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Kindesunterhalt: Unterhaltsbedarf – volljähriges Kind zwischen Zivildienst und Ausbildung

OLG Zweibrücken

Az: 2 WF 87/06

Beschluss vom 12.05.2006


In der Familiensache wegen Kindesunterhalts, hier: Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 24. April 2006, eingegangen am selben Tag (Montag), gegen den ihm am 23. März 2006 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße vom 16. März 2006 ohne mündliche Verhandlung am 12. Mai 2006 beschlossen:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der angefochtene Beschluss teilweise geändert:

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt, soweit er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung monatlichen Kindesunterhalts von 103,00 EUR für die Zeit von September 2005 bis Februar 2006 begehrt.

Im Übrigen wird sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller hat die Hälfte der in Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG angesetzten Festgebühr zu tragen.

Gründe:

I.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage, mit der er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Ausbildungsunterhaltes von 352,00 EUR ab Juli 2005 verfolgen wollte, insgesamt wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussicht verweigert.

Die seitens des Antragstellers hiergegen erhobene sofortige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung befindet, ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig.

In der Sache führt das Rechtsmittel lediglich zu einem Teilerfolg in dem sich aus Ziffer 1 des Entscheidungssatzes ergebenden Umfang.

1. Die vom Kläger behauptete Alleinhaftung des Beklagten für seinen Barunterhaltsanspruch macht die Klage entgegen der Auffassung des Familiengerichtes nicht insgesamt unschlüssig. Vielmehr ist – unter Zugrundelegung der für die Beurteilung der jeweiligen Unterhaltsverpflichtung beider Elternteile maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – zu prüfen, inwieweit ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten besteht. Nur soweit ein solcher nach der im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens gebotenen summarischen Prüfung – aus welchen Gründen auch immer – nicht gegeben ist, ist das Klagebegehren unbegründet und demzufolge die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen.

2. Ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen den Beklagten besteht nach Aktenlage lediglich für die Zeit von September 2005 bis Februar 2006.

Für die Monate Juli und August 2005 hat das Familiengericht zureffend eine Unterhaltsbedürftigkeit des Klägers verneint, weil dieser nicht außerstande gewesen ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Der volljährige Kläger wäre gehalten gewesen, seinen Unterhaltsbedarf in dieser Zeit durch Einkünfte aus Aushilfstätigkeit selbst zu decken. Die Beendigung des Zivildienstes zum 30. Juni 2005 war ihm bereits lange vorher bekannt; er hätte sich deshalb frühzeitig um eine Arbeitsstelle bemühen müssen, aus deren Einkünften er seinen Unterhaltsbedarf für die Zeit bis zum Beginn der Berufsausbildung bzw. des Berufspraktikums hätte decken können.

Gleiches gilt auch für die Zeit ab Beendigung des zur Erlangung der Fachhochschulreife erforderlichen Praktikums Ende Februar 2006 bis zum Beginn der Ausbildung im August 2006. Eine Verlängerung des – nicht vergüteten – Praktikums bis Ende Juli 2006 ist unterhaltsrechtlich nicht hinzunehmen. Der Kläger war bzw. ist gehalten, in dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, mit deren Einkünften er seinen Unterhaltsbedarf sicherstellen kann. Dass der Erhalt des Ausbildungsplatzes an die Verlängerung des (nicht vergüteten) Praktikums geknüpft gewesen sei, ist nicht dargetan und dürfte zudem rechtlich bedenklich sein.

Fortbestehende Bedürftigkeit ab August 2006 ist nicht dargetan. Der Kläger wird dann eine Ausbildungsvergütung erhalten, zu deren Höhe er keinen Vortrag gehalten hat. Der Ausbildungsvertrag ist nicht vorgelegt.

Unterhaltsbedürftigkeit besteht danach nur für die Zeit vom September 2005 bis Februar 2006, während der der Kläger das zur Erlangung der allgemeinen Fachhochschulreife vorgeschriebene Berufspraktikum absolviert hat. Während dieser Zeit konnte der Kläger seinen Unterhaltsbedarf nicht durch eigene Einkünfte decken. Dass rückschauend die Erforderlichkeit für dieses Praktikum entfallen ist, nachdem der Kläger das zunächst beabsichtigte Fachhochschulstudium nunmehr zugunsten einer Berufsausbildung aufgegeben hat, mit deren Abschluss er ebenfalls die Fachhochschulreife erlangen kann, führt nicht zum Wegfall seiner Unterhaltsbedürftigkeit in diesem Zeitraum.

3. Der Unterhaltsbedarf des Klägers bemisst sich, da er im Haushalt der Mutter lebt, nach der 4. Alterstufe der Düsseldorfer Tabelle. Zugrunde zu legen ist das bereinigte Gesamteinkommen beider Eltern. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch seine Mutter zur Erbringung anteiligen Barunterhalts verpflichtet. Wegen der anteiligen Barunterhaltsverpflichtung beider Elternteile (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) kann aus Vereinfachungsgründen das (volle) Kindergeld bedarfsdeckend auf den Unterhaltsbedarf angerechnet werden (BGH FamRZ 2006, 99 [102]).

4. Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfes des Klägers sowie der Haftungsanteile der Eltern ist von Folgendem auszugehen:

a) Auf Seiten des Beklagten sind zunächst dessen Pensionsbezüge, die sich ausweislich der Bezügemitteilung für April 2005 (Bl. 12 d. A.) auf durchschnittlich monatlich rund 1 438,00 EUR belaufen, zu Grunde zu legen. Diese sind zu bereinigen um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von durchschnittlich rund 178,00 EUR, die Zahlungen auf Baudarlehen des BHW von monatlich 185,00 EUR und rund 77,00 EUR sowie die Beiträge zur Unfallversicherung von rund 8,00 EUR. Es verbleibt ein bereinigtes Pensionseinkommen von rund 990,00 EUR.

Einkünfte aus Vermietung der Ferienwohnung in Spanien sind vom Kläger nicht substantiiert dargetan.

Hinzuzurechnen ist der Gebrauchsvorteil mietfreien Wohnens in der dem Beklagten gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau gehörenden Eigentumswohnung in Neustadt. Dieser ist mit dem bereinigten hälftigen objektiven Mietwert anzusetzen. Unter Zugrundelegung einer Wohnungsgröße von 90 qm (die Behauptung einer Größe von 140 qm erscheint ins Blaue hinein erfolgt zu sein, nachdem der Kläger – der keinerlei Kontakt zum Beklagten pflegt – sich nicht zu den Grundlagen seiner Annahme erklärt hat) schätzt der Senat den (bereinigten) Wohnvorteil des Beklagten auf monatlich rund 250,00 EUR.

Die bereinigten Gesamteinkünfte des Beklagten belaufen sich danach auf rund 1 240,00 EUR.

b) Auf Seiten der Mutter des Klägers ist ein Erwerbseinkommen aus vollschichtiger Tätigkeit in Ansatz zu bringen; mit der Ausübung einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit (22,5 Wochenstunden) genügt sie ihrer Erwerbsverpflichtung gegenüber dem volljährigen Kläger (§ 1603 Abs. 1 BGB) nicht. Tatsächliche Umstände, aufgrund derer die Mutter des Klägers nicht zu einer vollschichtigen Tätigkeit in der Lage und/oder verpflichtet sein könnte, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargetan. Bei vollschichtiger Ausübung ihrer Tätigkeit könnte die Mutter des Klägers ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen von rund 1 590,00 EUR netto erzielen (hochgerechnet auf der Grundlage der belegten Einkünfte aus teilschichtiger Tätigkeit). Nach Abzug der dargelegten berufsbedingten Aufwendungen (konkrete Fahrtkosten rund 128,00 EUR ) verbleiben rund 1 462,00 EUR. Dieses Einkommen ist um Beiträge zur Renten- und Unfallversicherung von rund 114,00 EUR auf rund 1 348,00 EUR monatlich zu bereinigen.

Mieteinnahmen hat die Mutter des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erzielt.

Zuzurechnen ist auch ihr der Vorteil mietfreien Wohnens im eigenen Anwesen. Dieser ist auf der Grundlage des Sachvortrages des Klägers (Seite 5 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2005 – Bl. 56 d. A.) mit monatlich 450,00 EUR zu bemessen. Instandsetzungsaufwendungen sind nicht mindernd zu berücksichtigen, da die Aufwendungen in 2005 ausweislich der vorgelegten Unterlagen im Wesentlichen die (bis Juli 2005 vermietete) Einliegerwohnung bzw. nicht zu berücksichtigende Hausnebenkosten betrafen. Nach Bereinigung um verbrauchsunabhängige Hausnebenkosten ist ein Wohnvorteil von rund 400,00 EUR monatlich anzusetzen.

Damit ist auf Seiten der Mutter des Klägers von bereinigten Gesamteinkünften von rund 1 748,00 EUR auszugehen.

c) Bei bereinigten Gesamteinkünften beider Eltern von (1 240,00 EUR + 1 748,00 EUR =) 2 988,00 EUR bemisst sich der Unterhaltsbedarf des Klägers nach Einkommensgruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle; er beläuft sich auf monatlich 536,00 EUR. Nach Abzug des Kindergeldes verbleibt ein durch die Eltern zu deckender Bedarf von 382,00 EUR.

d) Für die Bestimmung der Haftungsanteile beider Eltern sind deren bereinigte Gesamteinkünfte um den ihnen im Verhältnis zum Kläger zu belassenden angemessenen Selbstbehalt von 1 100,00 EUR (Nr. 21.3.1 der SüdL) zu kürzen.

Da in diesem angemessenen Selbstbehalt ein Betrag von 450,00 EUR für Unterkunft und Heizung enthalten ist, ist der angemessene Selbstbehalt des Beklagten mit Rücksicht auf dessen deutlich geringere Wohnkosten herabzusetzen. Bei Ansatz eines Heizkostenanteiles von monatlich rund 100,00 EUR liegen die Kosten der Unterkunft des Beklagten mit (250,00 EUR zugerechneter Wohnvorteil + 100,00 EUR Heizkosten =) 350,00 EUR um 100,00 EUR unter dem im angemessenen Selbstbehalt enthaltenen 450,00 EUR. Sein Selbstbehalt kann daher auf 1 000,00 EUR monatlich reduziert werden.

Damit stehen dem Beklagten zur Deckung des verbleibenden Unterhaltsbedarfs des Sohnes 240,00 EUR zur Verfügung, während die Mutter des Klägers 648,00 EUR einsetzen kann.

Der Haftungsanteil des Beklagten beläuft sich danach auf rund 27 %, das sind 103,00 EUR monatlich.

5. Da die sofortige Beschwerde des Klägers lediglich einen Teilerfolg hat, erscheint es gerechtfertigt, ihm die Hälfte der in Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG angesetzten Festgebühr für erfolglose Beschwerdeverfahren aufzuerlegen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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