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Räumungsfrist auch bei gewerblichem Mietverhältnis

KG

Az.: 8 U 246/11

Urteil vom 17.12.2012


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.10.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin -25 O 476/11- teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.309,89 EUR zu zahlen.

Wegen seitens der Klägerin geltend gemachter weiterer Zahlungsansprüche in Höhe von 76.776,19 EUR ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

Die Beklagte wird verurteilt, das auf dem Grundstück K… 63 a, 1… Berlin befindliche Gebäude – in dem als Anlage beigefügten Lageplan grün umrandet und mit dem Buchstaben „A“ gekennzeichnet – zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen des Räumungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 672.500 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.1.2013 gewährt, die sich um jeweils einen Monat, längstens bis zum 30.9.2013 verlängert, wenn die Nutzungsentschädigung für den jeweils vorhergehenden Monat in Höhe von 68.347,59 EUR bis zum 15. des Monats an die Klägerin gezahlt worden ist.

Gründe

A.

Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 24.10.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin, soweit darin die auf Räumung und Herausgabe des (im Lageplan mit „“ gekennzeichneten) Gebäudes …, … Berlin gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Der Tatbestand wird dahin ergänzt, dass die Klägerin erstinstanzlich behauptet hat, ihr Handlungsbevollmächtigter S… habe der Beklagten gegenüber im Gespräch am 27.06.2011 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses für den Fall „als unvermeidlich angekündigt“, dass die im Schreiben vom 28.06.2011 noch niedergelegten Voraussetzungen nicht erfüllt würden. Das Schreiben der Klägerin vom 28.06.2011 lautet in Ziffer 1. (s. Anl. B 8):

„Es dürfen zukünftig, so insbesondere beginnend ab dem Monat Juli keine Verspätungen mehr hinsichtlich der monatlich geschuldeten 68.347,59 EUR entstehen. Bitte tragen Sie dafür Sorge, dass diese Mieten stets pünktlich wie vertraglich vereinbart, an uns gezahlt werden.“

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

Die Kündigung vom 20.07.2011 sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht in der Summe der besonderen Umstände des Falles rechtsmissbräuchlich gewesen. Dass in vergangenen Jahren Mietrückstände in vergleichbarer Höhe nicht zum Anlass einer Kündigung genommen worden seien, könne der Klägerin nicht entgegen gehalten werden, zumal sie sich in der Vergangenheit im Zusammenhang mit den Zahlungsklagen die Kündigung regelmäßig vorbehalten habe.

Zahlungsrückstände der Sozialträger änderten nichts an der Verpflichtung der Beklagten zur pünktlichen Mietzahlung.

Der Abschluss der Mietvertragsverlängerung im Frühjahr 2011 sei im Vertrauen der Klägerin darauf erfolgt, dass die Beklagte nunmehr künftig pünktlich zahlen werde.

Die drucktechnische Hervorhebung der Ankündigung eines Mahnverfahrens in Bezug auf den bestehenden Mietrückstand von 166.699,18 EUR im Schreiben vom 27.05.2011 (Anl. K 2) ändere nichts daran, dass darin ferner „bei Fortsetzung der vertragswidrig verspäteten Zahlung“ die fristlose Kündigung angedroht worden sei.

Die Verhandlungen der Parteien über den Ausgleich der offenen Mietforderung, insbesondere das Ratenzahlungsangebot der Klägerin vom 28.06.2011 (Anl. B 8), stünden der Kündigung nicht entgegen, da in diesem Schreiben unter Ziffer 1 die Notwendigkeit künftiger pünktlicher Zahlung ausdrücklich betont worden sei.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe das Schreiben der Beklagten vom 13.07.2011 (Anl. B 9) eine gravierende Änderung des Vorschlags vom 28.06.2011 enthalten. Denn darin sei nicht die pünktliche Zahlung der Juli-Miete am 15.07.2011 angekündigt worden, sondern gebeten worden, die künftigen Mieten „zum 17. eines folgenden Monats“ zahlen zu dürfen.

