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Nicht verladefromm – der misslungene Pferdetransport


Pferd

Zusammenfassung:

Urteil des Bundesgerichtshofs zu einem Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine tödliche Verletzung eines ausweislich der Vereinbarung verladefrommen Pferdes, welches sich weigerte, einen Transporter zu betreten und letztlich bei dem Verladevorgang in Panik verstarb. Kann der Kläger von dem Beklagten wegen des tödlichen Unfalls Schadensersatz in Höhe des Wertes des Pferdes / in Höhe des Kaufpreises verlangen?


Bundesgerichtshof

Az: VIII ZR 37/14

Beschluss vom 11.11.2014


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.


Gründe

I.

Die Klägerin erwarb am 3. August 2012 von dem Beklagten, einem Pferdezüchter und -händler, einen Hengst zum Preis von 1.500 €. Die Parteien vereinbarten, dass die Klägerin das Pferd mit einem Transporter abholen werde und es bis dahin „verladefromm“ sein solle. Mitte September 2012 teilte der Beklagte mit, dass das Verladen des Hengstes problemlos möglich sei.

Am 24. September 2012 erschien die Klägerin mit einem Transporter, um den Hengst abzuholen. Ein Verladetraining hatte der Beklagte zuvor mit dem Hengst nicht vorgenommen. Dieser wollte den Anhänger nicht betreten. Um den Hengst dazu zu bewegen, verbrachte die Ehefrau des Beklagten zunächst die Mutterstute in den Anhänger. Sodann zog die Klägerin den Hengst an einem Strick hinein, während der Beklagte und die Zeugin M.  , welche die Klägerin begleitete, mit „treibenden Hilfen“ Unterstützung leisteten. Der Verladevorgang dauerte insgesamt eine Stunde. Als die hintere Stange des Anhängers umgelegt wurde, geriet der Hengst in Panik und versuchte, rückwärts zu entweichen. Dabei geriet er mit dem Rücken unter die eingelegte Stange, so dass sich ein Querschnittssyndrom entwickelte und das Tier wenige Tage später eingeschläfert werden musste.

Die Klägerin hat mit Anwaltsschreiben vom 16. Oktober 2012 Rückzahlung des von ihr entrichteten Kaufpreises verlangt und mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Die Klage hat zum Teil Erfolg gehabt. Das Amtsgericht hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB zuerkannt und den Beklagten zur Rückzahlung von 750 € verurteilt. Zur Begründung hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass beide Parteien den Tod des Pferdes gleichermaßen zu vertreten hätten (§ 254 Abs. 1 BGB). Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie keinen Schadensersatzanspruch erhoben, sondern den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe. Das Rechtsmittel der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren darüber hinausgehenden Rückzahlungsanspruch weiter.

II.

1. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des hälftigen Kaufpreises zu (§ 326 Abs. 5, § 275 Abs. 1, § 323, § 346 BGB). Ein Rücktrittsgrund liege gemäß § 326 Abs. 5, § 275 Abs. 1 BGB vor. Die Übereignung des Pferdes sei unmöglich geworden, zumindest eine Übergabe habe nicht stattgefunden.

Der Rücktritt sei nicht gemäß § 326 Abs. 5 in Verbindung mit § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin sei für die Unmöglichkeit der Leistung nicht weit überwiegend verantwortlich. Beide Parteien hätten den Tod des Pferdes vielmehr gleichermaßen zu vertreten. Teilweise werde zwar vertreten, dass im Fall der beiderseits zu vertretenden Unmöglichkeit ein Rücktrittsrecht des Gläubigers zu versagen sei. Nach überwiegender Auffassung, der aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 323 Abs. 6 BGB zu folgen sei, bleibe das Rücktrittsrecht des Gläubigers jedoch bestehen.

In Höhe von 750 € sei der Rückzahlungsanspruch der Klägerin indes durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen. Der Beklagte habe aufgrund des Todes des Pferdes einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 750 €. Die Klägerin habe im Zuge des Verladevorgangs das Eigentum des Beklagten rechtswidrig und zumindest fahrlässig verletzt. Sie hätte erkennen können, dass das Pferd nicht „verladefromm“ gewesen sei. Zudem sei der von ihr mitgebrachte Fahrzeuganhänger nicht für das Verladen des Pferdes geeignet gewesen. Zu berücksichtigen sei jedoch eine Mitverschuldensquote des Beklagten von 50 % (§ 254 Abs. 1 BGB).

2. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt einer der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe vor.

