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Bundesland haftet für Mord durch Freigänger!

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az.: 7 U 148/99

Urteil vom 26.09.2001

Vorinstanz: Landgericht Karlsruhe – Az.: 2 O 91/99


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):

Das Land Baden-Württemberg muss im Rahmen der Staatshaftung der Tochter einer von einem Häftling auf Freigang ermordeten Frau Schadensersatz zahlen.


Sachverhalt:

Der Täter hatte im Gefängnis Briefkontakte gehabt, die auf sein Interesse an gewalttätigem, brutalen Sexualverkehr hinwiesen. Außerdem hatte der Gefangene Gespräche mit einer Psychologin abgelehnt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht sah in der Genehmigung des Freigangs durch die Bruchsaler Beamten eine Verletzung ihrer Amtspflicht. Vollzugslockerungen dürfen nur dann gewährt werden, wenn weitere Straftaten des Gefangenen nicht zu befürchten seien. Vor einer solchen Maßnahme hätte der Häftling psychologisch untersucht werden müssen; ein unbeaufsichtiger Ausgang hätte nicht vor Beginn einer begleitenden Sozialtherapie gewährt werden dürfen.

Die achtjährige Tochter des Opfers kann vom Land Unterhalt verlangen, soweit sie ihren Bedarf nicht aus Rentenzahlungen und Vermögenserträgen decken kann. Die Beamten sind bei der Gewährung des Freigangs im Rahmen ihrer Amtsausübung tätig geworden. Ihr Handeln kann somit dem Bereich der hoheitlichen Verwaltung zugerechnet werden. Das Land Baden-Württemberg haftet daher gemäß Art. 34 GG anstelle der Beamten.


Hinweis:

Die Pflicht, gefährlichen Straftätern nicht ohne Aufsicht Ausgang zu gewähren, dient nicht nur generell dem Schutz der Allgemeinheit, sondern gerade auch dem Schutz eines einzelnen Dritten. Bei Straftaten infolge einer Amtspflichtverletzung können die Opfer daher Ansprüche gegen den Staat geltend machen.


In Sachen wegen Amtshaftung hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2001 für R e c h t erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30. Juli 1999 – 2 O 91/99 – im Kostenausspruch aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin den Unterhaltsschaden zu ersetzen, der ihr aus der Straftat des R. E. J. ab 15.08.2001 noch entstehen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 19/20, das beklagte Land 1/20.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung gleiche Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische, unbefristete schriftliche Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

TATBESTAND

Die am 26.09.1993 geborene Klägerin nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz in Anspruch.

Der durch Urteil des Amtsgericht Schwäbisch-Gmünd vom 05.09.1983 wegen einer exhibitionistischen Handlung und durch Urteil des Amtsgerichts Ravensburg vom 25.04.1986 wegen zweier tatmehrheitlich begangener Vergehen der Beleidigung und eines weiteren in Tatmehrheit hierzu begangenen Vergehens der Nötigung (wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 3, 4 der Klagschrift = 15, 7) Bezug genommen) vorbestrafte R. E. J. wurde durch Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 08.02.1989 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub und räuberischer Erpressung, Vergewaltigung, Körperverletzung und Entführung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Wegen des Tathergangs zum Nachteil der Prostituierten J. Z. wird auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. (Az.: 5/22 Ks – 74 Js 17174/86) Bezug genommen (GefangenenPersonalakten Bd. 4). Nachdem J. seine Strafe zunächst ohne Vollzugslockerungen in den Justizvollzugsanstalten Frankfurt, Stuttgart-Stammheim und Freiburg – eine im Zeitraum September 1990 bis Februar 1991 probeweise durchgeführte Sozialtherapie im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg hatte er nach Ablauf der Probezeit abgebrochen – verbüßt hatte, wurde er Anfang Oktober 1993 auf eigenes Betreiben in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlegt, die dem Wohnort seiner künftigen Lebensgefährtin näher gelegen war. Von hier aus nahm er Kontakt mit einem „K. Fetisch-Kartell“ und einer darin integrierten „Sado-masochistischen Aktions- und Gesprächsgruppe“ auf und schrieb an eine Brieffreundin Briefe, in denen es u.a. auch um gewalttätigen Sex ging. Mitte Januar 1994 beantragte er, seine Restfreiheitsstrafe mit der Weisung der Durchführung einer Therapie zur Bewährung auszusetzen. Durch Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 06.06.1994 (1 StVK 81/94) wurde die Aussetzung u.a. mit der Begründung abgelehnt, wegen der ihm in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt/M. attestierten Persönlichkeitsproblematik sei das Risiko einer bedingten Entlassung ohne stufenweise Vollzugslockerungen zu hoch. Angesichts der Länge der Strafzeit sei es unumgänglich, daß die Vollzugsanstalt den Verurteilten vor einer evtl. bedingten Entlassung wie in den meisten Fällen üblich stufenweise durch Vollzugslockerungen vorerprobe. Hierdurch wäre es sicherlich auch möglich, daß der Verurteilte bereits im offenen Vollzug im Raum Bruchsal mit ambulanten Therapiemaßnahmen beginne, was neben einer Beschäftigung im Freigang geschehen könne. So ließe sich wohl am zuverlässigsten beurteilen, ob die Persönlichkeitsproblematik des Verurteilten lediglich zur Tatzeit im weitesten Sinne vorgelegen habe und zwischenzeitlich durch viele Jahre Strafvollzug evtl. behoben sei. Die von J. hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.08.1994 (1 Ws 189/94) verworfen.