Ferner sei auch die Kündigung im Schriftsatz vom 23.08.2011 (zugestellt mit der Klage am 02.09.2011) wirksam. Die Miete für Juni 2011 sei erst im Oktober 2011 vollständig ausgeglichen worden. Die Zurückweisung der Kündigung durch die Beklagte gemäß § 174 BGB sei unwirksam. § 174 BGB sei auf im Prozess erklärte Kündigungen auch dann nicht anwendbar, wenn sie bereits in der Klage enthalten seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24.10.2011 – 25 O 476/11 – abzuändern und die Beklagte über die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung hinaus zu verurteilen, das auf dem Grundstück … , … Berlin, befindliche Gebäude – in dem als Anlage beigefügten Lageplan grün umrandet und mit den Buchstaben „A“ gekennzeichnet – zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 30.09.2013 zu gewähren.

Die Beklagte erwidert: Die Klägerin habe bei der Vertragsverlängerung im Frühjahr 2011 nicht die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Miete in Zukunft pünktlich gezahlt werde. Die Problematik nicht rechtzeitig zahlender Sozialträger sei der Klägerin, die gleichartige Heime betreibe, bekannt. Auf verspätete Mietzahlung für Juni 2011 könne die Klägerin ihre Kündigung nicht stützen, nachdem sie in Kenntnis der ausbleibenden Zahlung mit der Beklagten verhandelt habe. Die Miete für Juli 2011 sei bis auf einen Teilbetrag von 18.000 EUR pünktlich gezahlt worden. In Betracht komme danach nur eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Die Beklagte habe nach dem Gespräch am 27.06.2011 und dem Schreiben vom 28.06.2011 davon ausgehen können, dass Verhandlungen nicht nur über die Erledigung des Mietrückstands, sondern auch über die weiteren Mietzahlungen möglich seien. Der Wunsch nach einer Verschiebung des Fälligkeitstermins auf den 17. „des Folgemonats“ sei wegen der schleppenden Zahlungsweise der Sozialträger nicht unangemessen gewesen.

Ob es – wie die Klägerin wahrheitswidrig behaupte – am 27.06.2011 eine mündliche Kündigungsandrohung gegeben habe sei unerheblich, da diese jedenfalls durch das Schreiben vom 28.06.2011 „erledigt“ gewesen wäre. Denn die Klägerin habe mit ihrem Schreiben signalisiert, dass sie für den Zeitraum von Verhandlungen über eine Übernahme des Heims durch die Klägerin bereit sei, Mietrückstände hinzunehmen, um diese sodann mit einem Kaufpreis zu verrechnen.

Da es zum Zeitpunkt der Kündigung vom 23.08.2011 keine neuen Mietrückstände gegeben habe, sei sie wie diejenige vom 20.07.2011 zu bewerten. Die Kündigung vom 20.07.2011 könne nicht in eine Abmahnung umgedeutet werden; erforderlich wäre eine Zahlungsfrist gewesen. Zudem habe die Klägerin mit der Kündigung vom 20.07.2011 deutlich gemacht, dass sie das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen wolle, so dass eine Erklärung, welche die Beklagte zur Vertragstreue anhalten soll, nicht vorgelegen habe.

Die Kündigung vom 23.08.2011 sei auch zu Recht gemäß § 174 BGB zurückgewiesen worden. Für den Schutzzweck der Norm sei es unerheblich, ob die Erklärung innerhalb oder außerhalb eines Rechtsstreits abgegeben werde.

Bei der Abwägung, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorliege, sei auch das Interesse der demenzkranken Heimbewohner, die sich nur schwer an eine neue Umgebung gewöhnen könnten, zu beachten.

B.

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts verpflichtet, da die Kündigung der Klägerin vom 20.07.2011 – sowohl nach § 543 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der ständig unpünktlichen Zahlungweise als auch wegen eines erheblichen Zahlungsrückstands i.S. von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a BGB – wirksam ist. Auf die im Prozess mit Schriftsatz vom 23.08.2011 (zugestellt am 02.09.2011) erneut ausgesprochene Kündigung kommt es damit nicht an.

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I.

Die Kündigung vom 20.07.2011 ist wegen unpünktlicher Zahlungsweise der Beklagten wirksam.

