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Inline-Skater & Half-Pipe – Baugenehmigungspflichtig ?

VERWALTUNGSGERICHT ARNSBERG

Az.: 4 K 1627/98


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

 

Klägers,

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz,

Siegener Straße 104, 57223 Kreuztal,

 

gegen

wegen

einer baurechtlichen Nachbarstreitigkeit

hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. April 1999

durch

 

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Die Grundstücke der Verfahrensbeteiligten liegen südwestlich der Hagener Straße, bei der es sich um eine lebhaft befahrene Teilstrecke der Bundesstraße 54 handelt, die im wesentlichen von Nordwesten nach Südosten verläuft. Die Art der baulichen Nutzung der näheren Umgebung stellt sich im wesentlichen folgendermaßen dar:

Nordostwärts der Hagener Straße befindet sich auf dem Grundstück Hagener Straße 180 eine größere Vertretung einer französischen Automobilfirma. Diesem Grundstück folgt nach Südosten ein einzelnes Wohnhaus, während die anschließenden Grundstücke Hagener Straße XXX und XXX Einzelhandelsgeschäfte aufnehmen. Im weiteren Verlauf nach Südosten befinden sich nordostwärts der Hagener Straße überwiegend Wohnhäuser, jedoch auch Lkw-Garagen eines inzwischen verlagerten Speditionsbetriebes. Südwestlich der Hagener Straße befindet sich auf dem Grundstück Nr. XXX eine gewerbliche Halle,“ die zur Zeit nicht genutzt wird. In dem Gebäude Hagener Straße XXX betreibt die Beigeladene einen Handel mit Sportartikeln. Die rückwärtige Freifläche wurde mit Bauschein vom 16. September 1985 als Tennisplatz genehmigt, wobei eine Nebenbestimmung anordnete, die Nutzung sei nur während der Öffnungszeiten des Sportgeschäfts zulässig. Es folgen sodann am Südwestrand der Hagener Straße in südostwärtiger Richtung zunächst reine Wohnhäuser. Etwa 200 m weiter sind an dieser Straßenseite ein Friseursalon mit Lottoannahmestelle, ein Textileinzelhandelsgeschäft, eine Gaststätte sowie eine Spielhalle anzutreffen. In einem weiteren Gebäude, das in jüngerer Zeit errichtet wurde, finden sich im Erdgeschoß eine Bäckerei, ein Restaurant sowie ein Friseursalon. Anschließend folgt nach Südosten ein Gebäude, welches im Erdgeschoß eine Apotheke sowie einen Elektro- und Sanitärtechnikbetrieb aufnimmt. Etwa 50 m südostwärts des Grundstücks der Beigeladenen zweigt ein Stichweg von der Hagener Straße nach Südwesten ab. Beiderseits dieses Weges stehen ausschließlich Wohnhäuser, wobei hier auch das Wohnhaus Hagener Straße XXX des Klägers anzutreffen ist. Etwa 200 m südostwärts des Grundstücks der Beigeladenen zweigt die Jahnallee von der Hagener Straße nach Südwesten ab. Diese Straße erschließt eine weiter südwestlich gelegene Turnhalle-, sowie einen Tennisplatz, der sich südostwärts des Grundstücks des Klägers erstreckt und von dessen südwestlicher Grenze 30 bis 35 m entfernt ist.

Die vorbeschriebene Umgebung wird nicht von einem Bebauungsplan erfaßt.

Unter dem 5. Juni 1997 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten eine Baugenehmigung für einen sogenannten Inline-Skater-Übungsplatz. Ausweislich der Beschreibung des Vorhabens sollen auf der bislang als Tennisübungsplatz genutzten Fläche Lehrgänge für Inline-Skater durchgeführt werden mit dem Ziel, sicheres Fahren, sicheres Bremsen und sicheres Verhalten im Verkehr zu üben. Als Einrichtungen werden Kunststoffhütchen/Stäbe und Bälle sowie eine sog. Miniramp bezeichnet, deren Höhe 60 cm betragen soll.

