildschirmarbeitsplatz (sog. Steh-Sitz-Dynamik, vgl. Handreichung der BAuA http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Steh-Sitzdynamik.html) und dadurch können die bestehenden Wirbelsäulenschmerzen verringert oder vermieden und eine weitere Verschlechterung verhindert werden. Auch werden die Haltungsstörungen (Lordosierung der Halswirbelsäule und die Kyphosierung der Brustwirbelsäule) und damit eine Verstärkung der Beschwerdesymptomatik durch die dann mögliche Veränderung der Arbeitshaltung verhindert.

Allerdings scheidet die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation an den Kläger nach diesen Vorschriften aus, da ein täglich mehrfach höhenverstellbarer Schreibtisch ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens darstellt und damit von der Versorgung ausgenommen ist. Hierzu zählen solche Gegenstände, die allgemein auch von Gesunden im täglichen Leben verwendet werden. Maßgeblich hierfür ist die jeweilige Zweckbestimmung, ausgehend von Funktion und Gestaltung des Gegenstands, wie er konkret beansprucht wird und beschaffen ist. Nach diesen Vorgaben ist ein Gegenstand trotz geringer Verbreitung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand einzustufen, wenn er von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist; keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind dagegen für die speziellen Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen entwickelte und so benutzte Gegenstände, selbst wenn sie millionenfach verbreitet sind (vgl. Günniker a.a.O. Rn. 56). Ein mehrfach täglich höhenverstellbarer Schreibtisch ist ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Er wird vom Arbeitgeber des Klägers in einer allgemeinen Bestellliste, die für alle Mitarbeiter gilt, geführt und in der von der Beklagten vorgelegten Preisliste eines Möbelherstellers ist ein solcher Schreibtisch ebenfalls im allgemeinen Angebot verzeichnet. Solche Schreibtische werden nicht nur von Kranken bzw. Behinderten verwendet, sondern auch von gesunden Menschen, die ihn zur Entlastung der Wirbelsäule und zur Vermeidung von Haltungsstörungen im Falle ständiger Schreibtischarbeit sowie zur Ermöglichung einer wechselnden Körperhaltung während der Arbeit nutzen (vgl. zum Präventionspotential alternativer Sitzgelegenheiten, u.a. auch zum Steh-Sitzkonzept: Veröffentlichungen der BAuA http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Steh-Sitzdynamik.html und http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Alternative-Bueroarbeitsplatzkonzepte.html). Für die speziellen Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen ist ein solcher höhenverstellbarer Schreibtisch nicht entwickelt worden.

c) Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben folgt aus § 16 SGB VI i.V.m. den §§ 33 ff. SGB IX, hier aus § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX. Nach dieser Vorschrift stellen Leistungen nach Abs. 3 Nr. 6 SGB IX (sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten) auch Kosten für Hilfsmittel dar, die wegen Art oder Schwere der Behinderung u. a. zur Berufsausübung erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden – dies scheidet hier aus (vgl. oben b) – können. Ein täglich mehrfach höhenverstellbarer Schreibtisch stellt ein solches Hilfsmittel zur Berufsausübung nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX und keine technische Arbeitshilfe nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX dar.

