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Prozesskostenhilfe – Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit

LAG Schleswig-Holstein

Az.: 5 Ta 151/11

Beschluss vom 25.10.2011


In dem Beschwerdeverfahren pp. hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 24.10.2011 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 30.06.2011, Az. 2 Ca 155 d/11, abgeändert und dem Kläger Prozesskostenhilfe für die erste Instanz mit Wirkung ab dem 04.02.2011 unter Beiordnung von Rechtsanwalt Ö… bewilligt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gründe:

I.

Im Beschwerdeverfahren wendet sich der Kläger gegen die Zurückweisung seines Prozesskostenhilfeantrages. Mit Erhebung der in der Hauptsache anhängig gewesenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger zugleich beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. In dem zum PKH-Heft gereichten amtlichen Vordruck vom 11.02.2011 hat der Kläger in Abschnitt E eingetragen, dass er „aus nicht selbstständiger Arbeit“ über monatliche Einkünfte in Höhe von € 717,00 verfüge. In Abschnitt D hat er seine zwei unterhaltsberechtigten Kinder M. und M., geboren am ….1999 und …..2006, ohne Anschrift eingetragen und angegeben, dass diese über jeweils € 86,00 „eigene Einnahmen“ verfügten. In der Rubrik H hat er eingetragen, dass seine Miete € 410,00 betrage; ob er hierauf Zahlungen leiste, hat er offen gelassen. In Abschnitt I hat er angegeben, dass er monatlich für seine Tochter an die „Schülerhilfe“ € 138,00 zahle. Er hat den Arbeitslosengeldbescheid sowie den Mietvertrag in Kopie zum PKH-Heft gereicht. Mit Verfügungen vom 05.04.2011 sowie 27.05.2011 hat das Arbeitsgericht den Kläger aufgefordert, ein vollständig ausgefülltes Formular zum PKH-Heft zu reichen und die Kosten für die Schülerhilfe zu belegen. Daraufhin hat der Kläger den am 08.05.2011 unterzeichneten Vordruck eingereicht und nunmehr in Abschnitt D nur seine am ….1999 geborene Tochter M. unter Angabe seiner Anschrift eingetragen. Er hat angegeben, dass M. über „eigene Einnahmen“ von € 139,00 verfüge. Der Kläger hat Quittungen über monatliche Zahlungen an die Schülerhilfe in Höhe von € 139,00 eingereicht. In Abschnitt E „Bruttoeinnahmen“ hat er nunmehr angekreuzt, dass er über „andere Einkünfte“ nämlich „ALG 1″ in Höhe von monatlich € 677,10 verfüge. Unter der Rubrik H hat er wiederum offengelassen, ob er Zahlungen auf die Miete leistet.

Mit Beschluss vom 30.06.2011 hat das Arbeitsgericht den klägerischen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zurückgewiesen. Der Kläger habe die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig ausgefüllt. Es sei nicht auszuschließen, dass er neben dem Bezug von Arbeitslosengeld noch über weitere Einkünfte verfüge. Der Kläger habe hierzu unter der Rubrik E diesbezüglich aber keine Angaben gemacht. Aufgrund der Angabe in der Erklärung vom 08.05.2011, dass ein Kind in seinem Haushalt lebe, könne geschlussfolgert werden, dass der Kläger auch Kindergeld beziehe. Trotz zweimaliger gerichtlicher Aufforderung habe der Kläger seine Angaben und Erklärungen nicht vervollständigt, sodass der Antrag insgesamt zurückzuweisen sei. Gegen diesen ihm am 07.07.2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 08.08.2011 sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 22.08.2011 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg, da sie begründet ist. Das Arbeitsgericht durfte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung zurückweisen, der Kläger habe es unterlassen, in Abschnitt E den PKH-Vordruck vollständig auszufüllen.

1.

