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Honorarvereinbarung und HOAI – nachträgliche Vereinbarung möglich?

OLG Dresden

Az: 9 U 506/03

Urteil vom 27.04.2004


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2004 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen Landgerichts Dresden vom 10.02.2003 – Az.: wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.211,83 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger macht von der Beklagten die Vergütung für erbrachte Grundleistungen der Tragwerksplanung aus einem Ingenieurvertrag geltend. Mit ihrer Widerklage begehrt die Beklagte die Rückzahlung überzahlten Ingenieurhonorars.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Sachanträge wird insgesamt auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Auftrag, hinsichtlich der Baukomplexe Hotel und Betreutes Wohnens tätig zu werden, wurde dem Kläger bereits mündlich vor dem 02.07.1999 erteilt. Die Beklagte beendete den Ingenieurvertrag mit fristloser Kündigung vom 27.02.2003.

Das Landgericht Dresden hat der Klage insgesamt stattgegeben und die Widerklage als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger sei insbesondere aktivlegitimiert. Ausweislich des vorgelegten Handelsregisterauszugs sei er der Inhaber des Ingenieurbüros, wobei die ursprüngliche Kommanditgesellschaft gleichen Namens bereits 1994 aufgelöst worden sei. Dies gehe gleichermaßen aus dem Briefkopf der Rechnungen des Klägers, aus dem Stempelaufdruck unter dem Ingenieurvertrag und dem hierin verwendeten Rubrum hervor.
Dem Kläger stehe ein Vergütungsanspruch für die von ihm erbrachten Leistungen aus dem Ingenieurvertrag vom 13.12.1999 zu. Gem. § 9 des Vertrages hätten die Parteien vereinbart, dass sämtliche früheren Vereinbarungen aufgehoben und durch diesen Vertrag ersetzt werden, nämlich die Vorverträge Tragwerksplanung vom 06.09.1999 und die Honorarermittlung Tragwerksplanung vom 29.04.1999. Gem. § 3 Abs. 1 sei der Kläger mit den streitgegenständlichen Leistungen beauftragt worden. Hiermit hätten die Parteien gerade vereinbart, dass für alle drei Baukomplexe die Grundleistungen der Leistungsphase 1-6 zu erbringen waren.
Der Kläger habe insbesondere auch die Grundleistungen der Leistungsphase 1 und 2 des § 64 HOAI für den Bereich „Hotel“ erbracht. Ausdruck der Leistungserbringung seien insbesondere die Übergabe der Vorkonzeption Statik für das Hotel und die Erkenntnisse zu dem Baugrund und Gründungsfragen, die er bereits in der Projektbesprechung am 02.07.1999 übergeben habe. Die handschriftlichen Notizen auf den Planungsunterlagen seien für eine Erbringung der Leistungen entsprechend den Leistungsbildern der Leistungsphase 1 und 2 ausreichend. Die Rechnung des Klägers vom 06.11.2000 sei auch prüffähig.
Die Widerklage sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Da eine Überzahlung des Klägers nicht vorliege, stehe der Beklagten auch kein Rückzahlungsanspruch zu.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie eine vollständige Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils geltend macht.

Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da Vertragspartnerin der Beklagten gemäß Ingenieurvertrag die #### KG sei und diese vom Kläger personenverschieden sei.
Die Beklagte behauptet zunächst, sie habe den Kläger nicht mit Tragwerksplanungsleistungen zum Baukomplex Hotel beauftragt. Noch vor Abschluss des Vorvertrages vom 06..07.1999 habe der Kläger in den vorbereitenden Vertragsverhandlungen am 02.07.1999 eine Vorkonzeption Statik für das Hotel und den Bereich Betreutes Wohnen übergeben Zu diesen handschriftlichen Vermerken sei er jedoch weder von der Beklagten noch über den Projektsteuerer beauftragt worden. Dem Kläger sei auch im Rahmen der Unterredung bekannt gegeben worden, dass das Hotel in der jetzigen Konzeption nicht weiter bearbeitet werde. Der Ingenieurvertrag sehe in § 3.6 gerade eine stufenweise Beauftragung vor, die die Beklagte hinsichtlich des Baukomplexes Hotel auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgelöst habe. Im Übrigen könne sich der Kläger auch nicht auf eine Erfüllung der Leistungen der Leistungsphase 1 und 2 zum Baukomplex Hotel berufen, da er lediglich die handschriftlichen Vermerke auf den Plänen aufgetragen habe.
Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten im Übrigen am 20.12.1999 eine abändernde Vereinbarung zum Ingenieurvertrag getroffen. Ziff. 3 der Vereinbarung stehe als eine abändernde Vertragsabrede der Rechnung des Klägers vom 06.11.2000 entgegen. Das Verhalten des Klägers sei vertrags- und treuwidrig. Diese Vereinbarung habe das Landgericht Dresden in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht berücksichtigt.
Weiterhin meint die Beklagte, die Rechnung des Klägers sei unrichtig und nicht prüffähig. Unter Berücksichtigung von § 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Ingenieurvertrag und nach Korrektur eines Rechenfehlers des Klägers stehe der Beklagten in jedem Fall ein Rückzahlungsanspruch wegen Überzahlung i.H.v. 2.184,35 EUR zu. So sei die Beklagte nämlich berechtigt, gem. § 4 Abs. 1 AVB 5 % des jeweiligen Pauschalhonorars einzubehalten. Im Übrigen sei das Pauschalhonorar des Klägers hinsichtlich des Baukomplexes Betreutes Wohnen gem. § 1 Abs. 3 AVB noch nicht fällig, da die Genehmigung zu der Genehmigungsplanung des Klägers noch nicht erteilt worden sei. Insofern seien dem Projektsteuerer der Beklagten im Rahmen der Rechnungsprüfung Fehler unterlaufen.
Die Beklagte meint, die einzige Leistungserbringung des Klägers hinsichtlich des Baukomplexes Hotel habe darin bestanden, dass er handschriftliche Vermerke auf den bereits erstellten Plänen aufgetragen habe. Dies stelle keine Erfüllung der Leistungen der Leistungsphase 1 und 2 dar. Nur nach Einholung eines Sachverständigengutachtens könne festgestellt werden, ob die Auftragungen des Klägers überhaupt sachlich und inhaltlich zutreffend seien. Die handschriftlichen Auftragungen und Zahlenangaben auf den Plänen stellten jedenfalls keine Grundlagen zur Lösung der Bauaufgabe durch die Planung bzw. der Planaufgabe-Statik des Bauteils „Hotel“ dar.
Innerhalb der in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2004 nachgelassenen und anschließend verlängerten Schriftsatzfrist behauptet die Beklagte, eine nachvollziehbare Dokumentation des Klägers zu seinen angeblich erbrachten Leistungen der Leistungsphase 2 liege nicht vor. Eine sachliche Prüfung, ob entsprechende Leistungen mit den handschriftlichen Vermerken erbracht worden seien, könnten lediglich durch einen Sachverständigen, nicht jedoch durch einen Laien wie die Beklagte vorgenommen werden. Die Berechnungen des Klägers könnten den Teilen des Baukörpers nicht zugeordnet werden. Lm Rahmen der Grundleistungen der Leistungsphase 1 und 2 schulde der Tragwerksplaner u.a. eine Beratung gegenüber dem Auftraggeber und dem Objektplaner, eine Mitwirkung beim Erarbeiten eines Planungskonzeptes, bei Vorverhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit sowie bei der Kostenschätzung und eine Unterstützung des Klägers bei der Kostenermittlung. Eine ausreichende Erfüllung der Leistungen habe der Kläger jedoch nicht nachvollziehbar dokumentiert. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.04.2004, S. 8-10.
Hinsichtlich der Frage einer Beauftragung des Klägers zu den Grundleistungen des Baukomplexes „Hotel“ trägt die Beklagte seit der Berufungsbegründungsschrift unterschiedlich vor. Zunächst stellte sie eine Beauftragung des Klägers bereits vor dem 02.07.1999 unstreitig (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2003). Anschließend widersprach sie jedoch einer Beauftragung des Klägers zum Bauteil Hotel „nochmals ausdrücklich“ (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 06.11.2003, S. 8, 9). Die Beklagte habe sich nämlich gegen die Durchführung des Bauteils Hotel entschieden und dies dem Kläger bereits am 02.07.1999 mitgeteilt. Schließlich behauptet die Beklagte innerhalb der nachgelassenen und verlängerten Schriftsatzfrist zuletzt, der Kläger sei vor dem 02.07.1999 von dem Projektsteuerer der Beklagten mündlich beauftragt worden, die Grundleistungen 1-4 zu den Baukomplexen Betreutes Wohnen und Hotel zu erbringen.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine Honorarvereinbarung entfalte nur Wirksamkeit, wenn sie spätestens bei Auftragserteilung abgeschlossen werde, was jedoch vorliegend unstreitig nicht der Fall sei. Die geschlossenen Honorarvereinbarungen vom 06.07. und 13.12.1999 stellten auch keine Erweiterung des vor dem 02.07.1999 erteilten Auftrags dar. Eine Rückwirkung der Honorarvereinbarung auf den Zeitpunkt vor dem 02.07.1999 widerspreche der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung. Eine Honorarvereinbarung i.S.v. § 4 Abs. 1 HOAI könne nur gleichzeitig mit Abschluss des Architektenvertrages schriftlich getroffen werden. Die Honorarvereinbarung vom 06.07.1999 stelle keine Änderung oder Erweiterung des Architektenauftrags dar, sondern lediglich den Abschluss einer Honorarvereinbarung zu einem späteren Zeitpunkt. Mit Abschluss des Ingenieurvertrages vom 13.12.1999 hätten die Parteien die Honorarvereinbarung vom 06.07.1999 ersatzlos aufgehoben, so dass diese keine Rechtswirkung mehr entfalte. Der bei der Honorarvereinbarung vom 06.07.1999 vorliegende Formfehler könne nicht durch den nachträglichen Abschluss des Ingenieurvertrages am 13.12.1999 geheilt werden. Abzustellen sei vorliegend auf die unheilbar unwirksame Honorarvereinbarung vom 06.07.1999. Eine abweichende neue Vereinbarung sei bis zur endgültigen Erledigung des Auftrags bzw. zur Beendigung der Architektentätigkeit nicht mehr möglich gewesen. Entfalte eine Vereinbarung aber gem. § 4 Abs. 1 HOAI keine Rechtswirkung, greife § 4 Abs. 4 HOAI ein.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen, soweit dieser stattgegeben wurde,