Daraufhin Beteiligte der Beklagte das Staatliche Umweltamt Siegen, das unter dem 16. Juli 1997 im wesentlichen folgendes äußerte: Eine Abschätzung der zu erwartenden Lärmimmissionen könne nicht vorgenommen werden, weil Erfahrungen auf dem fraglichen Sportgebiet fehlten. Deshalb sei eine sachverständige Lärmprognose erforderlich. Eine Prüfung des Antrags könne erst nach Eingang dieser Prognose erfolgen. Die Beurteilung habe nach der 18. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz, de Sportanlagenlärmschutzverordnung, zu erfolgen. Die nähere Umgebung sei als Mischgebiet zu beurteilen.

Mit Schreiben vom 28. Juli 1997 wies der Beklagte das Umweltamt darauf hin, es habe für ein vergleichbares Vorhaben eine umfassende Stellungnahme abgegeben, so daß die Notwendigkeit einer Immissionsprognose nicht gesehen werden könne.

Unter dem 26. September 1997 äußerte sich das Staatliche Umweltamt nochmals zum Bauantrag des Beigeladenen: Inline-Skater-Anlagen seien hinsichtlich ihres Immissionsverhaltens mit Skateboard-Anlagen vergleichbar. Auf dieser Basis habe man eine Berechnung durchgeführt, die ergeben habe, daß bei den vorgesehenen Nutzungszeiten ein immissionsschutzverträgliches Miteinander zu erwarten sei. Daher sei eine Immissionsprognose entbehrlich. Das Umweltamt schlug ferner Nebenbestimmungen vor, mit denen die Baugenehmigung auszustatten sei.

Mit Bauschein vom 2. Oktober 1997 genehmigte der Beklagte das Vorhaben der Beigeladenen. Danach ist die Nutzung des Inline-Skate-Übungsplatzes auf die Zeiten von montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr beschränkt. Ferner wird festgelegt, daß die Geräuschimmissionen an dem nächstgelegenen Fenster des Wohnhauses Hagener Straße XXX den Wert von 60 dB(A) nicht überschreiten dürfen, wobei auf die Sportanlagenlärmschutzverordnung Bezug genommen wird. Schließlich darf der Übungsplatz ausschließlich mit Inline-Skatern benutzt werden, nicht jedoch mit anderen Geräten, z. B. Skateboards. Die Nutzung anderer als der im Bauantrag genannten Einrichtungsgegenstände ist unzulässig.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 11. November 1997 Widerspruch und machte geltend: Die in der Baugenehmigung bezeichneten Lärmwerte entsprächen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Auch die Freisitze auf den benachbarten Grundstücken seien außer Acht geblieben. Die Lärmimmissionsbegrenzung in der Baugenehmigung berücksichtige nicht die Art des Bodenbelages, das geplante Zubehör sowie die sozialen Geräusche der Jugendlichen, welche die Rampe zum Teil über mehrere Stunden hinweg benutzten. Von „Übungsfahrten“ könne keine Rede sein; es handele sich vielmehr um Halbprofis, die stundenlang ihr Können trainierten. Die Berechnungen des Umweltamtes seien auch sachlich unzutreffend. Die Einhaltung der Auflage werde nicht ausreichend kontrolliert. Die Nutzungszeiten würden öfters überschritten. Nach alledem müsse zwingend eine Lärmwertermittlung an Ort und Stelle durchgeführt werden.

Mit Bescheid vom 6. März 1998 wies der Oberkreisdirektor des Kreises Siegen-Wittgenstein den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die. Widerspruchsbehörde war der Meinung, die nähere Umgebung könne keinem der in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichneten Baugebiete zugeordnet werden, sondern es handele sich um eine Gemengelage, in der das Vorhaben der Beigeladenen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze.

Am 9. April 1998 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie geltend macht, nach einer fernmündlichen Auskunft eines Sachverständigen seien die Ausführungen des Staatlichen Umweltamtes zur Immissionssituation unzutreffend.

 

Der Kläger beantragt, die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. Oktober 1997 betreffend die Einrichtung eines Inline-Skate-Übungsplatzes auf dem Grundstück Gemarkung XXX und den Widerspruchsbescheid des Oberkreisdirektors des Kreises Siegen-Wittgenstein vom 6. März 1998 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, Er ist der Meinung, die nähere Umgebung sei als faktisches Mischgebiet zu qualifizieren, in das sich das Vorhaben der Beigeladenen einfüge, weil es angesichts der in der Baugenehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen das Wohnen nicht wesentlich störe.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen. Sie hält die angefochtene Genehmigung für rechtens.