Technische Arbeitshilfen sind Vorrichtungen und Geräte, die den Arbeitsplatz eines behinderten Menschen behindertengerecht ausstatten, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Ziel ihres Einsatzes ist es, bei bestimmten Behinderungen die Arbeitstätigkeit überhaupt erst zu ermöglichen, die Arbeitsausführung zu erleichtern, d.h. Arbeitsbelastungen zu verringern und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Technische Arbeitshilfen kommen als singuläre Maßnahme der behindertengerechten Arbeitsplatzgestaltung vor (z.B. als orthopädischer Bürostuhl; vgl. auch Sozialgericht <SG> Dresden, Urteil vom 28.02.2011 – S 24 KN 625/09 -, juris). Sie sind aber meist Bestandteil einer umfassenden ergonomischen und behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes und seines Umfelds. Zu den technischen Hilfen zählen maschinelle Einrichtungen am Arbeitsplatz wie beispielsweise Großschriftdarstellung für Sehbehinderte, Schreibtelefone für Gehörlose, bauliche Veränderungen wie Rampen für Rollstuhlfahrer, Verbreiterung von Türen und Durchgängen, behinderungsgerechte Ausstattung von Sozial- und Sanitärräumen sowie Einrichtungen, die den Weg zum Arbeitsplatz bewältigen helfen, wie Personenaufzüge (vgl. Götze in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB IX, K § 33 Rn. 40). Angesichts des Vorrangs von individuellen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber Ansprüchen gegen den Arbeitgeber auf Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1981 – 1 RA 11/80 -, juris Rn 27) ist der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX eng (vgl. Simon in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Auflage 2015, § 102 SGB IX Rn. 38). Der täglich mehrfach höhenverstellbare Schreibtisch stellt im Falle des Klägers kein technisches Arbeitsmittel sondern ein Hilfsmittel zur Berufsausübung dar. Es dient bei ihm nicht dazu, seine Arbeitstätigkeit überhaupt erst zu ermöglichen, seine Arbeitsausführung zu erleichtern bzw. die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Vielmehr soll das Hilfsmittel dem Kläger zum mittelbaren Ausgleich seiner Behinderung im Hinblick auf seine bestimmte Berufsausübung – hier als Versicherungskaufmann – dienen und ist nur aufgrund seines konkreten Arbeitsplatzes (enger berufsspezifischer Zusammenhang) notwendig, indem es die Folgeerscheinungen der Behinderung ausgleicht (vgl. Götze a.a.O. § 31 Rn. 39; Luik in Schlegel/Voelzke a.a.O., § 33 SGB IX Rn. 230; a.A. wohl Stähler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auf. 2013, § 16 SGB VI Rn. 13 ohne Begründung; SG Dresden, Beschluss vom 17.12.2009 – S 24 KN 1653/09 ER -, juris Rn. 19). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Leistungen an Arbeitgeber nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IX (Arbeitshilfen im Betrieb), nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nrn. 4 und 5 SGB IX (behindertengerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten; Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Arbeitshilfen) nach § 46 Abs. 2 SGB III (behindertengerechte Ausgestaltung von Arbeitsplätzen) sowie nach § 102 Abs. 3 S. 1 Nr. 2a SGB IX (behindertengerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen) nicht Gegenstand des Verfahrens sind und dem Kläger als nicht schwerbehinderter Mensch kein Anspruch gegenüber dem Integrationsamt nach § 102 Abs. 3 S. 1 Nr. 1a SGB IX (technische Arbeitshilfen) zusteht.

d) Eine vorrangige Verpflichtung des Arbeitgebers (§ 34 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX) auf Ausstattung des Arbeitsplatzes des Klägers mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch besteht nicht. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass es nicht die Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherungsträger ist, eine mangelnde ergonomische Grundausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber auszugleichen (vgl. SG Dresden, Urteil vom 29.03.2010 – S 24 R 157/08 -, juris; SG Frankfurt (Oder), Urteil vom 12.06.2013 – S 29 R 303/12 -, juris) und dass sich aus den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (u.a. Arbeitsschutzgesetz, Bildschirmarbeitsverordnung, Arbeitsstättenverordnung- ArbstättV-) sowie aus der Unfallverhütungsvorschrift (DGUV Information 215 – 410 von September 2015 [bisher GUV-I 650]) Handlungsanleitungen für die sicherheitstechnischen und ergonomischen Anforderungen für die Gestaltung der Arbeit an Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen ergeben. Dies gilt  auch für den Arbeitsplatz des Klägers.

Nach § 3a Abs. 1 ArbstättV hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Abs. 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der in Satz 2 genannten Regeln und Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in der Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber die Regeln und Erkenntnisse nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen. Arbeitsstättenregeln (ASR) zur Ausstattung von Büroarbeitsplätzen sind vom Ausschuss für Arbeitsstätten (§ 7 ArbstättV) bisher nicht erlassen worden (vgl. zu den ASR: http://www.dguv.de/de/Pr%C3%A4vention/Themen-A-Z/Arbeitsst%C3%A4tten-Arbeitsplatz/Erarbeitung-von-Arbeitsst%C3%A4ttenregeln-(ASR)/index.jsp). Heranzuziehen sind nach Auffassung des Senats damit die von der BAuA veröffentlichten Handreichungen und die DGUV Information 215 – 410, die in Zusammenarbeit mit der BAuA erstellt worden ist.