1)

Unerheblich ist, dass die Kündigung mit „Zahlungsverzug“ und nicht ausdrücklich mit unpünktlicher Zahlungsweise begründet worden ist. Die Vorschrift des § 569 Abs. 4 BGB, welche die Angabe des wichtigen Grundes erfordert, gilt nur für Wohnraummietverhältnisse (s. § 578 Abs. 2 BGB; Weidenkaff in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 542 Rn 14).

2)

a)

Nach § 543 Abs. 1 BGB ist ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Insbesondere kann die fortdauernde unpünktliche Zahlungsweise des Mieters eine schwerwiegende Vertragsverletzung und einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen (s. BGH NJW-RR 1997, 203; NJW 2006, 1585, 1586 Tz 13). Insoweit genügt es für eine Kündigung regelmäßig, dass nach einer wegen wiederholter Zahlungsverzögerungen ausgesprochenen Abmahnung (§ 543 Abs. 3 S. 1 BGB) ein weiterer Zahlungstermin nicht eingehalten wird. Denn das Verhalten des Mieters nach Abmahnung muss geeignet sein, das Vertrauen des Vermieters in eine pünktliche Zahlungsweise wieder herzustellen (s. BGH NJW 2006, 1585, 1586 Tz 14 f.). Andererseits steht es der Annahme von Unzumutbarkeit für den Vermieter entgegen, wenn er jahrelang eine Überschreitung des Zahlungstermins widerspruchslos hingenommen hat und nach seiner Abmahnung lediglich einmalig ein Zahlungstermin geringfügig überschritten wird (s. BGH NJW 2011, 2201 Tz 20 -jahrelange Hinnahme der Zahlung erst zur Monatsmitte-).

b)

Die Kündigungsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27.05.2011 (K 2) die schleppende Zahlungsweise der Beklagten im Zeitraum ab Januar 2011 gerügt (die Zahlungen waren überwiegend erst im übernächsten Monat erfolgt, für April und Mai war noch keine Zahlung eingegangen), sie aufgefordert, „ab sofort für vertragsgemäße pünktliche Zahlungen zu sorgen“, und „bei Fortsetzung der vertragswidrig verspäteten Zahlung“ eine fristlose Kündigung angedroht.

Sodann hat die Beklagte die nach mündlicher Gestattung (erst) zum 15.06.2011 fällige Miete nicht gezahlt. Die Junimiete war im Übrigen auch per 20.07.2011 noch vollständig offen, und wurde in Teilbeträgen am 30.08.,16.09. und 17.10.2011 beglichen (s. LG-Urteil, UA S. 3, 4). Auch die Miete für Juli 2011 wurde jedenfalls nicht vollständig zum 15.07.2011 gezahlt; ein Restbetrag von 18.000 EUR wurde erst am 27.07.2011 gezahlt.

Bereits mit der Nichtzahlung der Miete am 15.06.2011 nach Abmahnung vom 27.05.2011 ist das Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB entstanden, weil die Beklagte es unterlassen hat, das Vertrauen der Klägerin in eine pünktliche Zahlungweise wieder herzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 08.06.2011 (B 7) zu einem Gespräch am 27.06.2011 einlud, in dem es um die „Mietzahlungen“ gehen sollte. Damit hat die Klägerin nicht (konkludent) erklärt, abweichend von ihrer Abmahnung vom 27.05.2011 keinen Wert auf künftige pünktliche Zahlung zu legen. Hintergrund der Einladung war vielmehr erkennbar, dass die am 27.05.2011 gesetzte Zahlungsfrist zum 03.06.2011 für den Ausgleich des Rückstands von 166.699,18 EUR erfolglos abgelaufen war.

Unschädlich ist, dass die Klägerin die Kündigung nicht sogleich nach dem 15.06.2011 erklärte, sondern erst am 20.07.2011. Auch wenn man, wofür einiges spricht, das Erfordernis des Kündigungsausspruchs innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Berechtigten vom Kündigungsgrund (§ 314 Abs. 3 BGB) im Rahmen einer Kündigung nach § 543 BGB anwendet (s. Senat, Urt. v. 20.12.2004, 8 U 66/04, bei Juris Tz 32; KGR 2003, 186; vgl. auch BGH ZMR 2009, 521, 522; NJW-RR 2007, 886 Tz 21), war diese Frist vorliegend nicht abgelaufen. Die Frist nach § 314 Abs. 3 BGB wird sich regelmäßig in einer Größenordnung von zwei Monaten bewegen, da diese Zeit zur Prüfung und Überlegung des Vermieters, ob eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll, grundsätzlich erforderlich und ausreichend erscheint (vgl. Senat, beide Entscheidungen a.a.O.; vgl. auch BGH NJW-RR 2007, 886 Tz 21: 4 Monate bei Nichtzahlung der Kaution ist nicht zu lang).

