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Messi – Verpflichtung zum Aufräumen

Verwaltungsgericht Arnsberg

Az.: 3 L 336/08

Beschluss vom 09.05.2008


Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (- VwGO -) iV.m. § 16 Abs. 8 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (- IfSG -) zulässige Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage 3 K 1643/08 gegen die unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 14. April 2008 getroffene Regelung anzuordnen, ist unbegründet. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse sowie dem Interesse der Antragsteller, vorläufig von der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung – im beantragten Umfang – verschont zu bleiben, fällt zu Gunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses aus. Die an den Erfolgsaussichten orientierte Interessenabwägung führt nicht zu einer Entscheidung zugunsten der Antragsteller. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung spricht vielmehr weit Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelung. Nach § 16 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde – d.h. hier die Antragsgegnerin als örtliche Ordnungsbehörde (vgl. § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz vom· 28. November 2000, GVBI. S. 701) -, dann, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können oder anzunehmen ist, dass solche Tatsachen vorliegen, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren. Diese Voraussetzungen liegen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hier vor. Die Antragsgegnerin hat die angegriffene Verfügung erlassen, nachdem Mitarbeiter ihres Ordnungsamtes am 10. April 2008 die von den Antragstellern in ihrem Haus an die Eheleute X. vermietete Wohnung in Augenschein und deren Zustand durch Fotos dokumentiert haben. Die sich im beigezogenen Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos tragen ohne Weiteres die behördlichen Feststellungen im angegriffenen Bescheid zum Zustand dieser Wohnung. Insbesondere wird in dieser Wohnung offenbar in erheblicher Menge Müll gelagert bzw. befinden sich in ihr beträchtliche Mengen benutzten Geschirrs oder von Töpfen mit stark verkrusteten Speiseresten; ferner sind ersichtlich auch Wohnungsgegenstände mit Exkrementen verunreinigt.

Gemäß den Feststellungen von Behördenmitarbeitern, die am 8. Mai 2008 (erneut) die Wohnung aufgesucht haben, hat sich deren Zustand nicht verbessert; nach wie vor sei ein sehr starker Fruchtfliegenbefall festzustellen und ein sehr übler Geruch zu bemerken. Soweit die im selben Hause wohnenden Antragsteller – im Verwaltungsverfahren angegeben haben, ihnen sei nicht einmal der Zustand der Wohnung bekannt, dürfte dies ungeachtet der nicht dargelegten rechtlichen Relevanz zumindest zum Teil nicht zutreffen. So hatte der Antragsteller zu 1. einem behördlichen Vermerk vom 7. April 2008 zufolge einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin (der bereits an diesem Tag die in Rede stehende Wohnung betreten wollte) darum gebeten, einmal einen Blick durch die Fenster zu werfen.

Zudem tragen die Antragsteller selbst vor, die Eheleute X. in der Vergangenheit bereits des Öfteren aufgefordert zu haben, ihre Wohnung pfleglich zu behandeln und insbesondere den darin befindlichen Müll zu entfernen. Der Zustand der Wohnung und die hieraus resultierenden, auf der Hand liegenden Krankheitsgefahren (etwa durch Fliegen oder Maden) i.S.v. § 16 Abs. 1 IfSG auch und gerade mit Blick auf die derzeitige und für die nächsten Tage vorausgesagte warme Wetterlage (Tagestemperaturen von deutlich über 20 Grad), die ein Fortschreiten des Ungezieferbefalls begünstigen lassen die Annahme der Antragsgegnerin, es bedürfe eines raschen Einschreitens im Sinne von Nr. 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung, als nachvollziehbar erscheinen. Etwaige Bedenken gegen die Bestimmtheit hinsichtlich der „Entrümpelung“ sind jedenfalls durch die Präzisierung mit der Antragserwiderung ausgeräumt worden. Soweit die Antragsgegnerin im Wege der angedrohten Ersatzvornahme einen anderen mit der „Entrümpelung“ beauftragen wird (vgl. § 59 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nord rhein-Westfalen), kann der Auftrag entsprechend gefasst werden. Die Antragsgegnerin hat ihre Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung auch zu Recht gegen die

Antragsteller gerichtet. Entgegen ihrer Auffassung regelt § 16 IfSG nicht, dass als Adressat der vorliegenden – auf Absatz 1 dieser Vorschrift gestützten – Gefahrenabwehrmaßnahme allein der „Inhaber der tatsächlichen Gewalt“ in Betracht kommt. Letzterer wird lediglich im Rahmen von § 16 Abs. 2 Satz 2 IfSG genannt. Diese Norm betrifft die Duldung des Betretens von Räumen ‚durch den in dieser Vorschrift vorgesehenen Personenkreis (u.a. Beauftragte der zuständigen Behörde). Eine solche, ebenfalls nach § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbare, uldungsverfügung hat die Antragsgegnerin ‚zutreffend gegenüber den Eheleuten X. am 14. April 2008 erlassen. Nr. 1 der vorliegenden, an die Antragsteller gerichteten Verfügung stellt jedoch keine derartige Duldungsverfügung dar, sondern gibt ihnen ein Handeln auf. In Ermangelung (auch anderer) in Betracht kommender einschlägiger Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz ist für die Frage des richtigen Pflichtigen insoweit ergänzend auf§§ 14 bis 18 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG -) zurückzugreifen. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG sind die Maßnahmen gegen den Eigentümer zu richten, wenn u.a. von einer Sache eine Gefahr ausgeht.

