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Mietwagenkosten – Unfallersatztarif = Normaltarif + 30 %

Landgericht Karlsruhe

Az.: 1 S 195/04

Urteil vom 24.05.2006


Entscheidungsgründe – Auszug:

I. Der Umfang des der Klägerin dem Grunde nach unstreitig zustehenden Schadenersatzanspruchs bestimmt sich nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Hiernach darf der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 132, 373 ff. m. w. N.).

Als erforderlich sind dabei nur diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, MDR 2005, 331 f., 332 ff.; NJW 2005, 1041 ff; 1043 ff.). Der Geschädigte ist zudem unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (vgl. BGH a. a. O. m. w. N.). Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2006, 1506 , 1507).

Im Allgemeinen ist allerdings davon auszugehen, dass der Geschädigte noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem „Unfallersatztarif“ anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, so lange dieser Umstand dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar war (vgl. BGHZ 132, 375 , 378 ff.). Dieser Grundsatz kann jedoch dann keine uneingeschränkte Geltung mehr beanspruchen, wenn sich ein besonderer Tarif bei der Anmietung von Fahrzeugen durch einen Unfallgeschädigten entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage, sondern durch ein weitgehend gleichförmiges Verhalten der Anbieter bestimmt wird. Ein solches Preisbildungsverfahren kann nämlich zur Folge haben, dass die Preise der dem Unfallgeschädigten angebotenen „Unfallersatztarife“ erheblich über den für Selbstzahler geltenden Tarifen liegen. In diesen Fällen kann der aus schadensrechtlicher Sicht zur Herstellung „erforderliche“ Geldbetrag (§ 249 BGB) folglich nicht ohne weiteres mit dem „Unfallersatztarif“ gleichgesetzt werden.

1. Ein so genannter „Unfallersatztarif“ kann nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher nur insoweit als erforderlicher Aufwand zur Schadensbereinigung gemäß § 249 Abs. 2 BGB n.F. angesehen werden, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile im Unfallgeschehen durch die Kunden oder durch den Kfz- Vermieter und ähnlichem) gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH a.a.O.; MDR 2005, 331 f.; 332 ff.; NJW 2005, 1041 f.; 1043 ff.; NJW 2005, 1933 ff.). In wie weit dies der Fall ist, hat der Tatrichter auf Grund des Vortrags des darlegungs- und beweisbelasteten Geschädigten (BGH MDR 2005, 332 ff.) gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Dabei ist er nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen (BGH, NJW 2006, 1506 , 1507). Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif – rechtfertigen (BGH, NJW 2006, 1508).

Soweit nach diesen Grundsätzen der in Ansatz gebrachte „Unfallersatztarif“ auch mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung im Sinne des § 249 BGB erforderlich war, kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (BGH, NJW 2006, 1506 f. unter Hinweis auf BGHZ 132, 373 , 376) den übersteigenden Betrag nach § 249 BGB nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH a.a.O.; BGH, NJW 2006, 1508 f.; vgl. auch BGHZ 132, 373 , 376). Dabei ist für die Frage der Zugänglichkeit auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Hier können sowohl objektive als auch subjektive Elemente eine Rolle spielen, insbesondere der Umstand, ob die Tarifunterschiede für den Geschädigten erkennbar waren, bzw. ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten ist. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich aus dessen Höhe sowie aus der kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können.

Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls mehrere Konkurrenzangebote einzuholen . In diesem Zusammenhang kann es allerdings eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Allein das Vertrauen darauf, der ihm vom Autovermieter angebotene Tarif sei derjenige, der auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sei, rechtfertigt es allerdings nicht, zu Lasten des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherer überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren (BGH, NJW 2006, 1506 , 1508). In wie weit der Geschädigte zur Erlangung eines „Normaltarifs“ auch verpflichtet ist, seine Kreditkarte bzw. seine EC-Karte einzusetzen oder auf andere Weise eine Kaution zu stellen, hängt ebenfalls von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob dem Geschädigten im konkreten Fall die Schadensbeseitigung nur durch die Aufnahme von Fremdmitteln möglich oder zuzumuten ist (vgl. hierzu BGH, NJW 2006, 1508 ; BGH, NJW 2005, 1933 ff.). Da diese Maßnahmen jedoch nicht den Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Herstellungskosten im Sinne von § 249 BGB , sondern die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB betreffen, liegt die Darlegungs- und Beweislast insoweit grundsätzlich bei dem in Anspruch genommenen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung, wobei sich für den Geschädigten eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast ergeben kann (vgl. BGH a. a. O.).

2. Der Bundesgerichtshof stellt damit strengere Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit von „Unfallersatztarifen“ als in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 (BGHZ 132, 373 ff.). Wenn der Geschädigte nicht darzulegen vermag, dass der ihm in Rechnung gestellte „Unfallersatztarif“ aus betriebswirtschaftlichen Gründen im Hinblick auf die Besonderheiten der unfallbedingten Anmietung gerechtfertigt ist, kann er Ersatz solcher teureren Tarife regelmäßig nur dann verlangen, wenn ihm auch auf Nachfrage – gegebenenfalls auch bei Konkurrenzunternehmen – kein günstigerer Tarif angeboten wird. Damit hat der Bundesgerichtshof gegenüber seiner früheren Rechtsprechung die Erkundigungspflichten des Geschädigten verschärft.

Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Schadensereignis und die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zeitlich vor der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung lagen. Zwar kommt gerichtlichen Entscheidungen grundsätzlich eine so genannte unechte Rückwirkung zu, da sie auch für die Beurteilung zurückliegender, noch nicht abgeschlossener Sachverhalte rechtlich von Bedeutung sind. Hierbei ergeben sich jedoch Schranken aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit und des darin verankerten Vertrauensschutzes. Diese Grundsätze gebieten es, in den Fällen, in denen eine betroffene Partei in schutzwürdiger Weise mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen durfte, die so genannte unechte Rückwirkung von Gerichtsurteilen zeitlich zu begrenzen (vgl. hierzu etwa BGHZ 132, 6 ff.; BGHZ 145, 158 ff.; BGHZ 153, 311 ff.). Auch im Bereich der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen ist Raum für einen solchen Vertrauensschutz. Denn ein Unfallgeschädigter konnte in aller Regel angesichts der vom Bundesgerichtshof im Jahr 1996 aufgestellten Grundsätze nicht ohne weiteres damit rechnen, dass ihm nunmehr eine erhöhte Erkundigungspflicht bzw. eine Verpflichtung zur vorläufigen Eigenfinanzierung der Anmietung (gegebenenfalls auch durch Aufnahme von Fremdmitteln) auferlegt wird. Die Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen wurde in den letzten Jahren von den Instanzgerichten uneinheitlich beurteilt. Für einen durchschnittlichen Unfallgeschädigten zeichnete sich die zwischenzeitlich vollzogene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ohne weiteres ab. Ihm wird häufig von den Autovermietern auch nicht offen gelegt, dass die „Unfallersatztarife“ deutlich höher als die Selbstzahlertarife sind. Auch kann er nicht überblicken, in welcher Höhe die „Unfallersatztarife“ betriebswirtschaftlich durch die besondere Anmietungssituation beim Unfallersatzgeschäft geprägt sind. Dies soll nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ja zukünftig gerade geklärt werden. Das Vertrauen des Geschädigten in die Erstattungsfähigkeit der von ihm aufgewendeten Mietwagenkosten kann daher auch unter Berücksichtigung der Abwägung der Interessen der beteiligten Haftpflichtversicherer und der Versicherungsgemeinschaft bis zum Bekannt werden der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 19.04.2005 (NJW 2005, 1933 ff.) aufgestellten Grundsätze den Vorzug verdienen, sofern den vom Bundesgerichtshof im Jahre 1996 aufgestellten Verhaltenspflichten genügt wurde.

