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Hähnchen-Kebab aus mit Brühwurstbrät vergleichbarer Masse


Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Az: OVG 5 N 27.12

Beschluss vom 10.07.2014


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. September 2012 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,- € festgesetzt.


Gründe

Die Klägerin, ein fleischverarbeitender Betrieb, stellt ein als „Hähnchen-Kebab“ bezeichnetes Halbfertig-Tiefkühl-Produkt her, welches in Folie verschlossen in 300 g-Packungen über den Lebensmitteleinzelhandel in den Verkehr gebracht wird. Die Umverpackung trägt auf allen Seiten die Bezeichnung „Hähnchen-Kebab“, wobei sich auf der Rückseite darunter in kleinerer Schrift die Angabe „aus Hähnchenfleisch zubereitet, arttypisch gewürzt, durchgegart und geschnitten, tiefgefroren“ findet. Auf Vorder- und Rückseite ist jeweils ein Foto mit einem Serviervorschlag abgebildet.

Nach der von der Lebensmittelaufsicht im Oktober 2009 veranlassten Untersuchung einer Planprobe durch das Landeslabor Berlin-Brandenburg bestand das stärkehaltige Geflügelfleischerzeugnis überwiegend aus einer wie Brühwurstbrät fein zerkleinerten, feinporigen Masse mit einigen Skelettmuskelfleischstückchen, arteigen in Geruch und Geschmack, deutlich schwammig im Biss. Diese Beschaffenheit gehe aus der gewählten Produktbezeichnung nicht hervor; diese suggeriere vielmehr, dass das Erzeugnis aus natürlich gewachsenem Hähnchenfleisch bestehe. Für ein stärkehaltiges, feinzerkleinertes Geflügelfleischerzeugnis sei die Bezeichnung „Hähnchen-Kebab aus Hähnchenfleisch zubereitet, arttypisch gewürzt, durchgegart und geschnitten“ unzutreffend und irreführend. Aufgrund dieser Beurteilung erstattete das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Strafanzeige gegen Verantwortliche der Klägerin.

Deren daraufhin erhobene negative Feststellungklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. September 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das streitgegenständliche Produkt sei irreführend bezeichnet. Die Klägerin habe mit dem Begriff „Hähnchen-Kebab“ eine verkehrsübliche Bezeichnung gewählt. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher erwarte bei dieser Bezeichnung ein Produkt aus Fleischstückchen „wie gewachsen“. Das ergebe sich aus Ziffer 2.511.7 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs (DLMB), wonach bei „Hähnchen-Döner Kebab“ kein wie Hackfleisch zerkleinertes Fleisch eingesetzt werde. Dies habe für das Produkt der Klägerin Bedeutung, weil Teile der Verbraucherschaft den Begriff „Kebab“ mit „Döner Kebab“ gleichsetzten. Auch diejenigen Verbraucher, die den Begriff „Kebab“, losgelöst vom „Döner Kebab“, in seinem ursprünglichen Sinne (kleine am Spieß gebratene Fleischstücke) verstünden, erwarteten Fleischstückchen wie gewachsen. Durch das Foto mit dem Serviervorschlag, das deutliche Muskelfaserstrukuren erkennen lasse, werde der Verbraucher noch in der Annahme bestärkt, es handele sich um Stücke aus Hähnchen-fleisch „wie gewachsen“. Dieser Verbrauchererwartung entspreche das Produkt der Klägerin angesichts des brätartigen Charakters und der Schwammigkeit im Biss nicht.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe.

1. Auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben. Mit dem Zulassungsantrag werden schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen würden, nicht vorgetragen (hierzu vgl. etwa Beschluss des Senats vom 31. August 2012 – OVG 5 N 1.10 -, juris Rn. 7; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15).

Das Verwaltungsgericht hat die Bezeichnung des in Rede stehenden Produkts als „Hähnchen-Kebab“ zu Recht als irreführend im Sinn von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 – sog. Basisverordnung – angesehen.

Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Verbraucher aufgrund der Produktbezeichnung und bei einer Gesamtbetrachtung des Produkts Fleischstückchen „wie gewachsen“ erwarte, denn sie habe mit dem Begriff „Kebab“ eine Phantasiebezeichnung gewählt und auf der Rückseite der Verpackung als Teil der Verkehrsbezeichnung deutlich auf das Vorliegen eines kleinstückigen Erzeugnisses hingewiesen, dringt die Klägerin nicht durch.