In Ausführung des Beschlusses vom 19. November 1998 hat der Berichterstatter die örtlichen Verhältnisse am 20. Januar 1999 in Augenschein genommen. Wegen der hierbei getroffenen Feststellungen wird auf den Inhalt der Niederschrift (Blätter 45 bis 50 der Gerichtsakte) verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn das Vorhaben der Beigeladenen, dessen objektive Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht auf sich beruhen kann, weil eine baurechtliche Nachbarklage vorliegt, verstößt jedenfalls nicht gegen nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften. Der Kläger wird mithin durch die Genehmigung nicht rechtswidrig in seinen Rechten verletzt im Sinne von § 113 Abs. l Satz l der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Verstöße gegen das Bauordnungsrecht werden seitens des Klägers nicht geltend gemacht; auch der Akteninhalt im übrigen liefert insoweit keine Hinweise.

In planungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit bzw. – worauf es in der vorliegenden Konstellation allein ankommt – die Nachbarrechtsverträglichkeit des Vorhabens der Beigeladenen nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB). Die betroffenen Grundstücke liegen zweifelsfrei innerhalb eines zusammenhängend bebauten Ortsteils der Stadt Kreuztal, wobei sie nicht von einem Bebauungsplan erfaßt werden. Weil auch die Verfahrensbeteiligten hierzu keine abweichenden Auffassungen vortragen, erübrigen sich insoweit eingehendere Ausführungen.

Nach § 34 Abs. l BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach den in dieser Vorschrift genannten Merkmalen (Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaute Grundstücksfläche) in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Im vorliegenden Zusammenhang ist es nicht erheblich, ob sich das Vorhaben der Beigeladenen in jeder Hinsicht im hier interessierenden Sinne einfügt. Denn § 34 Abs. l BauGB ist keine in dem Sinne nachbarschützende Vorschrift, daß das Nichteinfügen eines Vorhabens sogleich zum Erfolg einer entsprechenden Nachbarklage führte ein Nachbar kann vielmehr nur dann mit Erfolg ein Bauvorhaben auf dem angrenzenden Grundstück wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. l BauGB angreifen, wenn sich das betreffende Vorhaben gerade deshalb nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, weil es die gebotene Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Belange des Nachbarn vermissen läßt, vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 -, Baurechts Sammlung (BRS) Band 38 Nr. 186; Urteil vom 18. Oktober 1985, – 4 C 19.82 -, BRS Band 44 Nr. 71; Urteil vom 28. Oktober 1993, – 4 C 5.93, BRS Band 55 Nr. 168; Beschluß vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215.96 -, BRS Band 58 Nr. 164.

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Ein Rücksichtnahmeverstoß in diesem Sinne läßt sich im vorliegenden Zusammenhang indessen nicht feststellen.

Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen dieRücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls erfordert eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei muß allerdings demjenigen, der sein eigenes Grundstück in einer sonst zulässigen Weise baulich nützen will, insofern ein Vorrang zugestanden werden, als er berechtigte Interessen nicht deshalb zurückzustellen braucht, um gleichwertige fremde Interessen zu schonen, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 -, BRS Band 32 Nr. 155.

Nach diesen Grundsätzen erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen dem Kläger gegenüber nicht als rücksichtslos. Zwar handelt es sich bei dem Grundstück des Klägers um ein reines Wohnhausgrundstück. Dieses liegt indessen in einer Umgebung, die nach der vorhandenen Bebauung eindeutig nicht als Wohngebiet anzusprechen ist. Die Kammer schließt sich vielmehr der Auffassung des Oberkreisdirektors des Kreises Siegen-Wittgenstein an, der den Charakter der Umgebung als sog. Gemengelage bezeichnet. Insoweit ist folgendes zu bemerken:

Die für die Anwendung des § 34 Abs. l BauGB maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, daß in zwei Richtungen – nämlich in der Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung sowie in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben – geprüft wird, wie weit die jeweiligen städtebaulich relevanten Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflußt,vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 -BRS Band 33 Nr. 36; Urteil vom 3. April 1981 – 4 C 61.78 -,BRS Band 38 Nr. 69.

Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. l Satz l BauGB aufgeführten Bezugsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können. Soweit das Maß der baulichen Nutzung in Frage steht, wird die nähere Umgebung beispielsweise in der Regel enger zu ziehen sein als bei der Ermittlung des Gebietscharakters,vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 1969 – IV C 18.67 -, BRS Band 22 Nr. 184. Nach diesen Grundsätzen gehören zur „näheren Umgebung“ des Grundstücks der Beigeladenen die Grundstücke beiderseits der Hagener Straße, die Wohngrundstücke südostwärts des Grundstücks der Beigeladenen und schließlich die weiter südwestlich gelegenen Grundstücke, die sportlichen Nutzungen dienen. Nach dem Eindruck, den der Berichterstatter in der Örtlichkeit gewonnen und der Kammer vermittelt hat, werden die Grundstücke im Hintergelände der Hagener Straße städtebaulich durch die Verhältnisse entlang dieser Straße mitgeprägt, zumal die Verkehrsgeräusche jedenfalls dort, wo nicht bauliche Anlagen am Rande der Hagener Straße eine abschirmende Wirkung entfalten, weit in das Hinterland getragen werden. Auch der im Ortstermin näher betrachtete Tennisplatz wirkt in Richtung Nordosten auf die Wohngrundstücke ein und prägt diese mit, so daß er ebenfalls zu deren näheren Umgebung gehört. Die so umschriebene Umgebung kann nach der tatsächlich vorhandenen Nutzung keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete zugeordnet werden.

Die bauliche Nutzung beiderseits der Hagener Straße weist nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung alle Merkmale eines Mischgebiets im Sinne von § 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) auf. Zu dieser Einschätzung gelangte die Kammer bereits in ihrem Beschluß vom 16. Juli 1984 – 4 L 490/84 -, der einen Nachbarstreit wegen eines Einzelhandels an der Nordostseite der Hagener Straße betraf. Unmittelbar südwestlich der straßennahen Bebauung finden sich jedoch ausschließlich Wohnhäuser, so daß in diesem Bereich Elemente eines reinen Wohngebietes vorliegen. Allerdings wird dieses „Wohngebiet“ gegenwärtig durch den (genehmigten) Tennisplatz auf dem Grundstück der Beigeladene und – insbesondere – durch die ebenfalls genehmigten Tennisplätze weiter südwestlich mitgeprägt. Ein Tennisplatz ist angesichts der beim Spielbetrieb entstehenden Geräusche in einem Wohngebiet jedoch unzulässig, so daß eine Einstufung des Gebiets als allgemeines oder gar reines Wohngebiet nicht in Betracht kommt. Im übrigen gehören die in der „zweiten Reihe“ angeordneten Wohnhausgrundstücke nach der Erschließungssituation städtebaulich zur Hagener Straße, indem etwa das Grundstück des Klägers nur über einen namenlosen Stichweg an die Hagener Straße angebunden ist. Die ausschließliche Wohnbebauung findet ihre südostwärtige Grenze an der Jahnstraße, die ihrerseits Anlagen für sportliche Zwecke, nämlich die im Tatbestand erwähnte Turnhalle sowie den Tennisplatz, erschließt. Die wenigen Wohnhäuser zwischen der Hagener Straße und der Jahnstraße sind schon nach ihrer geringen Anzahl nicht geeignet, ein eigenständiges Gebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB zu formen. In der maßgeblichen Umgebung reicht sonach der Rahmen der vorhandenen Nutzungen von der reinen Wohnnutzung bis zu der potentiell störenden Tennisplatznutzung. Eine eindeutige Gebietszuordnung ist daher nicht möglich.

Auf der Grundlage der Erkenntnis, daß die nähere Umgebung mit dem Oberkreisdirektor des Kreises Siegen-Wittgenstein als Gemengelage bezeichnet werden kann, ist das Vorhaben der Beigeladenen dem Kläger gegenüber nicht rücksichtslos. Insoweit ist es zunächst unschädlich, daß der Beklagte – dem Staatlichen Umweltamt folgend – im Genehmigungsverfahren auf die Einholung einer Immissionsprognose verzichtet hat,

vgl. hierzu: OVG NW, Beschluß vom 21. Juli 1994 – 11 B 1511/94 – BRS Band 56 Nr. 159.