Ein solcher prozessualer Vertrauensschutz ist auch nicht deswegen abzulehnen, weil der Bundesgerichtshof in seinen jüngsten Urteilen zur Erstattungsfähigkeit von „Unfallersatztarifen“ nicht auf dieses Rechtsinstitut gesondert eingegangen ist. Denn der Bundesgerichtshof hatte aus seiner Sicht keine Veranlassung, sich mit dieser Frage näher zu befassen. In den von ihm im Oktober 2004 und im Februar 2005 verkündeten Urteilen (vgl. MDR 2005, 331 f.; 332 ff.; NJW 2005, 1041 ff.; 1043 ff.) stand die Frage im Vordergrund, ob der verlangte Tarif deswegen ersatzfähig ist, weil aus betriebswirtschaftlicher Sicht gegenüber dem „Normaltarif“ deutlich Zuschläge vorzunehmen sind. Der Bundesgerichtshof hat daher den Berufungsgerichten aufgegeben, die entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen zu treffen. In seiner Entscheidung vom 19.04.2005 (NJW 2005, 1933 ff.) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter einen höheren „Unfallersatztarif“ auch dann geltend machen kann, wenn solche betriebswirtschaftlichen Zuschläge nicht gerechtfertigt sind. Hierbei hat er zu den erhöhten Anforderungen an die Erkundigungspflicht des Geschädigten sowie zu seiner Verpflichtung zur vorläufigen Eigenfinanzierung näher Stellung genommen. Auch in dieser Entscheidung hat er dem Berufungsgericht aufgegeben, zunächst zu klären, ob nicht bereits aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Erhöhung des „Normaltarifs“ vorzunehmen ist. In zweiter Linie hat er das Berufungsgericht angehalten zu klären, ob alternativ hierzu festgestellt werden könne, dass dem Unfallgeschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ nicht ohne weiteres zugänglich war. In seinen beiden Entscheidungen vom 14.02.2006 (NJW 2006, 1506 ff.; 1508 f.) hat der Bundesgerichtshof schließlich die im Rahmen der tatrichterlichen Feststellung zur objektiven Erforderlichkeit der Mietwagenkosten zu beachtenden Grundsätze präzisiert und seine bisherige Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung bestätigt. Er hat folglich in allen Fällen dem Berufungsgericht eine Verpflichtung zu einer umfassenden Tatsachenaufklärung hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Aspekte und der Zugänglichkeit eines „Normaltarifs“ auferlegt. Auch wenn er in einem Fall schon aufgrund der Höhe der Mietwagenkosten eine Erkundigungspflicht als nahe liegend angesehen hat, ist er ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Erstattungsfähigkeit der verlangten Tarife nicht von vorne herein ausgeschlossen werden kann, also diese auch unter Zugrundelegung der neu aufgestellten Grundsätze je nach den besonderen Tatumständen als erforderlicher Aufwand zu entschädigen sind. Angesichts der vor dem Bundesgerichtshof noch völlig offenen Tatsachengrundlagen bestand für ihn kein Bedürfnis, sich aus revisionsrechtlicher Sicht vorsorglich und generell auch mit Vertrauensschutzgesichtspunkten zu befassen. Diese Frage war offensichtlich von den betroffenen Parteien auch nicht gesondert aufgeworfen worden. Daher lässt sich aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof zu diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat, nicht ableiten, dass er die Anwendung dieser Grundsätze von vorne herein ausschließen wollte.

II.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten der Höhe nach auf den Betrag von EUR 825,10 begrenzt.

Die Klägerin hat nämlich trotz entsprechender Hinweise der Kammer nicht substantiiert dargelegt, dass die berechneten Mietwagenkosten in der geltend gemachten Höhe entweder aus betriebswirtschaftlicher Sicht erforderlich waren oder von ihr jedenfalls deswegen verlangt werden können, weil ihr in Anbetracht ihrer konkreten Situation und unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Jahr 1996 aufgestellten Grundsätze die Anmietung eines günstigeren Ersatzfahrzeugs nicht zuzumuten war.