Die Klägerin hat offenkundig keine Phantasiebezeichnung gewählt. Beanstandungsfrei hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die von ihr gewählte Bezeichnung „Hähnchen-Kebab“ von Verbrauchern mit „Hähnchen-Döner Kebab“ gleichgesetzt wird. Soweit Verbraucher den Begriff „Kebab“ dagegen in seinem ursprünglichen Sinne als „kleine am Spieß gebratene (Hähnchen)fleischstücke“ verstehen, gilt im Ergebnis nichts anderes: Beide Verbrauchergruppen erwarten Stücke aus Hähnchenfleisch „wie gewachsen“. Die Verwendung des Zusatzes „arttypisch gewürzt“ lässt im Übrigen darauf schließen, dass die Klägerin selbst den Begriff traditionell und nicht als Phantasiebezeichnung versteht.

Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend unter Hinweis auf „Wikipedia“ und „Duden online“ ausgeführt, dass es sich bei dem Begriff des „Kebab“ (auch in der Schreibweise „Kebap“) um eine nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 Alt. 1 der Richtlinie 2000/13/EG – sog. Etikettierungsrichtlinie -, § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln – LMKV – handelt, die ursprünglich aus dem türkischen bzw. arabischen Sprachgebrauch stammt („Kalbfleisch in rechteckige Stücke geschnitten und gegrillt“ bzw. „Gericht aus kleinen, am Spieß gebratenen [Hammel]fleischstücken“) und im Deutschen – exemplarisch für die 90er Jahre – eine Kurzbezeichnung für den „Dönerkebab“ („Kebab aus an einem senkrecht stehenden, sich drehenden Spieß gebratenen, stark gewürztem Hammelfleisch“) darstellt.

Diese Feststellung vermag die Klägerin weder durch Spekulationen, worauf der Eintrag in Wikipedia zurückzuführen sei, zu erschüttern noch durch Mutmaßungen, wie der Begriff „Döner-Kebab“ in Duden online anderweitig hätte definiert werden müssen, um den Begriff „Kebab“ mit zu umfassen. Auch die von der Klägerin angeführten Internetauftritte zweier Lebensmittelüberwachungsbehörden geben zur Begründung ihrer Auffassung nichts her. Denn in ihnen ist „Kebab“ als alleinstehende Bezeichnung gar nicht erwähnt. Der im Jahr 2011 vom Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen (ALTS) gefasste Beschluss, mit dem Begriff „Kebab“ sei in Deutschland keine konkrete Verkehrsauffassung verbunden (vgl. Top 24 – Beschluss Ziff. 4 der Ergebnisse der 67. Arbeitstagung des ALTS vom 20.-22. Juni 2011), stellt zwar eine gewichtige, sachverständige Äußerung der Fachkreise dar. Sie schließt jedoch eine eigene, abweichende Feststellung der Kammer hierzu nicht aus, weil deren Mitglieder nicht nur Teil der Verbraucherschaft sind, sondern angesichts der häufigen Befassung mit vergleichbaren Fragestellungen aus dem Lebensmittelrecht hierzu auch aus eigener Anschauung sachkundig sind. Dass die Wertung der Kammer hier durch den Beschluss des ALTS vom Juni 2011 nicht ausgeschlossen ist, gilt auch im Hinblick darauf, dass es dem Beschluss des Arbeitskreises im Gegensatz zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts an einer Begründung mangelt.

Das Verwaltungsgericht konnte auch Ziff. 2.511.7 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28. November 1974 (Beilage zum BAnz. Nr. 134 vom 25. Juli 1975), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Januar 2010 (BAnz. Nr. 16 vom 29. Januar 2010), für seine Auffassung heranziehen. Richtig ist zwar, dass darin eine allgemeine Verkehrsauffassung nur für die Bezeichnung „Döner Kebab“ festgestellt wird. Allerdings kann diese Leitsatzziffer, die sich u.a. mit „Hähnchen-Döner Kebab“ befasst, mit dem Verwaltungsgericht zwanglos auch dahingehend verstanden werden, dass „Döner Kebab“ gegenüber „Kebab“ die gängigere Formulierung ist und das „Kebab“ mit umfasst. Entsprechendes gilt für die isolierte Begrifflichkeit des „Döner“. Der Hinweis der Klägerin auf die unterschiedlichen Begrifflichkeiten des „Wiener Schnitzel“ (Kalbfleischschnitzel) und der „Wiener“ (Würstchen) ist dagegen unergiebig, da derartig unterschiedliche Begrifflichkeiten bei „Döner“, „Kebab“ und „Döner Kebab“ gerade nicht erkennbar und auch von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden sind.

