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Verwaltungsakt (schriftlicher) – Zugang am 3. Tag auch am Sonntag

OVG Lüneburg

Az: 4 LA 44/10

Beschluss vom 28.02.2011


Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seine gegen die Aufhebung der Betriebserlaubnis für eine von ihm betriebene Jugendhilfeeinrichtung gerichtete Klage abgewiesen hat, hat keinen Erfolg.

Die von dem Kläger benannten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vorbringens und der Sachverhaltsumstände zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch Post übermittelt wird, am dritten Tag (hier 26. April 2008) nach der Aufgabe zur Post (hier 23. April 2008) als bekannt gegeben gilt, nicht widerlegt habe, weil er nicht substantiiert Tatsachen dargelegt habe, aus denen sich schlüssig die nicht entfernte Möglichkeit ergebe, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 22. April 2008 ihm erst nach dem von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X fingierten Zeitpunkt, also nach dem 26. April 2008, zugegangen sei. Denn der Kläger hat keine konkreten und aussagekräftigen Anhaltspunkte dargelegt, die unter Berücksichtigung sämtlicher Sachverhaltsumstände einen Zugang des Bescheides nach dem in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X genannten Zeitpunkt nahe legen.

Der Umstand, dass ein Mitarbeiter des Klägers das Empfangsbekenntnis offenbar erst mehrere Wochen nach der telefonischen Nachfrage des Beklagten am 7. Mai 2008 und dann auch noch offensichtlich falsch ausgefüllt hat, weil er darin als Empfangsdatum handschriftlich den 29. Mai 2008 eingetragen hat, zeigt ebenso wie der Umstand, dass das Empfangsbekenntnis erst am 2. Juni 2008 beim Beklagten eingegangen ist, dass der Kläger im Umgang mit der bei ihm eingegangenen (Behörden-) Post jedenfalls im vorliegenden Fall nicht die notwendige Sorgfalt angewandt hat. Dafür spricht auch, dass der Kläger nach Öffnen des angeblich mit einem Eingangsstempel versehen gewesenen Briefumschlags, den er jedoch nicht vorlegt hat, den Bescheid des Beklagten nicht sofort mit einem Eingangsstempel versehen, sondern (unverständlicherweise) zunächst eine Kopie von diesem gefertigt hat. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände davon auszugehen sei, dass der das Datum „29. April 2008“ ausweisende Eingangsstempel auf dem Originalbescheid, den der Kläger offenbar im Termin zur mündlichen Verhandlung dem Verwaltungsgericht vorgelegt hat, nicht zeitnah nach Eingang des Bescheides auf diesem angebracht worden sei und sich daher auch hieraus keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit des von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X fingierten Bekanntgabezeitpunkts herleiten ließen.

Diese ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers zu seiner Berechnung der Klagefrist und seinen diesbezüglichen Eintragungen in seinem persönlichen Kalender, woraus sich der Zugang des Bescheides am 29. April 2008 ergeben soll. Denn abgesehen davon, dass die möglicherweise falsche Berechnung der Klagefrist durch den Kläger keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs des Bescheides beim Kläger liefert, sind diese Behauptungen des Klägers durch nichts belegt.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ferner angeführt hat, dass an seinem Hauptsitz am Samstag nicht gearbeitet werde und der Bescheid ihn daher nicht am 26. April 2008, einem Samstag, erreicht haben könne, ist dies schon deshalb nicht erheblich, weil es für die Bekanntgabe eines Bescheides nach § 37 SGB X nicht darauf ankommt, wann der Empfänger den Bescheid tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, sondern nur, ob dieser so in dessen Machtbereich gelangt ist, dass er von dem Schriftstück hat Kenntnis nehmen können (von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 37 Rn. 4 m.w.N.), was hier auch dann der Fall gewesen ist, wenn der Bescheid am 26. April 2008 in den Briefkasten und damit in den Machtbereich des Klägers gelangt ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es auch nicht darauf an, ob der nach der Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X maßgebende dritte Tag nach der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist. Denn die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greift auch in diesen Fällen ein (BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 12/09 R -; von Wulffen, a.a.O., § 37 Rn. 12; vgl. ferner BSG, Urteil vom 9.12.2008 – B 8/9b SO 13/07 R -, FEVS 60, 550, zu § 4 Abs. 1 VwZG; Nds. OVG, Beschluss vom 26.10.2006 – 7 PA 184/06 -, NVwZ-RR 2007, 78, zu § 41 Abs. 2 VwVfG; OVG NRW, Beschluss vom 7.3.2001 – 19 A 4216/99 -, NVwZ 2001, 1171, zu § 41 Abs. 2 VwVfG NW; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.1991 – 3 S 2492/91 -, NVwZ 1992, 799, zu § 4 Abs. 1 VwZG; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.7.1990 – Gr S 1/90 – 19 B 88.185 -, NJW 1991, 1250, zu Art. 4 Abs. 1 VwVZG BY; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 41 Rn. 42; a. A. zu der Bekanntgabe nach § 122 AO unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Steuerrecht: BFH, Urteil vom 14.10.2003 – IX R 68/98 -, BFHE 203, 26).

Die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X, wonach die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages endet, wenn das Ende der Frist auf einen Sonnabend, einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt, kann hier nämlich nicht angewandt werden, weil diese Vorschrift allein den Ablauf einer Frist regelt, während § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X weder den Ablauf einer Frist normiert noch überhaupt eine Frist im Sinne des § 26 SGB X bestimmt, sondern den Tag der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes, der im Inland durch Post übermittelt wird, fingiert. Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X bestimmt demzufolge im Gegensatz zu einer Fristenregelung auch keine Zeitspanne, innerhalb derer der Empfänger des Verwaltungsaktes eine bestimmte Handlung vornehmen muss, sondern den Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt als bekannt gegeben gilt. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X entspricht damit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Sparsamkeit, weil dadurch in der Regel Ermittlungen zum genauen Tag der Bekanntgabe entfallen (BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 12/09 R -).

Ob der unterschiedliche Regelungsgehalt der o. g. Vorschriften auch einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X im Rahmen des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X entgegensteht, kann hier dahinstehen. Eine analoge Anwendung der Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X scheidet nämlich bereits deshalb von vornherein aus, weil für eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Regelungslücke keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 12/09 R -).

Es besteht im Übrigen entgegen der Meinung des Klägers auch weder aus Rechtsschutzgründen noch im Hinblick darauf, dass die Briefzustellung an Samstagen nicht mehr flächendeckend erfolgen soll, Anlass für eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Denn abgesehen davon, dass die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X in den Fällen, in denen der Bescheid tatsächlich vor Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe zur Post zugegangen ist, faktisch zu einer Verlängerung der Rechtsmittelfrist führt, kann der Empfänger des Verwaltungsaktes diese Fiktion durch die substantiierte Darlegung von Tatsachen, aus denen sich die nicht entfernte Möglichkeit eines späteren Zugangs des betreffenden Bescheides ergibt, widerlegen (siehe hierzu von Wulffen, a.a.O., § 37 Rn. 13 m.w.N.) mit der Folge, dass dann nach § 37 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB X dieser spätere Zeitpunkt für die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 12/09 R -).

Da die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, „ob die Zugangsfiktion auch dann gilt, wenn der dritte Tag nach der Absendung auf einen Samstag fällt, insbesondere dann, wenn der Empfänger an diesem Tag nicht in der Lage ist, Schriftstücke zur Kenntnis zu nehmen“, nach dem oben Gesagten bereits höchstrichterlich geklärt ist, kommt eine Zulassung der Berufung auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht.

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