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Konkurrentenklage – einstweilige Anordnung

Oberverwaltungsgericht NRW

Az.: 6 B 1946/04

Beschluss vom 21.02.2005

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Köln, Az.: 19 L 1521/04


Das OVG NRW hat beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die mit Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 00.00.0000 dem Landrat des F. als Kreispolizeibehörde zum 00.00.0000 zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe A 13 der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsaufassung des Senats erneut entschieden worden ist.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen der Antragsgegner zu 3/4 und der Antragsteller zu 1/4. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt dieser selbst.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Die mit ihr innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-) dargelegten Gründe, die vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO lediglich zu prüfen sind, führen nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu einem Erfolg des Rechtsmittels.

Der Antragsteller und der Beigeladene verrichten Dienst als Polizeihauptkommissar bzw. Kriminalhauptkommissar bei der Kreispolizeibehörde S. -F1. -L. Beide haben eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO inne. In ihren letzten dienstlichen Beurteilungen vom 00.00.0000 bzw. vom 00.00.0000 wurde beiden das Gesamturteil „Die Leistung und Befähigung übertreffen die Anforderungen“ (4 Punkte) zuerkannt. Der Landrat des S. -F1. -Kreises als Kreispolizeibehörde (Landrat) beabsichtigt, eine ihm zum 00.00.0000 zugewiesene Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 g.D. BBesO an den Beigeladenen zu übertragen. Hiergegen erstrebt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz.

Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag, „der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu untersagen, die in der Mailbox VL1 vom 00.00.0000 ausgeschriebene Stelle eines/einer Ersten Polizeihauptkommissar/in (A 13) bei der Polizeiinspektion Süd des S. -F1. -Kreises mit Herrn Kriminalhauptkommissar N. B. 0. entsprechend der Ankündigung mit Schreiben vom 00.00.0000, welches dem Antragsteller am 00.00.0000 zuging, zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist,“ mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Zur weiteren Begründung ist ausgeführt: Die zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Landrat sei zutreffend davon ausgegangen, dass beide leistungsmäßig im Wesentlichen gleich qualifiziert seien. Auch sei dem Beigeladenen rechtsfehlerfrei ein Eignungsvorsprung zuerkannt worden, weil dieser dem sich aus der Richtschnur (Richtschnur) für die Zuordnung von Planstellen A 12/A 13 g.D. in Verbindung mit dem Personalverwendungskonzept vom 00.00.0000 in der Fassung vom 00.00.0000 (Personalverwendungskonzept) ergebenden Anforderungsprofil am besten entspreche.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller unter anderem geltend: Der zwischen ihm und dem Beigeladenen vorgenommene Qualifikationsvergleich sei fehlerhaft. So sei er – der Antragsteller – besser qualifiziert als der Beigeladene. Dies ergebe sich daraus, dass er in einem unter dem 00.00.0000 erstellten Beurteilungsbeitrag in allen Submerkmalen mit 5 Punkten bewertet worden sei. Ein Qualifikationsvorsprung zu seinen Gunsten folge auch aus den früheren dienstlichen Beurteilungen, die der Landrat zu Unrecht nicht herangezogen habe.

Das sich aus der Richtschnur in Verbindung mit dem Personalverwendungskonzept ergebende Anforderungsprofil sei nicht sachgerecht. Es verenge für diejenigen Bewerber, die die danach maßgeblichen Kriterien nicht erfüllten und allein aufgrund ihrer Verwendung – und nicht ihrer Eignung und Befähigung – auch nicht die Gelegenheit dazu hätten, den Zugang zu Beförderungsstellen unangemessen. Hiervon sei auch er – der Antragsteller – betroffen. Er habe in der Vergangenheit mehrere A 13-fähige Dienstposten bekleidet, die allerdings – zu Unrecht – in der Richtschnur nicht als A 13-fähig eingestuft worden seien.