Hat die Klägerin mit der Bezeichnung „Hähnchen-Kebab“ eine verkehrsübliche Bezeichnung gewählt, handelt es sich bei den weiteren Produkterläuterungen, die sich auf der Rückseite der Produktverpackung in nur vergleichsweise kleiner Schrift befinden – „aus Hähnchenfleisch zubereitet, arttypisch gewürzt, durchgegart und geschnitten, tiefgefroren“ – nicht um einen Bestandteil der Verkehrsbezeichnung, sondern lediglich um zusätzliche, das Erzeugnis näher spezifizierende Angaben. Von Bedeutung sind diese Angaben für die Frage, ob die Gesamtaufmachung des Produkts eine Irreführung ausschließt.

Die Verwendung einer die Verbraucher irreführenden Bezeichnung unter Berücksichtigung der Gesamtaufmachung des Produkts hat das Verwaltungsgericht zu Recht bejaht, ohne dass die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin durchzudringen vermögen.

Mit der Produktbezeichnung „Kebab“, gleichzusetzen mit „Döner Kebab“, verbindet der Verbraucher die Erwartung, es handele sich bei dem Erzeugnis um – wenn auch dünn geschnittene – Streifen aus Hähnchenfleisch „wie gewachsen“. Dies ergibt sich aus Ziff. 2.511.7 der o.g. Leitsätze, welche die Verbraucherwartung bestimmt (zur Vermutungswirkung der von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen und im Deutschen Lebensmittelbuch, vgl. § 15 LFGB, niedergelegten Leitsätze für die Verbrauchererwartung vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 2012 – BVerwG 3 C 17.12 -, juris Rn. 22, sowie Urteil vom 10. Dezember 1987 – BVerwG 3 C 18.87 -, juris Rn. 34 und Urteil des Senats vom 15. Mai 2014 – OVG 5 B 4.11 -, UA S. 7 und Beschluss vom 21. Mai 2014 – OVG 5 N 23.12 -, juris Rn. 9). Danach weisen u.a. „Hähnchen-Döner Kebab“ als besondere Merkmale dünne Fleischscheiben, auf Drehspieß aufgesteckt, auf. Ferner wird bei Hähnchen-Döner Kebab kein wie Hackfleisch zerkleinertes Fleisch eingesetzt (vgl. Ziff. 2.511.7, 2. Absatz, Satz 3 der Leitsätze). Vor diesem Hintergrund erwartet der Verbraucher bei einem (Döner) Kebab Fleisch „wie gewachsen“, und bei einem Tiefkühlprodukt wie dem vorliegenden mit „arttypisch“ gewürzten gegarten Hähnchenfleisch-Teilchen geht seine Erwartung dahin, dass es nach dem Aufbraten so schmeckt wie das direkt vom Döner-Drehspieß abgesäbelte Hähnchenfleisch, das keine strukturellen Veränderungen gegenüber dem Fleisch „wie gewachsen“ aufweisen darf. Entsprechendes erwarten diejenigen Verbraucher – dies hat die erstinstanzliche Entscheidung beanstandungsfrei ausgeführt -, die den Begriff „Kebab“ in seinem ursprünglichen Sinne verstehen, da für diese Kreise „Kebab“ für kleine am Spieß gebratene Fleischstücke steht.

Die hiergegen gerichtete Argumentation der Klägerin, es sei bei einem traditionellen „Döner Kebab“, bei dem mehrere Lagen sehr dünner Fleischscheiben überein-ander auf einen Spieß gesteckt würden, ausgeschlossen, dass die einzelnen Stückchen aus Fleisch im natürlich gewachsenen Gewebszusammenhang bestünden, verkennt die Begriffsbestimmung „Fleisch wie gewachsen“ im weitesten Sinne. Diese setzt lediglich, worauf das Landeslabor Berlin-Brandenburg in seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 2012 hingewiesen hat, die physiologische Unversehrtheit, d.h. die Erhaltung der physiologischen und funktionellen Gewebestrukturen voraus, hingegen nicht die anatomische Unversehrtheit, d.h. das Vorhandensein der gesamten intakten Muskulatur in ihrer anatomischen Gesamtheit. Hieran anknüpfend enthält ausweislich Ziff. 2.511.7 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse ein „Döner Kebab“ mindestens 40 % gewachsenes Fleisch in Form von dünnen Fleischscheiben, während „Hähnchen-Döner Kebab“ ungeachtet eines Hautanteils von bis zu 18% in Gänze aus gewachsenem Hähnchenfleisch besteht. Demgegenüber gelten sowohl gewolftes Fleisch wie Hackfleisch, bei dem der Gewebeverband nicht mehr zu erkennen ist, als auch gekuttertes Fleisch wie Brühwurst, bei dem selbst die kleinste Untereinheit, die Skelettmuskelfaserstruktur, nicht mehr erhalten ist, oder ähnlich zerkleinertes Fleisch nicht mehr als „Fleisch wie gewachsen“.

