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Haftanstalt – Verkaufsverbot für mohnhaltige Waren

OLG Kralsruhe

Az.: 1 Ws 217/03

Beschluss vom 18.08.2003


Leitsatz:

Bietet die Anstalt für die Gefangenen die Möglichkeit eines Einkaufs von Nahrungs- und Genussmitteln sowie von Mitteln der Körperpflege nach § 22 Abs. 1 StVollzG an, so handelt es sich um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, wenn der Anstaltsleiter bezüglich eines Produkts aus Gründen der Sicherheit und Ordnung ein Einkaufsverbot ausspricht.


Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss des Landgerichts – Strafvollstreckungskammer – K. vom 18. Juni 2003 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit Verfügung vom 30.12.2002 untersagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt B. den bislang hausintern gestatteten Verkauf von mohnhaltigen Waren (Mohnbrötchen, Mohnschnecken, Mohnstreuselkuchen) über den externen Bäcker, weil derartige Produkte Rückstände an Morphin im Urin hinterlassen würden, weshalb in der Justizvollzugsanstalt durchgeführte Urinkontrollen hierdurch beeinflusst werden können. Der Gefangene, welcher seit Jahren sporadisch mohnhaltige Produkte vom Bäcker bezogen hatte, beantragte am 09.01.2003 hiervon eine Ausnahmegenehmigung und führte zur Begründung an, er sei kein Drogenkonsument und werde mohnhaltige Produkte auch nicht an Dritte weitergeben. Den Antrag wies die Justizvollzugsanstalt am 14.01.2003 unter Hinweis auf die allgemein bestehende Gefahrenlage zurück.

Den am 20.01.2003 bei Gericht eingegangenen Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung, mit welchem dieser die Aufhebung der am 30.12.2002 erfolgten Allgemeinverfügung und – hilfsweise im Falle der Spruchreife – die Verpflichtung der Vollzugsanstalt zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung anstrebt, verwarf die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 18.06.2003. Sie hält den Antrag für unzulässig, weil durch die Verfügung des Anstaltsleiters das Recht des Gefangenen auf eine ausgewogene Ernährung nicht tangiert sei, da es sich bei mohnhaltigen Produkten nicht um Grundnahrungsmittel handele und der Gefangene auch im übrigen keine schutzwürdige Position zum Bezug derartiger Produkte habe. Im übrigen sei der Antrag auch unbegründet, weil der Gefangene kein subjektives Recht auf eine bestimmte Ausgestaltung des von der Justizvollzugsanstalt gewährten Einkaufs habe.

Hiergegen wendet sich der Gefangene mit der von ihm eingelegten und zur Niederschrift der Geschäftsstelle begründeten Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Verletzung rechtlichen Gehörs und von Verfahrensvorschriften geltend macht. Im übrigen rügt er die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt nicht vor.

Das rechtliche Gehör ist vorliegend nicht berührt, weil keine dem Gefangenen unbekannten Erkenntnisse verwertet wurden, insbesondere hat die Strafvollstreckungskammer keine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zum Antrag des Gefangenen eingeholt, so dass eine Unterrichtung hierüber nicht hat erfolgen können.

Hierin liegt auch keine Verletzung der dem Gericht obliegenden Aufklärungspflicht. Zwar gilt im Verfahren nach § 109 ff. StVollzG der Amtsermittlungsgrundsatz, so dass die Strafvollstreckungskammer in der Regel gehalten sein wird, den Sachverhalt durch Beiziehung der in Betracht kommenden Bescheide und durch Einholung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt näher aufzuklären. Dies gilt aber nicht in jeden Fall. So kann ausnahmsweise in einfach gelagerten Fällen oder bei eindeutiger Rechtslage bereits der eigene Vortrag des Antragsstellers eine ausreichende Tatsachengrundlage darstellen. Gleiches gilt, wenn bereits in dem Antrag der entscheidungserhebliche Sachverhalt in einer Weise dargestellt ist, dass es einer weiteren Sachaufklärung nicht bedarf und die Besorgnis eines falschen Sachvortrags nicht besteht. So liegt der Fall hier, denn der Gefangene teilt in seiner Antragsschrift den tragenden Inhalt der ergangenen Verfügungen mit, so dass bereits diese eine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellte.