Der Antragsteller ist mit Wirkung vom 00.00.0000 von seinem bisherigen Dienstposten, Leiter der Polizeiwache X., abberufen und zum Bezirksdienst der Polizeiinspektion Mitte in L1. umgesetzt worden. Dort nimmt er die Funktion eines Bezirksdienstbeamten wahr. Weiterhin sind gegen den Antragsteller mit Verfügung vom 00.00.0000 disziplinarische Vorermittlungen angeordnet worden.

Hierzu trägt der Antragsteller vor: Der Antragsgegner gehe zu Unrecht davon aus, dass die Beförderungskonkurrenz zwischen ihm – dem Antragsteller – und dem Beigeladenen durch die Umsetzung und die Einleitung disziplinarischer Vorermittlungen entfallen sei. Insoweit sei schon nicht ersichtlich, inwieweit diese Maßnahmen für das vorliegende Verfahren von Bedeutung seien, denn sie seien erst nach dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt durchgeführt worden. In Bezug auf die gegen ihn eingeleiteten disziplinarischen Vorermittlungen sei er der Auffassung, dass er sich disziplinarrechtlich nicht bedenklich verhalten habe.

Mit seinem Vorbringen hat der Antragsteller zunächst das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung). Dieser folgt daraus, dass eine Übertragung der hier in Rede stehenden Beförderungsstelle an den Beigeladenen durch eine Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.

Dem Antragsteller kommt auch ein Anordnungsanspruch in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang zu.

Bei der Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden Beamten eine Beförderungsstelle übertragen wird, ist das Prinzip der Bestenauslese zu beachten. (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG -, § 7 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – LBG NRW -). Der einzelne Bewerber hat insoweit ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Stellenbesetzung. Dieses Recht ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig.

Der Erlass einer entsprechenden Sicherungsanordnung setzt voraus, dass die Verletzung des Rechts des betroffenen Beamten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Beförderungsbegehren glaubhaft ist und die Möglichkeit besteht, dass eine fehlerfreie Wiederholung der Auswahlentscheidung zur Beförderung des Antragstellers führt. Mit anderen Worten: Jeder Fehler im Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Fehler der dabei zugrunde gelegten Beurteilungen vermag den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen; vorausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit des Fehlers und dessen potentielle Kausalität für das Auswahlergebnis.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 13. September 2001 – 6 B 1776/00-, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 2002, 111, und vom 6. August 2004 -6 B 1226/04-.

Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung als fehlerhaft. Deren entscheidender Ausgangspunkt war zunächst ein Qualifikationsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen anhand von deren aktuellen dienstlichen Beurteilungen. Dies ergibt sich aus den vom Antragsgegner übersandten Unterlagen betreffend das Auswahlverfahren. Übereinstimmend damit hat der Antragsgegner sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren ausdrücklich betont, dass im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung zunächst die Ergebnisse der letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber verglichen worden seien. Der vom Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen angeführte Vergleich der von den Mitbewerbern innegehabten Dienstposten ist mitsamt dem zugehörigen Rückgriff auf das Personalverwendungskonzept demgegenüber nachrangig. Der Senat vermag darin anders als das Verwaltungsgericht nicht die Aufstellung eines für die Übertragung des Beförderungsamtes unabdingbar zu erfüllendes Anforderungsprofil zu erkennen. Unterstellt man mit dem Antragsgegner, dass der Antragsteller die aus dem Personalverwendungskonzept abgeleiteten Anforderungen nicht erfüllt, ergibt der vorrangig angestellte Qualifikationsvergleich nämlich keinen Sinn.

Diesen Qualifikationsvergleich hat der Antragsgegner in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft durchgeführt.

Zunächst ist die aktuelle dienstliche Beurteilung des Beigeladenen fehlerhaft. Diese erfasst nur den Zeitraum vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000, also nur einen Zeitraum von 13 Monaten. Nach den Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 1996 – MBI. NRW 1996, 278 – i.d.F. der einschlägigen Änderungen (BRL Pol) beträgt ein Beurteilungszeitraum aber drei Jahre (vgl. Nr. 3.1 Abs. 1 BRL Pol). Für die Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 ist für den Beigeladnen lediglich ein Beurteilungsbeitrag erstellt worden, der aber nicht in die aktuelle dienstliche Beurteilung eingeflossen ist, weil diese – wie bereits ausgeführt – diesen Zeitraum nicht umfasst.

