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Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag


Arbeitsgericht Solingen

Az: 1 Ca 311/14

Urteil vom 29.07.2014


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.062,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 01.12.2013 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger während des Bestands des Arbeitsverhältnisses ein Weihnachtsgeld in Höhe von 95 % eines Brutto-Monatsbasisentgelts jeweils kalenderjährlich zum 30.11. zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert beträgt 6.188,07 EUR.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2013 sowie für die Zukunft.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 09.10.1995 als Drucker tätig. Das Arbeitsverhältnis ist zum 01.07.2006 auf die Beklagte als Gesamtrechtsnachfolgerin übergegangen. Das derzeitige Basisentgelt des Klägers beträgt 2.171,25 Euro brutto (vgl. Abrechnung Blatt 11 der Akte). Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 20.10.1995 (Blatt 7 ff. der Akte). Dieser lautet auszugsweise:

„5. LOHN- SONSTIGE ZUWENDUNGEN

5.1. Der aufgeschlüsselte Lohn wird gesondert schriftlich bekannt gegeben.

5.2. Die Zahlung von Gratifikationen und Tantiemen, Prämien u.ä. Zuwendungen liegt, soweit diese nicht durch Betriebsvereinbarungen geregelt sind, im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründen keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte…

13. AUSSCHLUSSFRISTEN

13.1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

13.2. Lehnt der Vertragspartner die Erfüllung des Anspruchs ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb eines Monats gerichtlich geltend wird.“

Unter dem 13.07.2007 (Blatt 54 der Akte) änderten die Parteien ihren Arbeitsvertrag ab. Dort heißt es u.a.:

„Die Gewährung von Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) richtet sich nach den jeweiligen betrieblichen Bestimmungen. Soweit eine Sonderzahlung von über 100,00 Euro gezahlt wurde, ist diese zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31.03. des auf die Zahlung der Sonderzahlung folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers beendet wurde. Dies gilt nicht bei einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber. Auch bei einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages ist die Sonderzahlung zurückzuzahlen, es sei denn, die Aufhebung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.“

Eine Betriebsvereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld existiert bei der Beklagten nicht.

Der Kläger erhielt folgende Weihnachtsgeldzahlungen (vgl. Abrechnungen Blatt 34 ff. der Akte):

Jahr Betrag
1995 724,25 DM
1996 3.004,00 DM
1997 1.648,94 DM
1998 3.782,00 DM
1999 3.782,00 DM
2000 3.782,00 DM
2001 3.782,00 DM
2002 1.642,00 Euro
2003 0,00 Euro
2004 0,00 Euro
2005 0,00 Euro
2006 0,00 Euro
2007 2.062,69 Euro
2008 2.062,69 Euro
2009 2.062,69 Euro
2010 1.628,44 Euro
2011 1.031,34 Euro
2012 1.031,34 Euro

Die Beklagte hat dem Kläger bei den Zahlungen ab dem Jahr 2007 jeweils separate Schreiben ausgehändigt (Blatt 71 ff. der Akte), in denen u.a. darauf hingewiesen wird, dass es sich um freiwillige und einmalige Leistungen handelt, auf die kein Rechtsanspruch bestehe und auch für die Zukunft nicht begründet werde.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.12.2006 (Blatt 53 der Akte) seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld angemahnt; er sei von der Zahlung ausgenommen worden, weil er nicht bereit gewesen sei, seine Arbeitszeit zu verlängern.

Mit Schreiben vom 02.01.2014 (Blatt 12 ff. der Akte) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Weihnachtsgeld für das Jahr 2013 geltend gemacht.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe für das Jahr 2013 sowie auch für die Zukunft ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 95 % des Basisentgelts zu. Er meint, die Arbeitsvertragsklausel unter 5.2. des Arbeitsvertrages sei wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Die Regelung beziehe sich nicht nur auf Einmalzahlungen. Jedenfalls sei die Regelung unklar. Bereits aufgrund der Zahlung der Rechtsvorgängerin sei ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung entstanden. Dieser Anspruch sei auch nicht durch die Nichtzahlung in den Jahren 2003 – 2006 entfallen. Es habe kein konkretes Änderungsangebot der Rechtsvorgängerin gegeben. Die Nichtzahlung habe wirtschaftliche Gründe gehabt. Der Kläger behauptet, er habe ab dem Jahr 2007 den Vorbehaltserklärungen widersprochen und teilweise nicht gezahlte Beträge geltend gemacht (vgl. Anlage K 10).

