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Arbeitnehmer müssen sich selbst über Tarifvertragsänderungen informieren!

Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Az.: 6 Sa 481/02

Verkündet am: 18.07.2002

Vorinstanz: Arbeitsgericht Koblenz – Az.: 7 Ca 2871/01 NR


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich):

Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich selbst über Änderungen des für ihn geltenden Tarifvertrages informieren. Der Arbeitgeber ist aus seiner Fürsorgepflicht heraus nicht verpflichtet, seine Arbeitnehmer auf neue oder veränderte Regelungen des Tarifvertrages aufmerksam zu machen.


Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer hatte mit seiner Klage Überstundenvergütungen gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht. Zur Begründung führte er aus, dass sein Arbeitgeber ihn nicht über die Verringerung der tariflichen Arbeitszeit informiert hatte und er daher einen Anspruch auf Überstundenabgeltung habe. Hiergegen brachte der Arbeitgeber vor, dass der Tarifvertrag über jedermann in der Personalabteilung einsehbar war. Der Kläger hätte also Einsicht nehmen können.

Entscheidungsgründe:

Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Da in dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers auf den Tarifvertrag Bezug genommen war, muss sich der Arbeitnehmer selbständig und regelmäßig über mögliche Änderungen informieren.


Urteil

In dem Rechtsstreit hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 18.07.2002 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.02.2002 – Auswärtige Kammern Neuwied – AZ: 7 Ca 2871/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte, bei der der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.10.1976, wegen dessen weiterer Bestimmung auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen wird, als Hausmeister beschäftigt war, Überstundenvergütung für die Jahre 1995 und 1996 vergüten muß.

Der Kläger hat seine Klage, welche am 09.10.2001 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, im Wesentlichen damit begründet, dass ihm ein Anspruch auf die Zahlung deshalb zustünde, weil die tarifliche Arbeitszeit verringert worden sei, er aber weiterhin sein bisheriges Wochenarbeitsstundendeputat erfüllt habe.

Die Beklagte habe ihn in der Verletzung ihrer Fürsorgepflicht auf die Tarifvertragsänderung nicht hingewiesen und außerdem seien zwei gleichgelagerte Sachverhalte zu seinem Nachteil unterschiedlich behandelt worden, weil ein Kollege, der ebenfalls Hausmeister im Dienst der Stadt gewesen sei, die von ihm geforderten Mehrarbeitsstunden vergütet erhalten habe.

Die Beklagte könne sich auf die Ausschlußfrist nicht berufen, weil sie bewußt den Kläger fehlerhaft vergütet habe, so dass eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliege.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.067,75 EUR (= 6.000,– DM) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat diesen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass die vom Kläger reklamierte Mehrarbeit mit der pauschalen Überstundenvergütung für 8 Stunden pro Woche abgegolten sei.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger ausdrücklich auf jede Tarifänderung hinzuweisen, da der Tarifvertrag für jeden einsehbar in der Personalabteilung aufbewahrt werde.

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes scheide aus, weil sie mit Hausmeistern unterschiedliche, dem jeweiligen Arbeitsbedarf entsprechende Regelungen getroffen habe.

Sie könne sich auf die Ausschlußfrist nach § 70 BAT, der einzelvertraglich anwendbar erklärt worden sei, berufen, wobei die Verjährung die Geltendmachung der Forderung ausschließe.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.02.2002 die Klage abgewiesen und ist im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt habe, wie viele Stunden er wann auf wessen Anweisung hin über die tarifliche Wochenarbeitszeit hinaus geleistet habe. Dies sei aber deshalb erforderlich, weil der Kläger zunächst von 46 und dann pauschal von 51,15 geleisteten Wochenstunden gesprochen habe, so dass er selbst von einer Arbeitsleistung von 46 Stunden pro Woche ausgehe und die behaupteten wöchentlichen 7,5 Überstunden jedoch durch eine Pauschalvergütung von 8 Überstunden pro Woche schon entlohnt seien.

Darüber hinaus sei der Anspruch nach § 70 BAT verfallen, weil er nicht innerhalb der dort geregelten Frist geltend gemacht worden sei.

Aber auch wenn man eine Verletzung der Fürsorgepflicht bei der Beklagten ausmachen wolle, die zu einer Fälligkeit des Vergütungsanspruches wegen der Pflichtverletzung der Beklagten erst mit der Kenntnisnahme von der Tarifänderung beim Kläger und den damit verbundenen Verpflichtung der Überstundenvergütung eingetreten wäre, hätte der Kläger nach Erhalt des Informationsschreibens am 12.07.1996 seinen vermeidlichen Vergütungsanspruch innerhalb von sechs Monaten geltend machen müssen, was nicht erfolgt sei. Außerdem könne sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen, da erst im Jahr 2001 Ansprüche angemeldet worden seien.

Ein Anspruch auf Vergütung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht gegeben, weil eine vergleichbare Gruppe von begünstigten Arbeitnehmern, die ohne Sachgrund besser gestellt seien als der Kläger, nicht ausgemacht werden könne.

Auch eine unerlaubte Handlung, § 823 Abs. 1 BGB, scheide aus, weil allenfalls das Vermögen und kein in dieser Vorschrift In nummerativ aufgezähltes Gut oder Recht verletzt sei.