Mangels abweichender Anknüpfungskriterien für den konkret erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB kann der Klägerin daher gemäß § 287 Abs. 1 ZPO im Wege der Schadensschätzung lediglich der in der von ihr selbst vorgelegten Schwacke-Liste ausgewiesene, angesichts der unfallbedingten Mehraufwendungen allerdings pauschal um 30 % zu erhöhende Mindestmietzins im Normaltarif für die Dauer von 5 Tagen zugebilligt werden. Nachdem die Klägerin unstreitig vorsteuerabzugsberechtigt ist und daher nicht die geltend gemachte Mehrwertsteuer beanspruchen kann, ist dabei der Tages-Bruttomietzins von EUR 155,00 um die darin enthaltene Mehrwertsteuer zu kürzen, so dass lediglich ein Betrag in Höhe von EUR 133,62 täglich in Ansatz zu bringen ist. Bei einer Anmietungsdauer von 5 Tagen ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung der pauschalen Erhöhung um 30 % sowie eines Abzuges von 5 % für ersparte Aufwendungen ein Erstattungsbetrag von insgesamt EUR 825,10.

1. Die Klägerin hat auch auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 20.10.2005 im einzelnen nicht dargelegt, dass die ihr in Rechnung gestellten Mietwagenkosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges objektiv erforderlich waren.

Sie hat weder dargelegt, ob bzw. welche Tarife im Falle der Einholung von Vergleichsangeboten bei anderen Mietwagenunternehmen erhältlich gewesen wären, noch dass es sich bei dem geltend gemachten Unfallersatztarif um den ortsüblichen Tarif gehandelt hat. Die von ihr vorgelegten Tariflisten reichen hierfür angesichts der weitaus größeren Anzahl von Anbietern in dem maßgeblichen Raum K. nicht aus, zumal auch die von ihr vorgelegte Schwacke-Liste Mindesttarife ausweist, die weit unterhalb der geltend gemachten Vergleichstarife liegen.

2. Dass ihr unter Berücksichtigung ihrer individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der für sie bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in ihrer konkreten Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war, hat die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt.

Auch unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof im Jahre 1996 aufgestellten Grundsätze war der angebotene Tarif nur dann als erstattungsfähig im Sinne des § 249 BGB anzusehen, wenn er sich im Rahmen des bei vergleichbaren Mietwagenanbietern üblichen Mietzinses hielt oder wenn es für den Geschädigten jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar war, dass das von ihm ausgewählte Unternehmen Mietwagensätze verlangt, die außerhalb des Üblichen liegen (vgl. BGHZ 132, 373 ff.). Wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, hätte sie nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen zwar keine Marktforschung betreiben müssen um das günstigste Mietwagenunternehmen ausfindig zu machen. Dies entbindet sie jedoch nicht von der Verpflichtung, darzulegen, dass der ihr in Rechnung gestellte Mietzins dem üblichen Preis entsprochen hat, bzw. dass sie auch mit zumutbaren Anstrengungen keinen günstigeren Tarif hätte erlangen können.

Ausweislich der von der Klägerin selbst vorgelegten Schwacke-Liste variiert der Unfallersatztarif für die Anmietung eines Pkw der Gruppe 9 in dem hier relevanten Postleitzahlengebiet 750 zwischen EUR 317,00 und 382,00 brutto, bzw. zwischen EUR 273,00 und 329,00 netto, der Normaltarif aber lediglich zwischen EUR 155,00 und 228,00 EUR brutto, bzw. EUR 133,00 und 196,00 netto täglich. Dass die Klägerin aufgrund ihrer konkreten Situation einen solchen Normaltarif bei keinem der für sie erreichbaren Autovermieter hätte erlangen können, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Auch wenn die Fa. Autovermietung D. lediglich einen Unfallersatztarif angeboten hat, fehlt jeder Anhalt dafür, dass ein Normaltarif aufgrund der konkreten Anmietungssituation auch bei einem anderen für die Klägerin erreichbaren Mietwagenunternehmen nicht in Betracht gekommen wäre. Diese behauptet selbst nicht, dass unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmern in ihrer konkreten Situation zum Anmietungszeitpunkt in der erreichbaren Umgebung auch von den im Raum K. tätigen Konkurrenzunternehmen allein der Unfallersatztarif angeboten worden wäre. Bereits aus diesem Grund ist es ihr verwehrt, allein auf einen Vergleich mit den Unfallersatztarifen anderer regional tätiger Anbieter abzustellen.

