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Hundebiss durch nicht angeleinten Hund – fahrlässige Körperverletzung

OLG Hamm

Az.: 2 Ss 1035/95

Beschluss vom 05.01.1995

Vorinstanz: LG Dortmund, Az.: Ns 23 Js 2280/98; 14 (XV) G 11/94


In der Strafsache wegen fahrlässiger Körperverletzung hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 25. Oktober 1994 am 5. Januar 1995 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Oktober 1994 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht … hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60,00 DM verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat die XV. kleine Strafkammer des Landgerichts … durch Urteil vom 25. Oktober 1994 verworfen, ebenso die Berufung des früheren Mitangeklagten …, der ebenfalls zu einer Geldstrafe verurteilt worden war und gegenüber dem das Berufungsurteil seit dem 3. November 1994 rechtskräftig ist.

Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

„(UA 3, 4)

Am 20.08.1993, gegen 11.30 Uhr, ging der Zeuge … auf dem Grünstreifen des … am … in … spazieren. Es handelt sich hier um ein unbebautes ehemaliges Zechengelände. Plötzlich kam der Hund des Angeklagten … auf den Zeugen zugelaufen. Er sprang ihn an und biss ihn mehrfach in den linken Unterarm. Der Zeuge verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Am Boden liegend wurde er noch mehrfach von dem Hund in Brust und Beine gebissen. Der Zeuge begab sich in ärztliche Behandlung, wo mehrere Bisswunden festgestellt wurden. Der Hund war an diesem Morgen von dem Angeklagten … ausgeführt worden. Die Feststellungen dieses Sachverhalts beruhen auf den Bekundungen des Zeugen ….

Die Angeklagten bestreiten nicht, dass der Zeuge von dem Hund des Angeklagten … gebissen worden ist. Sie stellen jedoch ein Verschulden in Abrede, da der Hund ordnungsgemäß angeleint gewesen sei, sich aber bei dem Erblicken eines Hasen oder Kaninchens losgerissen habe. Dieser Umstand vermag jedoch die Angeklagten nicht zu entlasten. Es ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge am 14.08.1992 schon einmal von dem Hund des Angeklagten … auf demselben Gelände angegriffen und gebissen worden ist. Auch damals soll sich der Hund beim Erblicken eines Hasen oder Kaninchens losgerissen haben. Der Fahrlässigkeitsvorwurf ist darin zu sehen, dass der Zeuge …, offensichtlich wegen seines Alters, nicht in der Lage ist, den Hund unter Kontrolle zu halten. Er hätte deshalb davon Abstand nehmen müssen, den Hund überhaupt auszuführen. Denn damit, dass ein Hund beim Erblicken eines Hasen oder Kaninchens heftig reagiert, muss jeder rechnen. Die Fahrlässigkeit des Angeklagten … liegt darin, dass ihm bekannt war, dass der Angeklagte …, in Ausnahmesituationen den Hund nicht bändigen kann. Er hätte deshalb davon Abstand nehmen müssen, ihm den Hund anzuvertrauen.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die zulässige Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und u. a. ausführt, dass der frühere Schadensfall die Annahme der Fahrlässigkeit nicht rechtfertige.

II.

Die Revision des Angeklagten ist begründet.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht.

Allerdings ist der Halter eines Hundes verpflichtet, diesen so zu überwachen, dass Verletzungen und Schädigungen Dritter verhindert werden. Ein Hund stellt eine Gefahrenquelle dar, da er in seinem Verhalten nicht vernunftgesteuert und im allgemeinen unberechenbar ist. Die im Einzelfall zu treffenden Vorkehrungen richten sich danach, welche Anforderungen im Hinblick auf die konkreten Umstände nach der Verkehrsauffassung an einen verständigen und umsichtigen Hundehalter zu stellen sind, um eine Schädigung Dritter abzuwenden. Von Bedeutung sind insoweit Rasse des Hundes, sein Alter und insbesondere seine bisherige Führung, ob er sich als gutartig erwiesen oder bereits durch erhöhte Aggressionsbereitschaft oder Bösartigkeit aufgefallen ist. Wesentlich ist ferner, ob der Hund folgsam ist, sich leiten lässt und wie er gewöhnlich reagiert, wenn er mit Menschen in Berührung kommt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, welche Eigenschaften die Begleitperson hat, wie ihre körperliche Konstitution ist und welche Erfahrung, Geschicklichkeit und Kraft sie im Umgang mit Hunden hat. Erst eine Einbeziehung all dieser Gesichtspunkte ermöglicht eine zutreffende Beurteilung der Frage, ob dem Angeklagten fahrlässiges Verhalten, nämlich Pflichtwidrigkeit und Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung, vorzuwerfen ist (vgl. BayObLG, NJW 1987, 1094; 1991, 1965; VRS 74, 360; OLG Düsseldorf, VRS 68, 144; OLG Hamm, MDR 1958, 33; Schonke/Schröder-Stree, StGB, 24. Aufl., § 13 Rdnr. 43).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Das Landgericht hat weder Feststellungen zu Rasse, Größe, Eigenschaften und bisheriger Führung des Hundes noch zu den Fähigkeiten und der Eignung der Begleitperson getroffen. Soweit in den Urteilsgründen in diesem Zusammenhang auf das Alter des … – welches sich zudem nur dem Rubrum entnehmen lässt – und den Vorfall vom 14. August 1992 abgestellt wird, rechtfertigt dieses allein die Annahme fahrlässigen Verhaltens des Angeklagten nicht. Das Alter der den Hund ausführenden Person ist für sich allein ohne Bedeutung, entscheidend sind vielmehr – wie dargelegt – körperliche Verfassung sowie Geschicklichkeit und Erfahrung im Umgang mit Hunden, insbesondere mit dem betreffenden Tier. Hierüber schweigt sich das angefochtene Urteil indes aus. Die Erwähnung des früheren Vorfalls vermag diese fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen. Abgesehen davon, dass sich dem Urteil nur mittelbar entnehmen lässt, dass auch damals der frühere Mitangeklagte … den Hund ausgeführt hat, werden nähere Einzelheiten des Vorfalls – bis auf die Erwähnung, dass sich der Hund auch damals beim Erblicken eines Hasen oder Kaninchens losgerissen haben soll – nicht festgestellt, so dass der von der Strafkammer gezogene Schluss, der frühere Mitangeklagte … sei für den Angeklagten erkennbar nicht in der Lage, den Hund unter Kontrolle zu halten, letztlich einer Vermutung gleichkommt. Im übrigen lässt das Urteil auch Ausführungen zu der Frage vermissen, wie der Hund vor dem Losreißen angeleint war und ob es seit dem erwähnten Vorfall vom 14. August 1992 bis zur Tatzeit noch zu weiteren Vorfällen gekommen ist, so dass der Angeklagte möglicherweise mit der nun eingetretenen Folge hätte rechnen müssen. Auch dieses wird das Landgericht in der neuen Verhandlung aufzuklären haben.

Nach alledem war das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts … zurückzuweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.

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