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Lagerfahrzeug – Neufahrzeug – Auslegung – Gewährleistungsrechte

 OLG Braunschweig

Az.: 2 U 128/04

Urteil vom 07.07.2005


Das OLG Braunschweig hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom XXX für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.9.2004 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e

I.
Mit der Klage macht der Kläger aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Gewährleistungsrechte aus einem Kaufvertrag geltend. Am 15.1.2004 schlossen die Ehefrau des Klägers als Käuferin und die Beklagte einen Kaufvertrag, der auf Käuferseite von dem Kläger unterschrieben wurde, über das „ImportFahrzeug wie gesehen„ Chrysler PT Cruiser 2.0 Limited Fahrgestellnummer …. zu einem Kaufpreis von 17.590,00 €. Unter Sonstiges heißt es im Kaufvertrag „Lagerfahrzeug, Modelljahr 02„. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag Anlage K1 (Bl. 5 d.A.) verwiesen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der PKW, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nie zum Verkehr zugelassen worden war und dem aktuellen Modell zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprach, am 15.10.2001 produziert worden ist.

Mit Schreiben vom 12.3.2004 verlangte der Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung die Lieferung eines „vertragsgemäßen„ Fahrzeugs, das allenfalls 12 Monate alt sei. Nach Fristablauf trat der Kläger mit Schreiben vom 30.3.2004 vom Kaufvertrag zurück und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 2.145,00 € bis zum 5.4.2004 auf.

Der Kläger hat behauptet, dass er bei dem Wechsel von den von ihm gesondert erworbenen Winterreifen zu den mitgelieferten Sommerreifen an diesen „Standbeulen„ entdeckt habe und dabei die lange Standzeit des Fahrzeugs bemerkt habe. Das Fahrzeug sei wegen der Standzeit von mehr als 12 Monaten nicht vertragsgemäß.

Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages unter Anrechnung von 0,10 € je 1000 km Laufleistung von 7000 km und den Ersatz für die Kosten einer Anhängerkupplung (847,50 €), eines Navigationssystems (208,72 €), von ChromZubehör (984,14 €) und für 4 neue Reifen (440,00 €).

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.620,36 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2004, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Chrysler PT Cruiser 2.0 Limited, FahrgestellNr.: … , zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass das Fahrzeug vertragsgemäß sei. Das Fahrzeug sei nicht als Neufahrzeug verkauft worden. In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte in erster Instanz behauptet, dass der vereinbarte Kaufpreis 37 % unter dem Listenpreis für Neufahrzeuge gelegen habe.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat den Nutzungsausgleich anders berechnet und hinsichtlich der Kosten für die Reifen die Klage abgewiesen, weil der Kläger der Beklagten insofern keine Nachfrist gesetzt habe. Das Fahrzeug weise einen Sachmangel auf. Es sei zwar nicht als Neufahrzeug im Sinne von „fabrikneu„ verkauft worden, das nach der Rechtsprechung des BGH nicht älter als 12 Monate sein dürfe. Bei einem „Lagerfahrzeug„ müsse zwar mit einer längeren Lagerdauer gerechnet werden. Die Lagerdauer dürfe jedoch wegen der Alterungserscheinungen, die auch unabhängig vom Gebrauch auftreten, 2 Jahre nicht übersteigen.

Dagegen richtet sich die form und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Das gelieferte Fahrzeug sei vertragsgerecht. Die Festsetzung einer maximal zumutbaren Lagerdauer von 24 Monaten bei einem als Lagerfahrzeug verkauften Kraftfahrzeug sei willkürlich. In der Rechtsprechung werde die Frage, ob die tatsächliche Lagerzeit nach dem Vertrag noch akzeptabel sei, jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls entschieden. Hier habe auch der Kläger nicht vorgetragen, dass konkludent eine maximale Lagerdauer von 24 Monaten vereinbart worden sei. Der Mitarbeiter der Beklagten habe bei Vertragsschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug aus dem Modelljahr 2002 stamme und „auf Lager„ gestanden habe. Der Kläger habe nicht weiter nachgefragt. Im übrigen sei der Preis mit 25 % unter Neupreis (23.320,00 €) sehr günstig gewesen.

Die Beklagte beantragt, die Klage in Abänderung des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 17.9.2004 4 O 1240/04 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. „Modelljahr 2002„ weise nur auf das erste Produktionsjahr der entsprechenden Modellreihe hin. Der Kläger habe nicht mit einer längeren Lagerzeit rechnen müssen. Lange Lagerzeiten führten zur Verschlechterung des Allgemeinzustandes, so dass nicht mehr von einem Neufahrzeug ausgegangen werden könne. Der Preis sei auch nicht besonders günstig gewesen. Im Jahre 2004 hätte ein Neufahrzeug mit vergleichbarer Ausstattung und mit Navigationssystem 23.400 € gekostet.

