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Freundschaftsspiel der Alten Herren – Schmerzensgeld


Schmerzensgeld

Zusammenfassung:

Unter welchen Voraussetzungen kommt ein Schmerzensgeldanspruch eines Fußballspielers bei einem Freundschaftsspiel nach einem Foulspiel in Betracht? Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof und zahlreicher Obergerichte ist eine Haftung für Verletzungen beim Fußballsport dann gegeben, wenn ein schuldhafter Regelverstoß zu einer Verletzung führt, wobei ein Verschulden nicht vorliegt, wenn der Regelverstoß noch im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness liegt.


Oberlandesgericht Koblenz

Az: 3 U 382/15

Hinweisbeschluss vom 17.07.2015


Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Trier vom 3. März 2015 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.


Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 17. August 2015. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Feststellung der materiellen und immateriellen Schadensersatzverpflichtung sowie auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer Verletzung in Anspruch, die ihm der Beklagte bei einem Fußballspiel am 27. März 2010 zugefügt hat.

Der Beklagte nahm an dem Freundschaftsspiel der Alten Herren als Spieler des Heimvereins SV …[Y] und der Kläger als Spieler der Gastmannschaft …[Z] teil. Gegen Ende der ersten Halbzeit schoss der Kläger auf das gegnerische Tor. Den von dem Torwart abgewehrten Ball versuchte er in das Tor zu köpfen und bewegte dazu seinen Kopf in Richtung Ball. Zeitgleich wollte der Beklagte, der sich in Richtung Tor gesehen rechts von dem Kläger befand, den Ball wegschlagen. Dazu trat er mit dem rechten Fuß nach dem Ball. Hierbei traf er den Kläger in der rechten Gesichtshälfte. Durch den Tritt erlitt der Kläger, der sich kurz vor dem Schadensfall als Physiotherapeut selbständig gemacht hatte, Frakturen an Nase, Jochbein und Augenhöhle, einen Netzhautriss mit Netzhautablösung, eine Glaskörperblutung mit einer damit einhergehenden Sehverschlechterung sowie eine dauerhaft verbleibende Einschränkung des Gesichtsfeldes. Wegen der Verletzungen musste er mehrfach operiert werden und konnte seinen Beruf zeitweise nicht ausüben.

Die Einzelheiten des Vorfalls sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob der Beklagte den Kläger mit dem Fuß oder dem Knie getroffen hat und in welcher Höhe sich der Kopf des Klägers und der Fuß des Beklagten zum Zeitpunkt des Zusammentreffens befanden. Die Parteien werfen sich wechselseitig begangene Verstöße gegen die Regel 12 der Fußball-Regeln des Deutschen Fußballbundes (DFB) vor. Der Kläger legt dem Beklagten ein grob regelwidriges und rücksichtloses Foul zur Last, weil er mit gestrecktem „hohem“ Bein gespielt und „voll durchgezogen“ habe. Der Beklagte hält dem Kläger einen „zu tiefen Kopf“ vor, was sich als unsportliches Verhalten darstelle.