Der Kläger beantragt zuletzt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 2.062,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.12.2013 zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn während des Bestands des Arbeitsverhältnisses ein Weihnachtsgeld in Höhe von 95 % eines Bruttomonatsbasisentgelts jeweils Kalenderjährlich zum 30.11. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, bereits aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts unter Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages habe keine betriebliche Übung entstehen können. Die Klausel sei wirksam. Sie beziehe keine laufenden Zahlungen ein, sondern sei auf Einmalzahlungen begrenzt. Sonderzahlungen könnten unter einen Freiwilligkeitsvorhalt gestellt werden.

Selbst wenn eine betriebliche Übung bei der Rechtsvorgängerin entstanden sei, so sei der Anspruch durch schlüssiges Verhalten beider Seiten ab 2003 beseitigt worden. Die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers trotz Ausbleiben der Zahlungen sei als Einverständnis zu verstehen.

Bei ihr sei keine betriebliche Übung entstanden, da sie vor Auszahlung von Weihnachtsgeld jährlich separate Begleitschreiben unter Verweis auf den Freiwilligkeitsvorbehalt ausgehändigt habe, was unstreitig ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe von 2.062,69 Euro brutto gemäß § 611 BGB. Der Betrag entspricht 95 % eines monatlichen Basisentgelts.

1. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Zahlung von Weihnachtsgeld ist weder im schriftlichen Arbeitsvertrag von 1995 noch mündlich getroffen worden.

2. Der Anspruch des Klägers ist aber aufgrund betrieblicher Übung bzw. arbeitsvertraglicher Übung entstanden. Dies ergibt eine Auslegung des Verhaltens bzw. der Erklärungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten gemäß §§ 133, 157 BGB.

a) Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten und Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben.

Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, bei ihnen soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden (BAG, 21.01.2009 – 10 AZR 219/08). Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistungen verpflichten (BAG 08.12.2010 – 10 AZR 671/09). Entsprechend hat das BAG entschieden, dass der Arbeitnehmer bei mindestens dreimaliger vorbehaltsloser Gewährung einer Weihnachtsgratifikation aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die bislang gewährte Leistung erwirkt (BAG, 04.05.1999 – 10 AZR 290/98). Eine betriebliche Übung bezieht sich allerdings auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder zumindest auf eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern, ohne das individuelle Besonderheiten die vertragliche Beziehung gestalten. Das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung enthält ein kollektives Element (BAG, 21.04.2010 – 10 AZR 163/09). Bei einem entsprechenden Erklärungswert des Verhaltens des Arbeitgebers können aber auch einzelvertragliche Verpflichtungen i.S. einer arbeitsvertraglichen Übung entstehen.

Der Erklärungswert ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach Art des Verhaltens des Vertragspartners. Dabei kommt insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit entscheidendes Gewicht zu. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. BAG, 08.12.2010 – 10 AZR 671/09; BAG 21.01.2009 – 10 AZR 219/08).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld sowohl unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung als auch unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Übung entstanden.

aa) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat in den Jahren 1998 bis einschließlich 2001 viermal hintereinander jährlich eine gleichhohe Weihnachtsgeldzahlung vorgenommen, die beim Kläger 95 % des Basisentgelts entspricht. Gegen die Berechnung hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat bei der Zahlung dieser Weihnachtsgelder keine Vorbehalte geäußert. Sie hat insbesondere nicht jeweils darauf hingewiesen, dass es sich um eine freiwillige und einmalige Zahlung handelt, die für die Zukunft keinen Rechtsanspruch begründen solle.