Am 03.08.1994 wurde J. in die offene Abteilung der Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlegt (vgl. Protokoll über die Lockerungskonferenz vom 04.08.1999 – Personalakten Bd. 4) mit der Gewährung von Vollzugslockerungen ohne Aufsicht (Tagesausgang und Kulturausgang). Vom 15.08.1994 bis 08.09.1994 arbeitete er als Freigänger bei der Firma H. GmbH in K. (Schweißer im Fahrzeugbau).

Nachdem J. am 02.09.1994 nach Arbeitsschluß bei der H. GmbH in die JVA Bruchsal zurückgekehrt war, trat er gegen 16.20 Uhr einen ihm zum Schwimmen und anschließenden Kinobesuch bis 23.00 Uhr gewährten Kulturausgang an. Etwa um 20.35 Uhr traf er die ihm unbekannte Mutter der Klägerin auf dem Parkplatz vor dem Hallenbad Bruchsal an und zwang sie, mit ihm in ihrem Pkw wegzufahren. In der Folgezeit setzte er seinen vorher schon gefaßten Entschluß, mit der Frau sexuell zu verkehren, in die Tat um und zwang sie zum Analverkehr. Im weiteren Verlauf erdrosselte er sein Opfer, das er zuvor mit Streifen ihres von ihm zerrissenen Handtuchs gefesselt hatte, mit einem weiteren Streifen des Handtuchs.

Wegen dieser Tat wurde J. u.a. nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. J. vom 14.12.1995, auf das Bezug genommen wird, durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18.03.1996 (II Ks 6/95; 1 AK 22/95, Bd. V BI. 459; Gutachten Bd. IV BI. 105) wegen Mordes in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Mutter der Klägerin hatte im September 1994 Erziehungsurlaub. Mit ihrer Arbeitgeberin (A. ) war vereinbart, daß sie vom 01.10.1994 bis 30.09.1996 wöchentlich 19 Stunden arbeiten werde, wofür sie vom 01.10. bis 31.12.1994 ein Bruttogehalt von 9.519,36 DM, vom 01.01. bis 31.12.1995 ein Bruttogehalt von 31.630,70 DM und vom 01.01. bis 30.09.1996 ein Bruttogehalt von 22.394,37 DM bezogen hätte. Die Mutter der Klägerin lebte mit deren Vater – dessen Nachnamen die Klägerin zwischenzeitlich führt – in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Die Klägerin hat von ihrer Mutter Wertpapiere und Bankguthaben geerbt. Der Wert belief sich per 03.05.1995 auf 168.243,38 DM und nach einer von der Klägerin vorgelegten Aufstellung per 31.12.1998 auf 143.818,29 DM bei Zinserträgen hieraus 1998 in Höhe 13.653,41 DM (unter Berücksichtigung einer einmaligen Zinsauszahlung von 9.436,80 DM aus fällig gewordenen Bundesschatzbriefen). Die Beerdigungskosten beliefen sich auf 5.301,75 DM (s. I 39, Pos. 1 – 5). Von der A. und der B. Ersatzkasse wurden an die Klägerin Sterbegelder von insgesamt 15.098,79 DM gezahlt. Ferner sind der Klägerin Kosten für den Erbschein (350,00 DM) und für den Aufbruch des Schließfaches ihrer Mutter (772,78 DM) entstanden. Weiter hatte sie Bankgebühren von 40,00 DM zu entrichten und vom Jugendamt 1995 für eine Tagesmutter verauslagte Kosten von 2.484,92 DM aus ihren Zinserträgen zurückzuzahlen („Zinserträge an die wirtschaftliche Jugendhilfe“).

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Justizvollzugsanstalt Bruchsal mit den dem inhaftierten J. gewährten Vollzugslockerungen gegen ihre Amtspflichten verstoßen habe und hat vorgetragen:

J. hätte nicht ohne vorangegangene Sozialtherapiegespräche, zu denen er aber nicht motiviert gewesen sei, und nicht ohne Überwachung in den offenen Vollzug verlegt werden dürfen. Dies gelte insbesondere wegen seiner vor allem in dem brutalen Vorgehen gegen J. Z. zum Ausdruck gekommenen, der JVA Bruchsal aber auch wegen seiner aus der Vollzugsanstalt heraus aufgenommenen Kontakte zu einer sadomasochistischen Aktions- und Gesprächsgruppe und seine Neigung zu brutalem Sex bzw. Sadismus zeigenden Briefwechsels mit einer Brieffreundin bekannt gewesenen Sexual- und Gewaltproblematik. Diese Problematik ergebe sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 15.12.1986, das nicht beachtet worden sei.

Vor Gewährung von Vollzugslockerungen hätte J. jedenfalls noch einmal begutachtet werden müssen.

Unter Berücksichtigung der ihr zukommenden monatlichen Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz, die 192,00 DM betrage, und der monatlichen Waisenrente, die ca. 350,00 DM ausmache, belaufe sich ihr Unterhaltsschaden für die Zeit von Oktober 1994 bis Februar 1999 auf insgesamt 29.285,10 DM und für die Zeit ab 01.03.1999 auf monatlich 860,22 DM.

