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Zur Haftung des Unternehmens für die objektiv unrichtige Erklärung, verlorengegangene Daten auf einer EDV-Anlage seien nicht wiederherzustellen.

BGH

Az.: X ZR 19/98

Urteil vom 11. April 2000

Vorinstanz: OLG Düsseldorf vom 15.12.97 – Az.: 5 U 92/97~ LG Düsseldorf vom 20.02.97 –Az.: 3 0 116/95


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2000 für Recht erkannt auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Der Beklagte, ein Zahnarzt, hat bei der Klägerin eine EDV-Anlage mit Programmen für seine Praxis erworben. Nachdem er im März 1994 nicht mehr auf die Festplatte des Rechners zugreifen konnte, hat er diesen nach seiner Darstellung der Klägerin mit dem Auftrag zugesandt, entweder die Festplatte zu reparieren oder die Daten auf eine andere Platte zu übertragen. Kurze Zeit nach Eingang des Rechners teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß die Daten von der Platte nicht mehr zu retten seien, und forderte ihn auf, die von ihm erstellten Bänder mit Datensicherungen zu übersenden. Eine Wiederherstellung der Daten von diesen Bändern gelang der Klägerin ebenfalls nicht. Wie sie geltend macht, seien die Bänder teilweise nicht zu lesen gewesen bzw. wiesen eine Inkonsistenz auf.

Parallel zu ihren Reparaturbemühungen hat die Klägerin dem Beklagten eine neue Computeranlage überlassen, in die dieser die relevanten Daten seiner Praxis und seiner Patienten von Hand eingegeben hat. Nachdem die Reparaturbemühungen der Klägerin endgültig gescheitert waren, hat sie von ihm unter anderem den vereinbarten Kaufpreis für diese Anlage verlangt. Zwischenzeitlich hatte der Beklagte die Festplatte des ursprünglichen Rechners einem anderen Unternehmen übergeben, das nach seiner Behauptung von früheren Mitarbeitern der Klägerin gegründet worden ist. Diesem Unternehmen ist es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts innerhalb weniger Stunden gelungen, die Festplatte lauffähig und die darauf befindlichen Daten zugänglich zu machen.

Gestützt hierauf hat der Beklagte gegenüber der Kaufpreisforderung der Klägerin mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet. Zu deren Begründung hat er geltend gemacht, er habe für die fristgerechte Bestellung der Quartalsabrechnung für das erste Vierteljahr 1994 Anfang April die Daten in den neuen Rechner von Hand eingeben und dabei auf Fremdkräfte, unter anderem seine Ehefrau, zurückgreifen müssen. Diesen Kräften habe er eine Vergütung in der Größenordnung von insgesamt 75.000,– DM gezahlt. Diesen Aufwand müsse die Klägerin ersetzen, nachdem sich herausgestellt habe, daß die Festplatte und die darauf befindlichen Daten mit einfachen Mitteln zu retten gewesen wären. Die von ihr gegebene Auskunft, eine solche Reparatur sei unmöglich, sei objektiv falsch gewesen. Diesen Fehler habe sie auch subjektiv zu vertreten. Soweit seine Ansprüche nicht durch die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung verbraucht sind, hat er – nachdem die Klägerin ihre Forderung im Klagewege geltend gemacht hat -wegen des verbleibenden Restbetrages Widerklage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage – abgesehen von einem Restbetrag, dem gegenüber es eine Aufrechnung ausgeschlossen hat – abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises für die Anlage und Streamerbänder verurteilt und im übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seine abgewiesenen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizutreten, daß der Klägerin ursprünglich ein Anspruch auf Vergütung der an den Beklagten veräußerten zweiten Computeranlage zusteht, den das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nach Grund und Höhe als unstreitig bewertet hat. Die Revision ist dem nichtentgegengetreten. Der Streit der Parteien betrifft allein die von dem Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche.

