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Personalabbau – Weiterbeschäftigungsanspruch

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Az: 5 Sa 587/10

Urteil vom 28.04.2011


In dem Rechtsstreit hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 28.04.2011 für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24. November 2010, Az. 3 Ca 1109 a/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der 53-jährige, verheiratete Kläger ist bei der Gemeinschuldnerin seit dem 01.01.1997 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger erlitt im Jahr 1999 einen Arbeitsunfall, aufgrund dessen ihm der rechte Unterarm teilweise amputiert werden musste. Seitdem ist er mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert. Seit Rückkehr aus der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2002 wird er in der Maschinenformerei im Wesentlichen als Staplerfahrer bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von € 2.400,00 beschäftigt. Der Gabelstapler wurde eigens für den Kläger behindertengerecht umgebaut und kann aufgrund der geringen Traglast von 1.000 kg nur in der Maschinenformerei für Eisentransporte eingesetzt werden.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 01.10.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Betrieb wurde in der Insolvenz fortgeführt. Zuletzt beschäftigte der Beklagte 94 Arbeitnehmer. Von Januar 2009 bis Januar 2011 wurde im Betrieb kurzgearbeitet. Aufgrund anhaltender Verluste im Jahr 2009 (€ 402.810,00) und massiver Auftragsrückgänge traf der Beklagte die Unternehmerentscheidung, den Betrieb umzustrukturieren und 30 Arbeitnehmer zu entlassen. Im Dezember 2009 trat er mit dem Betriebsrat in Interessenausgleichsverhandlungen. Wegen des Inhalts der Interessenausgleichsverhandlungen sowie der Anhörungen nach § 102 BetrVG wird auf die zur Akte gereichte Korrespondenz (Anlagen B 6 bis B 11; Bl. 46 – 60 d. A.) verwiesen. Zudem fanden mündliche Erörterungen mit dem Betriebsrat am 15.12.2009, am 26.04.2010 sowie am 18.06.2010 statt. Am 13.07.2010 schlossen der Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste (Bl. 27-31 d. A.). In der Präambel des Interessenausgleichs wurde festgestellt, dass aufgrund der Auftragslage und der betriebswirtschaftlichen Situation eine erhebliche Reduzierung des Personals unumgänglich sei. § 1 des Interessenausgleichs verweist in Bezug auf die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf die als Anlage 1 beigefügte Namensliste. Die Namensliste enthält 21 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, u. a. den Kläger. § 2 des Interessenausgleichs lautet wie folgt:

„Der Betriebsrat wurde zu den betriebsbedingten Kündigungen nach §§ 102, 103 BetrVG angehört. Die Liste der betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 1 wurde ihm bereits mit Schreiben vom 24.06.2010 übergeben. Der Betriebsrat hatte mitgeteilt, dass er keine weiteren Erklärungen abgibt. Das Verfahren nach §§ 102, 103 BetrVG ist abgeschlossen.“

Nachdem das Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung des Klägers mit Bescheid vom 11.08.2010 zugestimmt hatte, sprach der Beklagte die ordentliche Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 17.08.2010 zum 30.11.2010 aus (Bl. 9 f. d. A.).