Insoweit sind auch die Antragsteller als Eigentümer eines mit einem· Mietshaus bebauten Grundstücks für den ordnungsgemäßen Zustand der Wohnungen ordnungsrechtlich verantwortlich. Im vorliegenden Fall steht die abzuwehrende Gefahr unmittelbar mit dem Zustand der Wohnung in ursächlicher Verbindung, weil in dieser Müll und stark verschmutzte Gegenstände gelagert werden und es bereits zu Ungezieferbefall gekommen ist. Insoweit geht die abzuwehrende Krankheitsgefahr nicht etwa allein von einem Handeln der Mieter, sondern (auch) von der „kontaminierten“ Wohnung als selbstständiger Gefahrenquelle aus. Dies rechtfertigt die Heranziehung der Eigentümer als Zustandsverantwortliche i.S.v. § 18 Abs. 1 OBG. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 16. Juni 2005 – 3 B 129/04 -, www.juris.de. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der ordnungswidrige Zustand der Sache ohne Zutun der Antragsteller herbeigeführt worden· ist. Haftungsgrund ist nicht die Beziehung des Ordnungspflichtigen zur Entstehung der Gefahr, sondern zu ihrem Herd.

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 1997 – 5 A 4/96 -, NWVBL 1998, 64 f.; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1998 – 1 B 178.97-, Buchholz, 402.

Allgemeines Polizeirecht Nr. 65, 11 (14). Die ausweislich der Verwaltungsvorgänge vor dem Hintergrund, dass die Mieter keine Reinigung der Wohnräume wünschen und jedenfalls finanziell zur Gefahrenbeseitigung auch nicht in der Lage sein dürften ( ihnen steht nur eine geringe Rente zur Verfügung und sie haben nach dem Vorbringen der Antragsteller offenbar auch Mietschulden) getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin, im vorliegenden Fall nicht die Wohnungsmieter als Handlungs- oder Zustandspflichtige (§ 17 Abs. 1 bzw. § 18 Abs. 2 Satz 1 08G) heranzuziehen, ist bei summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig. Zwar ist den Antragstellern zuzugeben, dass es im Falle einer (vorhandenen) Mehrheit von Ordnungspflichtigen – hier: einerseits die Wohnungsmieter als Handlungs- und Zustandsstörer und andererseits die Eigentümer als Zustandsstörer – bei der insoweit gebotenen Ermessensausübung, gegen wen eine Ordnungsverfügung erlassen wird, einen sachgerechten Gesichtspunkt darstellen kann, denjenigen heranzuziehen, der die Gefahr durch eigenes Zutun herbeigeführt hat. Zutreffend weist die Antragsgegnerin allerdings in ihrer Antragserwiderung darauf hin, dass es keine gesetzlich fixierte Rangfolge gibt, wonach der Handlungspflichtige stets vor dem Zustandsverantwortlichen heranzuziehen wäre. Zutreffend ist auch der Hinweis darauf, dass bei der Ausübung des Ermessens, welcher Störer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden soll, der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr im Vordergrund steht. Insoweit dürfte hier eine effektive Gefahrenabwehr aus den o.g. Gründen allein durch die Inanspruchnahme der (zustandspflichtigen) Antragsteller sichergestellt werden können. Gegen die Verhältnismäßigkeit der unter Nr. 1 in der Ordnungsverfügung getroffenen Regelung sprechende Anhaltspunkte tragen die Antragsteller nicht vor und sind auch nach Aktenlage bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Letztlich greift auch der sinngemäße Einwand der Antragsteller nicht durch, ihnen werde ein der Rechtsordnung zuwiderlaufendes Verhalten aufgegeben. Nach § 16 Abs. 4 IfSG wird das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) im Rahmen der Absätze 2 und 3 eingeschränkt. Im übrigen hat die Antragsgegnerin den Eheleuten X. mit der bereits erwähnten sofort vollziehbaren Verfügung vom 14. April 2008 u.a. aufgegeben, (auch) den Antragstellern Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Schließlich ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein durch Verwaltungsakt verlangtes Verhalten durch den Verwaltungsakt selbst gerechtfertigt wird und damit eine eigene Legalisierungswirkung in sich trägt.

Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. August 2003 – 3 TG 2116/03 -www.juris.de.

Insoweit wird den Antragstellern insbesondere auch kein strafrechtlich relevantes Verhalten aufgegeben. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Hälfte des in der Hauptsache zugrunde zu legenden Betrages anzusetzen. Die Kammer knüpft insoweit an den von der Antragsgegnerin angenommenen Kostenaufwand an. Angesichts der Eilbedürftigkeit hat die Kammer von einer Beiladung der Eheleute X. abgesehen.

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