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Neufahrzeug – Rücktritt wegen Herstellungsdatum des „Neufahrzeugs“

LG Flensburg

Az: 3 O 136/06

Urteil vom 27.09.2006


In dem Rechtsstreit hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg auf die mündliche Verhandlung vom 07. September 2006 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 120 % des jeweils durch ihn zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird für den Zeitraum bis einschließlich 29.06.2006 auf 25.400,12 €, für den Zeitraum danach auf 24.913,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Neufahrzeug unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelgewährleistung. Einziger Streitpunkt dem Grunde nach ist das Herstellungsdatum des als Neufahrzeug verkauften Pkw K. C., Fahrgestellnummer XXX.

Der Kläger erwarb den genannten Pkw von dem Beklagten als Neufahrzeug auf der Grundlage einer durch ihn unterzeichneten schriftlichen „Bestellung“ vom 16.02.2006, deren Inhalt sich im Einzelnen der Anlage K 1 (BI. 6 d. A) entnehmen lässt. In dem Formular heißt es u. a.: „An diese Bestellung bin ich 4 Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist“ Mit Rechnung zu dem genannten Kaufvertrag vom 14.03.2006 (vgl. Anl. K 2; BI. 7 d. A) stellte der Beklagte den vereinbarten Kaufpreis in Rechnung, dem Kläger wurde das Fahrzeug noch im März 2006 übergeben. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2006 (Anl. K 4, BI. 9/10 d. A) rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten, das Fahrzeug sei bereits am 19.01.2004 hergestellt worden und stelle daher kein Neufahrzeug dar. Der Beklagte wurde zur Nacherfüllung innerhalb einer gesetzten Frist aufgefordert. Der Beklagte lehnte über seine Prozessbevollmächtigten eine Nacherfüllung ab. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04:05.2006 den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Hinweis auf die. abgelehnte Nacherfüllung durch den Beklagten.

Der Kläger hat zunächst behauptet, Herstellungsdatum des erworbenen Pkw sei der 19.01.2004, was sich aus der Zulassungsbescheinigung Teil I für das Fahrzeug ergebe. Nach allseitiger Inaugenscheinnahme der Zulassungsbescheinigung im Termin am 07.09.2006 hat der Kläger unstreitig gestellt, dass es sich bei dem 19.01.2004 nicht um das Herstellungsdatum des Fahrzeugs, sondern um das Datum der EG- Typgenehmigung der entsprechenden Baureihe handelt. Der Kläger behauptet nunmehr, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 07.03.2005 hergestellt worden, und beruft sich zum Beweis auf eine Auskunft des Herstellers.

Seinen ursprünglich mit 25.350,12 €bezifferten Klagantrag zu 1. hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.06.2006 geringfügig zurückgenommen im Hinblick auf weitere durch ihn zurückgelegte Kilometer.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.863,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 26.04.2006, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw K. C., Fahrgestellnummer XXX, zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Pkw K. C., Fahrgestellnummer XXX, in Verzug befinde,

3. den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 594,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet unter Bezugaufnahme auf den in Kopie als Anlage zum Schriftsatz vom 21.06.2006 zu den Akten (BI. 21) gereichten „EPC-Auszug“ für das streitgegenständliche Fahrzeug, dieses sei am 03.07.2005 hergestellt worden. Auch der Beklagte beruft sich zum Beweis seiner Behauptung, neben einem Sachverständigengutachten, auf eine Auskunft des Herstellers.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, da der durch ihn erklärte Rücktritt mangels eines Rücktrittsgrundes nicht zu einem Rückgewährschuldverhältnis im Sinne der §§ 346 ff. BGB führte. Der durch den Kläger erworbene Pkw wies im Zeitpunkt des Gefahrüberganges keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB auf. Entgegen der Auffassung des Klägers genügte der Pkw der zwischen .den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung „Neufahrzeug“; sonstige Mängel des Fahrzeuges macht der Kläger nicht geltend.