II. 1. Die Zurückweisung der Aufrechnung und die Abweisung der Widerklage hat das Berufungsgericht darauf gestützt, daß dem Beklagten Ersatzansprüche gegen die Klägerin nicht zustünden, weil es an dem dafür erforderlichen Verschulden auf Seiten der Klägerin fehle. Zwar sei ihre Erklärung, ein Zugriff auf die Festplatte sei nicht mehr möglich und die dort befindlichen Daten könnten daher nicht zurückgewonnen werden, objektiv falsch gewesen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten sei sie jedoch ordnungsgemäß vorgegangen, um einen Datentransfer von dem alten auf den neuen Rechner zu ermöglichen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen H. habe sie die gleichen Maßnahmen getroffen wie das später von dem Beklagten eingeschaltete Unternehmen. Zwar habe der Zeuge möglicherweise nicht eine in jeder Hinsicht gegenüber der schadhaften baugleiche Steuerelektronik an der Festplatte benutzt. In ihrem Altbestand habe sich eine solche jedoch nicht befunden; diese habe von ihr auch nicht beschafft werden können. Es sei daher schon „Glück“ gewesen, daß man auf die bei der Klägerin vorhandene Logik überhaupt habe zurückgreifen können. Die Vorhaltung weiterer Altmodelle sei von ihr nicht zu verlangen, zumal der Benutzer eines Computers die Möglichkeit habe, wichtige Daten auf Bändern zu sichern.

Der Klägerin könne auch nicht vorgeworfen werden, daß sie den Beklagten nicht auf die Möglichkeit der Wiedergewinnung von Daten bei Verwendung eines baugleichen Festplattencontrollers hingewiesen habe. Daß ein solches Modell im Handel frei erhältlich gewesen sei, könne dem Parteivortrag, insbesondere dem des Beklagten, nicht entnommen werden. Die Wahrscheinlichkeit, den Anbieter eines solchen Bauteils innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit bis zum notwendigen Abschluß der Quartalsabrechnung aufzufinden, sei außerordentlich gering gewesen, so daß man vom Verlust der Daten habe ausgehen müssen. Hinzugekommen sei, daß die Datensicherung auch aus einem anderen Grunde nicht kalkulierbar und im Ergebnis zufällig sei, da es sich nach der Aussage des Zeugen S., der die Daten dann letztlich zurückgewonnen habe, auch bei der Verwendung eines identischen Chips um eine Zitterpartie gehandelt habe. Damit lägen die Umstände des Falles so, daß der Klägerin ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden könne.

2. Diese Würdigung greift die Revision mit Erfolg an. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Feststellung des erforderlichen Verschuldens auf Seiten der Klägerin überspannt; zugleich hat es bei seiner Wertung wesentlichen Sachvortrag des Beklagten übergangen, wie die Revision mit Recht beanstandet.

a) Wie das Berufungsgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend ausgeführt hat, kommen im vorliegenden Fall zugunsten des Beklagten Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung in Betracht. Die Erklärung der Klägerin, daß die Daten von der Festplatte nicht zurückgewonnen werden könnten, war objektiv falsch. Schon darin ist eine objektive Pflichtverletzung -der Klägerin zu sehen. Sie war die wesentliche Ursache dafür, daß der Beklagte in die nach seiner Darstellung kostenintensive Neueingabe aller für die Abrechnung benötigten Angaben eingetreten ist. Im Rahmen des durch die Übergabe der Festplatte zur Reparatur und zur Wiedergewinnung der Daten begründeten Vertragsverhältnisses durfte der Beklagte erwarten, daß die als Fachunternehmen auftretende Klägerin ihn vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage, insbesondere über die objektiv bestehenden Möglichkeiten einer Reparatur der Festplatte und die für ihn in erster Linie wesentliche Frage der Rückgewinnung der Daten aufklärte und dabei auch über solche Möglichkeiten informierte, die nur eine geringe Chance der Realisierung boten. Darauf, ob anderweitig nur geringe Chancen einer Wiedergewinnung der Daten bestanden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Auftraggeber kann erwarten, von einem Fachunternehmen zutreffend und umfassend über alle Möglichkeiten der Reparatur unterrichtet zu werden. Die Entscheidung darüber, ob auch wenig aussichtsreiche andere Wege beschritten werden sollen, obliegt allein ihm. Darin, daß die Klägerin dem nicht nachgekommen ist, sondern dem Beklagten darüber hinaus eine objektiv unrichtige Erklärung gegeben hat, liegt eine Verletzung der vertraglichen Schutzpflichten durch sie, die eine Schadensersatzpflicht aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung auslösen kann. Daß die Erklärung objektiv unrichtig war, ist durch das Berufungsgericht festgestellt worden; die Revisionserwiderung hat insoweit einen Rechtsfehler nicht aufzeigen können. Das Berufungsgericht ist der Aussage des Zeugen S. gefolgt, der bekundet hat, er habe durch einen bloßen Austausch des festplatteneigenen Controllers die Festplatte wieder gängig und die darauf gespeicherten Daten zugänglich machen können.