Dieser Fehler ist potentiell kausal für das Auswahlergebnis, weil sich schon im Allgemeinen nicht sicher ausschließen lässt, dass die dienstliche Beurteilung bei ordnungsgemäßer Erstellung für den Beigeladenen schlechter ausgefallen wäre. Im vorliegenden Fall gilt das in besonderem Maße: Der Beigeladene ist in dem Beurteilungsbeitrag in einer erheblichen Anzahl von Submerkmalen schlechter bewertet worden als in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung. Dies stellt sich im Einzelnen wie folgt da:

– Submerkmale betreffend das Hauptmerkmal Leistungsverhalten:

– Initiative und Selbständigkeit: 4 Punkte gegenüber 5 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung;

– Ausdauer und Belastbarkeit: 3 Punkte gegenüber 5 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung;

– Lernbereitschaft und Lernverhalten: 3 Punkte gegenüber 4 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung;

– schriftlicher Ausdruck: 3 Punkte gegenüber 4 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung.

– Submerkmale betreffend das Hauptmerkmal Leistungsergebnis:

– Leistungsumfang: 3 Punkte gegenüber 4 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung.

– Submerkmale betreffend das Hauptmerkmal Sozialverhalten:

– Verhalten gegenüber Vorgesetzten: 3 Punkte gegenüber 5 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung;

– Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern: 3 Punkte gegenüber 4 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung.

– Submerkmale betreffend das Hauptmerkmal Mitarbeiterführung:

– Zielentwicklung und

– Vereinbarung; Leistungsmotivation: 3 Punkte gegenüber 4 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung;

– Delegieren und Kontrollieren: 3 Punkte gegenüber 5 Punkten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung.

Bei einer derartigen Anzahl von zum Teil auch erheblich voneinander abweichenden Bewertungen in den Submerkmalen, die zudem auch noch alle Hauptmerkmale betreffen, liegt es nahe, dass eine den genannten Beurteilungszeitraum umfassende dienstliche Beurteilung des Beigeladenen – unter Berücksichtigung des genannten Beurteilungsbeitrags – schlechter ausgefallen wäre, als die aktuelle dienstliche Beurteilung des Antragstellers.

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Daneben erweist sich der zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen vorgenommene Qualifikationsvergleich – einen Qualifikationsgleichstand nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen als gegeben unterstellt – auch deshalb als fehlerhaft, weil der Landrat dabei die älteren dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten nicht in den Blick genommen hat. Zwar sind für Auswahlentscheidungen in erster Linie aktuelle dienstliche Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leistungsstand wiedergeben. Ältere dienstliche Beurteilungen können daneben als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für die Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich nicht zum aktuell erreichten Leistungsstand im gegenwärtigen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl können sie Rückschlüsse und Prognosen über die zukünftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Sie können im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen positive oder negative Entwicklungstendenzen aufzeigen. Das gilt auch für in früheren Beurteilungen enthaltene Einzelaussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen. Die zusätzliche Berücksichtigung vorangegangener dienstlicher Beurteilungen bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn – wie vom Antragsgegner für den Antragsteller und den Beigeladenen angenommen – eine Stichentscheidung unter zwei aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 -, Der Öffentliche Dienst (DÖD) 2003, 200, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202, und Urteil vom 21. August 2003 – 2 C 14.02 -, Juris Dokument Nr. WBRE 410010345; OVG NRW, Beschlussvom 17. Dezember 2003 – 6 B 2172/03-.

