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Hoffahrzeug – Haftungsverteilung bei einem Unfall auf einem Betriebsgelände

Landgericht Mannheim

Az: 1 S 35/14

Urteil vom 08.08.2014


Tenor

1. Die Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 31.01.2014 – 3 C 524/12 – wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Klägerin zu 63 % sowie die Klägerin und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 37 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

3. Das Urteil erster Instanz ist ohne Abwendungsbefugnis und Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 2 ZPO)

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage restlichen Schadensersatz in Höhe von 2.991,93 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgrund eines Verkehrsunfalls am 08.06.2012 gegen 5.50 Uhr auf dem nichtöffentlichen Gelände der Firma F. in Mannheim. Der Beklagte zu 2) begehrt widerklagend gegenüber der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten die Zahlung von restlichem Schadensersatz in Höhe von 1.766,28 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. An der Zufahrt zum Gelände der Firma F. befindet sich ein Verkehrszeichen mit einer Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 15 km/h, ein Hinweisschild „Hier gilt die StVO!“ und darunter ein Schild mit dem Hinweis „Hoffahrzeug hat Vorfahrt!“. Der Drittwiderbeklagte fuhr mit dem Wechselbrückenhubfahrzeug der Klägerin zunächst vor dem LKW des Beklagten zu 2), der vom Beklagten zu 1) geführt und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist. Der Drittwiderbeklagte lenkte das Hubfahrzeug nach links, der Beklagte zu 2) versuchte anschließend, am Hubfahrzeug rechts vorbeizufahren. Der Drittwiderbeklagte lenkte jedoch plötzlich und ohne dies anzuzeigen wieder nach rechts und es kam zur Kollision der Fahrzeuge. Der Schaden wurde von der Beklagten zu 3) auf Grundlage einer hälftigen Haftungsverteilung reguliert; die widerklagend geltend gemachte Forderung entspricht 50 % des der Beklagtenseite entstandenen Schadens.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 592,38 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Widerklage in Höhe von 1.409,02 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Es ist bei der Entscheidung von einer Haftungsquote von 60 % zu Lasten der Beklagten ausgegangen. Mit der Berufung richten sich die Klägerin und der Drittwiderbeklagte gegen die vom Amtsgericht angenommene Mithaftung in Höhe von 40 %, sie verfolgen ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiter.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgerichts ist zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Klägerin für die Folgen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls zumindest in Höhe von 40 % haftet und sie daher allenfalls einen restlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 592,38 Euro hat und dem Beklagten zu 2) gegen die Klägerin und den Drittwiderbeklagten noch ein Anspruch in Höhe von jedenfalls 1.409,02 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zusteht.

1. In nicht zu beanstandender Weise ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass nicht nur den Beklagten zu 1), sondern auch dem Drittwiderbeklagten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, der zu einem Haftungsanteil von zumindest 40 % führt.

a) Das Amtsgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, indem auch die Videoaufzeichnungen vom Unfallgeschehen ausgewertet wurden. Daraus ergibt sich – was von der Klägerin auch nicht bestritten wird -, dass der vor dem Beklagtenfahrzeug fahrende Drittwiderbeklagte mit dem Wechselbrückenhubfahrzeug der Klägerin zunächst deutlich nach links lenkte, um dann während des Vorbeifahrens des Beklagten zu 1) wieder nach rechts zu lenken, als sich der LKW des Beklagten zu 2) bereits fast in gleicher Höhe zum Klägerfahrzeug befand. Der Drittwiderbeklagte hat beim Einscheren nach rechts unstreitig nicht den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt oder seine Absicht, wieder nach rechts zu fahren, in sonstiger Weise angezeigt. Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung hat der Drittwiderbeklagte damit eklatant verletzt, auch wenn er – wie von Klägerseite vorgetragen – anschließend rückwärts an Container heranfahren wollte. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, handelt es sich bei dem vorgenommenen Schlenker nach links, um dann wieder nach rechts zu drehen, um ein untypisches und gefährliches Fahrmanöver, bei dem äußerste Sorgfalt erforderlich ist und bei dem an das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme hohe Anforderungen zu stellen sind.