Bei diesem Sachverhalt war es Sache der Klägerin, sich hinsichtlich des Verschuldens für die objektiv festzustellende Pflichtverletzung zu entlasten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muß der Schuldner entsprechend dem Rechtsgedanken des § 282 BGB darlegen und gegebenenfalls beweisen, daß er eine objektiv feststehende und zu einem Schaden führende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, wenn die Schadensursache – wie hier -in seinem Verantwortungsbereich liegt (vgl. BGHZ 64, 46, 51; 66, 51, 53; siehe auch Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 282 BGB Rdn. 8 m.w.N.). Dieser Entlastungsbeweis ist nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht geführt. Für einen Sachkundigen waren die Erklärungen der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erkennbar unvollständig und ungenau. Danach hat sich die Klägerin nicht darauf beschränkt, ihr eigenes subjektives Unvermögen zur Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten darzulegen, sondern sie hat gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht, eine Wiederherstellung oder Wiedergewinnung der Daten sei objektiv und damit schlechthin unmöglich. Hiervon durfte sie auch vor dem Hintergrund der vom Berufungsgericht festgestellten Marktverhältnisse nicht ausgehen. Auch wenn man mit der angefochtenen Entscheidung annimmt, daß sich die Klägerin nicht mit dem Einbau der Festplatte in verschiedene Rechner begnügt, sondern weitere Maßnahmen einschließlich eines Austausches des Festplattencontrollers ergriffen hat, durfte sie gegenüber ihrem Kunden nicht in der geschehenen Weise darstellen, daß eine Reparatur ausgeschlossen sei. Als ein auf dem einschlägigen Sektor tätiges Fachunternehmen mußte sie erkennen, jedenfalls aber mit der Möglichkeit rechnen, daß sie noch nicht alles unternommen hatte, um einen Zugriff auf die Festplatte zu ermöglichen. Insoweit ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der für die Klägerin tätige Mitarbeiter nicht einmal geprüft hatte, ob die von ihm als Austausch herangezogene Platine der gleichen Revision wie der defekte Controller entstammte. Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge H., der die Reparaturarbeiten ausgeführt hatte, angegeben, auf die Revision der Platte nicht geachtet zu haben, und es als gut möglich bezeichnet, daß er den Controller einer anderen Revision eingebaut hatte. Damit war auch aus seiner Sicht eine Kompatibilität der Controller nicht gesichert. Das schloß eine abschließende Beurteilung der Wiederherstellungsmöglichkeiten aus und ließ allenfalls die Aussage zu, daß der Klägerin eine solche Reparatur nicht möglich war.

In diesem Zusammenhang kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, daß – wie das Berufungsgericht angenommen hat – ihr ein entsprechender Controller nicht zur Verfügung stand und von ihr auf dem Markt auch nicht beschafft werden konnte. Die Vertragsverletzung der Klägerin liegt nicht darin, daß sie eine solche Beschaffung nicht vorgenommen hat; eine Ersatzpflicht kann sich vielmehr schon daraus ergeben, daß sie dem Beklagten gegenüber behauptet hat, daß eine Reparatur objektiv unmöglich sei, ohne ihn auf die anderweiten Möglichkeiten, mögen diese auch fernliegend gewesen sein, hinzuweisen.

Rechtsfehlerhaft ist die Wertung des Berufungsgerichts zum Vertretenmüssen darüber hinaus auch deshalb, weil diese auf die subjektiven Fähigkeiten und Möglichkeiten der Klägerin abstellt. Abweichend vom Strafrecht gilt im Zivilrecht kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiver Sorgfaltsmaßstab (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, § 276 BGB Rdn. 15 m.w.N.). Es kommt daher nicht darauf an, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten die Klägerin individuell besaß; Maßstab für das Verschulden ist vielmehr, welche Sorgfalt von einem Schuldner in der Lage der Klägerin erwartet werden kann. Daß ein solcher Schuldner nicht hatte erkennen lassen, daß die erteilte Auskunft falsch war und aus der Sicht des Beklagten die Suche nach weiteren Lösungen zu Unrecht als unsinnig erscheinen lassen mußte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. b) Von Rechtsfehlern beeinflußt ist die angefochtene Entscheidung auch, soweit darin Ersatzansprüche des Beklagten wegen der Fehler bei den Sicherungsbändern deshalb verneint werden, weil der Beklagte die Ursächlichkeit eines Fehlverhaltens der Klägerin für die mangelnde Lesbarkeit der Sicherungsbänder nicht schlüssig dargelegt habe. Mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die ausreichende Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen überspannt.