Das Landgericht hat die Parteien angehört und die Mitspieler des Klägers, die Zeugen …[A] und …[B], und Zuschauer des Heimvereins, die Zeugen …[C] und …[D], zum Zustandekommen der Verletzungen des Klägers gehört. Die Klage hat es abgewiesen. Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten könne nicht festgestellt werden. Zwar habe der Beklagte gegen Regel 12 verstoßen, weil er den Kläger zumindest (einfach) fahrlässig im Gesicht getroffen habe, nachdem er eingeräumt habe, seinen Fuß „nach oben gezogen“ zu haben. Allerdings könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass eine rücksichtslose oder brutale Spielweise vorgelegen habe. Gegen eine solche Wertung spreche bereits, dass der Schiedsrichter gegen den Beklagten wegen des Vorfalls keine Verwarnung und keinen Platzverweis ausgesprochen habe, was aber zu erwarten gewesen wäre, wenn es sich um eine rücksichtslose oder brutale Spielweise gehandelt hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte den Ball tatsächlich gespielt habe. Insgesamt seien die Angaben der Parteien und der Zeugen zu dem fünf Jahre zurückliegenden Ereignis zu unterschiedlich, als das darauf eine Überzeugung gestützt werden könne.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Ein die zivilrechtliche Haftung auslösendes Verhalten sei in dem übertrieben harten Vorgehen des Beklagten zu sehen. Der Beklagte habe bei seiner Fußbewegung in Richtung des Oberkörpers des Klägers „voll durchgezogen“ und schwerste Verletzungen des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Damit habe er die Grenze zur Unfairness überschritten. Der Beklagte habe in der konkreten Situation „zurückziehen“ müssen und nicht „um jeden Preis“ verhindern dürfe, dass er, Kläger, ein Tor erziele. Dies gelte umso mehr als es sich nicht um ein wichtiges Wettkampfspiel, sondern lediglich um ein Freundschaftsspiel der Alten Herren gehandelt habe. Dass der Beklagte mit übertriebener Härte aufgetreten sei, habe sich durch die Beweisaufnahme ergeben. Nach der Darstellung der unmittelbar am Spielgeschehen beteiligten und den Vorgang mit höchster Aufmerksamkeit verfolgenden Zeugen …[A] und …[B] sei von einem rücksichtslosen Verhalten des Beklagten auszugehen, was das Landgericht verkannt habe. Es habe den Aussagen der lediglich als Zuschauer beteiligten und weit vom Geschehen entfernten Zeugen …[D] und …[C] auch einen zu hohen Beweiswert zuerkannt. Der Umstand, dass der Schiedsrichter keine Strafe gegen den Beklagten verhängt habe, könne nicht als Indiz herangezogen werden. Denn es habe sich – unstreitig – um keinen offiziellen, vom Verband angesetzten Schiedsrichter gehandelt. Der Schiedsrichter habe zudem keine Karten bei sich geführt, um persönliche Strafen aussprechen zu können.

Der Beklagte hält das Urteil für zutreffend und beantragt die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, das heißt einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 229 StGB, denn dem Beklagten ist der erforderliche Schuldvorwurf nicht nachzuweisen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof und zahlreicher Obergerichte, der sich der Senat anschließt, ist eine Haftung für Verletzungen beim Fußballsport dann gegeben, wenn ein schuldhafter Regelverstoß zu einer Verletzung führt, wobei ein Verschulden nicht vorliegt, wenn der Regelverstoß noch im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness liegt (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – VI ZR 298/08 -, juris; BGH, Urteil vom 5. November 1974 – VI ZR 100/73 – VersR 1975, 137 = BGHZ 63, 140; BGH VersR 76, 591; OLG Köln, Beschluss vom 27. Mai 2010 – 19 U 32/10 -, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. September 2012 – 9 U 162/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 22. Oktober 2012 – I – 6 U 241/11, 6 U 241/11 -, juris; OLG München, Urteil vom 25. Februar 2009 – 20 U 3523/08 -, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. März 1997 – 13 U 54/96 -, juris; Wagner in MünchKomm, BGB, 6. Aufl., § 823 Rnr. 565 ff.; siehe auch Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2. August 2010 – 5 U 492/09 -, juris, wonach von einem stillschweigenden Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit auszugehen sei und eine Haftung nur bei Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit bestehe).