Außerdem seien ihr Beerdigungskosten in Höhe von insgesamt 8.949,45 DM zu ersetzen (darunter die Kosten für den Erbschein, den Aufbruch des Schließfaches, „Zinserträge an die wirtschaftliche Jugendhilfe“ und die Kosten der …Bank).

Die Klägerin hat beantragt:

1. der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Geldrente von 860,22 DM beginnend am 01.03.1999, jeweils vierteljährlich im voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate Oktober 1994 bis einschließlich März 1999 eine rückständige Geldrente in Höhe von DM 29.285,10 DM zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren über die Anträge Ziff. 1 und 2 hinausgehenden Unterhaltsschaden aufgrund der Straftat vom 02.09.1994 zu ersetzen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 8.949,45 DM zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen: Die Vollzugsbeamten hätten ihre Amtspflicht nicht verletzt. J. sei der der Vorbereitung auf ein künftig in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führendes Leben dienende „Offene Vollzug“ mit Therapiegesprächen nach sehr gründlichen Überlegungen gewährt worden. Ein neues fachpsychologisches Gutachten sei – auch nach den Vorgaben des Justizministeriums Baden-Württemberg – nicht erforderlich gewesen. Anhaltspunkte für einen so raschen Rückfall seien nicht erkennbar gewesen zumal angesichts seiner partnerschaftlichen Verbindung zu einer Frau und der für ihn gefundenen Arbeitsstelle. J. sei zu Therapiegesprächen mit dem Arzt bereit gewesen, wobei es keine Rolle spiele, daß diese begleitende Maßnahme erst nach Aufnahme der Arbeit habe erfolgen können. Einem schuldhaften Fehlverhalten der Vollzugsbeamten stünden auch die Ausführungen in den Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe vom 06.06.1994 und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.08.1994 entgegen, die sich ausdrücklich für Vollstreckungslockerungen ausgesprochen hätten. Im übrigen fehle es an der für eine Ersatzpflicht nach § 839 BGB erforderlichen Drittbezogenheit der behaupteten Amtspflichtverletzung.

Außerdem werde (näher dargetan) ein Unterhaltsschaden bestritten. Die Behauptungen der Klägerin zu den Beerdigungskosten, zu denen die Kosten für den Erbscheins, den Aufbruch des Schließfaches, die Pos. „Zinserträge an wirtschaftliche Jugendhilfe“ und die Gebühren der …Bank ohnehin nicht gehörten, seien unzutreffend. Auch habe die Klägerin die geleisteten Sterbegelder von insgesamt 15.098,79 DM nicht berücksichtigt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei ihre Mutter zumal als in der Nähe der Justizvollzugsanstalt lebende Einwohnerin von B. und Besucherin des Schwimmbades, zu dessen Besuch J. der Kulturausgang gewährt wurde, sehr wohl „Dritte“ i.S.d. § 839 Abs. 1 BGB gewesen. Die Regelungen in §§ 10 und 11 StVollzG, daß ein Gefangener u.a. nur dann in den offenen Vollzug verlegt werden solle und Lockerungen nur gewährt werden dürfen, wenn nicht zu befürchten sei, daß der Gefangene den offenen Vollzug oder dessen Lockerungen zu Straftaten mißbrauchen werde, dienten auch dem Schutz vor Verletzung von Rechtsgütern, insbesondere auch dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit anderer, so daß die verletzte Amtspflicht auch im Interesse ihrer Mutter bestanden habe.

Ihren Unterhaltsschaden für die Zeit vom 01.10. 1994 bis 30.09.1996 berechne sie wie folgt:

eigenes monatliches Nettoeinkommen der Mutter 2.200,00 DM, monatliches Nettoeinkommen des Vaters 1.500.00 DM = 3.700,00 DM abzgl. fixe Kosten (näher dargetan) 1.293,00 DM = 2.407,00 DM hiervon wären von ihr 30 % als Unterhalt zu beanspruchen gewesen 722,00 DM hinzu käme der ihr zustehende Anteil von einem Drittel der fixen Kosten 431,00 DM insgesamt 1.153,00 DM

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./. Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz 192,00 DM

./. Waisenrente 350,00 DM

Unterhaltsschaden 611,00 DM

Mit der A. sei vereinbart gewesen, daß ihre Mutter ab Oktober 1996 wieder eine Vollzeittätigkeit ausüben werde, die ein monatliches Nettoeinkommen von 2.900,00 DM erbracht hätte. Zzgl. der Einkünfte ihres Vaters von 1.500,00 DM hätte sich das monatliche Familieneinkommen auf 4.400,00 DM belaufen, bei einem ihr weiterhin zustehenden Fixkostenanteil von 431,00 DM, sodass sich der Unterhaltsschaden ab Oktober 1996 wie folgt berechne:

Familieneinkommen 4.400,00 DM ./. fixe Kosten 1.293,00 DM 3.107,00 DM, hiervon hätten ihr wiederum 30 % zugestanden 932,10 DM zzgl. 1/3 der fixen Kosten 431,00 DM 1.363,00 DM ./. der beiden Renten 542,00 DM: monatlicher Unterhaltsschaden 821,00 DM

Ab dem 12. Lebensjahr stehe ihr ein Anteil von 35 % am Familieneinkommen (abzgl. der fixen Kosten) zu, so daß sich ihr monatlicher Unterhaltsschaden auf 976,00 DM belaufe.