Auch unter Zugrundelegung der klägerischen Behauptung, das Fahrzeug sei bereits am 07.03.2005 hergestellt worden, genügte der streitgegenständliche Pkw (noch) der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung als Neufahrzeug. Als ein solches ist im Falle des Verkaufes eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler ein Fahrzeug zu qualifizieren, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weiter gebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen (BGH NJW 2004, 160). Einen zwischenzeitlichen Modellwechsel oder standzeitbedingte Mängel trägt der Kläger nicht vor. Im Streit steht zwischen den Parteien allein die Einhaltung der 12-Monats-Frist. Diese ist vorliegend auch gewahrt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a. a. 0.) ist für den Beginn der Frist auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages abzustellen. Durch Unterzeichnung der „Bestellung“ (Anl. K 1) am 16.02.2006 gab der Kläger sein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages ab. In dem Bestellformular waren zugleich eine Annahmefrist im Sinne von § 148 BGB von 4 Wochen sowie die Modalitäten der Annahmeerklärung durch den Beklagten bestimmt. Demnach konnte die Annahme entweder durch schriftliche Bestätigung oder durch Ausführung der Lieferung erfolgen. Spätestens mit Erstellung der Rechnung vom 14.03.2006 (Anl. K 2) bestätigte der Beklagte schriftlich die Bestellung, nahm somit das Vertragsangebot an. Der Vertragsschluss des hier streitgegenständlichen Kaufvertrages erfolgte somit spätestens am 14.03.2006. Ausgehend von diesem Datum lägen zwischen dem vom Kläger behaupteten Herstellungsdatum des. Pkw und dem Vertragsschluss 12 Monate und 7 Tage. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist jedoch für die Ermittlung der „Standzeit“ des zu liefernden Fahrzeuges bei der hier vorliegenden Vertragsgestaltung nicht auf den Zeitpunkt des rechtsverbindlichen Zustandekommens des Vertrages im Sinne der §§ 145 ff. BGB, sondern auf den Zeitpunkt der entsprechenden Willenserklärung des Käufers abzustellen. Denn mit der Festlegung einer Höchstfrist für die Standzeiten von als „fabrikneu“ verkauften Fahrzeuge soll einerseits die berechtigte Erwartung des Käufers geschützt werden, er werde ein Neufahrzeug erhalten, andererseits dem Verkäufer eine Richtschnur für die Auswahl eines erfüllungstauglichen Fahrzeuges in die Hand gegeben werden. Sofern der Verkäufer den Vertragsschluss nicht durch ausdrückliche Erklärung, sondern schlüssig durch Auslieferung des Fahrzeuges binnen einer vereinbarten Frist herbeiführen kann, ist es sach- und interessengerecht, auf den Zeitpunkt der Bestellung durch den Käufer abzustellen. Denn ab Eingang der „Bestellung“ des Käufers wird sich in dieser Konstellation (Bindung des Käufers an sein Angebot binnen 4 Wochen) der Verkäufer umgehend um eine vertragsgerechte Erfüllung bemühen. Hierbei darf sich der Verkäufer an dem Datum der Willenserklärung des Käufers orientieren und darauf vertrauen, mit einem Fahrzeug, welches im Zeitpunkt der Bestellung nicht älter als 12 Monate ist, den Vertrag erfüllen zu können.

Selbst wenn man mit dem Kläger die Auffassung verträte, dass für die Berechnung der „Standzeit“ auf den Zugang der Annahmeerklärung des Verkäufers abzustellen sei, handelte es sich bei dem hier streitgegenständlichen Pkw noch um ein Neufahrzeug im Sinne der Rechtsprechung. Dem Kläger ist einzuräumen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Kaufvertragsschluss „nicht mehr als 12 Monate“ liegen dürfen. Wollte man diese – gesetzlich nicht normierte – Frist taggenau im Sinne der §§ 187 ff. BGB berechnen, so wäre das dem Kläger gelieferte Fahrzeug auf der Grundlage der Behauptungen des Klägers exakt 7 Tage zu alt. Eine taggenaue Fristberechnung hält das erkennende Gericht in diesem Zusammenhang jedoch nicht für sachgerecht. In den obergerichtlich und höchstrichterlich entschiedenen Fällen, ging es, soweit ersichtlich, stets um Standzeiten, die jedenfalls mehrere Monate über den vom Bundesgerichtshof postulierten 12 Monaten lagen. In welchem Rahmen eine geringfügige Überschreitung der taggenau berechneten 12 Monats-Frist noch hinnehmbar ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden. Eine Überschreitung der Frist um nur 7 Tage hielte das erkennende Gericht jedenfalls für so unwesentlich, dass der Kläger gehindert wäre, hieraus einen Sachmangel des Fahrzeuges abzuleiten.

Mangels Rückgewährschuldverhältnisses befindet sich der Beklagte weder im Annahmeverzug, noch schuldet er Zinsen und den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Für die Bemessung des Streitwertes waren die jeweils aktuellen Werte der Klaganträge zu 1. und 2. zu addieren, § 39 Abs. 1 GKG. Der mit dem Klagantrag zu 3. verfolgte Anspruch auf Ersatz außergerichtliche Rechtsanwaltskosten ist als Nebenforderung im Sinne von § 43 GKG streitwertneutral. Den Wert des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 2.) beziffert das Gericht mit 50,00 €. Dies ist nach Schätzung des Gerichts .der durch den Kläger ersparte Aufwand zum Angebot seiner Leistung, § 3 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 GKG.

 

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