a) Ein schuldhaft begangener Verstoß gegen eine dem Schutz des Sportlers dienende Spielregel löst im Allgemeinen Schadensersatzansprüche aus, wenn dadurch der Sportler verletzt wird. Anders verhält es sich, wenn ein Fußballspieler Verletzungen beim Austragen eines Wettkampfes durch einen anderen Spieler erleidet. Fußball ist ein Kampfspiel, das unter Einsatz von Kraft und Geschicklichkeit geführt wird und das wegen des dieser Sportart eigenen kämpferischen Elementes bei dem gemeinsamen „Kampf um den Ball” gelegentlich zu unvermeidbaren Verletzungen führt. Mit deren Eintritt rechnet jeder Spieler und geht davon aus, dass auch der andere diese Gefahr in Kauf nimmt und daher etwaige Haftungsansprüche nicht erheben will. Mit einem dennoch erhobenen Schadensersatzanspruch würde sich der Verletzte in rechtlich unzulässigen Widerspruch zu seinem vorhergehenden Verhalten setzen. Es ist der Grundsatz des gegen Treu und Glauben verstoßenden venire contra factum proprium, der es nicht zulässt, dass der Geschädigte den Schädiger in Anspruch nimmt, obwohl er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, sich dann aber mit Recht dagegen gewehrt haben würde, diesem Ersatz leisten zu müssen (BGH NJW 2003, 2018).

Beim Fußballspiel kommt es darauf an, im Kampf um den Ball schneller als der Gegner zu sein und gerade dann das Letzte an Gewandtheit und Schnelligkeit herauszuholen, wenn ein Spieler der Gegenseite ebenfalls um den Ball kämpft. Die Hektik, Schnelligkeit und Eigenart eines Fußballspiels zwingen den Spieler oft, im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen, Risiken einzugehen und Entscheidungen zu treffen. Das Fußballspiel stellt dabei hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, an Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz. Es ist dem Spiel daher immanent, dass Regelwidrigkeiten vorkommen können. Derartige Regelverstöße begründen darum nicht schon ohne weiteres stets eine Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB (BGH NJW 1976, 957), denn beim Fußballspiel ist körperliche Einwirkung auf den Gegner im Kampf um den Ball unvermeidlich. Ein Schuldvorwurf ist daher erst dann berechtigt, wenn die durch den Spielzweck gebotene Härte die Grenze zur Unfairness überschreitet. Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt, ist ein Verschulden trotz objektivem Regelverstoß nicht gegeben. Diese Haftungsfreistellung durch Inkaufnahme möglicher Körperverletzungen gilt auch dann, wenn der Schädiger zwar gegen eine dem Schutz seines Gegenspielers dienende Regel verstoßen hat, dies aber aus Spieleifer, Unüberlegtheit, technischem Versagen, Übermüdung oder aus ähnlichen Gründen geschehen ist (OLG Düsseldorf r+s 2005, 435; OLG Köln NJW-RR 1994, 1372 (Judo); LAG Köln NJW 1985, 991; OLG Oldenburg r+s 1995, 179; OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 1043; OLG Hamburg NJOZ 2001, 232; OLG Hamm NJW-RR 2005, 1477).

b) Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für ein Spiel der Alten Herren.

Bei dem zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab ist zu sehen, dass auch bei einem solchen Spiel jeder Spieler sein Bestes geben will. Andererseits besteht aber zumindest stillschweigend ein gewisser Vertrauenstatbestand dahin, es werde wegen der geringeren Bedeutung nicht so sehr „zur Sache gegangen” und im Zweifel auch eher der Fuß zurückgezogen als bei einem Meisterschaftsspiel. Daher dürfen an die Gebote der Fairness und damit auch an den Maßstab der gebotenen und erforderlichen Sorgfalt zwar durchaus höhere Anforderungen gestellt werden (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 1043). Die Sorgfaltsanforderungen dürfen jedoch nicht in dem Sinne überspannt werden, dass jeglicher körperlicher Einsatz verpönt wäre, wie man es unter Umständen bei einem Freizeitfußballspiel unter Freunden annehmen könnte. Denn auch bei einem Fußballspiel der Alten Herren handelt es sich um ein Kampfspiel. Der Charakter eines Spiels beurteilt sich nicht nach dem Alter der Spieler, sondern nach den Umständen, die dem jeweiligen Spiel sein Gepräge geben. Das Spiel ist aber weiterhin gekennzeichnet durch den „Kampf um den Ball“, bei welchem es unweigerlich auch zu einem körperlichen Kontakt kommt. Einem Spiel als solchem ist immanent, dass es zumindest auch darum geht, den Platz als Sieger zu verlassen.