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob bei beiderseits zu vertretener Unmöglichkeit der Leistung ein Rücktritt des Gläubigers gemäß § 326 Abs. 5 BGB möglich ist (bejahend in den Grenzen des § 323 Abs. 6 BGB: Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 326 Rn. 15; einschränkend Staudinger/Otto, BGB, Neubearbeitung 2009, § 326 Rn. C 93 f., wonach ein Rücktritt der Gläubigers auch dann ausgeschlossen sei, wenn er das Leistungshindernis des § 275 BGB zur Hälfte zu vertreten habe, so dass der Gläubiger nur dann vom Vertrag zurücktreten dürfe, wenn den Schuldner ein überwiegendes Verschulden an der Unmöglichkeit der Leistung treffe). Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision indes nicht. Sie ist im Streitfall nicht klärungsbedürftig und nicht entscheidungserheblich.

§ 326 Abs. 5 BGB sieht ein Rücktrittsrecht des Gläubigers für den Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor. Der Anwendungsbereich des Rücktrittsrechts bedarf im Streitfall keiner Klärung. Wie das Berufungsgericht selbst gesehen hat, ist der Rücktritt des Gläubigers, wie sich aus der Rechtsgrundverweisung auf § 323 BGB ergibt, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 323 Abs. 6 BGB nicht ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung gleichermaßen zu vertreten haben, sondern nur dann, wenn der Gläubiger die Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend zu vertreten hat.

Die vorgenannte Rechtsfrage ist auch nicht entscheidungserheblich. Die Revisionsbegründung ist zwar der Auffassung, dass auf die vorliegende Fallgestaltung die Regelung des § 326 Abs. 4 BGB anzuwenden sei, wonach der Schuldner (der Beklagte) im Fall der Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung verliere und die Gläubigerin die nicht geschuldete, aber erbrachte Gegenleistung gemäß § 346 BGB zurückfordern könne. Wie die Revisionserwiderung aber zutreffend ausführt, würde sich für die Klägerin ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 326 Abs. 4 BGB, der einen Rückgewähranspruch unter Anwendung der §§ 346 bis 348 BGB vorsieht, nicht anders darstellen als auf der Grundlage des Berufungsurteils, denn auch in diesem Fall ist die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem – um die Mitverschuldensquote des Beklagten verminderten – deliktischen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Beklagten wegen des Todes seines Hengstes bei dem von den Parteien gemeinsam unternommenen Verladeversuch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1, § 254 Abs. 1 BGB in Höhe von 750 € zusteht, so dass der Anspruch der Klägerin in dieser Höhe durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen ist.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Haftungsverteilung gemäß § 254 Abs. 1 BGB. Die Entscheidung über die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu Grunde gelegt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hierbei in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (siehe nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2014 – VI ZR 281/13, NJW 2014, 2493 Rn. 6 mwN).

Diesen Grundsätzen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gerecht, wonach die Klägerin und der Beklagte die Umstände, die zum Tod des Pferdes geführt haben, gleichermaßen zu vertreten haben. Die Revision setzt lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts. Dass der Hengst nicht „verladefromm“ war, weil der Beklagte das Verladen zuvor nicht mit ihm geübt hatte, hat das Berufungsgericht gewürdigt. Auch hätte die Klägerin, die als Vertragspartnerin des Beklagten nicht dessen weisungsgebundene Hilfsperson war, ebenso wie der Beklagte den Verladevorgang jederzeit abbrechen können. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte entgegen der Ansicht der Revision gerade nicht alleiniger Verursacher der schließlich zum Tod des Pferdes führenden Verletzung. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, hat das Berufungsgericht dabei auch die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt.

b) Aus einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB, den die Klägerin überdies ausdrücklich nicht geltend macht, könnte sie ebenfalls keine günstigere Rechtsfolge herleiten, weil aufgrund ihres Mitverschuldens auch insoweit ein Ausgleich nach den Grundsätzen des § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmen wäre.

c) Da das Berufungsgericht dem Beklagten einen – um seine Mitverschuldensquote verminderten – deliktischen Schadensersatzanspruch zugesprochen hat, kann im Streitfall schließlich die weitere, im Schrifttum umstrittene Frage dahinstehen, ob der vertragliche Gegenleistungsanspruch des Schuldners gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB bei einem beiderseits zu vertretenden Leistungshindernis entfällt oder ob dem Schuldner ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB gegen den Gläubiger wegen Verletzung der Nebenpflicht zusteht, die Erfüllung des Vertrages nicht zu vereiteln (siehe zum Meinungsstand statt aller: Staudinger/Otto, aaO, § 326 Rn. C 81 ff. mwN).

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