Das Arbeitsgericht hat grundsätzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass die bedürftige Partei den amtlichen PKH-Vordruck vollständig, d. h. lückenlos, und ordnungsgemäß auszufüllen hat. Dies folgt aus § 117 Abs. 3 und 4 ZPO. Hiernach muss sich die Partei zur Begründung ihres Prozesskostenhilfeantrages der vom Bundesministerium für Justiz eingeführten amtlichen Formulare bedienen. Aus dem gesetzlichen Benutzerzwang folgt, dass die Partei das Formular sorgfältig, vollständig und gewissenhaft ausfüllen muss, sodass eine gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen zweifelsfrei möglich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – V ZB 214/10 -, zit. n. Juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 16.09.2010 – 4 Ta 133/10 -, zit. n. Juris). Dies bedeutet, dass die Partei in Abschnitt E mithin nicht nur eintragen muss, über welche konkreten monatlichen Einkünfte sie in welcher Höhe tatsächlich verfügt, sondern auch anzukreuzen hat, dass sie über die sonstigen im Formular unter E noch genannten Einkünfte gerade nicht verfügt. Die so geforderte Negativerklärung hätte der Kläger vorliegend durch schlichtes Ankreuzen bei „Nein“ abgeben können. 2. Indessen rechtfertigen die insoweit formal-juristisch unvollständigen Angaben in Abschnitt E vorliegend nicht die Versagung von Prozesskostenhilfe.

a) Die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit dürfen nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Bedürftigen den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, deutlich verfehlt würde. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2001 – 1 BvR 1009/01 -, zit. n. Juris; BGH, Beschl. v. 21.09.2005 – IV ZB 21/05 -). Enthalten die Angaben mithin in dem Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht, wenn diese Lücken und Zweifel auf andere Weise ohne Weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können oder wenn sich aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass Einnahmen oder Vermögenswerte nicht vorhanden sind (BGH, Beschl. v. 19.11.2008 – IV ZB 38/08 -, zit. n. Juris; BGH, Beschl. v. 13.02.2008 – XII ZB 151/07 -, zit. n. Juris; BGH, Beschl. v. 21.09.2005 – IV ZB 21/05 -, zit. n. Juris; BGH, Beschl. v. 03.05.2000 – XII ZB 21/00 -, zit. n. Juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 16.09.2010 – 4 Ta 133/10 -, zit. n. Juris).