Am 07.09.2010 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Arbeitsplatz nicht weggefallen sei. Zuletzt sei er an ca. drei Tagen je Woche als Gabelstaplerfahrer tätig gewesen und habe daneben rund einen Tag in der Woche die Reinigungsmaschine gefahren. Zudem habe er durchschnittlich einen halben Tag pro Woche mit dem Gabelstapler LKW beladen. In der Maschinenformerei werde jetzt der sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer G. als Gabelstaplerfahrer eingesetzt. Neben dem eigens für ihn umgebauten Gabelstapler in der Maschinenformerei gebe es sowohl in der Gießerei als auch in der Großputzerei noch jeweils zwei weitere Gabelstapler, von denen zumindest einer so umgerüstet werden könnte, dass dieser von ihm, dem Kläger, genutzt werden könne. Sowohl im Bereich der Gießerei als auch im Bereich der Großputzerei seien Arbeiten in einem Umfange vorhanden, die den durchgehenden Einsatz eines Gabelstaplers erforderten, zumindest dann, wenn die Arbeiten aus beiden Abteilungen zusammengelegt würden. Im Übrigen rügt der Kläger die getroffene soziale Auswahl. Der Beklagte habe ihm Gründe, die zur Sozialauswahl geführt hätten, nicht mitgeteilt, sodass er zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl bislang nichts vortragen könne. Die Kündigung sei auch wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung unwirksam.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des weiteren streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 24.11.2010 abgewiesen. Gemäß § 1 Abs. 5 KSchG werde vermutet, dass die Kündigung durch betriebsbedingte Erfordernisse bedingt sei. Diese Vermutungswirkung habe der Kläger nicht entkräftet. Der Kläger habe nicht substantiiert darlegt, dass nach wie vor ein Vollzeitarbeitsplatz als Staplerfahrer für ihn vorhanden sei. Nach dem Interessenausgleich könne davon ausgegangen werden, dass nach diesem Zeitpunkt in der Maschinenformerei – wie der Beklagte behauptet habe – allenfalls in einem Umfang von 1,5 Tagen je Woche Arbeiten als Gabelstaplerfahrer anfielen. Auch die getroffene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Neben dem Kläger habe der Beklagte nur noch einen weiteren Gabelstaplerfahrer beschäftigt (Herr H.), dem ebenfalls zum 30.11.2010 gekündigt worden sei. Der Kläger sei auch nicht mit dem Mitarbeiter M. G. vergleichbar, da dieser Arbeitnehmer neben den Gabelstaplerarbeiten auch als Gießereiarbeiter und für Maschinenwartungen eingesetzt werde.

Gegen dieses ihm am 10.12.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2010 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 10.02.2010 begründet.

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er nur als Gabelstaplerfahrer eingesetzt werden könne. Vielmehr sei er auch für die Müllentsorgung zuständig gewesen und habe die Reinigungsmaschine gefahren. Diese Tätigkeiten fielen – ebenso wie die Staplerfahrten – nach wie vor an. Der Arbeitnehmer G. werde nahezu in vollem Umfang auf seinem ehemaligen Arbeitsplatz eingesetzt. Sein Arbeitsplatz sei mithin nicht weggefallen. Zudem habe der Beklagte vor der Beendigungskündigung vorrangig eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Die Kündigung verstoße zudem gegen das AGG. Der Beklagte habe überproportional viele schwerbehinderte Arbeitnehmer entlassen. Von insgesamt 89 Mitarbeitern seien infolge des Interessenausgleichs 21 Mitarbeiter, d. h. 24 % der Gesamtbelegschaft, gekündigt worden. Demgegenüber seien von insgesamt 12 schwerbehinderten Arbeitnehmern sieben und damit 58 % gekündigt worden. Aufgrund dieses Missverhältnisses habe der Beklagte ihn wegen seiner Behinderung benachteiligt. Ungeachtet dessen sei die Kündigung wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Er bestreitet, dass mit dem Betriebsrat am 15.12.2009 und am 18.06.2010 der Wegfall seines Arbeitsplatzes sowie seine konkreten Einsatzmöglichkeiten erörtert worden seien. Die Anlagen B 5 bis B 6 enthielten hierüber keine Angaben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster – 3 Ca 1109 a/10 – abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 7. August 2010, zugestellt am 19. und 20. August 2010, aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Aufgrund des erheblichen Auftragsrückganges, insbesondere im Bereich der Maschinenformerei, seien nur noch sporadisch an unterschiedlichen Tagen und abhängig von der Auftragslage Staplerfahrten angefallen. Die erforderlichen Staplerfahrten seien nicht planbar gewesen, sodass er, der Beklagte, entschieden habe, dass die nur noch sporadisch zu unterschiedlichen Zeiten im Umfang von ca. 1,5 Tagen pro Woche anfallenden Staplerfahrerarbeiten des Klägers von dem Mitarbeiter G. miterledigt werden. Dieser werde hauptsächlich als Gießer und Wartungsarbeiter beschäftigt. Dem seien auch nur sporadisch und zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichem Umfang leichte Reinigungsarbeiten bzw. leichte Müllentsorgungsarbeiten zugewiesen worden. Diese Arbeiten könnten mithin nun von sog. Springern miterledigt werden. Einen freien, leidensgerechten Arbeitsplatz gebe es für den Kläger im Betrieb nicht. Der Kläger habe mithin die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG nicht widerlegt. Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Mit dem Kläger vergleichbar sei nur der ebenfalls entlassene Mitarbeiter H.. Auch eine Änderungskündigung sei nicht in Betracht gekommen, da ein freier Arbeitsplatz nicht vorhanden sei. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt dass bei der Gemeinschuldnerin ausreichend Aufträge vorhanden seien, um ihn als Staplerfahrer – wenn auch nur in Teilzeit – weiterbeschäftigen zu können. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen das AGG. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen worden und nicht wegen der Behinderung des Klägers. Im Übrigen verweist der Beklagte auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 – 2 AZR 420/09 -. Die erfolgte Betriebsratsanhörung sei wirksam. Das Betriebsratsanhörungsverfahren sei zulässigerweise mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden worden. Der Betriebsrat habe aufgrund der langwierigen Interessenausgleichsverhandlungen Kenntnis über die Kündigungsgründe im Einzelnen gehabt. Neben der Auftragssituation sei dem Betriebsrat am 18.06.2010 nochmals erläutert worden, dass Auftragsrückgang u. a. auch zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs beim Eisentransport in der Maschinenformerei führe. Dieser Auftragsrückgang führe in Verbindung mit der Neuverteilung bzw. Umstrukturierung zum Wegfall des klägerischen Arbeitsplatzes. Die Sozialdaten aller Arbeitnehmer hätten dem Betriebsrat vorgelegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28.04.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. c; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers zu Recht abgewiesen.

