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Radfahrer müssen einen vorhandenen Radweg nutzen – andernfalls sieht es im Falle eines Unfalls mit Schadensersatzansprüchen schlecht aus!

LANDGERICHT DUISBURG

Az.: 3 O 151/00

Verkündet am 11.10.2000


Auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2000 für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,– DM vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Europäischen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz eines Sachschadens im Hinblick auf einen Verkehrsunfall vom 13. Oktober 1998 in Oberhausen.

An diesem Tag ereignete sich gegen 20.30 Uhr auf der Schwartzstraße, in der Höhe der Stadtsparkasse ein Verkehrsunfall zwischen der Klägerin als Radfahrerin und der Beklagten zu 1. als Busfahrerin.

Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad nicht auf dem vorgesehenen Radweg, sondern direkt auf der Straße in Richtung Hauptbahnhof. Von hinten näherte sich von der Bushaltestelle Rathaus kommend die Beklagte zu 1. mit dem Omnibus der Beklagten zu 2. Die Beklagte zu 1. wollte die Klägerin links überholen. Während dieses Überholvorganges kam die Klägerin mit ihrem Fahrrad zu Fall. Ursprünglich wollte die Klägerin die Straße in Höhe des Fußgängerüberweges, kurz hinter der Kreuzungsstraße nach links überqueren. Eine reguläre Abbiegemöglichkeit ist dort nicht vorgesehen Durch den Sturz mit dem Rad wurde das Fahrrad und die gerade einen Monat alte Jacke der Klägerin beschädigt. Zudem verletzte sich die Klägerin; u.a. erlitt sie einen Darmriß, der operativ behandelt werden mußte.

Die Klägerin behauptet, sie habe ihr Vorhaben, links abbiegen zu wollen, rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt. Diese Ankündigung sei unzweifelhaft und deutlich sichtbar erfolgt. Obwohl sie das Handzeichen bereits gegeben habe und das Fahrrad sich bereits in der Mitte der Straße befunden hätte, habe die Beklagte zu 1. zum Überholen des Rades angesetzt. Als die Klägerin den Bus bemerkt habe, habe sie sich derart erschreckt, daß sie zu Fall gekommen sei. Diesbezüglich kann sie nicht sicher sagen, ob es zudem eine Kollision gegeben habe. Unstreitig konnten am Bus und am Fahrrad keine Spuren festgestellt werden, die auf eine Kollision hindeuten.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagten für den Unfall voll verantwortlich seien. Im Hinblick auf die ihr möglicher

weise zuzurechnende Betriebsgefahr klagt sie jedoch lediglich 75 % des ihr entstandenen Schadens ein.

Im Hinblick auf das begehrte Schmerzensgeld hält sie einen Betrag von 20.000,– DM (100 %), .für angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 422,78 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 6. Mai 2000 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Sie sind der Auffassung, das alleinige Verschulden an dem Verkehrsunfall beruhe auf dem Fehlverhalten der Klägerin. Insofern behaupten sie, daß es zu keiner Berührung zwischen der Klägerin und dem von der Beklagten zu 1. gefahrenen Omnibus der Beklagten zu 2. gekommen sei. Auch habe sich die Beklagte zu 1. verkehrsgerecht auf die Radfahrerin eingestellt: Die Klägerin habe jedoch plötzlich und für die Beklagte zu 1. unerwartet den linken Arm herausgestreckt, um so ihre Linksabbiegeabsicht zu signalisieren. Gleichzeitig habe sie sich in Richtung Fahrbahnmitte bewegt. Auf ,die nach links schwenkende Radfahrerin habe die Beklagte zu 1. sofort reagiert, indem sie, um eine Kollision zu vermeiden, den Omnibus scharf nach links gezogen habe, wodurch die Beklagte zu 1. mit dem Omnibus auf dem Parkstreifen neben der linken Fahrbahn zum Stehen gekommen sei. Bei diesem Ausweichmanöver habe die Beklagte zu 1. einen Sicherheitsabstand von 2,5 m eingehalten.

Im Hinblick auf den geltend gemachten Sachschaden bestreiten die Beklagten, daß das beschädigte Fahrrad noch einen Zeitwert in Höhe der geltend gemachten Reparaturkosten gehabt habe. Ferner könne die Klägerin bezüglich der beschädigten Jacke lediglich den Zeitwert und nicht den Kaufpreis erstattet verlangen.

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Die Strafakte 84 Js 1352/98 war zu Beweiszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Ausgleich des ihr entstandenen Sachschadens noch ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagten zu.

Zunächst kam gegen die Beklagte zu 2. ein Anspruch aus 7 Abs. 1 StVG als Halterin des in den Unfall verwickelten Omnibusses in Betracht. Der Unfall ereignete sich beim Betrieb des Omnibusses und hat zu einem Sachschaden für die Klägerin geführt. Vorliegend ist auch nicht von einem unabwendbaren Ereignis nach § 7 Abs. 2 StVG auszugehen. Im Hinblick auf die Zeugenaussage der Zeugin X ist nicht davon auszugehen, daß der Richtungswechsel von der Klägerin für die Busfahrerin unvorhersehbar war, so daß der Unfall unvermeidbar gewesen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ein idealer Fahrer, auf den im Hinblick auf die Feststellung eines unabwendbaren Ereignisses nach § 7 Abs. 2 StVG abzustellen ist, den von der Klägerin vorgenommenen Richtungswechsel ausreichend früh erkannt hätte und daher den Unfall vermieden hätte. Da jedoch ein Verschulden der Klägerin an der Entstehung des Unfalls mitgewirkt hat, waren die gegenseitigen Betriebsgefahren bzw. Verschuldensbeiträge nach § 17 StVG gegeneinander abzuwägen.