Zinserträgnisse aus dem von ihrer Mutter geerbten Vermögen, die sich im Jahr 2000 nur auf 2.231,47 DM belaufen hätten, seien nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen, weil ihre Mutter die Zinserträgnisse zur Vermögensbildung verwendet habe.

Die Position „Zinserträge an die wirtschaftliche Jugendhilfe“ sei ebenso zu ersetzen wie die Positionen „Erbschein“, „Aufbruch Schließfach“ und „Kosten …Bank“.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts wie folgt abzuändern:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Geldrente in Höhe von 860,22 DM beginnend am 01.03.1999, jeweils vierteljährlich im voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres, bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Klägerin zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die rückständige Geldrente für die Monate Oktober 1994 bis einschließlich Februar 1999 in Höhe von 29.285,10 DM zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren, über die Anträge Ziff. 1 und 2 hinausgehenden Unterhaltsschaden aufgrund der Straftat vom 02.09.1994 zu ersetzen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 8.949,45 DM zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Es verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug: Im Hinblick auf die bereits erfolgte 2/3 Strafverbüßung und die daraus resultierende Dringlichkeit, J. auf das künftige Leben in Freiheit vorzubereiten, sowie die Ausführungen in den Beschlüssen des Landgerichts Karlsruhe vom 06.06.1994 und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.08.1994 habe für die verantwortlichen Beamten ein besonderer Zwang bestanden, die Lockerungen vorzunehmen und zu wagen.

Der bis Februar 1999 geltend gemachte Unterhaltsrückstand sei nicht nachvollziehbar dargestellt. Bestritten werde, dass die Klägerin ab Oktober 1986 eine Vollzeitbeschäftigung hätte antreten wollen und können. Dasselbe gelte für die behaupteten Lebensumstände und Einkünfte des Vaters und dessen Beitrag zum Aufwand für die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die eigenen Einkünfte der Klägerin seien ungeklärt, insbesondere die Höhe der Zinserträge aus dem geerbten Vermögen, die schadensmindernd zu berücksichtigen seien wie auch das Kindergeld. Die Opferentschädigung betrage derzeit (März 2001) 196,00 DM monatlich. Bei den fixen Kosten erscheine der Betrag von 150,00 DM monatlich für Anschaffungen und Reparaturen als überhöht. Im übrigen entspreche die Berechnung des Unterhaltsschadens nicht der Rechtsprechung des BGH.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst ihrer Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe II Ks 6/95 und die Gefangenenpersonalakten R. J. waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur im Umfang des obigen Ausspruchs Erfolg.

Die Klägerin hat gegen das beklagte Land Anspruch auf Ersatz des ihr durch den Tod ihrer Mutter am 02.09.1994 entstandenen künftigen Unterhaltsschadens. Der Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land ergibt sich aus Art. 34 GG i.V.m. §§ 839, 844 Abs.2 BGB.

1. Mit der dem Strafgefangenen J. gemäß der Lockerungskonferenz vom 04.08.1994 eingeräumten Vollzugslockerung mit unbeaufsichtigtem Tages- und Kulturausgang haben die Bediensteten des beklagten Landes gegen die in § 11 Abs. 2 StVollzG normierte Amtspflicht verstoßen, einem Gefangenen Vollzugslockerung nur zu gewähren, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene die Lockerung des Vollzugs zu Straftaten mißbrauchen werde.

Der Senat tritt der im Urteil des Landgerichts zum Ausdruck gekommenen Auffassung bei, daß es nicht zu verantworten war, dem Gefangenen J. ohne vorausgegangene eingehende psychologische/psychiatrische Untersuchung und vor Beginn der vorgesehenen begleitenden Sozialtherapie unbeaufsichtigten Ausgang zu gewähren. Diese Entscheidung hat sich nicht mehr in dem Beurteilungsspielraum gehalten, der der Anstalt für die durch die Lockerungskonferenz vorbereitete (vgl. § 159 StVollzG) Entscheidung über Lockerungsmaßnahmen eingeräumt ist.

