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Fahrzeugkaufvertrag – Rücktritt und Beweislast für Mängel

Landgericht Hannover

Az: 11 O 80/06

Urteil vom 27.02.2008


In dem Rechtsstreit hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 14.1.08 für R e c h t erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen PKW BMW 730 d. Der Kläger bestellte das Fahrzeug Anfang 2005 bei der Beklagten zum Preis von 80.109,99 Euro. Später schloss er über das Fahrzeug einen Leasingvertrag. Nach Ziffer XIII Nr. der dem Leasingvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeberin trat diese Gewährleistungsansprüche an den Kläger mit der Maßgabe ab, dass beim Rücktritt vom Kaufvertrag Zahlungen direkt an sie zu leisten seien.

Am 23.12.05, am 31.12.05 und am 2.1.06 stellte der Kläger das Fahrzeug in der Werkstatt der Beklagten mit der Angabe vor, es hätten sich die Fenster der Beifahrertür und der Fondstür rechts je einmal selbsttätig geöffnet. Die Beklagte teilte dem Kläger am 13.1.06 mit, sie habe das Fahrzeug überprüft und habe eine Fehlfunktion nicht feststellen können.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.1.06 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Im gleichen Zeitraum tauschte die Beklagte vorsorglich alle 4 Türmodule und die zentrale Steuer- und Regeleinheit (CAS) aus.

Das Fahrzeug befand sich vom 2.1.06 bis 2.4.06 in der Werkstatt des Klägers. Seitdem der Kläger das Fahrzeug wieder in Besitz hat, sind damit ca. 34.000 km zurückgelegt worden, sodass sich die Gesamtlaufleistung auf ca. 44.000 km beläuft.

Der Kläger behauptet, in der Nacht ca. des 7.12.05 habe sich das Fenster der Beifahrertür des PKW selbsttätig geöffnet, in der Nacht vom 30.12. auf den 31.12.05 das Fenster der Fondtür rechts. An diesem Tag habe er die Standheizung des Fahrzeugs programmiert gehabt. Der Mangel sei trotz des Austauschs der Aggregate durch die Beklagte weiterhin vorhanden. Am 27.10.2007 habe sich erneut die Fondstür rechts geöffnet.

Auch andere BMW-Fahrer hätten über das selbsttätige Öffnen einzelner oder aller Fenster oder des Schiebedachs berichtet. Auch aus einem Zeitungsartikel (Bl. 143 d. A.) ergäben sich Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion der Elektronik der Fahrzeugreihe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die …GmbH, vertr. d.d. Geschäftsführer 80.109,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.2.2006 Zug um Zug gegen Übergabe des BMW 730d, amtl. Kennzeichen H.-LE 740, Fahrgestellnummer: DR 62950, zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet ;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Vergütungsansprüchen der Rechtsanwälte N…. anlässlich des Rücktritts vom Kaufvertrag vom 20.01.2006 zur Höhe von 986,06 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (22.3.06) freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet das Vorhandensein des behaupteten Mangels. Ein solcher Mangel sei auch in der Hauptniederlassung unbekannt. In der Zeit, in der das Fahrzeug zur Überprüfung in ihrer Werkstatt gewesen sei, sei der Mangel nicht aufgetreten.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, Anhörung des Sachverständigen und Vernehmung der Eheleute S… als Zeugen zu dem Beweisthema der Verfügung vom 7.12.07 (Bl. 161 d. A.). Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen P… vom 16.3.07 (Bl. 105 d. A.), die Stellungnahme des Sachverständigen vom 17.8.07 (Bl. 137 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.1.08 (Bl. 178 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Kläger bzw. die Zedentin haben keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über den streitgegenständlichen PKW. Der Kläger vermag nicht den ihm gem. § 434 BGB obliegenden Nachweis zu führen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs mit dem behaupteten Sachmangel, dem selbsttätigen Öffnen der Fensterscheiben der Beifahrer- und der Fondtür rechts, behaftet war.