I. Die Kündigung vom 17.08.2010 erfolgte aus betriebsbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO (1.) und die vom Beklagten getroffene Sozialauswahl ist nicht grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO (2.). Die getroffene Sozialauswahl verstößt auch nicht wegen vermeintlicher Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers gegen das allgemeine Gleichstellungsgesetz (3.). Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam (4).

1. Die streitgegenständliche Kündigung, die auf einem Interessenausgleich mit Namensliste basiert, war durch dringende betriebliche Erfordernisse, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstanden, bedingt. Der Kläger hat die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht zu widerlegen vermocht.

a) Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wenn bei der Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die soziale Auswahl kann nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur auf eine grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 125 Abs. 1 Satz 2 InsO).

b) Das formwirksame Zustandekommen des Interessenausgleichs mit Namensliste wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Interessenausgleich erfüllt auch die materiellen Voraussetzungen nach §§ 111, 112 BetrVG, insbesondere liegt ihm eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zugrunde. Nach § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG gelten als Betriebsänderung i. S. v. § 111 Satz 1 BetrVG die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen. Auch ein bloßer Personalabbau ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel kann eine Betriebseinschränkung sein, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist (BAG Urt. v. 10.12.1996 – 1 AZR 290/96 -, AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG 1972; BAG Urt. v. 21.02.2002 – 2 AZR 581/00 -, zit. n. Juris; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 23.11.2010 – 5 Sa 247/10 -, zit. n. Juris).

Nach der Zielsetzung des Interessenausgleichs vom 13.07.2010 plante der Beklagte aufgrund der Auftragslage und der betriebswirtschaftlichen Situation eine erhebliche Reduzierung des Personals. Ausweislich der angefügten Namensliste beabsichtigte der Beklagte die Kündigung von 21 Arbeitnehmern. Damit waren wesentliche Teile der bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Gesamtbelegschaft (94 Arbeitnehmer) von dem Personalabbau betroffen. Um einen interessenausgleichspflichtigen Personalabbau handelt es sich dann, wenn die Voraussetzungen für eine Entlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG vorliegen. Da bei der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs knapp 100 Arbeitnehmer beschäftigt waren erreichte der geplante Personalabbau von 21 Mitarbeitern den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG (10 % der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer). Der beabsichtigte Personalabbau (21 Kündigungen) erweist sich deshalb als eine Betriebseinschränkung i. S. v. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG und damit auch als eine interessenausgleichspflichtige Personalmaßnahme.

c) Der Kläger hat die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht zu widerlegen vermocht.

