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Schmiergeld: Muss es an den Dienstherrn herausgegeben werden?

Bundesverwaltungsgericht

Az.: 2 C 6/01

Urteil vom 31.01.2002

Vorinstanzen:

I. VG Koblenz Az.: VG 9 K 1333/99 Urteil vom 28.10.1999

II. OVG Koblenz – Az.: OVG 10 A 10513/00 – Urteil vom 24.11.2000


Leitsatze:

Hat ein Beamter für seine dienstliche Tätigkeit „Schmiergelder“ entgegengenommen, so ist er verpflichtet, das Erlangte an seinen Dienstherrn herauszugeben, sofern im Strafverfahren nicht dessen Verfall angeordnet worden ist.

Für den Herausgabeanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist.


In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2002 für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe :

I.

Der Beklagte war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit Beamter der Klägerin. Durch rechtskräftiges Urteil wurde er wegen Bestechlichkeit und Untreue zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatte er im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Vergabe von Auftragen an verschiedene Baufirmen Sachleistungen J im Wert von ca. 18 000 DM und Geldleistungen im Wert von ca. 40 000 DM angenommen und als Gegenleistung die betreffenden Baufirmen bei der Auftragsvergabe bevorzugt. Teilweise hatte er auch nicht erbrachte Leistungen als erbracht bescheinigt und sich einen Teil der von der Klägerin bezahlten Rechnungsbeträge auszahlen lassen. Den Verfall der vom Beklagten empfangenen Leistungen hat das Strafgericht nicht angeordnet.

Mit Schreiben vom 28. April 1999 forderte die Klägerin den Beklagten auf, mehrere im Einzelnen bezeichnete Gegenstande herauszugeben oder im Falle der Unmöglichkeit Wertersatz zu leisten. Der Beklagte wandte hiergegen Verjährung gemäß § 78 Abs. 2 BBG ein. Die im Jahre 1999 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr durch Teilurteil vom 24. November 2000 (DVB1 2001, 752) stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin Auskunft über gezahlte Bargeldbeträge und Art, Zustand und Verbleib mehrerer, im Einzelnen aufgeführter Gegenstände zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich entweder aus der allgemeinen Treuepflicht des Beamten oder aus den auch im öffentlichen Recht anwendbaren bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsbesorgung. Mit der Vergabe der Aufträge habe der Beklagte ein Geschäft seines Dienstherrn und damit ein fremdes Geschäft besorgt. Indem er sich dafür finanzielle Vorteile habe gewähren lassen, habe er das fremde Geschäft teilweise als sein eigenes behandelt. Der daraus resultierende Herausgabeanspruch und der vorgelagerte Auskunftsanspruch unterlägen der dreißigjährigen Verjährung. Gegenüber dem Auskunftsverlangen könne der Beklagte auch nicht auf die Ermittlungen und Feststellungen im Strafverfahren verweisen, weil der Beklagte dort – anders als hier – nicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet gewesen sei. Da die Herausgabeklage noch nicht spruchreif sei, sei der Beklagte zunächst zur Auskunftserteilung zu verurteilen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2000 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. Oktober 1999 zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses teilt im Wesentlichen die Auffassung des Berufungsgerichts.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht, doch stellt sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Mit Recht hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Klägerin war nicht gehalten, ihren Anspruch durch (P) Leistungsbescheid geltend zu machen, sondern konnte stattdessen Klage erheben, nachdem sich der Beklagte in der Vorkorrespondenz unter Berufung auf Verjährung geweigert hatte, dem Auskunfts- und Herausgabeverlangen der Klägerin nachzukommen (vgl. u.a. Urteil vom 6. September 1988 – BVerwG l C 15.86 -Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 4 S. 2 m.w.N. – BVerwGE 80, 164 <166>). Zutreffend ist das Berufungsgericht auch dem Einwand des Beklagten entgegengetreten, der Auskunftserteilung bedürfe es nicht, weil bereits das Strafgericht die notwendigen Feststellungen getroffen habe. Der Beklagte war im Strafprozess nicht verpflichtet, über die empfangenen Geld- und Sachleistungen wahrheitsgemäß Rechenschaft abzulegen.

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus § 78 Abs. l Satz l BBG herleiten lässt. Zwar stellt das Verhalten des Klägers eine schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten dar. § 78 BBG dient jedoch dem Ausgleich des dadurch verursachten Schadens des Dienstherrn. Einen solchen Schaden hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt.

Die Zahlung von Schmiergeldern an einen Beamten schädigt nicht stets den Dienstherrn. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Schmiergeldzahlung oder Vorteilszuwendung sich zum Nachteil des Dienstherrn auf die Preisgestaltung ausgewirkt hat. Hierfür gibt es weder einen allgemeinen Erfahrungssatz noch eine tatsächliche Vermutung. Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.