Auch steht es der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für die Klägerin im Ergebnis nicht entgegen, dass sie sich am 27.06.2011 auf Verhandlungen in Bezug auf einen ratenweisen Ausgleich des Mietrückstands -einschließlich nunmehr auch der Juni-Miete – eingelassen hat. Damit hat sie zwar zunächst zu erkennen gegeben, dass sie die Vertragsfortsetzung trotz der erneuten Zahlungsstockung nicht als unzumutbar empfand.

Die Klägerin hat damit jedoch nicht auf ein Kündigungsrecht für den Fall weiterer, hinzu tretender Pflichtverletzungen verzichtet, so dass jedenfalls die weitere Nichtzahlung eines nicht unerheblichen Teils der Juli-Miete die Kündigung (wieder) rechtfertigte. Die Klägerin hat im Schreiben vom 28.06.2011 (B 8) ausdrücklich erklärt hat, dass „zukünftig, so insbesondere beginnend ab dem Monat Juli keine Verspätungen mehr .. entstehen“ dürfen. Auch wenn insoweit keine Kündigungsandrohung erfolgte, handelt es sich um eine erneute Abmahnung mit dem Ziel, eine künftig pünktliche Zahlungsweise zu erreichen. Eine sog. qualifizierte Abmahnung mit einer Kündigungsandrohung fordert das Gesetz nicht (vgl. BGH NJW 2007, 2474 Tz 11). Auf die von der Klägerin behauptete Erklärung des Hr. S… am 27.06.2011 kommt es daher nicht an. Der Ernsthaftigkeit der Erklärung vom 28.06.2011 steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Verspätung für Juni nicht zum Anlass für eine Kündigung genommen hatte. Für den Mieter besteht allgemein kein Anlass, aus dem Ausbleiben einer alsbaldigen Reaktion des Vermieters auf eine Vertragsverletzung den Schluss zu ziehen, dass der Vermieter auch aus einer Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens keine Konsequenzen ziehen wird (vgl. BGH NJW 2011, 2201, 2202 Tz 21). Indem die Klägerin ausdrücklich das Erfordernis pünktlicher Zahlungen ab Juli betonte, hat sie an die Abmahnung vom 27.05.2011 angeknüpft und deutlich gemacht, dass sie lediglich bereit ist, den per 28.06.2011 bestehenden Rückstand einer Ratenzahlungsvereinbarung zuzuführen, nicht jedoch, eine Fortsetzung des in der Vergangenheit gezeigten grob vertragswidrigen Zahlungsverhaltens hinzunehmen.

Unter diesen Umständen stellt es einen Kündigungsgrund i.S. von § 543 Abs. 1 BGB dar, dass (jedenfalls) ein Teilbetrag von 18.000 EUR für Juli nicht am 15.07.2011 gezahlt wurde.