Zwar muss bei einer Auswahlentscheidung nicht immer ein chronologisch rückwärts gerichteter Vergleich älterer dienstlicher Beurteilungen zwingend den Ausschlag geben. Dem Dienstherrn ist vielmehr bei der Auswertung früherer Beurteilungen ein Entscheidungsspielraum zuzugestehen, innerhalb dessen er sich schlüssig zu werden hat, ob und inwieweit aus den früheren Beurteilungen Erkenntnisse für den Qualifikationsvergleich gewonnen werden können. Dem korrespondiert angesichts des Verfassungsprinzips effektiver Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) notwendigerweise eine – u. U. erhöhte – Begründungs- und Substantiierungspflicht des Dienstherrn, wenn er früheren Beurteilungen für den Qualifikationsvergleich keine Bedeutung beimessen will. Andernfalls liefe die gerichtliche Kontrolle, die angesichts des Entscheidungsspielraums des Dienstherrn zwangsläufig nur in eingeschränktem Umfang stattfinden kann, praktisch ins Leere. Die dem Dienstherrn obliegende Begründung und Substantiierung seiner Entscheidung muss insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob er seinen Entscheidungsspielraum erkannt und ausgeübt, dabei die Grundsätze der Bestenauslese und Willkürfreiheit beachtet und auch sonst den rechtlichen Rahmen einschließlich der dabei bedeutsamen Begrifflichkeiten eingehalten hat. Hierzu gehört in Sonderheit die Erkenntnis, dass auf Hilfskriterien nur dann abgestellt werden kann, wenn der gebotene Qualifikationsvergleich zu keinem die Auswahlentscheidung präjudizierenden Ergebnis geführt hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 6 B 2172/03 -.

Vorliegend ist der Antragsgegner eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig geblieben, warum der Landrat den früheren Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen keine Beachtung geschenkt hat. Eine derartige Begründung war aber erforderlich, denn die Auswertung von deren Vorbeurteilungen drängte sich auf. Der Antragsteller ist in seiner Vorbeurteilung vom 00.00.0000 für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 im Gesamturteil mit „Die Leistung und Befähigung … übertreffen die Anforderungen“ (4 Punkte) bewertet worden, während dem Beigeladenen in seiner Vorbeurteilung vom 00.00.0000 für den gleichen Zeitraum nur das Gesamturteil „Die Leistung und Befähigung … entsprechen voll den Anforderungen“ (3 Punkte) zuerkannt worden ist. Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang geltend macht, dass „ältere Beurteilungen gesondert vor oder zusammen mit anderen Hilfskriterien“ bei der Auswahlentscheidung nicht mehr hätten berücksichtigt werden können, weil der Beigeladene schon nach dem zweiten Auswahlkriterium – hierbei handelt es sich um die von den Bewerbern innegehabte Funktion – einen Eignungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller habe aufweisen können, genügt dieses Vorbringen den Anforderungen an eine hinreichende Plausibilisierung nicht. Der Antragsgegner verkennt insoweit nämlich, dass ältere dienstliche Beurteilungen bei einer Auswahlentscheidung nicht als – nachrangige – Hilfskriterien, sondern bereits auf der Ebene des Qualifikationsvergleichs zu berücksichtigen sind.

Auch insoweit ist in Bezug auf eine neue Auswahlentscheidung nicht auszuschließen, dass der Landrat dem Antragsteller gegenüber dem Beigeladenen einen Qualifikationsvorsprung zubilligt und ihm – dem Antragsteller – den Vorzug gegenüber dem Beigeladenen gibt.

Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung lässt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht auf die im Dezember 0000 erfolgte Anordnung disziplinarischer Vorermittlungen gegen den Antragsteller stützen. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass ein Dienstherr einem derartigen Umstand im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens entscheidungserhebliche Bedeutung beimisst.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 1992 – 6 B 2483/92 – und vom 15. März 1994 – 6 B 416/94 – .

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber dann anzunehmen, wenn der gegen den Beamten gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens offensichtlich unbegründet ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 1992 – 6 B 2483/92 – und vom 15. März 1994 – 6 B 416/94 – .