Wenn das Umweltamt der Auffassung ist, es könne bereits aufgrund von Erkenntnissen, die es in anderen Verfahren gewonnen hat, die Unbedenklichkeit des streitigen Vorhabens feststellen, ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im übrigen liegen nunmehr ergänzende Ausführungen des Umweltamtes vor, die ebenfalls keinen Zweifel daran lassen, daß der in der Baugenehmigung festgeschriebene Immissionsgrenzwert nicht überschritten wird. Wenn der Kläger hierzu eine andere Auffassung vertritt, weil ihm eine fernmündliche Stellungnahme eines Sachverständigen zugegangen sei, wonach die Erwägungen des Staatlichen Umweltamtes unzutreffend seien, ist dieser Vortrag zu unsubstantiiert, um die in sich schlüssigen und eingehenden Äußerungen des dem Immissionsschutz besonders verpflichteten Umweltamtes in Frage zu stellen.

Im übrigen, nämlich in der Erkenntnis, daß beim bestimmungsgemäßen Betrieb des Platzes der festgeschriebene Lärmgrenzwert nicht überschritten wird, erweist sich die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht als nachbarrechtswidrig. Die Nutzungszeiten sowie die Immissionsbegrenzung nehmen auf die Interessen der Bewohner der angrenzenden Wohnhausgrundstücke hinreichend Rücksicht. Die Sportanlagenlärmschutzverordnung sieht für Mischgebiete tagsüber einen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) vor. Dieser Wert ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls auch in solchen Gemengelagen maßgeblich, die – wie hier -Merkmale eines Mischgebietes aufweisen.

Allerdings bedeutet die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung noch nicht, daß das Vorhaben deshalb nicht nachbarrechtswidrig sei. Vielmehr kann es bei Vorliegen von Besonderheiten notwendig sein, die Werte nach unten zu korrigieren,

vgl. OVG NW, Urteil vom 29. November 1993 – 11 A 773/90 -,BRS Band 56 Nr. 195.

Der vorliegende Fall weist indessen keine diesbezüglichen Besonderheiten auf. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, daß sich der Betrieb des genehmigten Platzes vollkommen außerhalb der sogenannten Ruhezeiten nach § 2 Abs. 5 Nr. 3 der Verordnung abspielt. Soweit der Kläger namentlich in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Beigeladene halte sich nicht an die genehmigten Zeiten, spielt dies im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. nicht aber die tatsächliche Nutzung des genehmigten Vorhabens. Sollte die Beigeladene die festgeschriebenen Betriebszeiten mißachten, bleibt es dem Kläger unbenommen, den Beklagten auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladene in Anspruch zu nehmen.

Es kann – zweitens – nicht außer acht gelassen werden, daß die genehmigten Einrichtungen des Platzes eher „bescheiden“ sind. Selbst die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingereichten Lichtbilder zeigen als Nutzer des Platzes mehr Kinder denn Jugendliche, so daß die Anlage durchaus Merkmale einer Sportanlage für Kinder und insoweit Ähnlichkeiten mit einem Kinderspielplatz aufweist. Für Jugendliche ist eine Anlage, auf der lediglich mit Inline-Skatern und nicht mit einem Skateboard gefahren werden kann, und auf der nur eine Mini-Ramp und nicht etwa eine sog. Half-Pipe zur Verfügung steht, tendenziell weniger interessant. Spielflächen für Kinder sind jedoch grundsätzlich sogar in reinen Wohngebieten zulässig.

Am Ende muß bei der Beurteilung der Rücksichtnahme im bauplanungsrechtlichen Sinne auch die bisherige – genehmigte -Nutzung betrachtet werden. Immerhin befindet sich auf dem Grundstück des Beigeladenen im Hintergelände keine unberührte Ruhezone, sondern ein genehmigter Tennisplatz. Im Vergleich mit den Geräuschbelästigungen, die von einem – wenn auch kleineren – Tennisplatz ausgehen, erweisen sich die Geräusche, die beim Fahren mit Inline-Skatern entstehen, jedenfalls nicht als nennenswert lästiger. Dies gilt auch für das Lachen und Rufen der Kinder und Jugendlichen, die sich auf dem Platz betätigen. Diese sozialtypischen Auswirkungen des genehmigten Vorhabens sind der Wohnnachbarschaft und damit auch den Bewohnern des Grundstücks des Klägers zuzumuten.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. l VwGO abzuweisen. Hierbei entspricht es der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung einen Sachantrag gestellt und sich hierdurch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

 Das Verfahren ist nun beim OVG anhängig.

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