Die Entscheidung BGH NJW 2011, 2201, wonach bei umfassender Abwägung der Interessen der Mietvertragsparteien eine einmalige Überschreitung des Zahlungstermins nach Abmahnung nicht für die Annahme einer erheblichen Vertragsverletzung genügt, wenn der Vermieter vor der Abmahnung jahrelang das abgemahnte Verhalten hingenommen hatte, steht dem nicht entgegen. Zum einen handelte es sich dort um einen Sonderfall, der dadurch gekennzeichnet war, dass die Miete seit Beginn des Mietverhältnisses jahrzehntelang unwidersprochen anstatt zum 3. Werktag erst zur Monatsmitte gezahlt worden war, und die Vertragsverletzung nach Abmahnung bestand in der Fortsetzung dieses die Interessen des Vermieters ohnehin nur geringfügig beeinträchtigenden Zahlungsverhaltens. Vorliegend hingegen hat die Beklagte mit der um Monate verzögerten Zahlungsweise, die auch zu wiederholten Zahlungsklagen führte, die Interessen der Beklagten ganz erheblich beeinträchtigt. Zum anderen ist insoweit auch das Zahlungsverhalten der Beklagten für Juni zu berücksichtigen. Gerade vor dem Hintergrund der trotz Abmahnung im Mai ausgebliebenen Junimiete hatte die Beklagte allen Anlass, das Vertrauen der Klägerin in eine pünktliche Zahlungsweise (vgl. BGH NJW 2006, 1585, 1586 Tz 15) wenigstens ab Juli wieder herzustellen. Das Ausbleiben auch nur eines Teilbetrags von 18.000 EUR (ca. 1/4 des Monatsmiete) erscheint insoweit auch nicht als Bagatelle, sondern zeigt, dass die Beklagte (vor dem Ausspruch der Kündigung vom 20.07.2011) nicht bereit oder in der Lage war, ein vertragsgemäßes Zahlungsverhalten an den Tag zu legen.

Die Verhandlungen im Juni 2011 über den Ausgleich offener Mieten lassen die Kündigung vom 20.07.2011 nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als unwirksam erscheinen. Die Beklagte durfte – entgegen ihrer Ansicht in der Berufungserwiderung – nicht davon ausgehen, dass nunmehr auch Verhandlungen über den Fälligkeitstermin geführt werden könnten. Das Schreiben vom 28.06.2011 war eindeutig dahin gefasst, dass in Bezug auf die offenen Forderungen Verhandlungen über eine Ratenzahlungsvereinbarung, hilfsweise über eine Übernahme des Hauses, angeboten wurden, während für die Mieten ab Juli eine pünktliche Zahlung „wie vertraglich vereinbart“ eingefordert wurde. Die Beklagte konnte damit auf ihre Bitte vom 13.07.2011 zur Verlegung des Fälligkeitstermins nicht ernsthaft eine erneute Reaktion bzw. Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung erwarten.

II.

Die Kündigung vom 20.07.2011 ist auch wegen Zahlungsverzugs begründet.

Unstreitig war die Miete für Mai und Juni vollständig und für Juli in Höhe von 18.000 EUR offen, so dass am 20.07.2011 ein kündigungsrelevanter Rückstand im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a BGB bestand.

Einer Abmahnung bedarf es nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB vor Ausspruch der Kündigung wegen Zahlungsverzugs grundsätzlich nicht (vgl. auch BGH ZMR 2009, 521, 522).

Jedoch kann eine Kündigung ohne Abmahnung ausnahmsweise treuwidrig sein, wenn der Mieter auf Grund besonderer Umstände ohne eine solche von einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs überrascht würde (vgl. OLG Hamm ZMR 1998, 493, 494; OLG Frankfurt, Urt. v. 10.08.2007, 2 U 229/06, bei Juris Tz 36; OLG München ZMR 1998, 632, 633; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn XII 135).

So liegt es hier jedoch nicht. Nachdem sich die Parteien – auf Initiative der Klägerin – Ende Juni 2011 in Verhandlungen über einen ratenweisen Ausgleich des Rückstands für Mai und Juni 2011 befanden, musste die Beklagte zwar mit einer fristlosen Kündigung, die auf diesen Rückstand gestützt war, zunächst nicht rechnen. Dies änderte sich jedoch, als ein Teil der Julimiete am 15.07.2011 offen blieb, obwohl die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 28.06.2011 darauf hingewiesen hatte, dass „ab dem Monat Juli“ keine Verspätungen mehr entstehen dürften. Infolge ihres Zahlungsverhaltens musste die Beklagte auch ohne erneute Abmahnung mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Daran ändert der Hinweis im Schreiben vom 28.06.2011 nichts, dass die Klägerin bei Zahlungsunvermögen alternativ bereit sei, „Verhandlungen zu führen über die Übernahme des Hauses, da dann Kaufpreisforderungen mit offenen Mieten verrechnet werden können“. Denn dieses Angebot bezog sich schon seinem Wortlaut nach lediglich auf den vorhergehend unter Ziffer 2 des Schreibens behandelten Vorschlag der Ratenzahlungsvereinbarung in Bezug auf „offene“, also per 28.06.2011 bestehende Forderungen und konnte damit nicht dahin verstanden werden, dass bis auf weiteres auf das gesetzliche Kündigungsrecht wegen eines weiter ansteigenden Mietrückstands verzichtet werde.