Im Hinblick auf die behaupteten Vorfälle vom 7. und 30.12.2005 stehen dem Kläger keine oder keine geeigneten Beweismittel zur Verfügung: der Zeuge H… und die Ehefrau des Klägers können lediglich bezeugen, dass der Kläger die Fensterscheiben geöffnet vorfand. Darüber, ob der PKW ordnungsgemäß verschlossen abgestellt oder der Kläger versehentlich die Fensterscheiben geöffnet hatte, können sie keine Aussage machen.

Hinsichtlich des Vorfalls vom 27.10.07 haben die Zeugen S… glaubhaft bekundet, auf den erstaunten Ausruf ihrer im Fond sitzenden Tochter beobachtet zu haben, dass sich die Fondscheibe rechts vollständig absenkte. Nach den weiteren Aussagen der Zeugen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte, dass eine versehentliche Bedienung des Fensterhebers nicht vorgelegen hat: das Gericht konnte sich bei der Augenscheinseinnahme eines baugleichen PKW davon überzeugen, dass ein deutlicher Druck auf den Bedienschalter des Fensterhebers erforderlich ist, um die Scheibe ganz abzusenken. Nach der Aussage des Zeugen S…. hat dieser zudem in geeigneter Weise überprüft, ob seine Tochter den Schalter versehentlich mit ihrer Handtasche berührt und ausgelöst hat. Die von ihren Eltern dargestellten Reaktion der K… lässt darauf schließen, dass sie den Fensterheber nicht betätigt hat. Da K…. nicht als Zeugin vom Kläger benannt war und daher nicht zu vernehmen war, bleiben allerdings Zweifel, ob nicht doch von ihr das Absenken des Fensters ausgelöst worden ist.

Die Aussage der Zeugin S…. und das Ergebnis der Augenscheinseinnahme sprechen dafür, dass die Zeugin als Fahrerin nicht versehentlich beim Aussteigen den an ihrer Tür für die hinteren Türfenster vorhandenen Bedienschalter betätigt hat: nach ihrer Aussage saß die Zeugin nämlich noch, als ihre Tochter mit einem Ausruf auf das Absenken der Fensterscheibe aufmerksam machte. Zudem befindet sich der deutlich als solcher erkennbare Öffnungshebel in einer solchen Entfernung von den Bedienelementen des Fahrerfensters, dass eine versehentliche Fehlbedienung eher fernliegt. Die Zeugin konnte allerdings nicht ausschließen, ob sie versehentlich das Absenken der hinteren Scheibe veranlasst hat.

Sofern der von den Zeugen bekundete Umstand, dass sie zunächst das Fondfenster nicht wieder schließen konnten, auf die Aktivierung der Kindersicherung zurückgeführt werden könnte, müsste die Zeugin S…. allerdings 2 Hebel versehentlich betätigt haben – den der Kindersicherung und den Bedienschalter des hinteren Fensters – was wenig wahrscheinlich ist. Bei der Augenscheinseinnahme konnte festgestellt werden, dass bei Aktivierung der Kindersicherung ein gut erkennbare grüne Leuchtdiode aufleuchtet. Es ist anzunehmen, dass die Zeugin diese spätestens beim Wiedereinsteigen in den PKW bemerkt hätte, als diese sich bewusst wurde, dass sie auch vom Fahrersitz aus die hinteren Scheiben bedienen kann. Gegen die Aktivierung der Kindersicherung spricht auch, dass die Zeugin sich recht sicher war, dass das linke Fondsfenster an dem am Fenster befindlichen Schalter abgesenkt werden konnte.

Es bleibt die Möglichkeit, dass die Zeugin S…… oder K….. versehentlich die Scheibe abgesenkt haben.

Letztlich kann dies dahinstehen. .

Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich am 27.10.07 die hintere rechte Scheibe selbständig abgesenkt hat, lässt sich daraus allein nicht der Schluss ziehen, dies beruhe auf einem Konstruktionsmangel, der bereits bei Übergabe des Fahrzeugs im Jahre 2005 vorgelegen habe.