aa) Danach wird vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der namentlich aufgelisteten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 292 ZPO dadurch widerlegen, dass er darlegt, dass in Wahrheit eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn weiterhin besteht. Dazu ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG Urt. v. 05.11.2009 – 2 AZR 676/08 -, AP Nr. 183 zu § 1 KSchG 1969 ‚Betriebsbedingte Kündigung“; BAG Urt. v. 23.10.2008 – 2 AZR 163/07 -, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste“; BAG Urt. v. 22.01.2004 – 2 AZR 111/02 -, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG ‚Namensliste“). Aufgrund der gesetzlichen Vermutung braucht mithin der Arbeitgeber die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht im Einzelnen darzutun. Vielmehr muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen, weshalb der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder wo sonst im Betrieb oder Unternehmen er weiterbeschäftigt werden kann. Dabei können ihm Erleichterungen durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zukommen. Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gleichwohl erst widerlegt, wenn der Arbeitnehmer dartut und ggf. beweist, dass das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht weggefallen ist (BAG Urt. v. 05.11.2009 – 2 AZR 676/08 – aaO.; vgl. BAG v. 12.03.2009 – 2 AZR 418/07 -, AP Nr. 97 zu § 1 KSchG 1969 ‚Soziale Auswahl“; LAG Düsseldorf Urt. v. 14.12.2010 – 16 Sa 513/10 -, zit. n. Juris).

bb) Gemessen an diesen Darlegungsanforderungen hat der Kläger die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht zu widerlegen vermocht.

(1) Er hat auch in der Berufungsinstanz keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sein alter Arbeitsplatz aufgrund des unstreitig erfolgten Personalabbaus nicht weggefallen ist bzw. dass es freie Arbeitsplätze geben könnte, auf denen eine Weiterbeschäftigung für ihn möglich wäre. Insbesondere hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass es seinen alten Arbeitsplatz nach wie vor gibt. Dabei verkennt der Kläger, dass bereits er selbst unstreitig nicht ausschließlich als Staplerfahrer gearbeitet hat. Unstreitig konnte der Kläger bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht vollzeitig als Gabelstaplerfahrer beschäftigt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob er – die einzelnen Einsatzzeiten als Gabelstaplerfahrer zusammengerechnet – an drei bis vier Tagen oder nur an anderthalb Tagen als Gabelstaplerfahrer gearbeitet hat. Während der übrigen Zeiten wurde der Kläger zur Müllentsorgung und auf der Reinigungsmaschine eingesetzt. Es handelte sich mithin um einen „gemischten“ Arbeitsplatz. Der primär darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat auch nicht zu widerlegen vermocht, dass die von ihm erledigten Einzelaufgaben (Staplerfahrtätigkeit, Reinigungs- und Müllentsorgungsarbeiten) zwischenzeitlich auf mehrere andere Arbeitnehmer verteilt wurden. Für ihn ist unstreitig kein anderer Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer eingestellt. Der Kläger hat auch nicht bestritten, dass der Mitarbeiter G. neben dem Fahren des Gabelstaplers nach wie vor als Gießer und Maschinenwart arbeitet. Auch hat er nicht behauptet, dass der Mitarbeiter G. – wie zuvor er selbst – während der sogenannten unstreitig vorhandenen Leerlaufzeiten des Gabelstaplers ebenfalls mit der Müllentsorgung und Reinigungsarbeiten betraut ist. Der Mitarbeiter G. hat auch nach dem Vortrag des Klägers nicht dessen (gemischten) Arbeitsplatz eingenommen. Die Reinigungsarbeiten und Müllentsorgung haben andere Arbeitnehmer mitübernommen. Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass er während der Leerlaufzeiten des Gabelstaplers in der Maschinenformerei auf einen für ihn umzubauenden Gabelstapler in den anderen Abteilungen eingesetzt werden könnte. Er hat nicht substantiiert vorgetragen, dass während der Leerlaufzeiten des in der Maschinenformerei befindlichen Gabelstaplers gerade dann ein Gabelstaplerfahrer in der Gießerei benötigt wird. Die Arbeiten als Gabelstaplerfahrer fallen nicht permanent, sondern auftragsbedingt an. Gegenteiliges hat der Kläger nicht darzulegen vermocht. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin wurden überhaupt nur zwei Gabelstaplerfahrer beschäftigt. Der zweite Gabelstaplerfahrer ist ebenfalls gekündigt worden. Auch dessen Arbeitsplatz ist weggefallen; die im Schmelzbetrieb sporadisch anfallenden Fahrten werden jetzt durch andere Mitarbeiter miterledigt.