Die Personalakten des Gefangenen J. lassen nicht erkennen, daß die vom beklagten Land ohne ausreichende Darlegung behaupteten gründlichen Überlegungen vor der Anordnung des offenen Vollzugs auch tatsächlich angestellt wurden. Vielmehr ergibt sich aus den Personalakten, daß ausreichende Abwägungen der Gründe, die für oder gegen eine Vollzugslockerung sprechen, nicht getroffen wurden. So ist dem Bericht des Sozialdienstes vom 28.06.1994 (Personalakten Band 4) zu entnehmen, daß J. mit der zuständigen Psychologin nichts zu tun haben wollte, die sich deshalb noch am 04.07.1994 (vgl. ihren handschriftlichen Vermerk am Ende des Berichts vom 28.04.1994) zu Vorschlägen für die weitere Vollzugsplanung außerstande sah. Ein Gespräch zwischen J. und der Psychologin in der Zwischenzeit bis zur Lockerungskonferenz vom 04.08.1994 ist den Personalakten nicht zu entnehmen und wird auch von den Beklagten nicht behauptet, so daß der Senat davon überzeugt ist, daß ein solches Gespräch vor dem 04.08.1994 nicht mehr stattgefunden hat. Dies bedeutet, daß der wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit einem schweren Sexualdelikt einsitzende Gefangene J. vor der Verlegung in den offenen Vollzug nicht psychologisch untersucht wurde. Darüber hinaus waren aber, wie sich ebenfalls aus dem Bericht des Sozialdienstes vom 28.06.1994 ergibt, auch die nach dem Vollzugsplan vom 04.11.1993 für ein Jahr mindestens 1 x wöchentlich vorgesehenen Gespräche mit einem Mitarbeiter von der PSB schon im Juni 1994 nicht mehr geführt worden, so daß es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den offenen Vollzug auch an dieser Erkenntnisquelle für die Entwicklung des Strafgefangenen J. gefehlt hat. Hinzu kommt aber vor allem, daß nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin der Justizvollzugsanstalt Bruchsal die von dort aus aufgenommenen Kontakte J.s zu einer sado-masochistischen Aktions- und Gesprächsgruppe sowie die von dort aus geschriebenen Briefe an eine Brieffreundin bekannt waren, die seine Wünsche nach bzw. Phantasien über gewalttätigen brutalen Sexualverkehr zum Inhalt hatten (auf die einzelnen, in der Klagschrift vom 16.03.1999 wiedergegebenen Briefzitate wird Bezug genommen, 131). Bei dieser Sachlage hätte für die Entscheidung über die Verlegung J.s in den offenen Vollzug nicht allein auf dessen unauffälliges Verhalten im Lebens- und Arbeitsbereich der Anstalt, seine sehr gute Arbeitsleistung, seine Außenbeziehung zu seiner Verlobten und seine Verbindung zu seiner Schwester sowie darauf abgestellt werden dürfen, daß er sich erstmals im Strafvollzug befunden hat (vgl. Wiederbesprechung des Vollzugsplanes am 14.07.1994, Personalakte Band 4). Vielmehr hätte zur Klärung der Frage, ob unbeaufsichtigte Vollzugslockerungen zu verantworten sind, ein psychiatrisches oder kriminalprognostisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, wie es dann das Justizministerium Baden-Württemberg anläßlich des Verbrechens gegen die Mutter der Klägerin am 05.10.1994 sogar generell für Sexualstraftäter, die eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und mehr zu verbüßen haben, sowie für sexuelle Wiederholungs- und Mehrfachtäter angeordnet hat. Darauf, daß diese Anordnung zum Zeitpunkt der Verlegung J.s in den offenen Vollzug noch nicht bestanden hat, kann sich das beklagte Land schon wegen der obigen Besonderheiten (Kontakte zu einer sozial-masochistischen Gruppe, Briefe an die Brieffreundin) nicht berufen. Denn jedenfalls wegen dieser Besonderheiten bestand aller Anlaß zu einer solchen Begutachtung J.s, ganz davon abgesehen, daß das Fehlen einer ministeriellen Anordnung einer notwendigen Untersuchung das beklagte Land nicht entlastet. Der Senat ist davon überzeugt, daß auch ein schon zur Entscheidungsfindung, ob J. in den offenen Vollzug verlegt werden kann, etwa im Juli 1994 eingeholtes Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der obigen Kontaktaufnahme J.s und seiner Briefe an die Brieffreundin zumindest zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß J. kein unbeaufsichtigter Ausgang gewährt werden dürfe. So hat auch der Sachverständige Prof. J. in seinem Gutachten vom 14.12.1995 (S. 14/15) auf eine sich schon aus den Selbstzeugnissen und der Verurteilung durch das Landgericht Frankfurt sowie den nicht zur Anklage gelangten Fall in Ravensburg (Gutachten S. 7) zum Ausdruck kommende menschenverachtende Gesinnung hingewiesen und (nunmehr unter Berücksichtigung der Tat vom 02.09.1994) eine Sozialtherapie für sinnlos gehalten. Dies bestärkt den Senat in seiner Überzeugung, daß J. bei hinreichender sachverständiger Prüfung kein Ausgang ohne Aufsicht gewährt worden wäre (§ 11 Abs. 2 N2. 2 StVollzG).

Wenn aber schon kein psychiatrisches bzw. kriminalprognostisches Gutachten eingeholt wurde und auch eine psychologische Begutachtung fehlte, dann hätte J. keinesfalls unbeaufsichtigter Ausgang gewährt werden dürfen. Daran ändern auch nichts die Ausführungen in dem der Verurteilung J.s zur 12-jährigen Freiheitsstrafe vorausgegangenen Gutachten Prof. Dr. L. vom 15.12.1986, wonach bei J. weniger eine tiefer liegende Sexualproblematik zugrunde gelegen habe, sondern J. eine stark egozentrische Persönlichkeit gewesen sei und seine Straftaten aufgrund seines Machtanspruchs gegenüber Frauen begangen habe. Denn auch diese Beschreibung des Täters mußte ihn als derart gefährlich erscheinen lassen, daß er ohne vorausgegangene und begleitende sozialtherapeutische Maßnahmen keinen unbeaufsichtigten Ausgang hätte erhalten dürfen: Dabei ist zu berücksichtigen, daß J. die noch Anfang 1991 für erforderlich gehaltene mehrjährige sozialtherapeutische Behandlung auf dem Hohenasperg abgebrochen hatte und im Juni 1994 auch keine Kontakte mit der PSB mehr unterhielt. Vor allem aber kam es bis zu der Straftat gegen die Mutter der Klägerin wegen der Urlaubsabwesenheit des von J. als Therapeuten ausgewählten Dr. W. auch nicht zu der ihm in der Wiederbesprechung zum Vollzugsplan vom 14.07.1994 auferlegten ambulanten Therapie mit wöchentlich mindestens einem Gespräch. Statt dessen wurde ihm sofort und ohne ins Gewicht fallende Anhaltspunkte unbeaufsichtigter Tages- und Kulturausgang gewährt. Diese Lockerung des Strafvollzugs ohne vorausgegangene und ohne begleitende Sozialtherapie zur stufenweisen Erprobung hält der Senat für unvertretbar und nicht mehr zu verantworten.

