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Internet-Provider haftet nicht für wettbewerbswidrigen Inhalt von Webseiten

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Az.: 6 W 10/08

Beschluss vom 22.01.2008

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Az.: 2-3 O 526/07


Leitsatz:

Der sog. Access-Provider ist auch unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht für den Inhalt der Webseiten, zu denen er seinen Kunden den Zugang vermittelt, grundsätzlich nicht verantwortlich.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin erbringt in rechtlich zulässiger Weise pornographische Leistungen über das Internet. Die Antragsgegnerin zu 1), zu deren Vorstand der Antragsgegner zu 2) gehört, bietet als sogenannter Access-Provider ihren Kunden gegen Entgelt den Zugang zum Internet an.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass auf zwei Webseiten der Suchmaschine „google“ pornographische und tierpornographische Darstellungen ohne Zugangsbeschränkung aufgerufen werden konnten. Sie verlangt deswegen von den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Nutzern den Zugang zum Internet zu ermöglichen, ohne gleichzeitig den Zugang dieser Nutzer zu folgenden Webseiten zu sperren:

www.google.de
www.google.com

solange auf dieser und durch diese

a. pornographische Schriften ohne jegliche Zugangsbeschränkung verbreitet werden

b. tierpornographische Schriften verfügbar sind

wie geschehen am 06.11.07.

Das Landgericht hat den Eilantrag durch Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat eine wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit der Antragsgegner für die beanstandeten pornographischen Inhalte auf den Webseiten „google.de“ und „google.com“ mit Recht verneint.

Dabei kann dahinstehen, ob das beanstandete Verhalten der Antragsgegner die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung i.S.v. § 2 I Nr. 1 UWG erfüllt. Auch wenn dies zu bejahen ist, scheitert der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch jedenfalls daran, dass die Antragsgegnerin zu 1) als bloße Vermittlerin des Zugangs zum Internet (Access-Provider) für die Wettbewerbsverstöße (§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 184, 184 a StGB sowie den Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages), die nach der glaubhaft gemachten Darstellung der Antragstellerin auf den genannten Webseiten begangen worden sind, wettbewerbsrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden kann; das gleiche gilt für den Antragsgegner zu 2).

Die Antragsgegnerin zu 1) hat auf den Inhalt der Webseiten, zu denen sie ihren Kunden den Zugang vermittelt, keinerlei Einfluss. Eine Haftung der Antragsgegnerin kommt daher allenfalls nach den vom Bundesgerichtshof (WRP 07, 1173 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay) entwickelten Grundsätzen über die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht in Betracht. Danach kann derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, aufgrund einer sich aus § 3 UWG ergebenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet sein, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.

Eine Haftung der Antragsgegnerin zu 1) scheitert jedoch schon daran, dass nach Auffassung des erkennenden Senats die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung für die Verkehrspflichten des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform aufgestellt hat, auf die Antragsgegnerin zu 1) als Access-Provider nicht übertragen werden können.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht ist der Umstand, dass das handelnde Unternehmen im eigenen geschäftlichen Interesse in seinem Verantwortungsbereich selbst eine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße durch Dritte schafft (BGH aaO Rdz. 36). Diese Voraussetzung ist beim Betrieb einer Internet-Auktionsplattform gegeben, weil der Betreiber einer solchen Plattform seinen Kunden die Verbreitung von Inhalten ermöglicht, die erfahrungsgemäß häufig mit Vorschriften des Wettbewerbsrechts oder anderen Rechtsvorschriften nicht vereinbar sind. Der Betreiber der Plattform schafft seinen Kunden damit erst die Möglichkeit zur Begehung von Wettbewerbsverstößen. Hierin liegt die Eröffnung einer Gefahrenquelle, die es rechtfertigt, dem Urheber dieser Gefahrenquelle – in den vom Bundesgerichtshof aufgezeigten engen Grenzen des Zumutbaren – eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht und damit im Ergebnis eine Mithaftung für Wettbewerbsverstöße aufzuerlegen, die ihren Ursprung in dieser Gefahrenquelle haben.

Mit dieser Ausgangssituation ist die Stellung und geschäftliche Tätigkeit der Antragsgegnerin zu 1) nicht vergleichbar. Die Antragsgegnerin zu 1) ermöglicht ihren Kunden lediglich gegen Entgelt den Zugang zum Internet; die Kunden der Antragsgegnerin zu 1) sind dabei – auch wenn sie unter Inanspruchnahme des Dienstes der Antragsgegnerin zu 1) auf wettbewerbswidrige Inhalte stoßen – nicht Urheber dieser Wettbewerbsverstöße, sondern allenfalls deren Nutznießer oder Opfer. Damit eröffnet die Antragsgegnerin zu 1) nicht in ihrem eigenen Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße, sondern ermöglicht nur den Zugang zu etwaigen Wettbewerbsverstößen, die aus einer von einem Dritten eröffneten Gefahrenquelle herrühren. Dafür, dass die Grundsätze über die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch auf eine solche Form der Mitverursachung von Wettbewerbsverstößen ausgeweitet werden könnten, lassen sich der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine Anhaltspunkte entnehmen. Nach Auffassung des erkennenden Senats würde hierdurch auch die Haftung für das wettbewerbswidrige Verhalten anderer überspannt. Allein der Umstand, dass der Täter des Wettbewerbsverstoßes nicht oder nur unter großen praktischen Schwierigkeiten verfolgt werden kann, rechtfertigt es jedenfalls nicht, Dritte auch dann zur Verantwortung zu ziehen, wenn sich ihr Mitwirken am Eintritt des Wettbewerbsverstoßes auf einen derart untergeordneten Beitrag beschränkt, wie er im vorliegenden Fall in Rede steht.

Selbst wenn man der Antragsgegnerin zu 1) als Access-Provider abweichend von der dargestellten Auffassung des Senats eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht grundsätzlich auferlegen wollte, würde eine Haftung der Antragsgegnerin zu 1) im vorliegenden Fall jedenfalls daran scheitern, dass die mit dem Antrag verlangte Sperrung des Zugangs zu den Seiten „google.de“ und „google.com“ – solange sich auf diesen die beanstandeten Inhalte befinden – für die Antragsgegnerin zu 1) unzumutbar wäre. Es ist nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin zu 1) dem Unterlassungsverlangen technisch etwa dadurch nachkommen könnte, dass sie ihren Kunden den Zugang zu den beiden Seiten unter Aussparung der beanstandeten Teile dieser Seiten ermöglicht. Nach dem derzeitigen Sachstand ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin zu 1) zur Befolgung eines etwaigen Verbots ihren Kunden den Zugriff zu den beiden „google“-Seiten vollständig unmöglich machen müsste, solange dort Inhalte der im Antrag beschriebenen Art auffindbar sind. Eine solche Maßnahme wäre der Antragsgegnerin zu 1) im Hinblick darauf, dass es sich bei „google“ um eine wichtige und aus der Sicht ihrer Kunden unverzichtbare Suchmaschine handelt und nur ein verschwindend geringer Teil dieser Kunden auf die beanstandeten Inhalte zugreifen wollen und werden, nicht zuzumuten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Den Streitwert für das Eilverfahren und das Beschwerdeverfahren hat der Senat unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts auf den in der Antragsschrift vorgeschlagenen Betrag von 25.000,- € festgesetzt. Auch wenn ein Verbot des beantragten Inhalts für die Antragsgegnerin zu 1) erhebliche Auswirkungen hätte, folgt daraus nicht, dass die eigene Streitwertangabe der Antragstellerin deren Interesse am Erlass der einstweiligen Verfügung nicht entspricht.

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