Ohne Bedeutung für diese in Ziff. 2.511.7 der o.g. Leitsätze festgeschriebene Verbrauchererwartung ist die von der Klägerin verwendete Herstellungstechnologie. Denn dem Durchschnittsverbraucher, auf dessen Sicht abzustellen ist, dürften die Einzelheiten industrieller Herstellungsprozesse nicht bekannt sein, und für diesen ist es unerheblich, welche Herstellungstechnologie im Einzelfall eingesetzt worden ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 10. Juni 2014 – OVG 5 N 30.12 – [gekochter Schinken], juris Rn. 12, und vom 21. Mai 2014 – OVG 5 N 3.12 sowie OVG 5 N 23.12 -, juris Rn. 13 [jeweils Truthahnbrust]). Im Übrigen müssen sich auch Gastronomiebetriebe, in denen „Döner Kebab“ bzw. „Kebab“ hergestellt wird, an Ziff. 2.511.7 der Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse messen lassen.

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Den dargelegten Anforderungen von Ziff. 2.511.7 der Leitsätze hält das beanstandete Produkt nicht stand. Ausweislich der vom Landeslabor Berlin-Brandenburg durchgeführten sensorischen Prüfung handelte es sich bei den untersuchten Produkten um ein tiefgefrorenes, gegartes, in dünnen Streifen geschnittenes Geflügelfleischerzeugnis aus einer wie Brühwurst fein zerkleinerten feinporigen Masse mit einigen Skelettmuskelfleischstückchen, was sich als deutlich schwammig im Biss darstellte. Die histologische Untersuchung ergab hauptsächlich Skelettmuskulatur, überwiegend wie Brühwurstbrät fein zerkleinert (vgl. Untersuchungsbericht vom 14. Dezember 2009 sowie Stellungnahme vom 1. März 2011).

Auf eine derartige Beschaffenheit weist die Bezeichnung „Hähnchen-Kebab“ nicht hin. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesamtaufmachung des Produkts unter Berücksichtigung der weiteren auf der Rückseite der Verpackung angeführten Erläuterungen sowie des auf Vorder- und Rückseite der Verpackung mit einem Serviervorschlag versehenen Fotos. Die auf der Rückseite der Verpackung befindliche und zudem kleiner gedruckte Formulierung „aus Hähnchenfleisch zubereitet, arttypisch gewürzt, durchgegart und geschnitten, tiefgefroren“ lässt den Verbraucher im Unklaren über die tatsächliche Beschaffenheit des Produkts. Aus dem Begriff „Hähnchenfleisch“ schließt er keinesfalls in Analogie zu „Hackfleisch“, dass es sich um zerkleinertes Fleisch handeln könnte. Denn bereits der erste Teil des zusammengesetzten Substantivs „Hackfleisch“ weist auf die Zerkleinerung des Ausgangsprodukts hin, wie sich auch aus Ziff. 2.511.7 der Leitsätze ergibt. Der weitere Hinweis, dass das Fleisch „durchgegart und geschnitten“ ist, gibt dem Verbraucher ebenfalls keine Veranlassung zu der Annahme, es handele sich nicht um ein Produkt aus Fleischstückchen „wie gewachsen“. In Übereinstimmung mit dieser Verbrauchererwartung lässt das Foto mit dem Serviervorschlag typische Muskelfaserstrukturen erkennen.