b) Diese Einschätzung ändert sich auch durch den Hinweis auf der Zufahrt zum Hofgelände, dass Hoffahrzeuge Vorfahrt haben, nicht grundlegend, sondern führt allenfalls zu einem etwas verminderten Sorgfaltsmaßstab. Nach der Beschilderung an der Zufahrt ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gelten. Auch wenn diese Vorschriften durch den Hinweis auf die „Vorfahrt“ des Hoffahrzeuges teilweise modifiziert werden und insbesondere zur Vorfahrtsreglung des § 8 StVO eine abweichende Regelung treffen, gilt jedenfalls die straßenverkehrsrechtliche Grundregel des § 1 StVO auch für Fahrzeuge der Klägerin. Danach erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht, § 1 Abs. 1 StVO. Wer am Verkehr teilnimmt hat sich gemäß § 1 Abs. 2 StVO so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt oder gefährdet wird.

c) Selbst wenn die Sonderregelung auf dem nichtöffentlichen Gelände daher – wie die Klägerin meint – entgegen ihrem Wortlaut so zu verstehen wäre, dass den Hoffahrzeugen der Klägerin ein genereller Vorrang und nicht lediglich an Kreuzungen und Einmündungen Vorfahrt einzuräumen wäre, führt dies nicht dazu, dass der Drittwiderbeklagte jegliche Vorsicht und Rücksichtnahme in Bezug auf andere Fahrzeuge missachten konnte. Auch der Fahrer eines Hoffahrzeugs muss sich insbesondere bei – wie hier – offensichtlich ungewöhnlichen und gefährlichen Fahrmanövern vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Nachdem der Drittwiderbeklagte dies unterlassen hat, hat er auch in erheblichem Maße schuldhaft zur Verursachung des Verkehrsunfalls beigetragen. Eine Freistellung der Klägerin von jeglicher Haftung im Falle einer Kollision mit einem Hoffahrzeug unabhängig von den Umständen des Einzelfalls widerspräche darüber hinaus dem geltenden Verkehrsrecht eklatant und wäre auch als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

d) Die von der Klägerseite aufgeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 30. Januar 2002 – 13 U 82/01 –, juris) betrifft einen mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt. Im dortigen Fall erfolgte die Kollision der Fahrzeuge in einer sogenannten „Boxengasse“, bei der die Funktion als Arbeitsbereich des Radladers im Vordergrund stand und die Funktion als Verkehrsfläche für den LKW-Verkehr zurücktrat. Der Radlader war in eine der „Boxen“ vorwärts hineingefahren und es war zwingend, dass der Radlader auch wieder rückwärts hinausfahren würde, wobei der LKW-Fahrer darauf vertraute, dass der Aufenthalt des Radladers in der „Box“ so lange dauern würde, dass er gefahrlos vorbeifahren könnte. Handelte es sich im vom Oberlandesgericht Köln zu entscheidenden Fall damit um ein vorhersehbares und zu erwartendes Verhalten des Radladers, welches zum Verkehrsunfall führte, war das Fahrmanöver des Drittwiderbeklagten ungewöhnlich und nicht ohne weiteres für den Beklagten zu 1) vorhersehbar. Der Verkehrsunfall fand auch auf einer breiten Straße auf dem Gelände der Firma F. statt, die ersichtlich dem allgemeinen Verkehr von LKW und Hoffahrzeugen diente und nicht in erster Linie dem Umsetzen von Containern. Darüber hinaus fehlte es im anderen Fall auch an einem Hinweis auf die Geltung der StVO, so dass das Oberlandesgericht insgesamt von abweichenden Verkehrsregelungen auf dem nichtöffentlichen Gelände ausgegangen ist.

2. Die vom Amtsgericht angenommene Haftungsquote der Klägerin und des Drittwiderbeklagten von (nur) 40 % ist unter Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge nicht zu beanstanden, nachdem nur die Klägerin und der Drittwiderbeklagte das Urteil mit der Berufung angefochten haben. Die durch die Feststellungen des Sachverständigen festgestellte erhöhte Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs hat sich nicht ausgewirkt, da der Verkehrsunfall nach den überzeugenden Darlegungen im Sachverständigengutachten auch dann passiert wäre, wenn der Beklagte zu 1) die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil es sich um ein Berufungsurteil in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit handelt und weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO).

3. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Für die Entscheidung maßgeblich waren vielmehr Gesichtspunkte des Einzelfalls unter Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze.

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