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(2) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam sei. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger im Wege einer Änderungskündigung zu geänderten Arbeitsbedingungen (etwa kürzeren Arbeitszeiten) weiter zu beschäftigen. Die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO bezieht sich auch auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen (BAG Urt. v. 06.09.2007 – 2 AZR 715/06 -, AP Nr. 170 zu § 1 KSchG ‚Betriebsbedingte Kündigung“; ErfK/Gallner, 11. Aufl., Rn. 7 zu § 125 InsO). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass im Betrieb der Gemeinschuldnerin ein freier anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem er hätte weiterbeschäftigt werden können. Durch die Umverteilung seiner ehemaligen Tätigkeiten auf andere Arbeitnehmer ist der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Einen anderen leidensgerechten freien oder ggf. durch Ausübung des Direktionsrechts freimachbaren Arbeitsplatz gibt es für den Kläger im Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht. Gegenteiliges hat der Kläger nicht im Ansatz vorgetragen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch in Teilzeit weiterhin als Gabelstapler in der Maschinenformerei zu arbeiten. Ein derartiger Teilzeitarbeitsplatz existiert aufgrund der getroffenen und umgesetzten Unternehmerentscheidung nicht mehr. Es zählt zur freien und damit nur auf Willkür und Missbrauch gerichtlich überprüfbaren Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers mit wie viel Personal er seinen Betrieb betreiben will. Insbesondere ist der Arbeitgeber frei, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren und umzustrukturieren, wie er es für zweckmäßig hält. Dass es hierdurch möglicherweise zu einer Verdichtung der Arbeitsanforderungen an die übrigen Arbeitnehmer kommt, ist hinzunehmen. Der Arbeitsplatz des Klägers fiel aufgrund des beschlossenen und umgesetzten Rationalisierungskonzepts des Beklagten in Gänze weg. Der Kläger hat weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass diese Unternehmerentscheidung willkürlich oder gar rechtsmissbräuchlich war. Anders als im Kündigungsschutzverfahren gemäß § 1 Abs. 2 KSchG muss der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO darlegen und beweisen, dass seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht entfallen ist. Er müsste beispielsweise darlegen, dass der entsprechend dem Interessenausgleich geplante Personalabbau gar nicht durchgeführt wurde oder aber von den verbleibenden Arbeitnehmern in der Folgezeit überobligatorische Leistungen verlangt wurden, die über eine bloße Leistungsverdichtung hinausgingen (Hessisches LAG Urt. v. 30.03.2007 – 10 Sa 1910/05 -, zit. n. Juris; KR-Griebeling, 9. Aufl., Rn. 561 zu § 1 KSchG). Hieran gemessen hat der Kläger die vom Interessenausgleich gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgehende Vermutungswirkung auch in Bezug auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Bedingungen (Teilzeitarbeitsplatz) nicht widerlegt.

2. Die getroffene Sozialauswahl ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Grob fehlerhaft i. S. v. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich, insbesondere bei der Gewichtung der Auswahlkriterien, jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG Urt. v. 28.08.2003 – 2 AZR 368/02 -, AP Nr. 1 zu § 125 InsO; BAG Urt. v. 20.09.2006 – 2 AZR 249/05 -; AP Nr. 316 zu § 613a BGB). Bei einem Interessenausgleich mit Namensliste ist die Sozialauswahl beschränkt auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Dienstalter und die Unterhaltspflichten, § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Bei der Gewichtung dieser Sozialdaten besteht keine Rangfolge zu Gunsten eines dieser Kriterien, vielmehr steht dem Arbeitgeber insoweit ein Wertungsspielraum zu. (BAG Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 592/04 -, AP Nr. 50 zu § 113 BetrVG 1972).

Der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit bezieht sich auch auf die Bildung des auswahlrelevanten Personenkreises (BAG Urt. v. 03.04.2008 – 2 AZR 879/06 -, AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste“). Durch § 125 Abs. 1 InsO soll den Betriebspartnern gerade im Insolvenzverfahren ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass u. a. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, sodass der Sache nach nicht mehr von einer „sozialen“ Auswahl die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden (BAG Urt. v. 03.04.2008 – 2 AZR 879/06 -, aaO.).

