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Gemeinsames elterliches Sorgerecht trotz KindRG nicht die Regel!

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Az.: 6 UF 151/99

Verkündet am 30. März 2000

Vorinstanz: Amtsgericht Landau in der Pfalz – Az.: 2 F 45/99


Beschluss

In der Familiensache betreffend der Änderung der Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 1696 BGB für das Kind, Bianca geboren 1998, hat der 6. Zivilsenat –Familiensenat- des Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin vom 19./28.10.1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 01.10.1999, der Antragstellerin zugestellt am 05.10.1999, nach Anhörung der Beteiligten auf die mündliche Verhandlung vom 24.02.2000 besch1ossen:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

I. Die Sorgerechtsentscheidung in Ziffer 2. des Verbundurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg im Breisgau vom 29. Oktober 1998 wird dahin geändert, dass die elterliche, Sorge für die Tochter Bianca, geboren 1988, auf die Antragstellerin und Mutter allein übertragen wird.

II. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000,– DM festgesetzt.

Gründe:

Die befristete Beschwerde der Antragstellerin ist gem. den §§ 621 e Abs. 1 und 3, 516, 519 ZPO, 19, 20 FGG zulässig; in der Sache führt sie zu dem erstrebten Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist die im Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg im Breisgau vom 29. Oktober 1998 (Az : 43 F 217/97) getroffene Regelung – gemeinsame elterliche Sorge und Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater – hinsichtlich der Tochter Bianca gemäß § 1696 Abs.1 BGB zu ändern, weil dies aus triftigen, das Wohl des Kindes Bianca nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.

Der Senat ist aufgrund des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass es das Wohl des Kindes Bianca erfordert der Antragstellerin und Mutter entsprechend deren Hauptbegehren die elterliche Alleinsorge zu übertragen.

Der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge steht die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das KindRG vom 16. Dezember 1997 nicht entgegen. Diese enthält nämlich kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehen und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als sogenannte ultima ratio in Betracht kommen sollte (vgl. BTDrucks.13/4899 S. 63, 99; Johannsen/Henrich/ Jaeger, Eherecht, 3.. Aufl., Rdnr. 34 zu § 1671 BGB; BGH FamRZ 1999, 1646 f; Beschluss des Senats vom 9. Dezember 1999, Az.: 6 UF 3/99). Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BTDrucks. 13/4899, S. 63; BGH aaO). Einer solchen Regelung stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt. Daher ist in denjenigen Fällen, in denen die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht „funktioniert“ und es den Eltern nicht gelingt, zu gemeinsamen Entscheidungen im Interesse des Kindes zu gelangen, der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu geben (vgl. BTDrucks. aaO, BGH aaO.).

Im Fall der Tochter Bianca liegen mehrere triftige Gründe vor, die eine Abänmderung der Sorgrechtsregelung des Amtsgerichts – Familiengericht- Freiburg im Breisgau vom 29.10.1998 im Interesse des Kindeswohls gebieten.

Die fast 12 Jahre alte Bianca hat bei ihrer Anhörung durch den Senat sowohl spontan als auch nachhaltig den Wunsch geäußert, künftig bei ihrer Mutter in X zu leben. Diesen Willen hat sie bereits Mitte Oktober 1999 selbst in die Tat umgesetzt, indem sie sich nach einem Ferienaufenthalt bei der Mutter im Schwarzwald weigerte, zu ihrem Vater nach Y zurückzukehren und seitdem im Haushalt ihrer Mutter lebt und in die 6. Klasse der Hauptschule besucht. Ihren Entschluss, bei der Mutter zu bleiben, hat sie bei ihrer Anhörung durch den Senat damit begründet, ihr Väter habe sich nicht mehr um, sie gekümmert; nach der Arbeit sei er „immer erst einen trinken gegangen und dann besoffen nach Hause gekommen“. Außerdem habe er; telefonische Kontakte mit ihrer Mutter stets mit großem Ärger blockiert.

Der Senat hegt keine Zweifel, dass der – de facto bereits dokumentierte – Kindeswille ernsthafter und dauerhafter Natur ist.

Darüber hinaus sprechen auch weitere objektive Gründe für einen Verbleib Biancas bei der Mutter. So haben sich ihre schulischen Leistungen im Vergleich zum letzten Schuljahr, verbessert und stabilisiert; die Mutter nimmt außerdem, die Hilfe einer Erziehungsberatung in Anspruch (vg1. Bericht der Beteiligten zu 4 vom 15. Februar 2000, B1. 50f d.A.).

Auch der Antragsgegner selbst schien dieser Einsicht zu folgen und den Kindeswillen zu respektieren, indem er sich in seiner Beschwerdeerwiderung vom 23.02.2000 mit einer Übertragung des Aufenthaltbestimmungsrechts auf die Mutter einverstanden erklärte.

Die persönliche Anhörung des Antragsgegners und Vaters durch den Senat hat allerdings ergeben, dass diese Einstellung nicht auf einem verständnisvollen Einsehen in die wirklichen Kindesbelange, dagegen auf einer Trotzreaktion des Vaters gründet, der seine Tochter wegen ihres Wechsels zur Mutter „bestrafen“ und fortan nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte.

Der Senat vermag aus eigener Sachkunde zu beurteilen, dass der Antragsgegner infolge seiner verstockten und trotzigen Haltung – zumindest derzeit – zur Erziehung seiner Tochter außer Stande ist. Im Übrigen hat bereits der Sachverständige Diplompsychologe I in seinem im Scheidungsverbundverfahren eingeholten Gutachten vom 12. Juni 1998 wegen der problematischen Persönlichkeit des Vaters, insbesondere dessen mangelnder Kooperationsbereitschaft, generelle Zweifel an dessen Erziehungsfähigkeit gehegt (vgl. Beiakte

43 F 217/97 S. 121 f). Diese Zweifel hat der Antragsgegner eindrucksvoll bestätigt.

Das Verhalten des Antragsgegners nach dem Wechsel Biancas zur Mutter, insbesondere auch seine Äußerungen vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung Verhandlung vom 24. Februar 2000, belegen mit aller Deutlichkeit, dass dieser zumindest derzeit zur elterlichen Kooperation mit der Mutter weder im Stande noch willens ist.

Das Wohl des Kindes Bianca legt es daher mehr als nahe, der Antragstellerin und Mutter die Alleinsorge zu übertragen.

Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sollte dem Antragsgegner allerdings keinen Anlass zur völligen Abkehr von seiner Tochter geben. Bianca hegt nämlich tiefe emotionale Bindungen ihrem Vater und leidet erkennbar unter dessen Liebesentzug. Es entspräche daher dem Wohl des Kindes, wenn sich der Antragsgegner wieder auf seine Vaterrolle besinnen und seine Trotzhaltung – Zeichen eigener psychischer Verletzung- überwinden könnte.

Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Die Anordnung eines Kostenerstattung erscheint nicht geboten (§ 13 a Abs.1 S.1 FGG). Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs.3 S.1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 KostO.

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