Vor diesem Hintergrund durften der Kläger und die weiteren Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Leistungen dahingehend verstehen, dass sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichten wollte, auch zukünftig in gleicher Höhe Weihnachtsgelder zu zahlen.

bb) Diesem Auslegungsergebnis gemäß §§ 133, 157 BGB widerspricht auch nicht die Klausel in Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages von 1995. Diese Arbeitsvertragsklausel verstößt gegen § 307 BGB und ist daher gemäß § 306 Abs. 1 BGB unwirksam.

(1) Bei der Regelung in Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

Gemäß § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB nach § 310 Abs. 3 BGB mit der Maßgabe Anwendung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten (es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden). Zudem finden §§ 305 c Abs. 2, 306, 307 – 309 BGB auch dann Anwendung, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei einem Arbeitsvertrag um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB, also Verträge zwischen einem Unternehmer (Arbeitgeber) und einem Verbraucher (Arbeitnehmer), vgl etwa BAG, 28.05.2009 – 8 AZR 896/07.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich um einen Formulararbeitsvertrag handelt, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten gestellt hat. Dem ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten.

(2) Die Vertragsklausel in Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig. Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist unwirksam.

(a) Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrer Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB und ist unwirksam (BAG, 13.11.2013 – 10 AZR 848/12). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der laufende Leistungen einbezieht, verstößt sowohl gegen den in § 305 b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen anzuhalten sind.

(aa) Unter Anwendung dieses Grundsatzes ist auch die Regelung Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages unwirksam. Es wird nicht deutlich, welche Leistungen von dem Freiwilligkeitsvorbehalt konkret zulässigerweise erfasst werden.

(bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (objektivierter und typisierender Maßstab). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Es kommt für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischer Weise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf das typische von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziel gelten (vgl. BAG, 13.11.2013 – 10 AZR 848/12).

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(cc) Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung der Beklagten die Vertragsklausel Nr. 5.2 des Arbeitsvertrages nicht dahingehend auszulegen, dass sie sich allein auf Einmalzahlungen bezieht. Für ein solches Auslegungsergebnis im Sinne der Auffassung der Beklagten spricht nicht bereits der Wortlaut. Die Vertragsklausel spricht eben nicht von Einmalzahlungen. Die Klausel führt zwar konkret Gratifikationen, Tantiemen und Prämien auf, allerdings wird durch den Zusatz „und ähnliche Zuwendungen“ sowie der Formulierung in der Überschrift der Vertragsregelung „sonstige Zuwendungen“ nahe gelegt, dass es sich nur um Beispielsfälle von sonstigen Zuwendungen handeln soll.

Bei einer Tantieme handelt es sich um eine Form der Gewinnbeteiligung, die keine Gratifikation, sondern Arbeitsentgelt darstellt (BAG, 08.09.1998 – 9 AZR 273/97). Die Tantieme ist ein Vergnügungsbestandteil, der in das Austausch-verhältnis „Arbeit gegen Lohn“ einbezogen ist. Prämien können durchaus auch regelmäßig, das heißt monatlich gezahlt werden. Die Klausel erfasst im Ergebnis weder nur Einmalbezahlungen noch allein Treuegelder. Unter den Vorbehalt könnten auch regelmäßige Zuwendungen fallen, die etwa einzelvertraglich mündlich vereinbart worden sind. Die Abgrenzung zwischen Sonderzahlung und laufender Leistung ist ohnehin problematisch (vgl. Reinfelder NZA Beilage 2014, 10, 13).

Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch darin, dass der vertragliche Vorbehalt auch spätere Individualabreden im Sinne des § 305 b BGB erfassen könnte (vgl. BAG, 14.09.2011 – 10 AZR 526/10; vgl. auch Reinfelder NZA Beilage 2014, 10, 13). So könnte auch eine mündlich vereinbarte regelmäßige (nicht unbedingt monatliche) Gewinnbeteiligung im Sinne einer Tantieme davon erfasst sein.

Vor diesem Hintergrund ist der Freiwilligkeitsvorbehalt zu weitgehend und damit unwirksam.

(b) Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Klausel mit einem derartigen pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalt grundsätzlich unangemessen im Sinne des § 307 BGB und damit unwirksam ist (so auch Reinfelder NZA Beilage 2014, 10, 13; Preis/Sagan, NZA 2012, 697ff.; entgegen BAG, 20.01.2010 – 10 AZR 914/08; Bedenken aber bereits durch BAG, 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 31).