Auch durch Sachverständigengutachten war eine solche Feststellung nicht zu machen. Der Sachverständige P….. konnte das äußere Erscheinungsbild des Mangels – das selbständige Absenken der Scheiben – schon nicht verifizieren. Ein Vorwurf ist dem Sachverständigen daraus nicht zu machen, dass er das Fahrzeug nicht länger beobachtet hat. Der Mangel ist schon nach der Behauptung des Klägers erst nach einem Zeitraum von ca. 22 Monaten und einer Laufzeit von weiteren 34.000 km wieder aufgetreten. Es war völlig unklar, wie lange der Sachverständige den PKW hätte beobachten müssen. Kalte Temperaturen abzuwarten und die Programmierung der Standheizung vorzunehmen, war auch nicht sinnvoll. Mögen diese Umstände nach Behauptung des Klägers bei den Vorfällen des Jahres 2005 vorgelegen haben, so wird dies für den 27.10.07 nicht behauptet.

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Nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen ist es weder ihm noch anderen Sachverständigen möglich, das Vorhandensein bzw. die Ursache eines nicht zu beobachtenden Mangels der bezeichneten Art, der zudem im Fehlerspeicher unstreitig nicht verzeichnet wird, mit Sicherheit zu bestätigen. Auch die von dem Kläger als möglich vorgetragenen Ursachen kommen nicht in Betracht: die physische Veränderung oder das „Vergessen“ des eingestellten Endanschlags des Fensterhebers durch die Elektronik scheiden als Ursache aus, weil der Endanschlag für den Einklemmschutz, nicht aber für das Öffnen des Fensters verantwortlich ist. Bei dauerhafter Veränderung des Endanschlages dürfte auch nicht erklärlich sein, weshalb das Fenster – jedenfalls nach einiger Zeit – wieder geschlossen werden konnte.

Eine Lageveränderung der Dachholme durch Fahrzeugverwindung käme angesichts der Stabilität der Fahrzeugkarosse nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständige nur in Betracht, wenn das Fahrzeug einen Unfall gehabt hätte, was vom Kläger nicht behauptet wird.

Eine Störung der Elektronik bzw. der Verkabelung, etwa durch Spannungsspitzen oder eingedrungene Feuchtigkeit, konnte der Sachverständige nicht ausschließen. Mag damit auch ein etwa selbständiges Öffnen der Scheibe am 27.10.07 zu erklären sein, so folgt daraus nicht, dass das Fahrzeug im Übergabezeitpunkt über einen Mangel verfügte. Selbst wenn es zu einer solchen Fehlfunktion gekommen sein soll, lässt sich nach einem Zeitraum von ca. 34 Monaten und einer Fahrstrecke von ca. 44.000 km nicht feststellen, dass bei Übergabe ein Mangel vorgelegen habe.

Durchgreifende Bedenken gegen die Sachkunde des Sachverständigen bestehen nicht, auch wenn er die genauen Ausstattungsmerkmale des streitgegenständlichen PKW zunächst nicht erinnerte.

Dahingestellt bleiben kann, ob andere BMW-Fahrer Probleme mit selbständig sich öffnenden Fenstern oder Schiebedächern haben. Zunächst ist schon nicht ersichtlich, welcher Zusammenhang zwischen dem hier streitgegenständlichen Mangel und dem Öffnen von Schiebedächern bestehen soll. Im Übrigen kommt es nicht auf Mängel anderer Fahrzeuge, sondern auf die Feststellung eines bei Übergabe vorhandenen Mangels dieses Fahrzeuges an. Aus dem Umstand, dass sich bei dem möglicherweise baugleichen Fahrzeug des Zeugen H…. nach 2 Jahren erstmals die Seitenscheiben selbsttätig öffneten, lässt sich auch nicht der Schluss auf einen Serienfehler ziehen. Aus dem vorgelegten Zeitungsartikel ergibt sich, dass die Beklagte Probleme mit dem Absenken sämtlicher Scheiben, die bei den ersten Modellen der Serie auftraten, behoben hat.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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