Ein derartiger Fall ist vorliegend gegeben. Anlass für die Anordnung disziplinarischer Vorermittlungen gegen den Antragsteller war, wie sich dem Schreiben des Landrates vom 00.00.0000 entnehmen lässt, die mit Schreiben vom 00.00.0000 an den Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen gerichtete Petition des Antragstellers. Mit dieser hat er um Abhilfe in Bezug auf die aus seiner Sicht besorgniserregenden Zustände in der Polizeiinspektion Süd des S. -F1. -Kreises nachgesucht. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller aufgrund dessen ein Vorwurf in disziplinarischer Hinsicht zu machen wäre. Dies gilt zunächst in Bezug auf den Vorwurf, den Dienstweg nicht eingehalten und damit gegen § 179 LBG NRW verstoßen zu haben. Gemäß Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht kommt auch, was der Landrat in seinem Schreiben vom 00.00.0000 eingeräumt hat, einem Beamten zu.

Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2005, § 179 LBG NRW, Rdnr. 1.

Gemäß § 179 Abs. 3 LBG NRW kann der Beamte Eingaben – hierzu gehört auch eine Petition – jederzeit unmittelbar an den Landtag richten. Der Einhaltung des Dienstwegs bedarf es in diesem Fall gerade nicht. Dies gilt auch für Dienstpetitionen, vgl. Schütz/Maiwald, § 179 LBG NRW, Rdnr. 35, d.h. Petitionen, die – wie hier – der Petent als Beamter vorlegt und die im weitesten Sinne das Dienstverhältnis, Fragen der Behörde oder das Verwaltungsverfahren betreffen.

Vgl. Schütz/Maiwald, § 179 LBG NRW, Rdnr. 12.

Auch der Inhalt des hier in Rede stehenden Petitionsschreibens ist nicht geeignet, einen disziplinarrechtlichen Vorwurf gegen den Antragsteller zu begründen. Zwar erscheinen die von dem Antragsteller verwendeten Formulierungen in einzelnen Passagen überzogen (so etwa, wenn er von seinem Vorgesetzten als Täter spricht). Dass damit oder mit dem Schreiben insgesamt die Grenze des Erträglichen überschritten würde, lässt sich aber nicht feststellen. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsteller seine Wohlverhaltenspflicht gegenüber den ihm nachgeordneten Beamten verletzt hat. Soweit er diesbezüglich in seinem Petitionsschreiben ausgeführt hat, dass er sich um seine Mitarbeiter, die durch das Verhalten des PI-Leiters in große Ängste und Verunsicherungen gestürzt worden seien, sorge, gibt er damit lediglich seine Einschätzung des in der Polizeiinspektion Süd vorherrschenden Arbeitsklimas wieder. Selbst wenn diese Sicht nicht zutreffend sein sollte, dürften hieraus keine Konsequenzen in disziplinarrechtlicher Hinsicht erwachsen; denn für die Verhängung einer disziplinarrechtlichen Sanktion ist allein eine derartige Fehleinschätzung nicht ausreichend.

Soweit sich die einstweilige Anordnung über den in der Beschlussformel genannten Zeitpunkt hinaus auf die Zeit bis zur Unanfechtbarkeit der Beförderungsentscheidung erstrecken soll, bleibt der Antrag des Antragstellers erfolglos. Dem Rechtschutzanspruch eines Beamten, der gegen eine Beförderungsentscheidung vorläufigen Rechtschutz begehrt, ist in aller Regel hinlänglich Rechnung getragen, wenn die Wirkungsdauer der einstweiligen Anordnung nicht über die Neubescheidung seiner Bewerbung hinausreicht. Mehr als eine solche Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts kann er auch im Hauptsacheverfahren in aller Regel nicht erzielen. Die einstweilige Anordnung darf aber über das dort Erreichbare auch in zeitlicher Dimension nicht hinausgehen. Für eine bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung geltende Anordnung ist deshalb im Allgemeinen kein Raum.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. September 2001 – 1 B 205/01 – und vom 13. September 2001 – 6 B 1776/00 -, a.a.O.

Für eine davon im vorliegenden Streitfall zu machende Ausnahme besteht kein Anlass.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 72 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes in der seit dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

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