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Sozialhilfe dient nicht dazu einen gewissen Lebensstandard aufzubauen!

Verwaltungsgericht Oldenburg

Az.: 13 B 2961/01

Beschluss  vom 12.09.2001


Leitsatz:

Hilfe zum Lebensunterhalt dient, auch soweit sie durch einmalige Leistungen zu decken ist, nicht dazu, einen bestimmten Lebensstandard aufzubauen oder aufrecht zu erhalten, sondern (nur) zur Beseitigung von existentiellen Notlagen.


In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Oldenburg – 13. Kammer – am 12. September 2001 beschlossen:
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

GRÜNDE:

Die Anträge der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen eine einmalige Leistung für die Reise zur Tauffeier von J… R… (Nichte des Antragstellers zu 1.) am 15. September 2001 in K… und zurück zu gewähren, sind unbegründet. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch – den materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung – nicht glaubhaft gemacht.

Dem geltend gemachten Anspruch kann allerdings nicht entgegengehalten werden, die Kosten für die Teilnahme an einer Tauffeier seien durch die Regelsatzleistungen abgedeckt. Der Regelbedarf erfasst nur den ohne Besonderheiten des Einzelfalls bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehenden Bedarf (BVerwG Urteil vom 18. Dezember 1997 – FEVS 48, 337). Dazu zählt der hier in Rede stehende Bedarf – die Kosten der Fahrt zu einer Tauffeier – nicht.

Das Begehren der Antragsteller ist daher an § 21 Abs. 1a Nr. 7 BSHG zu messen. Nach dieser Vorschrift werden einmalige Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für besondere Leistungen gewährt. Gem. § 12 Abs. 1 BSHG umfasst der notwendige Lebensunterhalt des Hilfesuchenden auch die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen im vertretbaren Umfang auch Beziehungen zur Umwelt gehören. Zu dieser Bedarfsgruppe zählen auch die Kosten für die Benutzung von Verkehrsmitteln. Grundsätzlich zählen zu den Aufwendungen für die Bedürfnisse des täglichen Lebens, die in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt gestatten, auch Mittel, mit denen Hilfeempfänger ihre private Lebenssphäre gestalten und soziale Kontakte aufnehmen und erhalten können. Das entspricht dem Zweck der Sozialhilfe, dem Hilfeempfänger die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Aufrechterhaltung der Bindung zur Familie und dabei in erster Linie zu nahen Verwandten, wie z.B. Eltern, Geschwistern, Kindern oder Ehegatten, ist dabei unzweifelhaft eine wesentliche Form der von der Sozialhilfe zu fördernden Pflege mitmenschlicher Kontakte des Hilfeempfängers (VG Braunschweig, Urteil vom 15. Dezember 1997 – 4 A 4137/96 – ZfF 2000, 15).

Indes dient die Hilfe zum Lebensunterhalt, auch soweit sie durch einmalige Leistungen zu decken ist, nicht dazu, einen bestimmten Lebensstandard aufzubauen oder aufrecht zu erhalten, sondern (nur) zur Beseitigung von existentiellen Notlagen (vgl. dazu z.B. den Wortlaut in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 BSHG: „Eine dem Einzelnen drohende Notlage“, „Beseitigung einer Notlage“). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG wird Hilfe zum Lebensunterhalt (nur) dem gewährt, der seinen „notwendigen Lebensunterhalt“ nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen kann. Der Begriff des „notwendigen Lebensunterhaltes“ wird in § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG ausdrücklich hervorgehoben. Schon daraus wird deutlich, dass es nicht Aufgabe der Sozialhilfe ist, die Teilnahme an jedweder Familienfeier nach Wahl des Hilfeempfängers zu ermöglichen. Insoweit hat die Hilfe zum Lebensunterhalt nur das zur Führung eines der Menschenwürde entsprechenden Lebens Notwendige sicher zu stellen ist, wobei notwendig in diesem Sinne nicht bedeutet, dass „sämtliche Bedürfnisse im Sinne eines durchschnittlichen Lebensstandard befriedigt oder Lebensgewohnheiten, die in der Bevölkerung weitgehend als Annehmlichkeiten empfunden werden, ermöglicht werden müssen. Die Sozialhilfe soll dem Hilfesuchenden vielmehr lediglich ermöglichen, ein menschenwürdiges, einfaches und bescheidenes Leben zu führen“(OVG für das Land NRW, Urteil vom 5. Dezember 1995 -8 A 1970/94-).

Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Nov. 1993 – BVerwG 5 C 8/90 – BVerwGE 94, S. 326 – 335), das festgehalten hat:
Es ist „nicht Aufgabe der Sozialhilfe, dem Bedürftigen die Mittel zur Führung einer Existenz auf dem Niveau eines durchschnittlichen Lebensstandards zur Verfügung zu stellen. Er muss vielmehr, um in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese leben zu können (…), lediglich mit denjenigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die er zu einer bescheidenen, am Lebensstandard wirtschaftlich schwächerer Bevölkerungskreise orientierten Lebensführung benötigt.“ (BVerwG a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht den Antragstellern ein Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die Kosten ihrer Reise zu der Tauffeier in dem 800 km entfernten K… mit dem PKW übernimmt, nicht zu. Dies ergibt sich daraus, dass auch Personen, die der o.g. Vergleichsgruppe der Beziehungen niedriger Einkommen angehören, sich vielfach Reisen zu ihren weiter entfernten Verwandten bei vergleichbaren Anlässen nicht werden leisten können. Zwar verweisen die Antragsteller zu Recht darauf, dass die Teilnahme an Tauffeiern von Verwandten zum notwendigen Lebensunterhalt gehören können. Zweifelsfrei dürfte dies jedoch nur für die Tauffeiern von Verwandten in gerader Linie gelten. Zudem besteht hier die Besonderheit, dass die Teilnahme an der Tauffeier von J… R… eine durchaus kostspielige Autofahrt notwendig macht. Bezieher niedriger Einkommen, das sich häufig aus dem durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelt unterer Lohngruppen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld zusammensetzt, würden sich eine derartige Reise aus ihren bescheidenen Mitteln üblicherweise nicht leisten. Sie würden sich bei der Tauffeier für eine Nichte auf die Übersendung eines Geschenks und von Glückwünschen beschränken. In Anbetracht dessen ist auch eine familiäre oder soziale „Ausgrenzung“ der Antragsteller nicht zu befürchten, wenn ihnen keine Mittel der Sozialhilfe für die Fahrt zur Tauffeier zur Verfügung gestellt werden.

Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch ist auch nicht vergleichbar mit dem Anspruch des geschiedenen nicht sorgeberechtigten Elternteils auf Übernahme der Fahrtkosten und sonstige Aufwendungen, die ihm durch die Ausübung des Umgangsrechts mit dem bei dem anderen Elternteil lebenden Kind entstehen und die als Teil des notwendigen Lebensunterhalts anzusehen sind. Das Umgangsrecht wurzelt ebenso wie das Sorgerecht des anderen Elternteils im Elternrecht (s. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und der damit verbundenen Elternverantwortung, die auch auf Seiten des nicht sorgeberechtigten Elternteils grundsätzlich fortbesteht (BVerwG, Urteil vom 22. August 1995, NDV.RD 1996, 45, 46). Damit ist der hier in Rede stehende Sachverhalt schon deshalb nicht zu vergleichen, weil die Antragsteller und das Taufkind nicht in gerader Linie miteinander verwandt sind.

Das Gericht hat erwogen, ob der Antragstellerin zu 2. als Taufpatin von J… R… der streitgegenständliche Anspruch alleine zusteht. Das nimmt die Kammer aus den vorerwähnten Gründen nicht an. Es kann daher offen bleiben, ob die Antragstellerin zu 2. tatsächlich glaubhaft gemacht hat, dass sie als Taufpatin zu der Tauffeier von J… R… am 15. September 2001 nach K… eingeladen worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

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