Dem stehen nicht die Ausführungen in den Beschlüssen des Landgerichts Karlsruhe vom 06.06.1994 und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12.08.1994 entgegen. Denn diesen Ausführungen durfte die Justizvollzugsanstalt nicht entnehmen, daß die Vollzugslockerung sofort ohne begleitende sozialtherapeutische Maßnahmen und ohne Aufsicht vorgenommen werden könne.

Wäre, wie es hätte sein müssen, angeordnet worden, daß J. auch nur einen Monat lang bei seinen Haus- und Kulturausgängen unter Aufsicht stehen muß, dann wäre dies nach Überzeugung des Senats auch geschehen mit der Folge, daß es dann nicht zu der Straftat gegen die Mutter der Klägerin gekommen wäre.

2. Die gemäß den obigen Ausführungen verletzte Amtspflicht bestand auch gegenüber der Mutter der Klägerin, die „Dritte“ i.S.d. § 839 Abs. 1 BGB war. Ob eine einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt ist, richtet sich nach ihrem Schutzzweck. Zu prüfen ist dabei, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (vgl. BGH NJW 2000, 2672, 2675 und ständig).

Die Aufgaben des Strafvollzugs dienen nach § 2 StVollzG der Resozialisierung des Gefangenen und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Daraus läßt sich jedoch nicht schließen, daß auch die aus §§ 10, 11 Abs. 2 StVollzG resultierende Amtspflicht, Vollzugslockerungen nicht anzuordnen, wenn zu befürchten ist, daß der Gefangene die Lockerungen des Vollzugs zu Straftaten mißbrauchen werde, lediglich dem Interesse der Allgemeinheit dient. Vielmehr bezweckt diese Amtspflicht gerade auch den Schutz des Einzelnen vor Straftaten des Gefangenen. Gerade Vollzugslockerungen bringen – wie auch in den genannten Bestimmungen zum Ausdruck kommt – erfahrungsgemäß die Gefahr mit sich, daß der Gefangene während des offenen Vollzugs neue Straftaten begeht (§ 10 Abs. 1 StVollzG). Ziff. 2 Abs. 3 der VV zu § 10 StVollzG zeigt in Übereinstimmung mit § 57 Abs. 2 StGB, daß bei jeder Vollzugslockerung der Schutz des bedrohten Rechtsguts und dessen (bei dem hier in Rede stehenden unzweifelhaft besonderen) Gewichts berücksichtigt werden muß.

Der Schutz von Leben und sexueller Selbstbestimmung ist hervorragende Aufgabe des Staates und wesentliche Pflicht seiner mit der Prävention vor Straftaten befassten Amtsträger, zu denen auch die im Strafvollzug tätigen Beamten zählen. Unter diesen Umständen zielt die Pflicht, Sexualstraftäter daran zu hindern, während des Vollzugs neue einschlägige Straftaten zu begehen der Natur des Amtsgeschäfts nach darauf, die von solchen Tätern bedrohten Personen zu schützen. Die Annahme, der dem Staat von Verfassungswegen auferlegte Schutz von Leben und sexueller Selbstbestimmung der Bürger diene lediglich dem Interesse der Allgemeinheit, wäre Ausdruck eines überholten Staatsverständnisses und ließe sich nicht mit dem grundrechtlich geschützten Anspruch des Einzelnen gegen den Staat auf Achtung seiner Würde und auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 1, 2 Abs. 2 GG) vereinbaren.

Die Amtspflicht, strafbare Handlungen durch den Gefangenen zu verhüten, obliegt somit den Bediensteten der Vollzugsanstalt auch gegenüber den gefährdeten Einzelnen, da die zu verhütenden Straftatbestände unmittelbar in den geschützten Rechtskreis des Einzelnen eingreift (vgl. BGHZ 12, 206, 212; BGH LM § 839 (Fg) BGB Nr. 5; vgl. auch Palandt (Thomas), BGB, 60. Aufl., Rdn. 139 zu § 839). Dieser Schutzzweck der sich so aus §§ 10, 11 Abs. 2 StVollzG, 57 StGB ergebenden Amtspflicht begründet die für eine Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB erforderliche besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten.

Der gegenteiligen Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg (ZfStrVo 1996, 243), der das Landgericht beigetreten ist, dass § 11 Abs. 2 StVollzG in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit und nicht dem Schutz des Einzelnen, der zufällig Opfer einer weiteren Straftat des Strafgefangenen anläßlich dessen Hafturlaubs geworden ist, diene, vermag der Senat nach alledem nicht zu folgen.