II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache begründet. Dem Kläger stehen keine Gewährleistungsrechte wegen der Lagerzeit des verkauften Fahrzeugs von 27 Monaten zu. Nach dem Kaufvertrag konnte der Kläger kein Neufahrzeug im Sinne der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15.10.2003 NJW 2004, 160f), also ein maximal 12 Monate vor Kaufvertragsschluss produziertes Fahrzeug, erwarten. Der Kaufvertrag enthält nach seinem Wortlaut keinerlei Hinweise auf einen Neuwagenkauf. Das Wort „neu„ taucht an keiner Stelle auf, dagegen das Wort „Lagerfahrzeug„. Auch das Landgericht hat keinen Neuwagenkauf angenommen. Zu den Vertragsverhandlungen und der Werbung für das Fahrzeug hat der Kläger nichts vorgetragen. Auch die von der Beklagten vorgelegte, von dem Kläger bestrittenen Ausstattungsliste, die im Fahrzeug ausgehängt gewesen sein soll (Anlage A 1 zur Berufungsbegründung), enthält das Wort „neu„ nicht.

Das Fahrzeug ist auch nicht aus anderen Gründen mangelhaft. Das Landgericht hat angenommen, dass auch ein nicht als neu verkauftes Lagerfahrzeug maximal 24 Monate alt sein dürfe. Die Gründe überzeugen nicht. Nach der Auffassung des Landgerichts wäre auch nicht ersichtlich, unter welcher Bezeichnung das Fahrzeug sonst hätte verkauft werden sollen. Um einen Gebrauchtwagen handelt es sich auch nicht, da es sich unstreitig um ein bisher nicht zum Verkehr zugelassenes Fahrzeug handelte.

Da es sich nicht, wie der Verkauf von Neuwagen, um ein Standardgeschäft handelt, gibt es keine allgemeinen Regeln. Vielmehr ist der Vertrag nach den Umständen des Einzelfalles auszulegen (so auch: OLG Koblenz NJWRR 1997, 430f für „neues Fahrzeug„, Hinweis auf Lagerzeit, nicht mehr aktuelles Modell, Lagerzeit 29 Monate; OLG Schleswig NJWRR 2000, 505 „EUImportwagen, Neuwagen„, Hinweis auf fehlende Werksgarantie, aktuelles Modell, ca. 30 Monate Lagerzeit; OLG Zweibrücken NJWRR 1998, 1211f nicht mehr produzierte Modellreihe, erhebliche Preisvorteile, mehr als 3 Jahre Lagerzeit).

Hier ist der Begriff „Lagerfahrzeug„ noch mit „Modelljahr 2002„ konkretisiert. Es handelt sich unstreitig um ein solches Fahrzeug, denn das Modelljahr fällt nicht mit dem Kalenderjahr zusammen. Im KfZHandel ist es üblich, neue Modelle bereits in der zweiten Jahreshälfte des Vorjahres mit der Jahresbezeichnung des Folgejahres zu bezeichnen. Nach einer früher geltenden Regelung der StVZO zur Angabe des Baujahres in KfZPapieren war der 1.10. des Vorjahres maßgeblich für die Angabe der Jahresbezeichnung des Folgejahres (vgl. Reinking/ Eggert Der Autokauf 8.Aufl. Rn. 209).

Es handelt sich damit um ein vertragsgerechtes Fahrzeug. Daran ändert auch nichts, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein neueres Modell als „Modelljahr 2002„ auf dem Markt war. Der Begriff „Lagerfahrzeug„ und die fehlende Verwendung des Begriffes „neu„ zusammen mit der Angabe „Modelljahr 2002„ bezeichnen ein Fahrzeug, das irgendwann in der Zeit, in der das „Modell 2002„ hergestellt wurde, sei es auch zu Beginn dieses Zeitraums, hergestellt wurde und, eventuell sogar seit Modelleinführung im Jahr 2001, auf Lager gestanden hat.

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Hier ist auch zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug zu einem Preis deutlich, wenn auch in streitiger Höhe, unter dem Listenpreis für Neufahrzeuge verkauft worden ist. Auch nach dem Vortrag des Klägers hätte er einen Preisvorteil von ca. 5600 €, also 25 % des Listenpreises, erzielt.

Als Mangel kommen damit nicht die Lagerdauer von 27 Monaten, sondern nur noch die von dem Kläger behaupteten „Standbeulen„ in den Reifen in Betracht. Für die Beseitigung der von ihm behaupteten Mängel an den Reifen hat der Kläger der Beklagten jedoch keine Frist zur Nachbesserung gem. § 323 Abs. 1 BGB gesetzt. Diese war auch nicht gem. §§ 440, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB entbehrlich, so dass ein Rücktritt nicht zulässig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht gemäß § 543 II ZPO zuzulassen. Die Rechtsfragen, auf die es in dieser Entscheidung ankommt, sind höchstrichterlich geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Würdigung der vorgetragenen Tatsachen im Einzelfall.

 

 

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