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Prozesskostenhilfe – nachträgliche Änderung – Anforderungen

BGH

Az: IX ZB 305/05

Beschluss vom 21.09.2006


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2006 beschlossen:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. Juni 2005 und der Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Dresden vom 23. Mai 2005 aufgehoben.

Dem Kläger wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt beigeordnet. Ratenzahlungen oder Zahlungen aus dem verwalteten Vermögen werden nicht festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH. Am 2. Mai 2000 hatte er Masseunzulänglichkeit angezeigt. Im Jahr 2001 hatte er für einen Prozess gegen die Beklagten K. und Fr. Prozesskostenhilfe beantragt und erhalten. Der Prozess endete am 19. Juni 2001 mit einem Vergleich, in dem sich die Beklagten verpflichteten, an den Kläger 19.000 DM und 55.000 DM zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben. In den folgenden Jahren forderte das Landgericht – Rechtspflegerin – den Kläger regelmäßig zu Erklärungen über etwaige Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des verwalteten Vermögens auf. Im Jahr 2004 teilte der Kläger dem Gericht auf gesonderte Anfrage hin mit, die Beklagten hätten bislang 4.114,22 EUR und 16.344,44 EUR gezahlt.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2005 hat das Landgericht – Rechtspflegerin – den Bewilligungsbeschluss dahingehend abgeändert, dass gemäß § 120 Abs. 4 ZPO ein Betrag von 5.214,33 EUR aus dem Ertrag des Prozesses zu zahlen sei. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger weiterhin die Aufhebung des Änderungsbeschlusses.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen.

1. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ist der vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit erzielte Erlös vorrangig zur Deckung der Prozesskosten heranzuziehen. Grundsätzlich stehe zwar nur der nach Abzug der Massekosten und Masseschulden etwa verbleibende Restbestand zur Deckung der Kosten eines vom Insolvenzverwalter geführten Prozesses zur Verfügung. Eine Ausnahme gelte jedoch für den Ertrag eines Prozesses, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei; denn die Prozesskostenhilfe diene nicht dazu, die Masse auf Kosten der Staatskasse zu vermehren.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Entscheidung über die nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu leistenden Zahlungen kann dann abgeändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Es muss sich um eine Änderung der Verhältnisse handeln, die Grundlage der Bewilligungsentscheidung gewesen sind. Im vorliegenden Fall ist eine derartige Änderung nicht eingetreten. Dem Kläger ist seinerzeit Prozesskostenhilfe bewilligt worden, weil die Kosten des Rechtsstreits nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden konnten (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Daran hat sich nichts geändert. Zwar haben die Prozessgegner Zahlungen zur Masse geleistet. Diese reicht jedoch nach wie vor nicht zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens und der sonstigen Masseverbindlichkeiten aus. Das Beschwerdegericht nimmt folgerichtig an, dass für einen neu zu beginnenden Prozess, der Aussicht auf Erfolg hat, Prozesskostenhilfe bewilligt werden müsste. Ist die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nach wie vor nicht in der Lage, die Prozesskosten ganz, teilweise oder in Raten zu begleichen (vgl. § 114 Satz 1 ZPO), kann eine Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO jedoch nicht ergehen.

b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts (ebenso z.B. OLG Koblenz MDR 2005, 107; OLG Dresden ZIP 2004, 187, 188; OLG Celle MDR 2001, 230, 231; Musielak/Fischer, ZPO 4. Aufl. § 120 Rn. 16; einschränkend OLG Zweibrücken MDR 1997, 885, 886; aA OLG Bamberg JurBüro 1993, 232, 233) verlangen weder § 120 Abs. 4 ZPO noch § 115 Abs. 2 ZPO, § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO oder eine andere Vorschrift der Zivilprozessordnung, dass ein Kläger den Ertrag eines erfolgreichen Prozesses vorrangig zur Tilgung der von der Staatskasse vorfinanzierten Prozesskosten einsetzt. Prozesskostenhilfe kann verweigert werden, wenn eine Partei in Kenntnis eines bevorstehenden Prozesses ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeiführt (BGH, Urt. v. 8. Januar 1959 – II ZR 195/57, NJW 1959, 884, 885; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 115 Rn. 40, 72 mit weiteren Nachweisen). Ebenso kann der Partei im Rahmen einer Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO Vermögen zugerechnet werden, das sie erworben, aber in Kenntnis der Änderungsmöglichkeit wieder ausgegeben hat, so dass sie ihre zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig selbst wieder herbeigeführt hat (Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 120 Rn. 18 mit weiteren Nachweisen). Von diesem Ausnahmefall abgesehen, hat es jedoch bei dem Grundsatz zu bleiben, dass das nach § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzende Vermögen unter Abzug der vorhandenen Verbindlichkeiten zu ermitteln ist (vgl. auch OLG Bamberg aaO). Eine gesetzliche Grundlage für den vom Beschwerdegericht angenommenen Vorrang des Erstattungsanspruchs der Staatskasse gibt es nicht.

c) Im vorliegenden Fall der Prozessführung durch einen Insolvenzverwalter würde ein Vorrang des Erstattungsanspruchs der Staatskasse aus § 120 Abs. 4 ZPO außerdem den Vorschriften der Insolvenzordnung über die Abwicklung eines massearmen Insolvenzverfahrens widersprechen. Die Kosten eines vom Insolvenzverwalter geführten Prozesses stellen Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Sie sind gemäß § 53 InsO ebenso wie die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Reicht die Insolvenzmasse dazu nicht aus, ordnet § 209 Abs. 1 InsO die Rangfolge an, in welcher die Masseverbindlichkeiten zu begleichen sind. Vorrang haben die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Es folgen die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Den schlechtesten Rang haben die übrigen Masseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Forderungen mit gleichem Rang sind im Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen (§ 209 Abs. 1 InsO). Für einen nicht gesetzlich angeordneten Vorrang der Forderungen bestimmter Gläubiger ist hier kein Raum. Im vorliegenden Fall würde der Anspruch nach § 120 Abs. 4 ZPO – wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt wären – eine Neumasseverbindlichkeit darstellen (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Die Kosten des Insolvenzverfahrens – die Gerichtskosten und die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 InsO) – wären vorrangig zu erfüllen. Die sonstigen Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO) stünden im gleichen Rang wie der Anspruch aus § 120 Abs. 4 ZPO.

d) Die Frage, ob den Insolvenzgläubigern nach einem erfolgreichen Abschluss des Rechtsstreits eher zuzumuten ist, für dessen Kosten aufzukommen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO), stellt sich hier nicht. Solange die Masse unzulänglich ist, ändert sich die zu erwartende Quote nicht. Nach wie vor sind die Insolvenzgläubiger an diesem Rechtsstreit nicht im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO wirtschaftlich beteiligt.

III.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 577 Abs. 5 ZPO). Auch die Entscheidung des Landgerichts ist aufzuheben.

IV.

Erfolgreiche Beschwerden und Rechtsbeschwerden im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

V.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde beruht auf § 114 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002 – III ZB 33/02, WM 2003, 1826, 1827).

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