2. der Kläger/Widerbeklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin und Berufungsklägerin 15.786,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die am 17.03.2003 eingelegte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10.02.2003 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil.
Der Kläger behauptet, die Parteien hätten am 20.12.1999 keine ergänzende Vertragsabrede zur Zahlungsfälligkeit getroffen. Vielmehr seien am 02.11.1999 und damit noch vor Abschluss des Ingenieurvertrages lediglich die Zahlungsmodalitäten, und zwar hinsichtlich der bereits überfälligen Honorarforderungen des Klägers, festgelegt worden.
Dem Abschluss des Ingenieurvertrages seien die erste Projektbesprechung am 17.05.1999, die erste Arbeitsbesprechung am 21.05.1999 und weitere Arbeitsbesprechungen vorangegangen. Daher habe der Kläger bereits am 02.07.1999 die Vorkonzeption Statik für die Bereiche Hotel und Betreutes Wohnen übergeben können.
Der Kläger meint, seine Honorarrechnung vom 06.11.2000 sei auch inhaltlich richtig. Ein Sicherheitseinbehalt von 5 % mache keinen Sinn mehr, da die Projektbearbeitung unterbrochen und nicht mehr fortgeführt worden sei. Das Honorar hinsichtlich des Bauvorhabens Hotel sei auch zutreffend berechnet worden, da zur Honorarbasis von 215 415,40 DM nur 55 % Teilleistungen als Basis gehören und nicht 100 %. Die Baugenehmigung für das Bauteil „Betreutes Wohnen“ sei am 22.12.1999 erteilt worden.
Der Kläger ist der Ansicht, alleinige Rechtsgrundlage sei der Ingenieurvertrag vom 13.12.1999, da nach § 9 Nr. 2 des Vertrages frühere Vereinbarungen zwischen den Parteien aufgehoben und durch diesen Vertrag ersetzt worden seien. Auch ein schriftlich abgeschlossener Vorvertrag stelle noch keine Auftragserteilung i.S. von § 4 HOAI dar. Die Vertragsparteien könnten daher auch später, spätestens jedoch mit Abschluss des Hauptvertrages noch wirksam eine Honorarvereinbarung treffen, die von den Mindestsätzen abweiche. Dies sei mit Abschluss des Ingenieurvertrages geschehen. Auftrag und Honorarvereinbarung seien in ein und demselben schriftlichen Vertrag, demnach „bei Auftragserteilung“ erfolgt.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2003 hat die Beklagte Herrn Dipl. Ing. #### den Streit verkündet. Der Streitverkündungsempfänger ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung vom 23.03.2004 sowie den weiteren Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.04.2004 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Honorars für Ingenieurleistungen i.H.v. 12 425,20 EUR aus § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 des Ingenieurvertrags vom 09.12./13.12.1999 verlangen.