Bei einem Spiel der Alten Herren ist aber auch zu berücksichtigen, dass sich die Verletzungsgefahr wegen der unterschiedlichen körperlichen Fitness und technischen Fähigkeiten sowie der geringeren Konzentration der Spieler aufgrund der geringeren Bedeutung des Sieges im Vergleich zu Meisterschaftsspielen, wesentlich erhöht. Im Hinblick auf das damit einhergehende hohe Haftungsrisiko ist es deshalb bei zusammenfassender Würdigung der genannten Gesichtspunkte gerechtfertigt, ein Verschulden auch bei Spielen der Alten Herren erst dann anzunehmen, wenn der Bereich der unzulässigen Unfairness erreicht wird.

2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der dem Kläger obliegende Beweis der Überschreitung der Grenze zur unzulässigen Unfairness nicht erbracht worden ist, weshalb seine Klage auf Schadensersatz abzuweisen ist.

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a) Allerdings kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Schiedsrichter das Verhalten des Beklagten nicht durch Zeigen einer gelben oder roten Karte geahndet hat. Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass das Landgericht den namentlich nicht benannten Schiedsrichter nicht als Zeugen vernommen hat und daher auch keine Feststellungen treffen konnte, warum eine Ahndung nicht erfolgte.

b) Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich aber gleichwohl als zutreffend.

aa) Das Landgericht hat zunächst zu Recht und mit zutreffender Begründung, die der Senat teilt, angenommen, dass der Beklagte gegen die Regel 12 der Fußball-Regeln des DFB verstoßen hat, indem er den Kläger mit seinem Bein (Fuß oder Knie) im Gesicht getroffen hat. Gegen Regel 12 verstößt ein Spieler u. a. dann, wenn er nach Einschätzung des Schiedsrichters einen Gegner fahrlässig, rücksichtslos oder brutal tritt oder versucht ihn zu treten. Dabei liegt Fahrlässigkeit nach der Auslegung der Spielregeln und Richtlinien der FIFA für Schiedsrichter vor, wenn ein Spieler unachtsam, unbesonnen und unvorsichtig in einen Zweikampf geht. Die für Fußballverbandsspiele geltenden Fußballregeln des DFB dienen zwar in erster Linie dazu, die Eigenheiten des Spiels zu prägen, den Spielfluss und die Chancengleichheit zu gewährleisten und einen Ausgleich für regelwidrig erlangte Vorteile zu schaffen. Sie enthalten aber auch Regeln dazu, welche Handlungen zum Schutz der Spieler vor Verletzungen nicht erlaubt sind. Auch wenn es sich dabei nicht um Rechtsnormen handelt, können sie doch Aufschluss darüber geben, was als spielordnungsgemäßes Verhalten anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1974 – VI ZR 100/73, aaO; OLG Saarbrücken, aaO).

bb) Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Grenze zur unzulässigen Unfairness überschritten ist. Der objektive Regelverstoß indiziert nicht automatisch ein schuldhaftes Verhalten (OLG München, aaO, Rnr. 38).

(1.) Nach dem protokollierten Ergebnis der Anhörung der Parteien und der Beweisaufnahme vor dem Landgericht ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Beklagte bei seiner Fußbewegung in Richtung des Oberkörpers des Klägers „voll durchgezogen“ und schwerste Verletzungen des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen und damit die Grenze zur Unfairness überschritten hat.