Arbeitsmittel entsprechen den ergonomischen Gestaltungskriterien, wenn sie den physischen und psychischen Gegebenheiten des Menschen so angepasst sind, dass einseitige, zu hohe Belastungen vermieden werden. Stellteile sowie Verstelleinrichtungen müssen ergonomisch gestaltet und angeordnet sein. Verstellungen müssen leicht und bei häufiger Betätigung schnell vorgenommen werden können. Sie dürfen sich während der Benutzung des Arbeitsmittels nicht unbeabsichtigt verändern können (DGUV Information 215 – 410 Ziffer 7.1). Nach Ziffer 7.3 der DGUV Information 215 – 410 müssen die Arbeitsmittel so gestaltet sein, dass einem möglichst großen Kreis von Benutzern mit unterschiedlichen Körpermaßen die Erledigung verschiedener Arbeitsaufgaben in ergonomischen Körperhaltungen ermöglicht wird. Eine ergonomisch günstige Arbeitshaltung wird erreicht, wenn am Steharbeitsplatz die Arbeitshöhe und am Sitzarbeitsplatz zusätzlich die Sitzhöhe (einmalig) den Körpermaßen des Benutzers angepasst ist. Für den Kläger mit einer Körpergröße von 196 cm kommt hiernach allerdings eine genormte Beschaffung hinsichtlich seiner Arbeitsmittel nicht in Betracht, da die Arbeitsmittel in Deutschland für Benutzer mit einer Körpergröße von 151 bis 191 cm geeignet sein sollen. Benutzer mit Körperhöhen außerhalb dieses Bereichs benötigen individuelle Lösungen für ihre Arbeitsmittel. Auch für solche individuellen Arbeitsmittel hat aber grundsätzlich der Arbeitgeber zu sorgen. Hieraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber des Klägers verpflichtet gewesen ist, dem Kläger bereits zu Beginn der Tätigkeit im Jahr 1991 einen individuell an seine Körpergröße angepassten Schreibtisch zur Verfügung zu stellen.

Unter Berücksichtigung der Verstellmöglichkeiten des Arbeitstisches/ der -fläche sollte nach Ziffer 7.3.1 der DGUV Information 215 – 410 die Arbeitshöhe an die unterschiedlichen Körpermaße des Menschen und an die Arbeitsaufgabe sowohl im Sitzen als auch im Stehen angepasst werden können. Es können unterschiedliche Tischsysteme mit höhenverstellbarer Arbeitsfläche – einen solchen Schreibtisch begehrt der Kläger -, mit höheneinstellbarer Arbeitsfläche und mit fester Arbeitsflächenhöhe eingesetzt werden. Höhenverstellbare Arbeitsflächen, die sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen nutzen lassen, wirken sich günstig auf den Bewegungsapparat des Menschen aus, wenn durch die Bereitschaft zur Nutzung der Höhenverstellung die Steh-Sitz-Dynamik gefördert wird. Die Höhenverstellung von Arbeitsflächen kann zum Beispiel mittels Seilzug, Kurbeltrieb, Gasfeder, elektromotorischer Antriebe oder deren Kombination erfolgen. Der Verstellmechanismus muss sich auch unter Belastung leichtgängig und sicher betätigen lassen. Hiernach konnte der Arbeitgeber dem Kläger einen solchen täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch zur Verfügung stellen, war allerdings auch dazu nicht zwingend verpflichtet, wenn er eine (sonstige) individuelle Lösung mit fester oder höheneinstellbarer Arbeitsflächenhöhe wählte, die den genannten Vorgaben entsprach. Zwar stellt die Förderung der Steh-Sitzdynamik, d.h. der dynamische Wechsel zwischen Stehen und Sitzen, also die Unterbrechung der sitzenden Tätigkeit durch Arbeitsabschnitte, die im Stehen erledigt werden, ein sinnvolles alternatives Büroarbeitskonzept dar (vgl. BAuA: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Steh-Sitzdynamik.html und http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Alternative-Bueroarbeitsplatzkonzepte.html). Allerdings ergibt sich aus diesen Veröffentlichungen  zur Überzeugung des Senats keine allgemeine Verpflichtung von Arbeitgebern zur Ausstattung von Arbeitsplätzen mit höhenverstellbaren Schreibtischen, die ein wechselseitiges Arbeiten im Sitzen und im Stehen ermöglichen (vgl. auch zu den ergonomischen Anforderungen an den Arbeitstisch bei Büroarbeit: BAuA http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Ergonomische-Anforderungen.html Ziffer 2.).  Ein vorrangiger Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht daher nicht.

