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Integritätsinteresse – 6 Monatsfrist und Besitzbescheinigung

Amtsgericht Braunschweig

Az: 118 C 3380/08

Urteil vom 27.01.2009


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2008 für Recht erkannt:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 74,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit 27.08.2008 zu zahlen.

2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 27.02.2008 ereignete sich auf der in Braunschweig gelegenen Salzdahlumer Straße ein Verkehrsunfall, wofür die Beklagte dem Grunde nach zu 75% für den der Klägerin entstandenen Schaden einstandspflichtig ist.

Die Klägerin forderte gegenüber der Beklagten Regulierung ihres Schadens zunächst fiktiv gemäß Sachverständigengutachten vom 28.02.2008 ab. Mit Schreiben vom 15.05.2008 rechnete die Beklagte den Fahrzeugschaden jedoch lediglich auf Totalschadenbasis mit einem geringeren Schadensbetrag ab und wies die Klägerin darauf hin, dass eine Abrechnung auf Basis der Reparaturkostenrechnung erfolgen könne, sofern die Klägerin beispielsweise durch Vorlage einer Bestätigung eines Sachverständigen mit Fotos nachweise, dass die Reparatur durchgeführt wurde.

Da nach der Rechtsprechung des BGH fiktiv die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes abrechenbar sind, sofern sich das Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand befindet und mindestens 6 Monate nach dem Unfallgeschehen weiter genutzt wird, beauftragte die Klägerin am 11.08.2008 denselben Sachverständigen wie zuvor mit der Erstellung einer Besitzbescheinigung, in der die weitere Nutzung des Fahrzeuges bestätigt wird. Dieser fertigte eine entsprechende Besitzbescheinigung und rechnete darüber mit einem Betrag von 98,84 EUR ab.

Die Klägerin begehrte mit Anwaltsschreiben vom 12.08.2008 gegenüber der Beklagten die anteilige Erstattung des Kraftfahrzeugreparaturschadens netto sowie der weiteren Gutachterkosten in Höhe von 74,13 EUR unter Berücksichtigung der Mithaftung in Höhe von 25 %. Die Beklagte regulierte zwar am 27.08.2008 den Reparaturschaden, lehnte aber die Kostenübernahme für die Besitzbescheinigung ab.

Die Klägerin behauptet, die Besitzbescheinigung sei notwendig gewesen, weil die Beklagte erst nach deren Vorlage den Schaden auf Reparaturkostenbasis bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes abgerechnet habe. Die Beklagte habe in sämtlichen (ca. 30-40) vom Klägervertreter bearbeiteten Verkehrssachen die Kosten für später eingereichte Besitzbescheinigungen beanstandungslos und vollständig reguliert und berufe sich nun erstmals auf Verletzung einer Schadensminderungspflicht, was für die Klägerseite nicht vorhersehbar gewesen sei. Darüber hinaus sei es der Klägerin ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht möglich gewesen, die bestehende Verkehrssicherheit gegenüber der Beklagten nachzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 74,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.08.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe unnütze Kosten verursacht, da die Besitzbescheinigung für die Schadensregulierung unbeachtlich gewesen sei. Vielmehr habe die Beklagte den Schaden auf Basis der fiktiven Reparaturkosten nach Ablauf der vom BGH aufgestellten 6-Monats-Frist und eigenständiger Überprüfung, ob die Klägerin das Auto noch nutze, reguliert. Überdies sei die Erstellung der Bescheinigung 5 Monate und 12 Tage nach dem Unfallgeschehen zum Nachweis der Nutzung des Pkws durch die Klägerin über 6 Monate hinaus auch überhaupt nicht geeignet gewesen. Im Übrigen sei der vom Sachverständigen für die Bescheinigung in Rechnung gestellte Betrag zu hoch und wäre der Klägerin der Nachweis über die Verkehrstüchtigkeit und die Nutzung des Pkws nach Ablauf der 6 Monate, sofern überhaupt erforderlich, auch kostenfrei im beklagteneigenen Schadenschnelldienst in Salzgitter möglich gewesen.

Weiter behauptet sie, dass sie lediglich in zwei Fällen, und dies nur fehlerhaft, die Kosten für Besitzbescheinigungen erstattet habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt insbesondere der Schriftsätze vom 10.09.2008, 11.11.2008, 03.12.2008 sowie 13.01.2009 nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch steht ihr aus § 17 Abs. 1, 2 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG zu. Die Beklagte ist der Klägerin zu 75% zum Schadensersatz infolge des Unfallgeschehens am 27.02.2008 verpflichtet, wobei auch die Gutachterkosten für die Besitzbescheinigung zum Schaden zu zählen sind. Zu ersetzen ist der erforderliche Geldbetrag, d.h. die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, auch Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt-Heinrichs, 67. Aufl., § 249, Rn. 12, 40).

Dem Vortrag, dass die Kosten für die Besitzbescheinigung nicht notwendig gewesen seien und die Klägerin daher gegen Schadensminderungspflichten verstoßen habe, kann nicht gefolgt werden. Denn die Klägerin hatte den Nachweis über die Verkehrstüchtigkeit des verunfallten Fahrzeugs sowie dessen weitere Nutzung durch sie zu erbringen. Dies war ihr nur durch Vorführung des Fahrzeugs bei einer geeigneten Stelle, nicht jedoch allein durch eine entsprechende Anzeige gegenüber der Beklagten möglich. Eine Verpflichtung der Klägerin, das Fahrzeug nicht bei einem Sachverständigen vorzuführen, sondern beim Schadenschnelldienst der Beklagten, ergibt sich nicht daraus, dass letzterer die Besichtigung kostenlos durchgeführt hätte. Denn der Klägerin steht insoweit als Geschädigter ein Wahlrecht zu. Sie muss sich zum Zwecke des Nachweises gegenüber der Beklagten nicht der Hilfe derselben bedienen, sondern darf einen unbeteiligten Sachverständigen einschalten.

Auch der Vortrag der Beklagten, dass die Besitzbescheinigung, die vor Ablauf von 6 Monaten erstellt worden ist, nicht geeignet gewesen sei, den Nachweis der Nutzung über einen Zeitraum von 6 Monaten zu erbringen, geht fehl. Es kann dahinstehen, ob taggenau 6 Monate verstrichen sein müssen, denn zum einen ist die Beklagte selbst nicht hiervon ausgegangen, da sie anderenfalls ihrerseits nicht bereits vor Ablauf dieser Frist, also nicht vor dem 28.08.2008, die Regulierung veranlasst hätte, zum anderen sind Kosten für Sachverständigengutachten aber auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist oder seine Kosten übersetzt sind (Palandt-Heinrichs, 67. Aufl., § 249, Rn. 40). Insofern greifen die Einwendungen der Beklagten auch hinsichtich der Höhe der Kosten für die Besitzbescheinigung nicht.

Der darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.08.2008 steht ihr aus § 288 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte ist mit ihrer Zahlung mit Ablauf des 26.08.2007 in Verzug geraten, denn sie hat die Kosten für den Sachverständigen nicht bis zur gesetzten Frist erstattet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I 1, 1. HS, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 IV ZPO sind nicht gegeben.

 

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