Bei dem Geschehen, das zu den höchst bedauerlichen Verletzungen des Klägers geführt hat, handelt es sich um einen hoch dynamischen Prozess, der sich in Bruchteilen von Sekunden unmittelbar vor dem Tor abgespielt hat. Während der Kläger als Stürmer versuchte, den von dem gegnerischen Torwart abgewehrten Schuss in das Tor zu köpfen, war der Beklagte bemüht, den Ball vor dem heranstürmenden Kläger aus der Gefahrenzone zu befördern. Die konkrete Spielsituation war danach bestimmt von dem gegenseitigen Bemühen der Parteien, den Ball jeweils zuerst zu erreichen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass beide Spieler mit höchstem Einsatz spielten, da es sich nicht um eine belanglose Spielsituation handelte, sondern um die Möglichkeit ein Tor zu erzielen bzw. zu verhindern. Torchancen darf ein Fußballspieler aber auch dann zu verhindern versuchen, wenn er dabei einen persönlichen Kontakt riskiert. Grade in einer solchen Situation tritt das Wesen des Fußballspiels als Kampfspiel in den Vordergrund, in dem es darum geht, schneller als der Gegner am Ball zu sein und das Letzte an Gewandtheit und Schnelligkeit herauszuholen. Dabei haben die Spieler im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen, Risiken einzugehen und Entscheidungen zu treffen.

Unter den geschilderten Umständen vermag der Senat nicht anzunehmen, dass der Versuch des Beklagten, den Ball aus der Gefahrenzone zu befördern aus Gründen der Fairness hätte unterbleiben müssen. Anders als in den Fällen, in denen ein Spieler, ohne Chance den Ball zu erreichen, einem Mitspieler von hinten in die Beine grätscht und dabei Verletzungen billigend in Kauf nimmt, kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass der Beklagte keine Chance gehabt hätte den Ball zu spielen. Es steht angesichts der unterschiedlichen Zeugenaussagen noch nicht einmal fest, ob er den Ball tatsächlich nicht sogar getroffen hat, was die Zeugen …[C] und …[D], anders als die Zeugen …[A] und …[B], bestätigt haben. Jedenfalls kann die Behauptung des Beklagten, er habe versucht den Ball zu erreichen, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als widerlegt angesehen werden. Genauso gut ist es vorstellbar, dass der Kläger aufgrund überlegener Schnelligkeit und größeren Geschicks den Bruchteil einer Sekunde schneller am Ball war, als der Beklagte, mit der Folge, dass dieser nicht den Ball, sondern den Kläger unglücklich am Kopf getroffen hat. Eine gravierende Regelwidrigkeit kommt in der Regel jedoch nicht in Betracht, wenn eine reelle Chance bestand, den Ball zu erreichen (OLG Stuttgart MDR 2000, 1432). Angesichts der Unklarheit des Hergangs ist es für den Senat sehr wahrscheinlich, dass der Beklagte subjektiv davon ausging, den Ball noch vor dem Kläger „wegschlagen“ zu können.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass ein brutales Spiel entsprechend den genannten Auslegungsregeln nicht nur dann vorliegt, „wenn ein Erreichen des Balls von vornherein aussichtslos gewesen wäre“. Brutales Spiel liegt vielmehr (auch) dann vor, wenn ein Spieler übertrieben hart in einen Zweikampf geht und die Verletzung des Gegners in Kauf nimmt.

Eine entsprechende Überzeugung vermag der Senat aufgrund der unterschiedlichen Zeugenaussagen jedoch ebenso wie das Landgericht nicht zu gewinnen. Zu sehen ist auch, dass der Kläger schon nach eigenem Bekunden nicht zu dem Kopfball hoch gesprungen ist, sondern den Ball etwa in Brusthöhe köpfte. Nach den Bekundungen des Zeugen …[D] war der Ball sogar nur 60 bis 70 cm hoch und für einen Kopfball gar nicht geeignet. Nach den Angaben des Zeugen …[B] befand sich der Kläger mit dem Kopf auf einer Höhe von lediglich 1,25 m und nach den Schilderungen des Zeugen …[C] in einer Höhe von ca. 1,50 m bis 1,70 m. Zwar kann aufgrund dieser Aussagen nicht angenommen werden, dass sich der Kläger wegen „zu tiefen Kopfs“ unsportlich verhalten hat. Allerdings kann auch eine Spielsituation, die eindeutig den Rückschluss auf ein rücksichtloses „Durchziehen“ und ein brutales Spiel des Beklagten zuließe, nicht festgestellt werden.