Nichts anderes gilt im Übrigen, sähe man die Angaben auf der Rückseite der Packung als Verkehrsbezeichnung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV an, da diese es dem Verbraucher aus den vorstehenden Gründen nicht ermöglichen, das Produkt der Klägerin von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden, und somit eine Irreführung nicht ausgeschlossen ist. Zu der – nahe liegenden – Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Beifügung „arttypisch gewürzt“, lasse darauf schließen, dass die Klägerin offenbar selbst den Begriff des „Hähnchen-Kebab“ traditionell verstehe, äußert sich die Klägerin nicht. Ebenso wenig hat sie Anhaltspunkte vorgetragen, die dem Verwaltungsgericht hätten Veranlassung geben müssen, für den Zeitpunkt der behördlichen Beanstandung des streitgegenständlichen Produkts im Jahre 2009 hinsichtlich des „Hähnchen-Kebab“ von einer Phantasiebezeichnung bzw. einer anderen Verbraucherwartung als der dargelegten auszugehen.

2. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, weil die Rechtssache keinen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann aus den unter 1. genannten Gründen sicher beurteilt werden, dass das Verwaltungsgericht richtig entschieden hat.

3. Die weiterhin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO läge nur dann vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwürfe, die sich auch in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Demgemäß fordert die Darlegung dieses Zulassungsgrundes prinzipiell die Formulierung einer konkreten, entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und im obergerichtlichen Verfahren klärungsfähigen Rechts- oder Tatfrage von fallübergreifender Bedeutung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 20. September 2011 – OVG 5 N 25.08 -). Diesen Anforderungen entspricht der Antrag nicht. Die Verkehrsbezeichnung des streitgegenständlichen Produkts ist einzelfallbezogen zu beurteilen und wirft keine Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung auf, die der obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die Verbrauchererwartung wiederum ist Ziff. 2.511.7 der o.g. Leitsätze zu entnehmen, ohne dass insoweit das industrielle Herstellungsverfahren oder das Angebot entsprechender Gastronomiebetriebe von Bedeutung ist.

4. Die Divergenzrüge der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Eine die Berufung eröffnende Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (vgl. zum Revisionsrecht etwa Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – BVerwG 8 B 38.10 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, mit dem die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 30. Juni 2010 (- 13 LB 9/08 -, juris Rn. 59) eine Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von dem Rechtssatz rügt, maßgebliche Verkehrsauffassung sei diejenige zum Zeitpunkt der Beanstandung, nicht gerecht. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verwaltungsgericht von diesem Grundsatz abgewichen ist bzw. insoweit, ausgehend von dem Jahr 2009, Veranlassung zu einer anderen Sichtweise hätte haben müssen.

5. Die Klägerin zeigt auch nicht mit Erfolg auf, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Ihre Rüge, das angefochtene Urteil stelle hinsichtlich der Frage der Verkehrsbezeichnung eine Überraschungsentscheidung dar, weil es ohne besonderen Hinweis „entgegen der Auffassung der Klägerin und des Beklagen die Phantasiezeichnung ‚Hähnchen-Kebab‘ zu einer Verkehrsbezeichnung erhoben“ habe, geht fehl. Der vermeintliche Verfahrensfehler, d.h. eine von der Klägerin in der Sache gerügte Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), ist dem Verwaltungsgericht nicht unterlaufen. Da die Bezeichnung des Produkts und die entsprechende Verbrauchervorstellung Streitgegenstand waren, konnte und musste die Klägerin ihren Vortrag und ihre Antragstellung hierauf einstellen. Dementsprechend führte sie noch in der mündlichen Verhandlung an, dass es sich bei dem Begriff „Hähnchen-Kebab“ um eine Phantasiebezeichnung handele.

Mit ihrem sinngemäßen Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe mangels Einholung eines Sachverständigengutachtens zur allgemeinen Verkehrsauffassung den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, zeigt die Klägerin ebenfalls keinen Verfahrensverstoß auf. Für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsauf-klärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachver-haltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch Stellung eines Beweisantrages hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (siehe zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2009 – BVerwG 5 B 111.08 -, juris Rn. 6). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht. Weder hat sie in der mündlichen Verhandlung, obwohl anwaltlich vertreten, durch die Stellung eines Beweisantrages nach § 86 Abs. 2 VwGO auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt noch legt sie dar, warum sich dem Verwaltungsgericht eine solche aufdrängen musste. Für das Verwaltungsgericht haben angesichts dessen, dass es die Verbrauchererwartung auch bezogen auf den vom „Döner Kebab“ losgelösten Begriff des „Kebab“ betrachtet und sich mit den auf der Rückseite des Produkts befindlichen Erläuterungen befasst hat, keine durchgreifenden Anhaltspunkte bestanden, die es zum Ausgangspunkt von eigenen Nachforschungen hätte machen müssen. Zudem können die Gerichte – wie oben bereits angeführt – in der Regel selbst die Verkehrsauffassung ermitteln.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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