1. Der Kläger ist als Inhaber des Ingenieurbüros #### + Partner KG aktivlegitimiert. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in Ziff. I. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift enthalten keine rechtserheblichen Gesichtspunkte und bedürfen daher keiner erneuten Auseinandersetzung.

Die Beklagte hat – wohl vertreten durch ihren Projektsteuerer – den Kläger bereits vor dem 02.07.1999 mündlich beauftragt, die hier streitgegenständlichen Grundleistungen Tragwerksplanung hinsichtlich der Leistungsphasen 1-4 bezüglich des Bauteils Betreutes Wohnen und der Leistungsphase 1 und 2 hinsichtlich des Komplexes Hotel zu erbringen.

Dieser Sachverhalt steht nach von Seiten der Beklagten wechselvollem – und im Hinblick auf § 138 Abs. 1 ZPO schwer nachvollziehbarem – Sachvortrag zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz als unstreitig fest. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift vom 05.05.2003 und nochmals mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.11.2003 ausdrücklich bestritten hat, den Kläger überhaupt mit Tragwerksplanungsleistungen zum Baukomplex Hotel beauftragt zu haben, ist sie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2003 und nochmals innerhalb der nachgelassenen und verlängerten Schriftsatzfrist mit Schriftsatz vom 19.04.2004 hiervon ausdrücklich abgerückt und hat nunmehr eine mündliche Beauftragung des Klägers bereits vor dem 02.07.1999 unstreitig gestellt bzw. bestätigt. Ob dieses wechselnde Parteivorbringen auf Informationsdefizite der Beklagten oder eine leichtfertige Handhabung von § 138 Abs. 1 ZPO zurückzuführen ist, bedarf keiner weiteren Würdigung des Senats, da der Entscheidungsfindung jedenfalls nunmehr als unstreitig zugrunde zu legen ist, dass die Beklagte den Kläger mit der Erbringung sämtlicher hier streitgegenständlicher Leistungen beauftragt hat. Im Übrigen hatte sich – worauf auch das Ausgangsgericht bereits zu Recht hingewiesen hat – die Tatsache einer Beauftragung des Klägers in diesem Umfang auch bereits aus § 3.1 des Ingenieurvertrages i.V.m. dem Vorvertrag Tragwerksplanung vom 14.06./06.07.1999 ergeben.

3. Dem klägerischen Honoraranspruch steht auch nicht das Schriftformerfordernis von § 4 Abs. 1 HOAI entgegen. §§ 3, 4 des Ingenieurvertrages enthalten die schriftliche Vereinbarung eines Pauschalhonorars hinsichtlich der in der Rechnung des Klägers vom 06.11.2000 abgerechneten Leistungen. Diese Vereinbarung erfüllt insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 HOAI. Zuzugeben ist der Beklagten insoweit, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift und dem hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers eine schriftliche Honorarvereinbarung grundsätzlich bei Auftragserteilung und damit bei Abschluss des eigentlichen Vertrages getroffen. werden muss, wobei dieses Merkmal eng auszulegen ist. Insofern ist jedoch von diesem Grundsatz gem. § 4 Abs. 1 HOAI abzuweichen bzw. auch eine nachträgliche Honorarvereinbarung möglich, wenn sich erst nach der eigentlichen Auftragserteilung das bisherige Leistungsziel ändert oder zusätzlich übertragene Leistungen zu einer Erweiterung des ursprünglichen Auftrages führen (BGH BauR 1988, 364, 365; Locher/Kneble/Frik, HOAI, 8. Aufl., 2002, § 4 Rn. 39, 40; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., 2002, Rn. 755, jeweils m.w.N.).
Dieser Ansicht stehen letztlich auch die Entscheidungen, die die Beklagte zuletzt noch vorgelegt hat (Anlagen BB 3 bis BB 7), nicht entgegen.
Das OLG Düsseldorf schließt sich in seinem Urteil vom 20.11.2001 (Anlage BB 3; NZBau 2003, 41) gerade der oben angeführten Rechtsprechung des BGH an, hatte jedoch in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall den abweichenden Sachverhalt zu entscheiden, dass die dortigen Parteien eine schriftliche Zusatzvereinbarung geschlossen hatten, mit der die unverändert gebliebenen Grundleistungen nunmehr mit einem höheren Prozentsatz bewertet wurden.