b) Hieran gemessen durfte das Arbeitsgericht dem Kläger nicht alleine deshalb die beantragte Prozesskostenhilfe versagen, weil dieser im Abschnitt E keine so genannten Negativerklärungen abgegeben hat. Aus den gesamten Umständen lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass der Kläger neben dem angegebenen Arbeitslosengeld I nicht über weitere im Abschnitt E genannte Einkünfte aus „nicht selbstständiger Arbeit“, „selbstständiger Arbeit“, „Vermietung und Verpachtung“, „Kapitalvermögen“, „Kindergeld“ oder „Wohngeld“ verfügt. Die Nichtbeantwortung dieser Fragen im Teil E des amtlichen Vordruckes, auch das Nichtankreuzen der „Nein“-Kästchen, kann nur als Verneinung der betreffenden Fragen verstanden werden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19.11.2008 – IV ZB 38/08 -, zitiert nach juris, Rn. 11). Der rechtsunkundige Kläger hat sich unstreitig der amtlichen Vordrucke bedient und die eingereichten Formulare vom 11.02.2011 und 08.05.2011 selbst ausgefüllt, die dortigen Fragestellungen aber offensichtlich nicht richtig verstanden. Anders ist es nicht zu verstehen, dass er bei seinen beiden 1999 und 2006 geborenen Kindern in dem Vordruck vom 11.02.2011 noch angegeben hat, dass diese über „eigene Einnahmen“ von jeweils monatlich € 86,00 verfügten. Aus dem Umstand, dass der Kläger ausweislich seiner Angaben geschieden ist und beide Töchter erst 12 und 5 Jahre alt sind, konnte an Hand der Angaben in Abschnitt D mühelos geschlussfolgert werden, dass der Kläger für beide Kinder Unterhalt in Höhe von monatlich jeweils € 86,00 leistet. Dies entspricht zumindest den tradierten und immer noch vorherrschenden Lebensumständen, dass die Kinder nicht beim geschiedenen Vater, sondern bei der Mutter leben. So ist es auch hier. Die Töchter des Klägers sind augenscheinlich zu jung, um schon selbst über eigenes Einkommen zu verfügen. Die Töchter des Klägers leben vielmehr bei seiner geschiedenen Frau und folglich bezieht der Kläger auch kein Kindergeld. Wenn das Arbeitsgericht hieran gleichwohl Zweifel gehabt hätte, hätte es dem Kläger hierzu eine konkrete Auflage zur Abgabe der noch fehlenden PKH-Erklärungen sowie zur Beibringung entsprechender Belege erteilen müssen. Dieses gebietet die prozessuale Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO (Zöller/Philippi, ZPO, 29. Aufl., Rn. 17 zu § 117). Wenn die Partei den amtlichen Vordruck benutzt, diesen aber unvollständig ausfüllt, so darf ihr Prozesskostenhilfeantrag nicht sofort zurückgewiesen werden. Vielmehr ist ihr eine Frist zu setzen, innerhalb derer sie die fehlenden, konkret zu bezeichnenden Angaben zu Unterhaltspflichten, Einkommen, Vermögenswerten, Mietzahlungen oder Darlehensraten nachholen kann. Zwar ist der Kläger vorliegend bereits anwaltlich vertreten gewesen, indessen lassen auch in diesem Fall fehlende, unvollständige oder missverständliche Angaben in der PKH-Erklärung nur in den seltensten Fällen den Rückschluss auf Betrugsabsichten der Partei zu, vielmehr beruhen diese Mängel häufig auf Unkenntnis und Unerfahrenheit der Partei beim Ausfüllen von amtlichen Formularen. Vorliegend hat das Arbeitsgericht indessen den Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass seine Erklärung in Abschnitt D „möglicherweise nicht ganz richtig“ und unter E, G und H „unvollständig ausgefüllt“ sei. Eine derart pauschale Auflage ist letztlich nicht zielführend und erfüllt nicht die prozessualen Hinweispflichten gemäß § 139 ZPO. Es ist nicht ersichtlich, zu welchen konkreten Punkten der Kläger sich noch erklären sollte und welche Belege er zum Nachweis der Angaben einreichen sollte. Folglich hat der Kläger, der zwischenzeitlich aufgrund seiner Einkommenssituation für beide Kinder keinen Unterhalt mehr leistet, nunmehr in der PKH-Erklärung vom 08.05.2011 in Abschnitt D nur noch das Kind M. eingetragen, für welches er nach wie vor Schulgeld an die Schülerhilfe zahlt, aber wiederum falsch angegeben, dass diese über „eigene Einnahmen“ in Höhe von € 139,00 verfüge. In Abschnitt E hat er den ALG I-Bezug nicht mehr unter „Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit“, sondern unter „andere Einnahmen“ eingetragen, aber wiederum nicht die übrigen Einkommensarten mit „nein“ angekreuzt. Der Kläger ist sichtlich bemüht gewesen, das PKH-Formular ordnungsgemäß auszufüllen, indessen hat er der pauschalen gerichtlichen Auflage nicht entnehmen können, welche konkreten Fragen in dem PKH-Vordruck er noch beantworten und welche Belege er noch nachreichen sollte. 3. Die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht mithin auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs und war demzufolge abzuändern. Der Kläger ist aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen. Dies ergibt sich aus dem beigefügten Berechnungsbogen. Aufgrund seines geringen Einkommens ist der Kläger mit der Zahlung seiner laufenden Miete bereits in Verzug geraten. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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