b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist die getroffene Sozialauswahl nicht zu beanstanden. In der Berufungsinstanz beanstandet der Kläger die Sozialauswahl auch nicht mehr. Ungeachtet dessen weist das Berufungsgericht darauf hin, dass der Beklagte seiner Auskunftspflicht in Bezug auf die getroffene Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG entgegen der erstinstanzlich vom Kläger vertretenen Auffassung nachgekommen ist. Der Kläger hat den Beklagten in der Klagschrift aufgefordert, die Sozialdaten sämtlicher mit ihm vergleichbarer Mitarbeiter offen zu legen. Dieser Aufforderung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 20.10.2010 entsprochen und vorgetragen, dass er in den auswahlrelevanten Kreis nur den zweiten im Betrieb der Gemeinschuldnerin beschäftigten Gabelstaplerfahrer H. mit einbezogen habe. Da auch der Gabelstaplerfahrer H. gekündigt wurde, entfiel somit eine Sozialauswahl. Es ist unstreitig, dass insgesamt nur zwei Gabelstaplerfahrer beschäftigt wurden. Gegenteiliges hat der Kläger auch erstinstanzlich nicht behauptet.

Der Beklagte war demgegenüber auch nicht verpflichtet, dem Kläger die Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer mitzuteilen. Vielmehr bezieht sich die Auskunftspflicht nur auf subjektive Auswahlüberlegungen des Arbeitgebers, die er im Rahmen der Bewertung der Sozialdaten tatsächlich angestellt hat, nicht die, die er hätte anstellen müssen (ErfK/Oetker, 11. Aufl., Rn. 339 zu § 1 KSchG; KR-Griebeling, 9. Aufl., Rn. 681 a zu § 1 KSchG). Die Mitteilungspflicht bezieht sich mithin auf die Angabe der Sozialdaten der zum Auswahlkreis zählenden Arbeitnehmer und deren Gewichtung.

Auch die Bildung des auswahlrelevanten Kreises ist nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. In Anbetracht der durch die Behinderung des Klägers sehr eingeengten Einsatzmöglichkeiten des Klägers war es vorliegend auch nicht grob fehlerhaft, die Vergleichbarkeit auf die Gabelstaplerfahrer zu beschränken. Die Bildung des Auswahlkreises (Gabelstaplerfahrer) war mithin nicht grob fehlerhaft, sondern sachgerecht. Gegenteiliges hat der Kläger nicht dargelegt.

Aber selbst dann, wenn der Beklagte grob fehlerhaft einen zu engen Auswahlkreis in Bezug auf die Vergleichbarkeit mit dem Kläger gebildet haben sollte, führte ein derartiger Fehler nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung. Vielmehr hätte der Kläger darlegen müssen, mit welchen konkreten Arbeitnehmern er aus seiner Sicht ebenfalls vergleichbar bzw. welche nach wie vor besetzten Arbeitsplätze mit in die Sozialauswahl einzubeziehen wären. Der Kläger hat sich insoweit erstinstanzlich lediglich auf den Arbeitnehmer G. berufen. Dieser arbeitet indessen unstreitig nach wie vor als Gießer- und Wartungsarbeiter und hat die Gabelstaplerfahrten nur mitübernommen. Gegenteiliges hat der Kläger weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Unstreitig kann der Kläger aufgrund seiner Körperbehinderung die Arbeiten im Schmelzbetrieb und Wartungsarbeiten nicht leisten, insoweit ist der Kläger gerade nicht mit dem Arbeitnehmer G. vergleichbar.

3. Die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung folgt auch nicht aus einer Benachteiligung des Klägers wegen dessen Behinderung. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund einer Behinderung kann im Rahmen des § 125 Abs. 1 InsO allenfalls zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl führen. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die zu seinen Lasten getroffene Sozialauswahl indessen nicht gegen das Verbot der Diskriminierung von Behinderten des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 1, 7, 8 Abs. 1 AGG.

a) Die Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 1 – 10 AGG) sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen auch zu beachten. Eine Kündigung kann sozialwidrig sein, wenn sie gegen Diskriminierungsverbote verstößt. Die Regelung des § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen (BAG Urt. v. 06.11.2008 – 2 AZR 523/07 -, AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 ‚Betriebsbedingte Kündigung“).

b) Indessen hat der Kläger nicht darzulegen vermocht, dass der Beklagte die getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft nur aufgrund seiner Behinderung zu seinen Lasten getroffen habe. Die Schwerbehinderung des Klägers war bei der Bildung des auswahlrelevanten Kreises indessen ohne Belang. Dies wäre möglicherweise dann anders zu beurteilen gewesen, wenn der Beklagte den zweiten Gabelstaplerfahrer von vornherein aus der Sozialauswahl herausgenommen und weiterbeschäftigt hätte, weil der Kläger den von diesem bedienten Gabelstapler nicht ohne vorherigen behindertengerechten Umbau hätte fahren können. Der Beklagte hat den auswahlrelevanten Kreis nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien (Gabelstaplerfahrer) gezogen. Eine Sozialauswahl entfiel nur deshalb, weil auch der zweite Gabelstaplerfahrer entlassen wurde.