Die Klägerin hat sich aufgrund verschiedener Verstöße gegen die StVO nicht verkehrsgerecht verhalten.

Zunächst hat sie nicht den vorhandenen Radweg benutzt, so daß sie unstreitig gegen § 2 Abs. 4 StVO verstoßen hat. Danach hätte sie als Radfahrerin den rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg benutzen müssen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den von ihr geplanten Abbiegevorgang. Zwar sieht § 9 StVO grundsätzlich auch für Radfahrer vor, daß diese sich beim Linksabbiegen links auf der Straße einordnen müssen, es sei denn, daß die Radwegführung auch einen solchen Abbiegevorgang vorsieht. Das war hier nicht der Fall. Zu beachten ist jedoch, daß an der Unfallstelle gar keine reguläre Abbiegemöglichkeit gegeben war. Die Klägerin wollte bei dem Fußgängerüberweg die Straße kreuzen, ohne daß dies für sie als Radfahrerin vorgesehen war. Insofern hatte sie an dieser Stelle weiterhin den Radweg zu benutzen und hätte erst beim Fußgängerüberweg gegebenenfalls vom Rad absteigen müssen, um diesen zu passieren (vgl. Jagusch/Hentschel, § 2 StVO, Rz. 67; sowie § 9 StVO, Rz. 38).

Gemäß § 9 StVO war die Klägerin zudem verpflichtet, vor dem Abbiegen den rückwärtigen Verkehr passieren zu lassen. Ihrem Vortrag und ihrer Aussage im Strafverfahren ist nicht zu entnehmen, daß sie den rückwärtigen Verkehr überhaupt beachtet hat.

Sie hat angegeben, den Bus überhaupt nicht bemerkt zu haben. Da sich der Bus bereits hinter ihr befand, ist davon auszugehen, daß sie weder einen Schulterblick noch sonstige Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen hat, um vor dem Abbiegevorgang zu überprüfen, ob sie gefahrlos nach links die Fahrbahn queren konnte.

Sofern die Klägerin den Abbiegevorgang bereits vor dem Überholvorgang der Beklagten zu 1. angezeigt hatte und sich schon in Richtung Fahrbahnmitte bewegt hatte, fiele der Beklagten ein Verstoß gegen ‚§ 5 Abs. 4 StVO zur Last. Insofern oblag es der Beklagten zu 1., ihren Überholvorgang zu unterlassen, damit eine Behinderung der Klägerin ausgeschlossen werden konnte. Sie hätte abwarten müssen, bis die Klägerin den angekündigten Abbiegevorgang beendet hatte. Das gilt auch für den Fall, daß die Beklagte zu 1. die Klägerin mit dem Bus gar nicht berührt hat. In jedem Fall wäre von einer Behinderung auszugehen, auch wenn ein Bus derart nah an einen Radfahrer heranfährt, so daß sich der Radfahrer nicht mehr frei in die angezeigte Richtung bewegen kann.

Vorliegend ist jedoch zu beachten, daß für die Klägerin eine reguläre Abbiegemöglichkeit nicht vorgesehen war. Daher musste die Beklagte zu 1. grundsätzlich nicht mit einem Abbiegevorgang durch die vor ihr fahrende Radfahrerin rechnen. Aus dem Vortrag der Klägerin und auch aus der zu Beweiszwecken beigezogenen Strafakte ergibt sich auch nicht, daß die Klägerin ihren Abbiegevorgang so rechtzeitig angekündigt hatte, daß dies für die Beklagte zu 1. offensichtlich zu einem Unterlassen des Überholens hätte führen müssen. Zwar gibt die Zeugin in ihrer schriftlichen Aussage an, daß der Abbiegevorgang aufgrund des von der Klägerin angezeigten Handzeichens erkennbar gewesen sei, aber es ist nicht ersichtlich, wann genau die Klägerin das Handzeichen gegeben hat. Zudem sagt die Zeugin in ihrer

Vernehmung am 30. Juli 1999 aus, daß die Klägerin die ganze Zeit einen gewissen Sicherheitsabstand nach rechts einhielt. Insofern mußte die Beklagte einen Schwenker Richtung Fahrbahnmitte durch die Klägerin nicht sofort als Abbiegevorgang werten. Ein Verstoß ggen § 5 Abs. 4 StVO durch die Beklagte zu 1. ist mithin nicht bewiesen.

Im Hinblick darauf, daß die Klägerin nicht den vorhandenen Radweg benutzte, sowie an einer Stelle abbiegen wollte, an der für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht mit einem Abbiegevorgang gerechnet werden mußte und den rückwärtigen Verkehr nicht beachtet hat, wiegt das Verschulden der Klägerin so schwer, daß eine Haftung der Beklagten zu z. aus § 7 Abs. 1 StVO dahinter zurücktritt.

Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine Haftung der Beklagten zu 1. gemäß § 18 Abs. 1 StVG aus. Für eine Haftung nach dieser Norm wäre ein Verschulden der Beklagten zu 1. von der Klägerin darzulegen und zu beweisen gewesen, was ihr – wie dargelegt – nicht gelungen ist. Insbesondere fehlt eine Angabe, wann sie den Abbiegevorgang angezeigt hat und wann die Beklagte zu 1. den Überholvorgang begonnen hat. Diesbezüglich führt auch die Aussage der Zeugin MMO zu keinem anderen Ergebnis, da auch dort konkrete Angaben nicht erfolgen. Da ein Verschulden nicht festgestellt werden kann scheidet auch ein Anspruch aus §§ 823, 831 BGB aus.

Dementsprechend entfällt auch ein Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB in Verbindung mit §§ 823, 831 BGB weil, auch hierfür das Verschulden an dem Unfall durch die Beklagte zu. 1. darzulegen und zu beweisen gewesen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 15.422,78 DM festgesetzt.

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