(2.) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

Bei der Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung beschränkt sich die Prüfung des Senats nicht darauf, ob das Landgericht in erster Instanz den Prozessstoff und die Beweisergebnisse umfassend und widerspruchsfrei geprüft hat und seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist, ohne gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu verstoßen. Der Senat hat den vorgelegten Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen vielmehr auch dahin zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sachlich überzeugend ist (Senat, Hinweisbeschluss vom 13. Februar 2015 – 3 U 1261/14; BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 – VersR 2011, 769 Rn. 22 m.w.N; Beschluss vom 19. November 2014 – IV ZR 317/13). Diesen Anforderungen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts stand; sie ist auch sachlich überzeugend.

Ohne Erfolg rügt die Berufung das Landgericht habe den Aussagen der lediglich als Zuschauer beteiligten und weit vom Geschehen entfernten Zeugen …[D] und …[C] einen zu hohen Beweiswert zuerkannt. Es gibt keine allgemeinen Erfahrungssatz, dass der Beweiswert von Aussagen von Zuschauern grundsätzlich geringer ist, als derjenige von Aussagen von „zuschauenden“ Mitspielern. Der Umstand, dass es sich bei den Zeugen …[A] und …[B] um Mitspieler gehandelt hat, während die vom Beklagten benannten Zeugen lediglich als Zuschauer dem Spiel beigewohnt haben, führt nicht ohne weiteres dazu, dass die Zeugen …[A] und …[B] die besseren Wahrnehmungsmöglichkeiten hatten. Ihre Wahrnehmungen können genauso gut auch eher von Emotionen im Spielverlauf beeinflusst worden sein, als bei den Zuschauern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Spielverlauf für ihren Mannschaftskameraden diese tragische Wendung genommen hat. So hat der Zeuge …[A] seine Aussage dadurch relativiert, dass er ausgesagt hat, es sei nur seine „subjektive Wertung“. Dadurch erscheint zweifelhaft, ob der Zeuge wirklich das bekundet hat, was er noch in sicherer Erinnerung hatte. Das Landgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass seit dem Geschehen nahezu fünf Jahre vergangen sind und die Erinnerungen durch Gespräche untereinander überlagert worden sein können.

Es lässt sich daher lediglich feststellen, dass es sich um einen zwar hart aber noch nicht die Grenze der Unfairness überschreitenden Zweikampf um den Ball handelte, mit den sehr bedauerlichen Folgen für den Kläger. Dass sich der Hergang des Geschehens nicht weiter aufklären lässt, geht zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.

c) Die von dem Kläger erlittenen schweren Folgen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Das Sich-Einlassen des Spielers auf die nicht vermeidbaren Risiken eines Fußballspieles umfasst rechtlich auch die Fälle, in denen sich die bewusst in Kauf genommene Gefahr in besonders schwerer Weise verwirklicht hat. Ob das Verhalten des schädigenden Spielers die Grenze der Unfairness überschreitet, kann nur aus der Sicht des Augenblicks beurteilt werden und nicht danach, welche Folgen später entstanden sind (BGH NJW 1975, 109). Allein die Verletzungsfolgen begründen daher noch keinen Anscheinsbeweis für eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung oder ein schuldhaftes Verhalten (OLG Düsseldorf r+s 2005, 435).

d) Der Senat sieht davon ab, die Parteien erneut anzuhören und die Beweisaufnahme zu wiederholen, da Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der getroffenen Feststellungen nicht begründet sich und der Senat sich auch keine weitere Erhellung des Sachverhalts verspricht.

Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 6.100 € festzusetzen.


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