Ungeachtet dessen ist eine Auswahl nur dann grob fehlerhaft i. S. v. § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn sich ihr Ergebnis als grob fehlerhaft erweist. Auch ein mangelhaftes Auswahlverfahren (zu enger Auswahlkreis) kann letztlich zu einem richtigen und damit nicht grob fehlerhaften Auswahlergebnis führen (BAG Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 420/09 -, NZA 2010, 324 f.). Dem entspricht es, dass der gekündigte Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage, jedenfalls wenn er – wie vorliegend – ausreichend unterrichtet worden ist, die soziale Auswahl konkret rügen, d. h. geltend machen muss, ein bestimmter mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer sei weniger sozial schutzwürdig, sodass diesem habe gekündigt werden müssen. Die Feststellung der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl setzt mithin voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein bestimmter mit dem Gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzwürdig ist. Diesem Darlegungserfordernis ist der Kläger aber nicht nachgekommen. Insbesondere lässt der Umstand, dass gemessen an der Gesamtbelegschaft unter den gekündigten Arbeitnehmern überproportional viele Schwerbehinderte waren, keinen Rückschluss auf eine grob sozialwidrige Auswahl bezogen auf den Kläger zu. Der darlegungspflichtige Kläger hat insbesondere nicht substantiiert vorgetragen, dass das Negativ-Auswahlkriterium seine Behinderung war und dass ein nicht behinderter, sozial weniger schutzwürdiger und mit ihm, dem Kläger, vergleichbarer Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werde.

4. Die Kündigung ist auch nicht wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d. h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam (BAG Urt. v. 23.10.2008 – 2 AZR 163/07 -, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste“). Die Anforderungen an die Mitteilungspflichten gegenüber dem Betriebsrat unterscheiden sich allerdings von der prozessualen Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren. Sie sind subjektiv determiniert, d. h. der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die von ihm für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitteilen (BAG Urt. v. 06.07.2006 – 2 AZR 520/05 -, AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969). Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber bedarf es dann nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können (BAG Urt. v. 20.05.1999 – 2 AZR 532/98 -, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 ‚Namensliste“).

b) Hieran gemessen hatte der Betriebsrat vorliegend bereits aufgrund der sich über Monate hinziehenden Interessenausgleichsverhandlungen über die tragenden Kündigungsgründe fortlaufend Kenntnis erlangt. Dies ergibt sich nicht nur aus § 2 des Interessenausgleichs vom 13.07.2010, sondern insbesondere aus den vom Beklagten eingereichten Unterrichtungsschreiben vom 07.12.2009, vom 14.12.2009, vom 19.04.2010 und vom 08.06.2010 (Anlagen B 6 bis B 9). Nach diesen Informationen war für den Beklagten tragender Grund für die beabsichtigten Kündigungen, also auch für die Kündigung des Klägers, die anhaltende Verlustsituation seit 2009, die sich auch im ersten Quartal des Jahres 2010 fortsetzte. Die sich negativ entwickelnden Betriebsergebnisse aus den Jahren 2007, 2008 und 2009 hat der Beklagte dem Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 07.12.2009 im Einzelnen dargelegt. Zudem hat er mit Schreiben vom 19.04.2010 ausgeführt, dass sich die Auftragslage seit 2009 nochmals verschlechtert habe, da der Großkunde V. für 2010 noch gar keine Aufträge platziert habe und die Fa. S. lediglich Aufträge für Klemmringe, nicht aber für den Bearing-House erteilt habe. Während der ersten Monate 2010 seien nur monatliche Umsätze von € 300.000,00 bis € 480.000,00 erzielt worden. 2007 und 2008 seien es noch Monatsumsätze von durchschnittlich € 1 Mio. gewesen. Der aufgezeigte Umsatz- und Auftragsrückgang belege zudem, dass eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen weggefallen sei. Der Betrieb habe aufgrund der Auftragslage und der aufgezeigten betriebswirtschaftlichen Zahlen auch im Rahmen der Kurzarbeit in 2010 nur eine Überlebenschance mit einer reduzierten Personalstärke und weiterer Kurzarbeit. Hierfür seien 30 Kündigungen notwendig. Zudem hat der Beklagte dem Betriebsrat als Anlage 2 zum Schreiben vom 19.04.2010 eine Liste sämtlicher Arbeitnehmer nebst Sozialdaten übermittelt. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens hat der Beklagte weiter vorgetragen, dass am 26.04.2010 und am 18.06.2010 gemeinsame Sitzungen mit dem Betriebsrat stattgefunden haben, auf welchen er dem Betriebsrat u. a. auch mitgeteilt habe, dass aufgrund des Rückgangs des Auftragsvolumens in allen Bereichen sich auch der Arbeitskräftebedarf entsprechend verringere. Hiervon betroffen sei insbesondere auch der Eisentransport in der Maschinenformerei, sodass der Staplerfahrerarbeitsplatz dort wegfalle. Denn die Aufträge in der Maschinenformerei seien derart stark zurückgegangen, dass dort nur noch an ca. 1,5 Tagen pro Woche produziert werden könnte. Ferner habe er dem Betriebsrat mitgeteilt, dass neben dem Kläger nur noch ein weiterer Staplerfahrer (M. G.) beschäftigt werde, dessen Arbeitsverhältnis indessen ebenfalls zum 30.11.2010 gekündigt werde.