Jedenfalls nunmehr ist ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten als Rehabilitationsträger auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegeben, da wegen seiner Krankheit/Behinderung die Versorgung mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch zur Ausübung seiner konkreten Tätigkeit an seinem konkreten Arbeitsplatz notwendig ist. Ein höheneinstellbarer Schreibtisch oder ein Schreibtisch mit fester Arbeitshöhe ist nicht mehr ausreichend. Die Betriebsärztin Dr. hat in ihren Stellungnahmen ausgeführt, dass der Schreibtisch des Klägers seiner Körpergröße nicht entspricht und aufgrund der Beschwerden höhenverstellbar sein muss, indem er ein Arbeiten wechselnd im Sitzen und Stehen ermöglicht. Dies hat Dr. in seinem Attest vom 25.03.2013 ebenfalls dargelegt und der Sachverständige Dr. in seinem Gutachten vom 01.04.2014 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.04.2014 bekräftigt. Auch sind andere Steh-Sitzkonzepte (vgl. BAuA:  http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Steh-Sitzdynamik.html), wie ein Sitzarbeitstisch mit integriertem Stehpult, ein Sitzarbeitstisch und ein freistehendes Stehpult sowie ein Sitz- und Steharbeitstisch als getrennte Lösungen sowie sonstige alternative Sitzgelegenheiten (Hochsitzer, verschiedene Formen von Pendelstühlen, Sitzball, Kniestuhl; vgl. BAuA: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Bueroarbeit/Alternative-Bueroarbeitsplatzkonzepte.html Ziffer 3.) nicht ausreichend. Der Kläger benötigt nämlich einen Arbeitsplatz, auf welchem Computer, Akten, Telefon und Schreibunterlagen Platz finden. Dies ist bei den genannten anderen Ausstattungsmöglichkeiten des Arbeitsplatzes nicht gewährleistet. Ob diese anderen Steh-Sitzkonzepte bereits deshalb nicht in Betracht kommen, weil sie gegenüber dem herkömmlichen Sitzarbeitstisch mit Bürostuhl keine günstigen Effekte auf die muskuloskeletale Belastungs-Beanspruchungssituation aufweisen (vgl. dazu BAuA a.a.O.), kann damit offen bleiben. Zwar verkennt der Senat nicht, dass es zu diesem Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten möglicherweise nicht gekommen wäre, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Kläger seiner Verpflichtung auf Zurverfügungstellung eines ergonomischen Arbeitsplatzes, d.h. u.a. Ausstattung mit einem an die Körpergröße des Klägers angepassten Schreibtisch, seit 1991 nachgekommen wäre. Es ist aber unerheblich, ob aufgrund dieses Unterlassens bei dem Kläger die Wirbelsäulenbeschwerden entstanden sind, die vorliegend die Leistungspflicht der Beklagten ausgelöst haben. Da die Ursache der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in seiner Behinderung/Erkrankung liegt, ist es jedenfalls nunmehr die Aufgabe der Beklagten als Träger der Rentenversicherung, ihm Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für seinen konkreten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Eine allgemeine Rechtsfrage war nicht zu entscheiden, sondern es sind die tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls maßgebend gewesen.

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