III.

Die Kostenentscheidung erster Instanz beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat seiner Kostenentscheidung zutreffend – und von den Parteien unbeanstandet – zugrunde gelegt, dass die Klägerin lediglich gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kosten zu tragen hat, soweit sie mit Schriftsatz vom 08.08.2011 die Klage wegen der schon am 02.08.2011 gezahlten Augustmiete (68.347,59 EUR) zurückgenommen hat, während die weiteren Klagerücknahmen wegen Zahlungen zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zu Lasten der Beklagten gehen, ebenso wie die – rechtskräftige -einseitige Erledigungserklärung im Umfang von 76.776,19 EUR. Ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 894.270,04 EUR (nur) für die Gerichtsgebühren und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin, von 777.574,86 EUR für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und von 676.621,52 EUR für die beiderseitigen Terminsgebühren erster Instanz (672.451,08 EUR + 3.309,89 EUR Zinsen + Feststellungsinteresse nach Kostendifferenz wegen Erledigung über 76.776,19 EUR von 860,55 EUR) ergibt sich eine Unterliegensquote der Klägerin von lediglich ca. 2 %, die geringfügig i.S. von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist.

Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Revisionszulassungsgründe i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

IV.

Der Beklagten war auf ihren Antrag eine Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 ZPO zu gewähren.

Es geht vorliegend um „Räumung von Wohnraum“ im Sinne der Vorschrift. § 721 ZPO ergreift nach seinem Schutzzweck auch gewerbliche Mietverhältnisse, die eine faktische Wohnnutzung zum Gegenstand haben (s. LG Lübeck ZMR 1993, 223, 225 -Frauenhaus -; Stöber in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 721 Rn 2).

Der Senat hat keine Bedenken, der Beklagten eine Räumungsfrist von gut 9 Monaten (bis Ende September 2013) zu gewähren, da es ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass eine geordnete Verlegung des Heimbetriebs eine solche Zeit in Anspruch nimmt, wogegen im Übrigen die – ebenfalls branchenkundige – Klägerin nichts vorgebracht hat.

Jedoch hat das Gericht bei seiner Entscheidung nicht nur das Interesse der Beklagten an einer geordneten Betriebsverlegung sowie der Heimbewohner und der Allgemeinheit an der Vermeidung von Obdachlosigkeit zu berücksichtigen, sondern auch das Interesse der Klägerin daran, durch die Räumungsfristgewährung keinen erheblichen materiellen Schaden zu erleiden. Angesichts der in der Vergangenheit aufgetretenen hohen Zahlungsrückstände und der erheblichen Miethöhe von 68.347,59 EUR monatlich erscheint es dem Senat daher angemessen, vorliegend eine Räumungsfrist anzuordnen, die sich monatsweise nur unter der Bedingung verlängert, dass die Nutzungsentschädigung (§ 546 a Abs. 1 BGB) in Höhe von 68.347,59 EUR jeweils rechtzeitig bis zum 15. des dem Verlängerungszeitraum vorangehenden Monats gezahlt worden ist. Der Senat vermag weder der Vorschrift des § 721 ZPO noch allgemeinen Grundsätzen des Prozess- oder Vollstreckungsrechts einen durchschlagenden Grund zu entnehmen, der einer solchen die Interessen der Vertragsparteien angemessen berücksichtigenden Regelung entgegen steht (im Ergebnis ebenso Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 721 Rn 17; Götz in: MüKO, ZPO, 4. Aufl., § 721 Rn 10; Belz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rn VII 30; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 721 Rn 11; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn XIV 191; s.a. LG Hamburg WuM 1990, 216; LG Mainz WuM 1997, 233; a.A. LG Berlin GE 1991, 881; Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 721 Rn 35).

Der darüber hinaus gehende Antrag der Beklagten ist damit zurückzuweisen.

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