In Anbetracht dieses konkreten Vortrages hätte der Kläger seinerseits substantiiert erwidern bzw. bestreiten müssen. Legt der Arbeitgeber dar, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist, darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten, vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, dass der Betriebsrat entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden ist oder in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält (BAG Urt. v. 24.04.2009 – 8 AZR 268/07 -, NZA 2008, 1314 ff.). Wenn der Arbeitgeber für eine Kündigung fehlende Rentabilität bzw. eine anhaltende Verlustsituation anführt, so hat er dem Betriebsrat die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebs darzulegen (Fitting, BetrVG, 25. Aufl., Rn. 27 zu § 102 BetrVG). Der Beklagte hat dem Betriebsrat nicht nur unstreitig über die (negativen) Betriebsergebnisse der letzten Jahre im Einzelnen unterrichtet, sondern konkret zur Auftragslage vorgetragen mit dem Hinweis, dass sich durch den Auftragsrückgang auch der Arbeitskräftebedarf entsprechend mindere. Sieht der Arbeitgeber keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, so genügt er seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG in der Regel schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten (Fitting, aaO., Rn. 28 zu § 102 BetrVG). Da der Beklagte nicht nur beabsichtigte, dem Kläger, sondern daneben noch zuletzt 20 weiteren Arbeitnehmern, zu kündigen und zudem noch Kurzarbeit angeordnet war, hat er gegenüber dem Betriebsrat auch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz) nicht besteht.

Der Kläger hat seinerseits daraufhin lediglich pauschal und damit unbeachtlich bestritten, dass am 15.12.2009 und am 18.06.2010 eine Erörterung der „konkreten Einsatzmöglichkeiten“ des Klägers sowie der „Wegfall seines Arbeitsplatzes“ mit dem Betriebsrat stattgefunden haben. Er hat mithin nicht in Abrede gestellt, dass diese gemeinsamen Sitzungen mit dem Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen überhaupt stattgefunden haben. Gemessen an dem substantiierten Vorbringen des Beklagten hätte der Kläger konkret vortragen müssen, inwieweit er die Behauptungen des Beklagten für falsch oder unzureichend hält. Der Beklagte hat im Einzelnen darlegt, inwieweit er den Betriebsrat über die Auftragslage und deren Auswirkungen auf die Arbeitslage im Bereich der Maschinenformerei informiert hat und dass hierdurch der Arbeitsplatz des Klägers wegfällt. Demgegenüber ist der Einwand des Klägers, der Betriebsrat sei über den Wegfall seines Arbeitsplatzes nicht ausreichend informiert worden, pauschal und damit unbeachtlich. Gleiches gilt für den Einwand bezogen auf anderweitige Einsatzmöglichkeiten. Der Betriebsrat hatte von der Behinderung und der damit einhergehenden Leistungseinschränkung des Klägers Kenntnis; Gegenteiliges behauptet der Kläger nicht. Welche für den Kläger bestehenden Einsatzmöglichkeiten hat der Beklagte dem Betriebsrat vorenthalten?

II. Nach alledem war die Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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