Nach Zustellung des Urteils am 12.04.2002 hat der Kläger Berufung eingelegt, welche am 13.05.2002 beim Landesarbeitsgericht einging und am 12.06.2002 begründet wurde.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit an, dass ab 01.12.1995 die im Tarifvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit von 46 auf 38,5 Stunden reduziert worden sei, der Kläger jedoch weiterhin 46 Stunden pro Woche und darüber hinaus regelmäßig gearbeitet habe.

Dem Mitarbeiter S habe man im betreffenden Zeitraum einen neuen Arbeitsvertrag gegeben, in dem die Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit von 46 auf 38,5 Stunden pro Woche enthaltengewesen sei und in Befolgung dieser Regelung seien ihm die Überstunden im Gegensatz zum Kläger vergütet worden.

Der Kläger habe auch keine pauschale Überstundenvergütung für 8 Stunden pro Woche erhalten, weswegen seine Forderung aus Verletzung der Fürsorgepflicht wegen des fehlenden Hinweises auf die tarifliche Arbeitszeitänderung begründet sei.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei ebenfalls verletzt, weil der Zeuge Seh die gesamte Vergleichsgruppe darstelle, da es seinerzeit keinen anderen Hausmeister gegeben habe.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der I. Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass ein Anspruch aus Vertragsverletzung wegen fehlender Pflichtverletzung der Beklagten ausscheide. Die Tarifänderung, soweit sie den Umfang der Arbeitszeit des Klägers überhaupt betroffen haben sollte, hätte von der Beklagten dem Kläger nicht mitgeteilt werden müssen, da der Arbeitnehmer sich über die Rechtslage seines vermeintlichen Anspruches selbst informieren müsse.

Die Beklagte habe auch den Gleichbehandlungsgrundsatz deshalb nicht verletzt, weil die Vertragsfreiheit diesem vorgehe und eine Pflicht zur Gleichbehandlung nicht bei Einstellung und individuellen Lohnabreden zu beachten sei. Der vom Kläger angeführte Kollege Seh habe wie der Kläger keine gesonderte Zahlung erhalten, sondern lediglich das vertraglich vereinbarte.

Evtl. Ansprüche des Klägers seien zudem nach § 70 Abs. 1 BAT verfallen, weil der Kläger sie nicht rechtzeitig geltend gemacht habe, zumindest seien sie verjährt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze als auch auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 34 bis 36 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Dem Kläger steht ein Anspruch au die geforderte Zahlung von Mehrarbeitsvergütung deshalb nicht zu, weil er die Ausschlussfrist in § 70 Abs. 1 BAT, der auf Grundarbeitsvertraglicher Vereinbarung, § 2 S. 1 des Arbeitsvertrages, Anwendung findet, nicht beachtet hat, was unter den Parteien insoweit unstreitig ist, da der Kläger erstmals im Jahr 2001 die Forderung aus den Jahren 1995 und 1996 geltend gemacht hat.

Die Beklagte kann sich auch auf den Ablauf der Ausschlussfrist berufen, weil dies nicht arglistig ist. Die Berufung auf eine Ausschlussfrist, die die Geltendmachung von Ansprüchen verlangt, verstößt dann gegen Treu und Glauben, wenn der Schuldner während ihres Laufes den Eindruck erweckt hat, man werde den Anspruch auch ohne eine Geltendmachung anerkennen. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, weil über den Anspruch nie gesprochen worden ist. Auch der Umstand, dass die Beklagte den Kläger, eine Informationspflicht unterstellt, nicht darauf hingewiesen hat, dass sich seine regelmäßige, tarifvertraglich geregelte Arbeitszeit pro Woche reduziert, führt nicht dazu, das Eingreifen der Ausschlussfrist auszuschließen.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Arbeitnehmer selbst sich darum kümmern muss, welche Ansprüche ihm zustehen und er sich auch selbst über die Anspruchsgrundlagen und deren etwaigen Änderungen zu sorgen hat. Dies um so mehr, als im Arbeitsvertrag der Bundesangestelltentarifvertrag insgesamt zur Anwendung gebracht wurde und darüber hinaus die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Da also eine Änderung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, die zulässigerweise an die Regelungen des Tarifvertrages angebunden sind, ohne ausdrückliche Arbeitsvertragsänderung möglich sind, ist es Sache des Arbeitnehmers, sich kundig zu machen, inwieweit für ihn günstigere Regelungen künftig gelten sollen.

Auch die Berufung auf die Verletzung eines arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes führt deshalb nicht weiter, weil zum einen, worauf die Beklagte richtigerweise hinweist, eine Gleichbehandlung im Rahmen der Vertragsgestaltung deshalb nicht anwendbar ist, weil die Vertragsfreiheit diesem vorgeht. Aber der Vortrag des Klägers im Schreiben vom 12.06.2002 lässt seinen Vortrag diesbezüglich deshalb unschlüssig erscheinen, weil er nämlich ausführt, dass mit dem Zeugen S und der Beklagten eine neue vertragliche Regelung gefunden wurde, so dass bereits eine unterschiedliche Fallgestaltung beim Kläger und dem Mitarbeiter S gegeben ist, weil eben dieser eine andere Vertragsregelung mit der Beklagten getroffen hat als er, so dass vergleichbare Sachverhalte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben sind.

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Die Berufung des Klägers ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision ist deshalb nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

 

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