(aa) Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt für künftige Leistungen oder Zuwendungen des Arbeitgebers ist in der Sache eine Auslegungsklausel (vgl. Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 700). In der Sache will der Arbeitgeber damit vorab den Erklärungswert seiner Handlungen bzw. Erklärungen zu seinen Gunsten bestimmen. Ob ein Arbeitgeber etwa im Rahmen einer betrieblichen Übung konkludent eine Erklärung mit Bindungswillen abgibt, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. die obigen Ausführungen).

(bb) Eine solche Auslegungsklausel ist kontrollfähig. Dies ergibt sich etwa aus § 308 Nr. 5 BGB (vgl. Preis/Sagan NZA 2012, 697, 700). Der Arbeitgeber möchte seinem Verhalten einen anderen Erklärungswert beimessen, als ihn bei Anwendung der §§ 133, 157 BGB zukommen würde, d.h. ohne den Freiwilligkeitsvorhalt würde dem Verhalten des Arbeitgebers ein anderer Erklärungswert zukommen.

(cc) Der Freiwilligkeitsvorbehalt erfasst damit aber auch spätere Individualabreden im Sinne des § 305 b BGB (vgl. BAG, 14.09.2011 – 10 AZR 526/10). Wenn die Voraussetzungen einer betrieblichen oder vertraglichen Übung eigentlich vorliegen, so dass eine vom Formulararbeitsvertrag abweichende vertragliche Regelung zustande käme, beanspruchte die Auslegungsregel des Freiwilligkeitsvorbehalts Vorrang und widerspricht damit § 305 b BGB.

(dd) Ein Arbeitgeber, der nach dem bisherigen allgemeinen Verständnis durch vorbehaltlose gleichförmige und gleichmäßige Zuwendungen eine Erklärung dahingehend abgibt, dass er sich auch zukünftig zu einer solchen Leistung verpflichtet, stellt sich zudem in Widerspruch zu dem Freiwilligkeitsvorbehalt im jeweiligen Arbeitsvertrag. Obwohl die Voraussetzungen einer arbeitsvertraglichen oder betrieblichen Übung vorliegen, will der Arbeitgeber durch den arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt seine Handlungen entgegengesetzt verstanden wissen. Dies würde selbst dann gelten, wenn ein Arbeitgeber nicht nur drei- oder viermalig ohne Vorbehalt gleichartige Leistungen erbringt, sondern auch etwa über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren (vgl. BAG, 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 31).

(ee) Die Wertung, das ein Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, beraubt den Arbeitgeber auch nicht die einzige Möglichkeit, freiwillige Einmalzahlungen zu erbringen. Dem Arbeitgeber ist es möglich, bei der jeweiligen Leistung zu erklären, zu welchem Zweck sie erbracht wird und ob es sich um eine einmalige Leistung handelt bzw. das er mit der einmaligen Leistung keinen Rechtsbindungswillen verbindet (vgl. Reinfelder NZA Beilage 2014, 10, 13).

3. Der so entstandene Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds ist auch nicht durch gegenläufige betriebliche Übung bzw. durch eine konkludente Vertragsänderung aufgehoben worden.

a) Nach der früheren Rechtsprechung des BAG konnte der Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung durch eine geänderte betriebliche Übung aufgehoben werden (BAG, 26.03.1997 – 10 AZR 612/96). Diese Rechtsprechung hat das BAG aufgegeben (BAG, 18.03.2009 – 10 AZR 281/08). Das BAG hat zu recht grundsätzliche Zweifel an der früheren Rechtsprechung geäußert. Das Schweigen auf ein günstiges Angebot kann dem Schweigen ein schlechteres Angebot nicht gleichgestellt werden. § 151 BGB kommt nicht zur Anwendung.

Entscheidend hat das BAG allerdings auf die Schuldrechtsmodernisierung zum 01.01.2002 abgestellt. Da vorliegend die Rechtsvorgängerin der Beklagten erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Zahlungen eingestellt hat, kann nach der neueren Rechtsprechung des BAG keine gegenläufige betriebliche Übung angenommen werden.

Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen der gegenläufigen betrieblichen Übung nicht vor. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 04.05.1999 (10 AZR 290/98) die Voraussetzungen einer gegenläufigen betrieblichen Übung „verschärft“. Erforderlich war, dass der Arbeitgeber klar und unmissverständlich erklärt, die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Zahlung solle beendet und durch eine Leistung ersetzt werden, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr bestehe.

Eine derartige Erklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten liegt nicht vor.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt in der widerspruchslosen Hinnahme der Nichtzahlungen auch keine konkludente Vertragsänderung.

aa) Das BAG hat allerdings entschieden, dass eine widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers gemäß §§ 133, 157 BGB als konkludente Annahme der Vertragsänderung ausgelegt werden kann, wenn diese sich unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt, nicht hingegen, solange deren Folgen nicht hervortreten (BAG, 18.03.2009 – 10 AZR 281/08; BAG, 01.08.2001 – 4 AZR 129/00).

bb) Die Voraussetzungen einer solchen konkludenten Vertragsänderung liegen allerdings nicht vor. Es liegt bereits kein entsprechendes Änderungsangebot der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor. Die bloße Nichtzahlung eines Anspruchs stellt zunächst einen Vertragsbruch dar. Schweigen hat grundsätzlich keinen Erklärungswert. § 151 Satz 1 BGB kommt nicht zur Anwendung. Bei einem für den Arbeitnehmer günstigen Angebot ist womöglich eine Annahmeerklärung nicht zu erwarten. Dies gilt allerdings nicht bei einem verschlechternden Angebot (vgl. auch BAG 18.03.2009 – 10 AZR 281/08, Rn. 14).

Die bloße Weiterarbeit kann nicht als Annahme des Angebot gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Die sonstigen Arbeitsbedingungen des Klägers haben sich nicht geändert. Der Kläger ist nicht gezwungen, bei Nichterfüllung eines Zahlungsanspruchs zu widersprechen, ggf. den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Dies kann ein Arbeitsverhältnis belasten und ggf. gefährden.

Der vorliegende Sachverhalt ist nicht vergleichbar mit denen, in denen das BAG eine konkludente Annahme des Vertragsangebots durch Weiterarbeit angenommen hat. Wie bereits oben ausgeführt gibt es kein konkretes, ausdrückliches Änderungsangebot. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat auch nicht erklärt, dass sie eine betriebliche bzw. arbeitsvertragliche Übung beenden wolle. Sie hat schlichtweg die Zahlung eingestellt. Diesem Verhalten kommt kein weiterer Erklärungswert zu. Die Rechtsvorgängerin hat sich vertragsbrüchig verhalten. Das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten könnte auch dahingehend verstanden werden, dass sie der Auffassung war, nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen zu sein. Dann hat sie aber auch keinen Willen gehabt, etwas abzuändern.

4. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist mit Wirkung zum 01.07.2006 auf die Beklagte übergegangen. Damit ist die Beklagte auch in die Verpflichtung eingetreten, jährlich ein Weihnachtsgeld an den Kläger zu zahlen.

5. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch die Vertragsänderung mit Wirkung zum 01.07.2007 untergegangen. Demnach richtet sich die Gewährung von Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld nach den jeweiligen betrieblichen Bestimmungen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es abweichende betriebliche Bestimmungen gibt. Vielmehr bestand zum Zeitpunkt der Vertragsregelung auch eine betriebliche Übung. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Eine Betriebsvereinbarung zu Weihnachtsgeldzahlungen existiert nicht.

6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

II. Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls zulässig und begründet.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Es besteht ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Bei einem Anspruch auf zukünftige Zahlungen besteht kein Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage. Gegenstand einer Feststellungsklage können nicht nur Rechtsverhältnisse, sondern auch einzelne Ansprüche sein. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt, da der Kläger nunmehr klargestellt hat, dass das Weihnachtsgeld 95 % des Basisentgelts beträgt.

2. Der Antrag zu 2) ist auch begründet. Der Kläger hat auch für die Zukunft Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 95 % des Basisentgelts. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht drei Gehältern.


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