3. Demnach haftet das beklagte Land der Klägerin dem Grunde nach für den durch den Tod ihrer Mutter erlittenen Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB). Deshalb ist auch der Feststellungsantrag begründet. Auch wenn die Klägerin mit dem Berufungsantrag Ziff. 2, mit dem sie eine monatliche Rente für die Zeit bis zu ihrem 18. Lebensjahr geltend gemacht hat, keinen Erfolg hat – dazu unten -, kann sie befürchten, künftig – gerechnet vom Schluss der mündlichen Verhandlung (15.08.2001) – einen Unterhaltsschaden als Folge der Straftat vom 02.09.1994 zu erleiden.

Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.

a) Soweit der Feststellungsantrag auch die Vergangenheit betrifft, ist er abzuweisen, weil nicht ersichtlich ist, welcher Unterhaltsschaden der Klägerin über den geltend gemachten hinaus in der Vergangenheit entstanden sein soll.

b) Der Klägerin kann der mit den Berufungsanträgen Ziff. 1 und 2 geltend gemachte Unterhaltsschaden nicht zuerkannt werden.

Auf den Unterhaltsschaden sind Erträgnisse aus dem geerbten Vermögen anzurechnen, wenn sie der Erblasser für den Unterhalt verwendet hat (BGH NJW 1974, 1236). Zwar handelt es sich hier um einen Fall des grundsätzlich vom Schädiger zu beweisenden Vorteilsausgleichs. Um dem Schädiger diesen Beweis zu ermöglichen, muss aber der Unterhaltsgeschädigte die Höhe und die ‚Verwendung der Erträgnisse aus dem Vermögen zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen darlegen, ebenso den weiteren Bestand des Vermögens und dessen Erträgnisse in der Zeit nach dem schädigenden Ereignis. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie im Streitfall – die Vermögensverhältnisse der Erblasserin und ihres Lebensgefährten nicht so hoch waren, dass die Nichtverwendung der Erträgnisse für den Unterhalt ohne weiteres einleuchten würde.

Dieser Darlegungslast ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat, obwohl das beklagte Land ihres Vorbringens der zur Höhe des geerbten Vermögens und der Erträgnisse sowie deren Verwendung im Senatstermin vom 11.04.2001 bestritten hat, die Entwicklung des von ihrer Mutter geerbten Vermögens (Wertpapiere, Bankguthaben) und die daraus seit 1992 erzielten jährlichen Erträge und deren Verwendung – vor allem auch noch zu Lebzeiten ihrer Mutter – trotz der Auflage in dem ihr am 21.06.2001 zugegangenen Senatsbeschluss – nicht dargetan. Sie hat – vor der Auflage – lediglich den Wert des geerbten Vermögens per 03.05.1995 mit 168.243,38 DM und per 31.12.1998 143.818,29 DM (Aufstellung AM 131) angegeben sowie Kopien von Belegen über Erträgnisse von insgesamt 2.231,47 DM für das Jahr 2000 (AM 11 7 – 10) vorgelegt. Diese Unterlagen sind unzureichend, weil sie keine Auskunft über den gesamten Vermögensbestand geben. Geht man nur einmal von dem von der Klägerin für den 31.12.1998 genannten Gesamtwert des geerbten Vermögens von 143.818,29 DM aus, dann würden die für das Jahr 2000 angegebenen Erträge nur eine Verzinsung von 1,55 % ausmachen, die dem Senat angesichts der durchschnittlichen Renditen aus Inhaberschuldverschreibungen und Anleihen der öffentlichen Hand im Jahre 2000 von über 5 % so niedrig erscheint, dass er erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der Angaben hat, zumal sich aus diesen Belegen nicht ergibt, aus welchen Vermögenswerten die Erträgnisse erzielt wurden. Die niedrigen Erträge ließen sich allenfalls damit erklären, dass sich das geerbte Vermögen in der Zeit vom 01.01.1999 bis in das Jahr 2000 hinein erheblich gemindert hat. Dies behauptet die Klägerin aber nicht. Klarheit hätte sich ergeben, wenn die Klägerin der obigen Auflage des Senats nachgekommen wäre.

Der Klägerin war zur Erfüllung der an sie nach dem Senatsbeschluss gerichteten Auflagen kein weiteres Schriftsatzrecht zu gewähren. Die Gründe, die der Vater der Klägerin im Senatstermin vom 15.08.2001 für die Nichterfüllung der Auflagen gegeben hat, dass er nicht eingesehen und seine Prozessbevollmächtigte ihm nicht erläutert habe, warum diese Auflagen gemachten wurden, entschuldigt die Klägerin nicht, sodass ihr keine Gelegenheit mehr zu geben war, den Auflagen nachzukommen.