Das Urteil des OLG Hamm vom 30.08.1994 (Anlage BB 4, NJW-RR 95, 274) enthält lediglich allgemeine Überlegungen zu § 4 Abs. 1, 4 HOAI, betrifft jedoch hinsichtlich der Umstände des dortigen Falles andere Problempunkte und steht daher der dargelegten Rechtsansicht des Senats in keiner Weise entgegen.
Das OLG Schleswig wiederholt in seinem Urteil vom 31.10.1986 (Anlage BB 5; NJW-RR 1987, 535) lediglich allgemeine Grundsätze zu § 4 Abs. 1 HOAI, hatte sich dagegen in dem zugrunde liegenden Sachverhalt gerade nicht mit den hier streitgegenständlichen Problempunkten auseinanderzusetzen. Gleiches gilt letztlich auch hinsichtlich des Urteils des BGH vom 24.11.1988 (Anlage BB 6; NJWRR 1989, 786).
Bei der Entscheidung des BGH vom 21.01.1988 (Anlage BB 7) handelt es sich gerade um das Urteil, auf welches der Senat seine hier vertretene Auffassung im vorliegenden Rechtsstreit stützt (s.o.; BGH BauR 1988, 364, 365).

Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles liegt dem Abschluss des Ingenieurvertrages beider Parteien am 09.12./13.12.1999 sowohl eine Änderung des bisherigen Leistungszieles als auch eine Erweiterung des ursprünglichen Leistungsumfangs zugrunde.
In § 3.1 und 3.2 haben die Vertragsparteien ausdrücklich klargestellt, dass der Kläger hinsichtlich der Bauteile „Betreutes Wohnen“, „Hotel“ und „Reihenhäuser“ mit der Tragwerksplanung Leistungsphase 1-4 beauftragt worden ist und ihm nunmehr zusätzlich noch die Grundleistungen der Leistungsphase 5 und 6 übertragen wurden. Gleichzeitig wurde in § 3.6 ausdrücklich die alleinige Entscheidungsbefugnis der Beklagten hinsichtlich der konkreten Durchführung des Projekts festgelegt. Damit jedoch haben die Parteien nicht nur eine Erweiterung des von Seiten des Klägers geschuldeten Leistungsumfangs festgelegt, sondern auch ein einseitiges Bestimmungsrecht der Beklagten hinsichtlich des konkreten Umfangs bzw. Ablaufes der eigentlichen Projektdurchführung vertraglich festgehalten. Der Beklagten wurde damit in Abänderung zu den bereits mit Vorvertrag vom 06.07.1999 unbeschränkt vergebenen Tragwerksplanungsleistungen nachträglich die Befugnis eingeräumt, die endgültige Durchführung des Projektes einseitig zu bestimmen, demnach bestimmte Leistungen einzelner Leistungsphasen nicht vom Kläger zu fordern bzw. im Zuge der Realisierung des Projekts auf die Erbringung der Grundleistungen einzelner Leistungsphasen insgesamt zu verzichten. Nichts anderes ergibt sich letztlich auch unter Heranziehung des Protokolls der Projektbesprechung vom 02.07.1999. Soweit die Beklagte zu diesem Zeitpunkt festlegen ließ, dass eine Weiterarbeit hinsichtlich des Bauteils Hotel wegen des noch nicht feststehenden Betreibers nicht erfolgen sollte, wurden dem Kläger in Abänderung hierzu gem. § 3 des Ingenieurvertrages nunmehr zu den bereits beauftragten Grundleistungen der Leistungsphase 1-4 auch die der Leistungsphasen 5 und 6 bezüglich des Neubaus eines Hotels übertragen. Die gesamten Umstände zeigen daher dass im Zeitraum zwischen der Projektbesprechung vom 02.07.1999, dem Vorvertrag vom 06.07.1999 und dem Ingenieurvertrag vom 09.12./13.12.1999 nicht nur eine Änderung des bei Auftragserteilung beabsichtigten Leistungszieles stattgefunden hat, sondern auch eine Erweiterung des ursprünglich festgelegten Leistungsumfanges vorgenommen wurde.