aa) Ein Sachvortrag ist schlüssig und damit erheblich, wenn der Darlegungspflichtige Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.1991 – X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709 = MDR 1992, 66, 67; v. 15.12.1994 – VII ZR 140/93, NJW-RR 1995, 722 u. v. 1.2.1995 – IV ZR 265/93, NJW-RR 1995, 724). Dabei richtet sich der Umfang der erforderlichen Darlegung zum einen nach der Einlassung des Gegners und zum anderen nach dem, was der Partei an näheren Angaben zumutbar und möglich ist (zur Begrenzung der Darlegungslast durch die Zumutbarkeit vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1995 – IV ZR 31/94, MDR 1995, 407 = NJW 1995, 1160; Urt. v. 3.11.1999 – 1 ZR 55/97, NJW-RR 2000, 343, 344 – Werbefotos). Dem genügt das Vorbringen des Beklagten. Dieser hat in der Klageerwiderung geltend gemacht, daß die Fehlerhaftigkeit der Datenstruktur auf den Streamerbändern auf einen Programmierfehler der Klägerin, die das Sicherungsprogramm geliefert und gepflegt hatte, zurückzuführen sei, und sich insoweit zum Beweis auf ein Sachverständigengutachten bezogen. Im gleichen Schriftsatz hat er sein Vorbringen dahin ergänzt, daß die Klägerin ihm, dem Beklagten, schon 1986/1987 ein nach ihren Angaben untaugliches Datensicherungssystem verkauft habe, weil die von der Klägerin gefertigte Software eine Datenstruktur auf den Bändern hergestellt habe, die eine Rekonstruktion nicht zulasse. Dieses Vorbringen hat er mit Schriftsatz vom 9. November 1995 Wiederholt und mit Schriftsatz vom 22. Januar 1996 weiter geltend gemacht, daß er die Datensicherungen regelmäßig in einer der Üblichkeit entsprechenden Weise vorgenommen habe. Mehr als diese Darlegung ist von einem technischen Laien wie dem Beklagten nicht zu erwarten. Zugleich müssen diese Ausführungen genügen, um einem Unternehmen, das wie die Klägerin mit dem Anspruch auf Fachkunde am Markt auftritt, eine sachliche Stellungnahme zu ermöglichen, insbesondere dann, wenn es – wie im vorliegenden Fall – die Bänder erhalten hat und untersuchen konnte. Tatsächlich ist die Klägerin auch sachlich auf dieses Vorbringen des Beklagten eingegangen, indem sie vorgetragen hat, die mangelnde Eignung der Kopien sei darauf zurückzuführen, daß der Beklagte alte Bänder verwendet habe, die schadhaft gewesen seien.

Bei dieser Ausgangslage durfte das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten nicht als unsubstantiiert zurückweisen. Auch im Zivilverfahren darf der Richter von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist, die Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen mangels näherer Bezeichnung nicht beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1994 – VII ZR 140/93, NJW 1995, 722), wenn sie lediglich in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, tatsächlich aber erkennbar aus der Luft gegriffen (BGH, Urt. v. 12.6..1996 – VIII ZR 251/95, NJW-RR 1996, 1212), also ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein aufgestellt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 178/94, MDR 1995, 738 = NJW 1995, 2111), oder wenn es auf die unter Beweis gestellte Tatsache nicht ankommt. Dabei ist sowohl bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 28.2.1992 – 2 BvR 1179/91, NJW 1993, 254) als auch bei der Annahme von Willkür oder Mißbrauch Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 178/94, MDR 1995, 738 = NJW 1995, 2111). Das gleiche gilt dann, wenn sich der Antrag als Ausforschungsbeweis darstellt, der angenommen wird, wenn eine Partei die beweiserheblichen Tatsachen erst durch die Beweisaufnahme zu erfahren sucht, um sie zur Grundlage ihres eigenen neuen Prozeßvortrages zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1984 – VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, 2889). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt eine unzulässige Ausforschung nicht vor, wenn eine Prozeßpartei mangels der nur bei einem Sachkundigen vorhandenen Erkenntnis ‚von Einzeltatsachen nicht umhin kann, von ihr zunächst nur vermutete Angaben als Behauptung in einen Rechtsstreit einzuführen (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1995 – VI ZR 31/94, NJW 1995, ,1160 = MDR 1995, 407). Mangels näherer Kenntnis und insbesondere eines Einblicks in die konkret von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen bei der Erstellung und Implementierung des Datensicherungsprogramms war von dem Beklagten eine über die Behauptung, die Beklagte habe dabei Fehler gemacht, da sich nur so die aufgegriffenen Mängel erklären ließen, hinausgehende Darstellung nicht zu erwarten. Diese genügt daher den Anforderungen an die Substantiierungspflicht. Insoweit hätte das Berufungsgericht daher mit der von ihm gegebenen Begründung nicht von der Erhebung der mit der Klagebeantwortung angebotenen Beweise absehen dürfen.