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Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr die Fa. Autovermietung D. von dem Reparaturbetrieb genannt worden war und ihr ein Mitarbeiter der Fa. Autovermietung D. unstreitig die Marktüblichkeit der zugrunde gelegten Preise zugesichert hat. Denn angesichts des Interesses des hinzugezogenen Mietwagenunternehmens an einem Vertragsabschluss durfte sich die Klägerin auf dessen Darstellung der Konkurrenzangebote nicht ohne weiteres verlassen. Unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots war diese bzw. ihre Geschäftsführerin nach Ansicht der Kammer vielmehr gehalten, nach einem günstigeren Tarif zu fragen, bzw. Konkurrenzangebote anderer regional tätiger Mietwagenunternehmen einzuholen. Dies hat sie jedoch unstreitig unterlassen. Auch wenn sich die Geschäftsführerin der Klägerin zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit der Fa. Autovermietung D. in den Räumen der Reparaturwerkstatt aufhielt und sie daher nur über beschränkte Mittel zur Einholung von Erkundigungen verfügt hat, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb nicht wenigstens die Möglichkeit bestanden hätte, durch Nachfrage bei dem Reparaturbetrieb bzw. bei dem Sachverständigen oder auch nur mit Hilfe eines Telefonbuches eine Auswahl von Konkurrenzunternehmen zu ermitteln und bei diesen telefonisch Vergleichsangebote einzuholen. Dies hätte auch deshalb nahe gelegen, weil angesichts der Höhe des geltend gemachten Tarifs von täglich rund EUR 300,– (netto) die Entstehung erheblicher Gesamtkosten in Höhe von mehreren tausend Euro zu erwarten war. Schon aus diesem Grunde durfte sich die Klägerin aus der Sicht eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen nicht mit dem erstbesten Angebot begnügen.

3. Da der Kammer selbst keine Erkenntnisse darüber vorliegen, wie die Marktgepflogenheiten im Raum K. zum Anmietungszeitpunkt ausgestaltet waren, kann ohne entsprechenden Vortrag der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass von den Konkurrenzunternehmen des Autovermieters ebenfalls ein „Unfallersatztarif“ in der ihr in Rechnung gestellten Höhe angesetzt worden wäre.

Der Klägerin kann daher mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen lediglich der gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzende Mindestschaden zugebilligt werden. Da für die Kammer nicht ersichtlich ist, dass zum Anmietungszeitpunkt der in der Schwacke-Liste ausgewiesene Unfallersatztarif dem üblichen Preis entsprach, schätzt die Kammer den erstattungsfähigen Schaden auf der Grundlage des Betrages, der sich aus der Schwacke-Liste für das hier relevante Postleitzahlengebiet als Mindestpreis für den Normaltarif ergibt.