4. Wie auch das Ausgangsgericht ist der Senat der Ansicht, dass der Kläger hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundleistungen der Leistungsphase 1 und 2 bezüglich des Bauteils Hotel in ausreichendem Umfang vorgetragen hat, während das Bestreiten der Beklagten hierzu bis zuletzt unsubstantiiert geblieben ist.
In erster Instanz hatte die Beklagte insofern jeden substantiierten Vortrag vermissen lassen. So hat sie im Wege des pauschalen der Bestreitens schlicht eingewandt, der Kläger habe die Grundleistungen der Leistungsphase 1 und 2 nicht vollständig erbracht (Schriftsatz vom 12.07.2002) bzw. habe keinerlei Beratungs- und Tragwerksplanungsleistungen erbracht, sondern lediglich eine erste Strichliste gefertigt und erörtert (Schriftsatz vom 01.10.2002, S. 4, 5). Auch nachdem der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2002 unter Vorlage mehrerer Pläne und sonstiger Unterlagen umfassend zu seinen Leistungen in tatsächlicher und zeitlicher Hinsicht vorgetragen hatte, beschränkte die Beklagte ihr Vorbringen darauf, der Kläger habe lediglich die ihm übergebenen Pläne handschriftlich ergänzt, jedoch keine vollständige und ausreichende Grundlagenermittlung und Vorplanung erstellt (Schriftsatz vom 13.01.2003).
Dass dieses pauschale Vorbringen jeglicher Substanz entbehrt, bedarf keiner weitergehenden Erörterung. Aber auch die ergänzenden Ausführungen der Beklagten im Rahmen des Berufungsverfahrens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2004 genügen nach Ansicht des Senats nicht den Anforderungen an einen substantiierten Tatsachenvortrag im Rahmen von § 138 ZPO.
So hat die Beklagte auf gerichtlichen Hinweis ergänzend lediglich ausgeführt, der Kläger habe auf den ihm übergebenen Plänen handschriftliche Vermerke aufgebracht, nicht jedoch weitergehende Arbeiten der Leistungsbilder zu den einzelnen Grundleistungen des § 64 HOAI erbracht. Nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens könne die vollständige und sachliche Richtigkeit der handschriftlichen Auftragungen des Klägers geklärt werden. Diese und die Zahlenangaben des Klägers auf den Plänen stellten jedenfalls keine Grundlage zur Lösung der Bauaufgabe bzw. der Planaufgabe-Statik dar (Schriftsatz vom 06.11.200,3, S. 6-8).