Der Anspruch der Klägerin auf Ablieferung von Schmiergeldern und Sachzuwendungen lässt sich allerdings entgegen der Annahme des Berufungsgerichts weder auf die allgemeine Treuepflicht des Beamten noch auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 681 in Verbindung mit §§ 667, 666 BGB) stützen. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe und Auskunft ist vielmehr § 70 Satz l BBG.

Das gesetzliche Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken durch einen Beamten in Bezug auf sein Amt (§ 70 Satz l BBG) konkretisiert die Treuepflicht und Pflicr.t zur uneigennützigen Amtsführung (vgl. Urteil vom 20. Januar 2000 – BVerwG 2 C 19.99 – Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 9 S. 1). Es dient der Korruptionsbekämpfung und erfasst deswegen jeden wirtschaftlichen Vorteil, der dem Beamten von dritter Seite zugewendet wird (vgl. Urteil vom 20. Januar 2000, a.a.O. S. 12 m.w.N.). Auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Annahme des Vorteils und der Diensthandlung kommt es nicht an. Es genügt, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten für die Gewahrung des Vorteils maßgebend ist (stRspr; vgl. Urteil vom 20. Januar 2000, a.a.O. S. 12 m.w.N.). Das gesetzliche Verbot der Annahme jedweder Vorteile in Bezug auf das Amt (§ 70 Satz l 33G) umfasst ein „Behaltensverbot“. Verletzt der Beamte das Verbot der Vorteilsannahme, darf ihm das rechtswidrig Zugewendete nicht verbleiben. Das Annahmeverbot setzt sich vielmehr als Herausgabegebot fort. Um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Pflichtverletzung des Beamten eingetreten ist, muss der Beamte all das herausgeben, was er aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens erlangt hat.

Zuwendungen von dritter Seite für eine zum Amt gehörende Tätigkeit sind an den Dienstherrn abzuführen (vgl. Urteil vom 23. April 1998 – BVerwG 2 C 19.97 – BVerwGE 106, 324 <325>), wenn nicht der Verfall des rechtswidrig Erlangten im Strafverfahren angeordnet worden ist (§§ 73 ff. StGB). Gegenüber dem durch § 70 Satz l BBG begründeten Ablieferungsanspruch des Dienstherrn ist der Verfallanspruch des Staates im Strafprozess vorrangig. Hat das Strafgericht – wie im vorliegenden Fall – keinen Verfall angeordnet, bleibt es bei der beamtenrechtlichen Ablieferungspflicht. Diese verjährt nicht nach J § 78 Abs. 2 Satz l BBG in drei Jahren. Der Ablieferungsanspruch aufgrund des § 70 Satz l BBG ist kein Schadenersatzanspruch. Für ihn gilt in Ermangelung einer speziellen Verjährungsvorschrift die regelmäßige Verjährungsfrist (vgl. auch Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 – BVerwGE 66, 251 <253> m.w.N.). Hilfsansprüche wie der Auskunftsanspruch unterliegen ebenfalls dieser Verjährung.

Ein Auskunftsanspruch kann zwar dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn das Informationsbedürfnis mangels Durchsetzbarkeit des Hauptanspruchs entfallen ist (vgl. BGHZ 33, (J) 373 <379>; NJW 1985, 384 m.w.N.). Daran scheitert der Auskunftsanspruch der Klägerin aber nicht. Die vom Beklagten begehrte Auskunft soll erst Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit der Ablieferungsanspruch noch besteht und durchgesetzt werden kann.

An dieser bei Klageerhebung bestehenden Rechtslage hat auch das am Jahresbeginn 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGB1 I S. 3138) nichts geändert. Durch dieses Gesetz ist zwar die Verjährungsfrist generell auf drei Jahre herabgesetzt worden (§ 195 BGB neu). Die Neuregelung gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. l Satz l EGBGB auch für die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche (Art. 2 Nr. 2 des Modernisierungsgesetzes). Nach altem Recht war die Verjährung des Anspruchs durch die Klageerhebung unterbrochen (§ 209 Abs. l BGB) mit der Folge, dass die Unterbrechung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Prozesses fortdauerte (§ 211 Abs. l BGB). Nach neuem Recht führt die Klageerhebung nur zu einer Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. l Nr. l BGB <neu>); die Hemmung tritt ab dem 1. Januar 2002 an die Stelle der Unterbrechung (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB) und dauert daher bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5.281,65 € (entsprechend 10.330 DM) festgesetzt.

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