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bb) Die Versagung von Ersatzansprüchen erweist sich insoweit nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insoweit kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, daß die Rechte des Beklagten verjährt sind. Nach seinen Behauptungen, zu denen das Berufungsgericht Feststellungen nicht getroffen hat, war die Sicherungssoftware eine individuelle Anfertigung durch die Klägerin, so daß das ihrer Lieferung zugrundeliegende Rechtsverhältnis nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist. Für die hier geltend gemachten Schäden gilt dann jedoch nicht die Verjährungsfrist des § 638 BGB, auch wenn – wovon mit Rücksicht auf die vom Beklagten genannten Zeitangaben, nach denen die Programme 1986/1987 geliefert wurden – von einer länger zurückliegenden Abnahme auszugehen sein wird. Mit dem Ausgleich für seine Aufwendungen macht der Beklagte nicht einen unmittelbar auf die Mangelhaftigkeit der Software gestützten Ersatzanspruch geltend, sondern verlangt Ausgleich für einen auf dieser Mangelhaftigkeit beruhenden weiteren Schaden, der rechtlich als sogenannter Mangelfolgeschaden zu qualifizieren ist. Auf diesen findet im vorliegenden Fall § 638 BGB keine Anwendung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist im Rahmen der §§ 635, 638 BGB von einem engen Schadensbegriff vor allem deshalb auszugehen, weil bei Werkverträgen Mangelfolgen nicht selten nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 638 BGB eintreten, die in ihren Wirkungen verhältnismäßig schwer sind und deren Folgen bei zweckgerichteter Auslegung der Vorschriften nicht unter deren Geltungsbereich gebracht werden dürfen, sondern nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung und der für diese geltenden Verjährungsvorschrift des § 195 BGB zu beurteilen sind. Für die Abgrenzung zwischen den nach § 638 BGB verjährenden Mängelfolgeschäden und denen; für die die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt, ist eine an Leistungsobjekt und Schadensersatz orientierte Güter- und Interessenabwägung ausschlaggebend, durch die das Verjährungsrisiko für Mangelfolgeschäden zwischen Unternehmer und Besteller angemessen verteilt wird (vgl. Sen.Urt. v. 8.12.1992 – X ZR 85/91, MDR 1993, 426 = NJW 1993, 923, 924). In den §§ 635, 63ä BGB ist im Grundsatz nur der sogenannte Mangelschaden geregelt, der dem Werk unmittelbar anhaftet, nicht hingegen der sogenannte Mangelfolgeschaden, der zwar auch kausal durch einen Mangel bedingt ist, aber erst durch den Hinzutritt eines weiteren Ereignisses und an anderen Rechtsgütern realisiert wird. Dieser weitere Schaden ist grundsätzlich nach den Regeln der positiven Forderungsverletzung zu ersetzen; der entsprechende Ersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB. Im einzelnen kann die Abgrenzung dabei nicht nach der in beiden Fällen erforderlichen Kausalität erfolgen, sondern nur nach dem lokalen Zusammenhang, das heißt danach, ob sich der Schaden an dem Werk selbst oder an anderen Rechtsgütern verwirklicht hat (vgl. Sen.Urt. v. 25.6.1991 – X ZR 4/90, MDR 1991, 1036 = NJW 1991, 2418, 2419). Bei Anlegung dieser Kriterien scheidet eine Anwendung des § 638 BGB hier aus, da der erforderliche lokale Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem eingetretenen Schaden nicht besteht. Es geht nicht allein um die mangelnde Brauchbarkeit des Sicherungsprogramms, sondern darum, daß sich infolge des Fehlens dieser Brauchbarkeit ein weitergehender, umfangreicher Schaden im Vermögen des Beklagten entwickelt hat.

3. Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das gegebenenfalls auch die notwendigen Feststellungen zur Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs zu treffen haben wird.

 

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