Der so ermittelte Mietzins in Höhe von 5 x EUR 133,62 (netto), insgesamt also EUR 668,10 ist allerdings aufgrund der unfallbedingten Anmietungssituation und des aus diesem Grund betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Mehraufwands des Vermieters (Servicekostenaufschlag für die Zubringung und Abholung, Unterhaltung eines Bereitschaftsdienstes, Verwaltungskostenzuschlag, Fahrleistungsrisiko etc.) um einen pauschalen Zuschlag zu erhöhen. Diesen schätzt die Kammer im Hinblick auf ihre Ausführungen unter Ziffer II.2.b.bb.,cc. des Hinweisbeschlusses vom 20.10.2005 nach Maßgabe der vorstehend zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes auf der Grundlage der allgemein gehaltenen Gutachten der Sachverständigen Neidthardt/Kremer einerseits sowie des Sachverständigen Albrecht andererseits pauschal auf 30 %. Denn die Klägerin hat die hierfür erforderlichen Schätzungsgrundlagen (vgl. BGH, NJW 2006, 1506 ff) dargelegt. Sie hat nämlich unwidersprochen vorgetragen, dass das von ihr hinzugezogene Mietwagenunternehmen den in dem Privatgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Neidthardt und Prof. Dr. Kremer vom August 2004 zu Grunde gelegten Musterunternehmen nach Größe, Ausstattung und Struktur vergleichbar ist. Sie hat insbesondere dargelegt, dass die Fa. Autovermietung D. ein kleines mittelständisches Unternehmen mit 50 PKW und 6 Mitarbeitern betreibe und mit 4 Mitarbeitern einen 24h-Bereitschaftsdienst unterhalte. Damit bewegt sich die Kammer auch innerhalb des von dem Bundesgerichtshof insbesondere in seinem Urteil vom 25.10.2005 (NJW 2006, 360) erwähnten Rahmens. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass der in seiner Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter die unfallstrukturbedingten Zuschläge schätzen könne und insoweit auch ein pauschalisierter Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht komme. Hierbei hat er auf eine Entscheidung in BGHZ 115, 364 , 371 verwiesen, in welcher für den Bereich der Reparaturkosten eine Überschreitung des Wiederbeschaffungswertes um bis zu 30 % als zulässig erachtet wurde.

Dass die Klägerin mit der Anmietung eines PKW zum Unfallersatztarif gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen hätte, hat die nach vorstehenden Ausführungen hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht aufgezeigt. Insbesondere steht nicht fest, dass die Klägerin einen günstigeren Normaltarif gekannt hätte, und ihr eine Anmietung zu diesen Bedingungen etwa unter Verwendung einer Kreditkarte auch zumutbar gewesen wäre (vgl. BGH NJW 2006, 1508).

4. Damit beläuft sich der zu schätzende Schaden der Klägerin auf insgesamt EUR 868,53 (EUR 668,10 zuzüglich 30 %). Nach Abzug der nach ständiger Rechtsprechung der Kammer auf 5 % zu schätzenden Eigenersparnis ergibt sich hieraus ein erstattungsfähiger Betrag von insgesamt EUR 825,10.

Eine weitere Erhöhung hinsichtlich der Kosten für eine Haftungsbefreiung sowie hinsichtlich der Zubringungs- und Abholungskosten kommt daneben allerdings nicht in Betracht. Zwar kann ein Geschädigter, dessen unfallbeschädigtes Fahrzeug vollkaskoversichert war, bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung verlangen (vgl. hierzu OLG Celle, Schaden-Praxis 2001, 204 ; vgl. ferner BGH, NJW 2005, 1041 ff.). Da die Klägerin das allgemeine Preisniveau im Raum K. zum Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzfahrzeugs nach vorstehenden Ausführungen jedoch nicht ausreichend dargelegt hat, bestehen für die Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Vollkaskozuschlag nicht bereits in dem in der Schwacke-Liste ausgewiesenen Mietpreis enthalten ist. Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO kann daher mangels hinreichender Schätzungsgrundlagen nicht der in der Schwacke-Liste ausgewiesene Mietpreis um entsprechende Zuschläge erhöht werden. Kosten für die Zubringung und Abholung des Mietfahrzeuges sind bereits in dem pauschalen Zuschlag für unfallbedingte Mehraufwendungen enthalten.

Nach alle dem musste die Berufung der Beklagten daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg haben.

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