Ohne Darlegung der Entwicklung des von der Mutter geerbten Vermögens, das zum Zeitpunkt des Erbfalls immerhin 168.243,38 DM betragen hat, und ohne Darstellung der jährlichen Erträge aus dem Vermögen in dem im Auflagenbeschluss genannten Zeitraum und deren jeweiliger Verwendung – vor allem auch zu Lebzeiten der Mutter – sieht sich der Senat zu einer einen Unterhaltsschaden der Klägerin ergebenden Schätzung nach § 287 ZPO nicht in der Lage. Da die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, muss sie sich so behandeln lassen, als wären die Erträgnisse aus dem geerbten Vermögen zu Lebzeiten ihrer Mutter für den Unterhalt verwendet worden. Geht man nur einmal von dem von der Klägerin für den 31.12.1998 angegebenen Vermögensstand von 143.818,29 DM und den für das Jahr 1998 gemäß der vorgelegten Aufstellung (AM 133) angegebenen Erträgnissen aus, dann belief sich die Rendite im Jahr 1998 – unter Berücksichtigung des (in wieviel Jahren?) thesaurierenden Bundesschatzbriefes – auf mindestens 4 %, was auf den Monat gerechnet Einkünfte von ca. 480,00 DM ergibt: Zählt man diesen Betrag den beiden monatlichen Renten hinzu, die die Klägerin ihrer Behauptung nach in Höhe von insgesamt 542,00 DM erhält, dann kommen ihr monatlich insgesamt etwa 1.022,00 DM zu. Einen höheren Betrag kann die Klägerin bei dem Nettoeinkommen von monatlich 2.900,00 DM, das die Mutter der Klägerin nach deren Schätzung bezogen hätte, und den einmal angenommenen Vermögenserträgnissen von monatlich 480,00 DM als Unterhaltsschaden nicht beanspruchen. Selbst wenn der Klägerin als Unterhalt 30 % aus dem einmal ab Oktober 1996 angenommenen höheren monatlichen Einkommen ihrer Mutter von 3380,00 DM (2.900,00 DM + 480,00 DM) zukommen sollten, ergäben dies nur 1.014,00 DM. Der nach § 844 Abs. 2 BGB zu ersetzende angemessene Unterhalt ( § 1610 BGB) liegt bei den Vermögensverhältnissen der Mutter nicht über diesem Betrag. Im Übrigen lag aber die Umlaufrendite aus inländischen Inhaberschuldverschreibungen und Anleihen der öffentlichen Hand nach den statistischen Angaben in der Zeit von 1992 bis August 2001 – von wenigen Monaten im Jahr 1999 abgesehen – wobei aber nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin gerade in diesen Monaten Wertpapiere gekauft hat – über 4 %, teilweise weit über 4 %. Nach alledem ist der die Vergangenheit betreffende Leistungsantrag (Ziff. 2) wie auch der Berufungsantrag Ziff. 1 abzuweisen, weil die Klägerin gegenwärtig keinen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen hat (§§ 258, 259 ZPO; vgl. BGH Z 82, 246, 251).

c) Auch die geltend gemachten Beerdigungskosten können der Klägerin nicht zugesprochen werden. Zwar hat nach § 844 Abs. 1 BGB der Ersatzpflichtige demjenigen die Kosten der Beerdigung zu ersetzen, dem die Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten obliegt. Die Klägerin hat jedoch unstreitig von der A. und der B. Ersatzkasse Sterbegelder in Höhe von insgesamt 15.098,79 DM erhalten, sodass ihr Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten, soweit die Sterbegelder vom Sozialversicherungsträger gezahlt worden sind, auf diesen nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangen sind. Im Übrigen hat sich die Klägerin trotz Erörterung dieser Fragen im Senatstermin vom 11.04.2001 ausgeschwiegen, sodass, weil sie auch insoweit ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, ihre Aktivlegitimation wegen eines naheliegenden Forderungsübergangs nicht angenommen werden kann.

d) Unbegründet ist die Berufung auch, soweit die Klägerin Ersatz der Kosten für den Erbschein, für das Aufbrechen eines Schließfaches und für die Gebühren der …Bank (350,00 DM, 772,78 DM und 40,00 DM) ersetzt verlangt. Die Kosten für den Erbschein fallen nicht unter den im Falle einer Tötung nach §§ 844, 845 BGB einem Dritten zu ersetzenden Schaden (vgl. Köppers, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl. Rn. 343 m. w. N.). Die Bankgebühren können der Klägerin mangels näherer Angaben, wofür diese Kosten entstanden sind, nicht zuerkannt werden. Die Kosten für den Schließfach-Aufbruch kann die Klägerin ebenfalls nicht ersetzt verlangen. Es ist ohne weiteres möglich, dass der Schlüssel schon vor der Straftat des Gefangenen J. nicht auffindbar war. Das der Schießfachschlüssel durch die Tat des Gefangenen J. (etwa durch Entwendung) verloren gegangen ist, behauptet die Klägerin selbst nicht.

e) Da die Klägerin, wie oben ausgeführt, die Entwicklung des geerbten Vermögens und dessen Erträgnisse nicht dargetan hat und insbesondere auch nicht der in dem genannten Senatsbeschluss enthaltenen weiteren Auflage (vorzutragen, für welche Zeit die Tagesmutter mit welcher Vergütung beschäftigt worden ist, derentwegen sie die „Zinserträge an wirtschaftliche Jugendhilfe“ in Höhe 2.484,92 DM gezahlt hat, und weichen Umfang die Tätigkeit der Tagesmutter gehabt und ob deren Tätigkeit zu ersparten Eigenaufwendungen geführt hat) nicht nachgekommen ist, können auch diese Kosten nicht zuerkannt werden, da nicht ersichtlich ist, dass es sich hier um einen zu ersetzenden Unterhaltsmehraufwand gehandelt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer übersteigt nur für die Klägerin 60.000,00 DM (§ 546 ZPO).

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