Dem gesamten Sachvortrag der Beklagten lässt sich in keiner Weise entnehmen, welche einzelnen Leistungen des Klägers als Statiker bestritten bzw. nicht bestritten sein sollen. Insofern kann sich die Beklagte auch nicht auf eigene Informationsdefizite bzw. den Kenntnisstand ihrer Geschäftsführer zurückziehen, da sie durch gezielte Nachfrage bei dem von ihr beauftragten Architekten bzw. Projektsteuerer die maßgeblichen Erkenntnisse einholen konnte und i.S. eines substantiierten Tatsachenvortrags in den Rechtsstreit einführen musste. Die Beklagte verkennt insofern, dass der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2002 unter Vorlage umfangreicher Unterlagen dezidiert in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu dem Ablauf der Arbeiten und dem Umfang der von ihm erbrachten Leistungen vorgetragen hat. Dieses Vorbringen ist letztlich insgesamt gem. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig, da sich die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht nicht damit substantiiert auseinandergesetzt hat und den behaupteten Leistungen nicht im Einzelnen entgegengetreten ist. Insofern wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.11.2002, die vorgelegte Stellungnahme des Klägers vom gleichen Tag sowie die beigefügten Anlagen, Pläne und weitergehenden Unterlagen.
Soweit die Beklagte zuletzt mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2004 ergänzend zu einer Leistungserbringung des Klägers in tatsächlicher Hinsicht Ausführungen macht, ist dieses Vorbringen – unabhängig von der ebenfalls fehlenden konkreten Auseinandersetzung mit dem klägerischen Sachvortrag – in rechtlicher Hinsicht nicht mehr zuzulassen. Die der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2004 nachgelassene und verlängerte Schriftsatzfrist erstreckte sich lediglich auf eine Stellungnahme zu den erteilten Hinweisen, eröffnete ihr jedoch keine Möglichkeit zu weitergehendem Tatsachenvortrag. Im Übrigen hatte der Senat den Beklagtenvertreter bereits in der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2003 auf die fehlende Substantiierung hingewiesen, worauf dieser mit Schriftsatz vom 06.11.2003, S. 6 ff. erwiderte.

5. Dem Vergütungsanspruch des Klägers aus § 4 des Ingenieurvertrages steht auch eine nachträgliche abändernde Vereinbarung der Parteien vom 20.12.1999 nicht entgegen.
Unabhängig davon, dass das zugrunde liegende Vorbringen der Beklagten nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers in tatsächlicher und zeitlicher Hinsicht unzutreffend sein dürfte, da die behauptete Vereinbarung bereits am 02.11.1999 geschlossen wurde und lediglich die bereits zu diesem Zeitpunkt fälligen Honoraransprüche des Klägers betraf, ist der Sachvortrag der Beklagten auch im Rahmen des Berufungsverfahrens gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen. Die Beklagte hatte den dahingehenden Tatsachenvortrag gemäß Klageerwiderung vom 12.07.2002 bereits ausdrücklich mit Schriftsatz vom 01.10.2002 nicht weiter aufrechterhalten, so dass der wiederholte Sachvortrag in der Berufungsinstanz ein neues Verteidigungsmittel darstellt.

6. Die Honorarrechnung des Klägers vom 06.11.2000 ist prüffähig und sachlich/rechnerisch zutreffend.
Die als dritte Abschlagsrechnung bezeichnete Honorarrechnung ist im Hinblick auf die fristlose Kündigung des Ingenieurvertrages durch die Beklagte am 27.02.2003 als Schlussrechnung anzusehen.
§ 1.3 der AVB zum Ingenieurvertrag steht der Fälligkeit des Honorars hinsichtlich der Grundleistungen der Leistungsphase 1-4 bezüglich des Bauteils Betreutes Wohnen nicht entgegen. Nach dem unbestrittenen Tatsachenvortrag des Klägers wurde die Baugenehmigung am 22.12.1999 erteilt. Die gegenteiligen Behauptungen der Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift ist daher zumindest objektiv unwahr.

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Der Beklagten steht auch kein Recht zum Einbehalt i.H.v. 5 % gem. § 4.1 der AVB zu. Die Vorschrift erstreckt sich ausdrücklich lediglich auf Abschlagszahlungen. Hinsichtlich der als Schlussrechnung zu qualifizierenden Honorarrechnung des Klägers ist daher § 4.2 der AVB einschlägig, wonach ein Einbehalt i.H.v. 5 % hinsichtlich der Schlusszahlung nicht vorzunehmen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht dem Kläger, sondern ihr selbst im Rahmen der in der Berufungsbegründungsschrift angestellten Berechnungen ein Rechenfehler unterlaufen. Die klägerische Berechnung von 13 % (erbrachte Leistung) von 55 % (vereinbarte Leistung) aus 215.415,40 DM (Pauschalhonorar) ist zutreffend und ergibt sich bei mathematisch konsequenter Berücksichtigung der der Entscheidung zugrunde zu legenden Zahlen.

Da dem Kläger der geltend gemachte Honoraranspruch in voller Höhe zusteht, besteht auch kein Rückzahlungsanspruch der Beklagten wegen einer Überzahlung, so dass die Widerklage als unbegründet abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da. die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

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