Auch bedurfte es der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Wirkung mohnhaltiger Produkte nicht, denn es ist allgemeinkundig, dass der Verzehr mohnsamenhaltiger Nahrungsmittel (Mohnbrötchen, Mohnstrudel) für einige Stunden zu einem positiven Opiatnachweis im Urin führen kann (vgl. hierzu das Lehrbuch von Schütz, „Screening von Drogen und Arzneimitteln mit Immunoassays“, Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen, 3. Aufl. 1999, Seite 187 und die Entscheidung des LG Siegen ZfStrVO 2002, 368).

2. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg

Allerdings teilt der Senat die Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass es sich bei dem vom Anstaltsleiter ausgesprochenen Einkaufsverbot um einen den Gefangenen belastenden Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung handelt, da hierdurch von der Anstaltsleitung in der dem/n Gefangenen eingeräumten Rechtsposition zum Einkauf der vom Händler allgemein in seinem Sortiment vorrätig gehaltenen Waren eingegriffen wurde.

Der damit als zulässig anzusehende Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nicht begründet, denn das Verbot des Verkaufs mohnhaltiger Produkte beruht auf einem sachlichen Grund, da hierdurch die Ordnung in der Vollzugsanstalt gefährdet würde. Das berechtigte Interesses der Vollzugsbehörde, die Anstalt von Drogen freizuhalten, wäre ernsthaft gefährdet, wenn sich Gefangene bei positivem Befund auf die Ausrede des Verzehrs mohnhaltiger Produkte berufen könnten. Andererseits ist zu sehen, dass ein Gefangener durch den Genuss derartiger Lebensmittel auch zu Unrecht in den Verdacht des Drogenkonsums kommen kann. Aus diesem Grund hält sich die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt B., mohnhaltige Backwaren generell aus dem Sortiment des die Anstalt beliefernden Bäckers herauszunehmen und diesem einen Verkauf an Gefangene zu untersagen, im Rahmen des der Anstaltsleitung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 StVollzG zustehenden Ermessens bei Bewertung der Gefahrenlage.

Auch der Umstand, dass dem Gefangenen zuvor der Bezug von mohnhaltigen Waren gestattet gewesen war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach der hier entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG ist nämlich der Widerruf bzw. die Rücknahme der einem Gefangenen gewährten Vergünstigung auch dann zulässig, wenn – wie hier – später Umstände eingetreten sind, welche die Vollzugsbehörde ursprünglich berechtigt hätten, die Vergünstigung zu versagen. Hierzu gehören auch die der Justizvollzugsanstalt neu bekannt gewordenen Erkenntnisse und die hierauf erfolgte Neubewertung der bestehenden Gefahrenlage. Über den Widerruf hat die Vollzugsbehörde jedoch auf Grundlage der Abwägung der Belange der Anstalt und der Interessen der betroffenen Gefangenen zu befinden, wobei das aus dem Gebot des Rechtsstaatsprinzips folgende Gebot des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten sind (BVerfG StV 1995, 48 f.).

Die hierzu von der Justizvollzugsanstalt angestellten Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Allein durch seinen sporadischen Bezug von mohnhaltigen Waren beim Bäcker hat der Gefangene – anders als etwa bei einer genehmigten Ausstattung der Zelle mit Gegenständen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 13.11.2002, 1 Ws 216/02 „Kochplatte“) – nämlich noch keine Rechtsposition erhalten, welche ihn gegenüber anderen Gefangene hervorhebt und die zu einer besonderen Vertrauenslage bei ihm hätte führen können. Durch die Regelungen zum Umfang des Gefangeneinkaufs sind vielmehr alle Gefangenen gleichmäßig betroffen, weshalb der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und die dem Anstaltsleiter obliegende Organisationsbefugnis bei der Gewichtung der betroffenen Belange eine besondere Rolle spielt (vgl. hierzu KG ZfStrVO 1998, 310 f.). Auch ist der mit einer „Einzelbelieferung“ des Gefangenen verbundene Verwaltungsaufwand zu sehen. Diese Gesichtspunkte überwiegen das – wie von der Strafvollstreckungskammer zu Recht hervorgehoben wurde – nur als geringfügig zu bewertende Interesse des Gefangenen am Verzehr von mohnhaltigen Produkten derart erheblich, das vorliegend ausgeschlossen werden kann, dass die Vollzugsbehörde eine andere Sachentscheidung getroffen hätte, wenn sie den Umstand der besonderen Haftsituation des Gefangenen (isolierter Haftraum) noch in ihre Erwägungen mit einbezogen hätte.

Die Vollzugsbehörde hat daher die von Gefangenen beantragte Ausnahmegenehmigung zu Recht versagt, weshalb die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben konnte.

III.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen (§ 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO ).

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